Demenz und Trauer: Ursachen, Auswirkungen und Umgang

Trauer ist eine natürliche Reaktion auf Verluste, insbesondere auf den Tod einer nahestehenden Person. Sie ist oft schmerzhaft, aber die meisten Menschen bewältigen sie ohne professionelle Hilfe. Eine Minderheit erlebt jedoch anhaltende und schwere Trauersymptome, die als anhaltende Trauerstörung bezeichnet werden. Bei Menschen mit Demenz kann Trauer komplexe Auswirkungen haben und besondere Herausforderungen mit sich bringen.

Trauer als normale Reaktion auf Verluste

Trauer ist eine normale und gesunde Reaktion auf Verluste aller Art. Sie kann durch den Tod eines geliebten Menschen ausgelöst werden, aber auch durch andere Verluste wie den Verlust der Gesundheit, der Arbeit oder des Zuhauses. Trauer kann sich auf vielfältige Weise äußern, sowohl emotional als auch körperlich. Zu den häufigsten Symptomen gehören Traurigkeit, Wut, Schuldgefühle, Angst, Müdigkeit, Schlafstörungen und Appetitverlust.

Anhaltende Trauerstörung

In einigen Fällen kann sich die Trauer zu einer anhaltenden Trauerstörung entwickeln. Dies ist eine psychische Erkrankung, die durch anhaltende und schwere Trauersymptome gekennzeichnet ist, die das tägliche Leben beeinträchtigen. Um die Diagnose "anhaltende Trauerstörung" stellen zu können, müssen mehrere Kriterien erfüllt sein: Der Tod einer nahestehenden Person muss mindestens sechs Monate zurückliegen, es besteht ein starkes Verlangen nach der oder dem Verstorbenen oder eine anhaltende Beschäftigung mit der verstorbenen Person, begleitet von starken Gefühlen wie zum Beispiel Trauer, Schuldgefühlen, Wut oder emotionaler Taubheit. Betroffene haben Schwierigkeiten, den Verlust zu akzeptieren, mit anderen sozial zu interagieren oder anderen Aktivitäten nachzugehen. Standardisierte Interviews oder Fragebögen ermöglichen es, eine anhaltende Trauerstörung von einer normalen akuten Trauerreaktion abzugrenzen und auch deren Schweregrad festzustellen.

Demenz und Trauer: Eine komplexe Wechselwirkung

Bei Menschen mit Demenz kann Trauer eine besondere Herausforderung darstellen. Die kognitiven Beeinträchtigungen, die mit Demenz einhergehen, können es den Betroffenen erschweren, ihre Trauer zu verarbeiten und auszudrücken. Darüber hinaus können Demenzkranke den Verlust möglicherweise nicht realisieren oder den aktuellen Verlust mit früheren Verlusten vermischen.

Auswirkungen von Trauer auf Menschen mit Demenz

Trauer kann bei Menschen mit Demenz zu einer Verschlechterung der kognitiven Funktionen, zu Verhaltensauffälligkeiten, zu sozialem Rückzug und zu einer erhöhten Anfälligkeit für Depressionen führen. Es kann auch geschehen, dass Demenzkranke den Verlust nicht realisieren oder den aktuellen Verlust mit früheren Verlusten vermischen. Ein scheinbares Ausbleiben von Verlustreaktionen tritt auch sehr viel häufiger auf als dies bei gesunden Menschen mit normalen intellektuellen Fähigkeiten zu beobachten ist.

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Ursachen für die komplexe Wechselwirkung

Mehrere Faktoren tragen zu der komplexen Wechselwirkung zwischen Demenz und Trauer bei. Erstens können die kognitiven Beeinträchtigungen, die mit Demenz einhergehen, es den Betroffenen erschweren, ihre Trauer zu verarbeiten und auszudrücken. Zweitens können Menschen mit Demenz Schwierigkeiten haben, sich an den Verlust zu erinnern oder ihn zu verstehen. Drittens können Menschen mit Demenz aufgrund ihrer kognitiven Beeinträchtigungen Schwierigkeiten haben, soziale Unterstützung zu suchen und anzunehmen. Viertens können Menschen mit Demenz aufgrund ihrer Verhaltensauffälligkeiten von anderen isoliert werden, was ihre Trauer noch verstärken kann.

Pseudo-Demenz: Depression als Ursache für kognitive Störungen

Es ist wichtig zu beachten, dass Depressionen im Alter oft mit kognitiven Störungen einhergehen können, die fälschlicherweise als Demenz diagnostiziert werden. Dies wird als Pseudo-Demenz bezeichnet. Neben typischen Symptomen wie Antriebsverlust, Verstimmungen und Trauer kommt es vielfach auch zu Störungen der Konzentrations- und Merkfähigkeit. Eine sichere Diagnose ist oft schwierig, da neben den psychischen Beschwerden bei älteren Patienten oftmals körperliche Symptome in den Vordergrund treten. Experten schätzen, dass ca. 10 bis 20 Prozent aller Rentner über 65 von einer Depression betroffen sind (inklusive leichterer depressiver Verstimmungen).

Unterstützung für Menschen mit Demenz und ihre Familien in Trauer

Es ist wichtig, dass Menschen mit Demenz und ihre Familien in ihrem Trauerprozess unterstützt werden. Dies kann durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden, wie z.B.:

  • Aufklärung: Angehörige und Fachkräfte müssen sich dessen bewusst sein, dass Demenzkranke zu Trauer fähig sind und dass ihre Reaktionen falsch gedeutet werden könnten.
  • Kommunikation: Es ist wichtig, mit Menschen mit Demenz über ihre Trauer zu sprechen, auch wenn sie Schwierigkeiten haben, sich auszudrücken.
  • Unterstützung: Angehörige und Fachkräfte sollten Menschen mit Demenz in ihrem Trauerprozess unterstützen, indem sie ihnen zuhören, sie trösten und ihnen helfen, ihre Gefühle auszudrücken.
  • Professionelle Hilfe: In einigen Fällen kann professionelle Hilfe erforderlich sein, um Menschen mit Demenz und ihren Familien bei der Bewältigung ihrer Trauer zu unterstützen.

Umgang mit dem Verlust bei Demenz

Demenzkranke müssen anders an Verlust und Trauer herangeführt werden. Und den Angehörigen muss klar sein, dass sie anders darauf reagieren und damit umgehen könnten. Werden ihre Reaktionen falsch gedeutet, drohen Demenzkranke ohne böse Absicht vom familiären Trauerprozess ausgeschlossen zu werden. Auch Fachkräfte und pflegende Angehörige müssen sich dessen bewusst sein, dass Demenzkranke zu Trauer fähig sind. Gemeinsam müssen wir darauf achten, wie wir sie und ihre Angehörigen am besten in ihrem Trauerprozess unterstützen können.

Weiße Trauer: Trauer um einen lebenden Menschen

"Weiße Trauer oder unsichtbare Trauer", so wird das genannt, wenn man um jemanden trauert, der lebt, also so noch da ist, aber doch irgendwie nicht, so wie das im Lauf eine Demenzerkrankung oft der Fall ist. Es geht dabei übrigens nicht darum, immerzu zu weinen. Weiße Trauer ist ja etwas, oder die Trauer um jemanden, der an Demenz erkrankt ist, ist ja so ein bisschen hin und her springt. Die Person lebt noch. Das heißt, manchmal habe ich vielleicht auch das Gefühl, ich darf gar nicht trauern, dann gibt es natürlich auch schöne Momente, vielleicht Sachen, die wichtig sind und ganz häufig und das ist etwas, was zur Trauer gehört, was aber vielen Trauern denn egal, ob sie um jemanden Trauern, der noch lebt oder um jemanden, der verstorben ist, gar nicht bewusst ist. Das Erste, was wir oder was wir sehr häufig machen bei einer Trauer ist, dass wir sehr stark ins Funktionieren gehen und dieses funktionieren, ist meistens etwas, da bin ich sehr abgespalten von meinen Gefühlen. Trauernde kommen dann zu mir und sagen, ich kann gar nicht richtig weinen. Und wenn ich jemanden als pflegende Angehörige oder überhaupt als Angehörige betreue oder besuche oder mit jemanden zusammen bin, um jemanden traure, dann bin ich ganz häufig auch sehr stark im Funktionieren, weil ich das ja sein muss, weil ich als pflegende Angehörige den Laden am Laufen halte und Laufen halte und in diesem Funktionieren bin ich ganz oft auch gar nicht mit meinen Gefühlen im Kontakt und will das vielleicht auch gar nicht sein, weil ich ja Angst haben muss und dass, wenn ich mal traurig werde oder in die Trauerfalle oder mich der Trauer hingebe, dass vielleicht nicht mehr den Laden am Laufen halten kann oder selber zusammenbreche. Und ich glaube, das ist auch eine große Sorge, die viele umtreibt. Deshalb ist es natürlich etwas, was wir versuchen, fern zu halten, damit wir gar nicht so sehr von den Gefühlen übermannt werden.

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Emotionale Verbundenheit und Trauer bei Demenz

Welchen Einfluss hat die emotionale Verbundenheit unter Eheleuten auf das Trauergefühl, wenn der Ehepartner an Demenz erkrankt ist? Das untersuchte eine Forschungsgruppe aus Israel. Um die emotionale Verbundenheit zu untersuchten, nutzten die Forschenden aus Israel ein spezielles wissenschaftliches Modell. Dieses Modell besagt, dass die Trauer von Angehörigen bei Demenz auf zwei Ebenen stattfinden kann. Einerseits können traumatische und chronische Erfahrungen im Pflegeprozess physische, psychologische und soziale Folgen haben. Die Autoren identifizierten das Ausmaß der emotionalen Verbundenheit zwischen den beiden Ehepartnern als wichtigsten Einflussfaktor auf den Trauerprozess. Aufgrund ihrer Analysen stellten die Forschenden fest: Das Gefühl einer sicheren Bindung innerhalb der Ehe ist ein maßgeblicher schützender Faktor für eine Vielzahl an Begleiterscheinungen des Trauerprozesses. So berichteten Ehepartner, die sich in einer „unsicheren“ Beziehung befanden, etwa von häufigeren Depressionen, mehr Konflikten in der Beziehung sowie einem größerem Leid nach dem Tod des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin im Vergleich zu Partnern in „sicheren“ Beziehungen. Daher ist es wichtig, die Beziehung zu ihrem Ehepartner bzw. Ihrer Ehepartnerin insbesondere zu pflegen.

Belastende Symptome in der letzten Lebensphase bei Demenz

Menschen mit fortgeschrittener Demenz können am Lebensende verschiedene belastenden Beschwerden haben. Schmerzen, Luftnot oder Angst treten bei ihnen ungefähr genauso häufig auf wie bei Menschen mit anderen Erkrankungen. Es ist schwieriger diese Beschwerden bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz zu erkennen, da diese sich meist nicht mehr mit Worten mitteilen können.

Schmerzen

Schmerzen treten häufig auf. Die meisten Menschen mit Demenz erleben im Verlauf ihrer Erkrankung Schmerzen. Diese werden bei ihnen jedoch seltener erkannt und mit Schmerzmitteln behandelt als zum Beispiel bei Menschen mit Krebserkrankungen. Ursachen können Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen durch Verschleißerkrankungen im Alter oder die mangelnde Bewegung durch Bettlägerigkeit, Zahnschmerzen, Harnblasenentzündungen oder Verstopfung sein. Die Einschätzung und Behandlung von Schmerzen bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz sind schwierig. Schon kleine Veränderungen des gewohnten Verhaltens können Hinweise auf Schmerzen sein. Es gibt Hilfen zur Einschätzung von möglichen Schmerzen, sogenannte Skalen. Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeitende von Pflegediensten und Pflegeheimen nutzen diese Skalen häufig und können so regelmäßig die Schmerzen einschätzen. Um ein gutes Bild zur Wirksamkeit zu erhalten, sollten die Beobachtungen aller betreuenden Personen zusammengetragen werden.

Infekte

Das Immunsystem der Menschen mit Demenz ist geschwächt. Insbesondere in der Phase der fortgeschrittenen Demenz erleben die Betroffenen immer wieder Infekte, die mit Fieber verbunden sein können. Häufig sind es Infekte der Lunge bis hin zu Lungenentzündungen, die mit Luftnot einhergehen können. Auch Harnwegsinfekte kommen häufig vor und können starke Schmerzen auslösen.

Luftnot

Neben Schmerzen kann Luftnot sehr belastend und ängstigend für die Betroffenen und die Nahestehenden sein. Sie tritt besonders häufig am Lebensende auf und wird oft nicht erkannt. Die Ursachen und damit verbundene Behandlungsoptionen sind vielfältig. Eine Infektion der Lunge, eine Blutarmut oder weitere Erkrankungen können Ursache der Luftnot sein.

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Unruhe und Angst

Besonders am Lebensende kann sich eine starke Unruhe entwickeln. Diese kann sich durch starke körperliche Unruhe mit immer wiederkehrenden Bewegungen zeigen. Die Menschen versuchen eventuell immer wieder aufzustehen und drohen dabei durch fehlende Kraft zu stürzen. Ein unruhiges Verhalten kann ein Zeichen für Schmerzen sein, bei gut behandelten Schmerzen verschwindet die Unruhe dann wieder.

Sterbeorte und Todesursachen bei Demenz

Die meisten Menschen mit Demenz werden zu Hause von den Angehörigen betreut sowie versorgt und haben den Wunsch, auch dort zu sterben. Dieser Wunsch wird fast der Hälfte der Menschen mit Demenz in Deutschland erfüllt. Mit Fortschreiten der Erkrankung wird häufiger eine Pflegeeinrichtung das neue zu Hause. Überwiegend versterben die Menschen mit fortgeschrittener Demenz jedoch an den Folgen oder Komplikationen der Demenz. Eine der häufigsten Todesursachen ist die Lungenentzündung (Pneumonie).

Die Trauerphase nach dem Tod

Der Tod einer oder eines Nahestehenden ist mit tiefen Emotionen verbunden. Einige Menschen erfasst eine große Traurigkeit, die lange anhält. Andere wiederum erleben neben der Trauer auch eine Erleichterung und haben deshalb vielleicht Schuldgefühle. Solche Reaktionen sind nach einer langen Krankheitsdauer und einer kräftezehrenden Pflege durchaus normal und sollten nicht verurteilt werden. Hinterbliebene müssen nicht allein mit ihrer Trauer bleiben, vielen hilft es sich mit anderen darüber auszutauschen. Auch Personen außerhalb des Familien- und Freundeskreises können Unterstützung bieten.

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