Demenz, Kompetenz und Liebe: Konzepte für einen würdevollen Umgang

Die Demenz stellt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar. Die steigende Zahl der Betroffenen erfordert ein Umdenken in der Gesellschaft und im Gesundheitswesen. Es geht darum, Menschen mit Demenz nicht nur medizinisch und pflegerisch zu versorgen, sondern ihnen ein würdevolles Leben zu ermöglichen, in dem ihre Bedürfnisse nach Liebe, Nähe und Anerkennung berücksichtigt werden.

Demenz: Eine wachsende Herausforderung

Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung, die mit einem Verlust kognitiver Fähigkeiten einhergeht. Die Ursachen sind vielfältig, wobei die Alzheimer-Krankheit die häufigste Form darstellt. Die Symptome können sich in unterschiedlicher Weise äußern und das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinträchtigen.

Nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft lebten Ende 2023 rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland mit einer Demenz. In der Altersgruppe 65+ gab es zwischen 364.000 und 445.000 Neuerkrankungen. Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit, sich mit dem Thema Demenz auseinanderzusetzen und innovative Konzepte für die Betreuung und Begleitung von Menschen mit Demenz zu entwickeln.

Kompetenz in der Demenzversorgung

Eine kompetente Demenzversorgung erfordert ein umfassendes Wissen über die Erkrankung, ihre Ursachen und Verläufe. Fachkräfte in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegediensten müssen in der Lage sein, die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zu erkennen und darauf einzugehen.

Die S3-Leitlinie Demenzen, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), bietet eine wichtige Orientierung für die Diagnostik, Behandlung, Therapie und Pflege von Menschen mit Demenz. Im Mittelpunkt steht dabei ein personenzentrierter Ansatz, der den Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen und seiner Lebenssituation in den Fokus rückt.

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Kommunikationskompetenz

Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz stellt eine besondere Herausforderung dar. Je nach Stadium der Erkrankung kann die verbale Kommunikation eingeschränkt sein oder ganz verloren gehen. Umso wichtiger ist es, auf nonverbale Signale zu achten und alternative Kommunikationsformen zu nutzen.

Methoden wie die Validation, die basale Stimulation und die personzentrierte Pflege basieren auf den Prinzipien der Akzeptanz und Wertschätzung. Sie ermöglichen es, eine Verbindung zu Menschen mit Demenz aufzubauen und ihre Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen.

Validation

Die Validation ist eine von Naomi Feil entwickelte Methode, die darauf abzielt, die Gefühle von Menschen mit Demenz anzuerkennen und zu akzeptieren. Anstatt die Betroffenen zu korrigieren oder in die Realität zurückzuholen, versucht man, ihre Perspektive einzunehmen und Verständnis für ihre aktuelle emotionale Lage aufzubringen.

Die integrative Validation nach Nicole Richard setzt zusätzlich auf die noch vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten der Demenzerkrankten. Durch die Anerkennung ihrer Gefühle und die Wertschätzung ihrer Person kann das Selbstwertgefühl der Betroffenen gesteigert und Stress reduziert werden.

Basale Stimulation

Die basale Stimulation ist ein Konzept, das vor allem bei Menschen mit schwerer Demenz eingesetzt wird, die nicht mehr oder nur schwer in der Lage sind, verbal zu kommunizieren. Durch die Stimulation von visuellen, akustischen, gustatorischen und taktilen Reizen kann die Aufmerksamkeit angeregt und eine Verbindung aufgebaut werden.

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Die basale Stimulation kann in den Alltag integriert werden, beispielsweise bei der täglichen Körperpflege. Sie soll dazu beitragen, das Vertrauen und die Selbstwahrnehmung der Betroffenen zu stärken und gleichzeitig Anspannungen und Ängste abzubauen.

Personzentrierte Pflege

Die personzentrierte Pflege nach Tom Kitwood stellt den Menschen in den Mittelpunkt und nicht die Krankheit. Ziel ist es, das Personsein der Betroffenen zu erhalten und zu fördern. Dies kann durch eine wertschätzende und respektvolle Kommunikation geschehen, aber auch durch Körpersprache, die Sicherheit und Geborgenheit vermittelt.

Kitwood beschreibt die Bedürfnisse, die jeder Mensch braucht, um sich wahrgenommen, wertgeschätzt und als Person zu fühlen, in Form einer Blume. Kern der Blüte ist das Bedürfnis nach Liebe, an welches sich die "Blütenblätter" Trost, Bindung, Einbeziehung, Beschäftigung und Identität anknüpfen.

Ethische Kompetenz

Die Demenzversorgung wirft eine Reihe ethischer Fragen auf. Es geht darum, die Autonomie und Selbstbestimmung der Betroffenen zu wahren, auch wenn sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, ihre Wünsche und Bedürfnisse klar zu äußern.

Eine Patientenverfügung kann sicherstellen, dass die medizinischen Wünsche des Betroffenen auch in unerwarteten Situationen respektiert werden. Sie entlastet zudem die Angehörigen von schwierigen Entscheidungen und schützt vor unerwünschter Über- oder Unterbehandlung.

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Liebe und Intimität im Umgang mit Demenz

Das Bedürfnis nach Liebe, Nähe und Intimität bleibt auch bei Menschen mit Demenz bestehen. Dieser oft tabuisierte Bereich erfordert eine besondere Sensibilität und ein respektvolles Vorgehen von pflegenden Angehörigen und Fachkräften.

Die Veranstaltung "Liebe in der Box - Intimität mit Menschen mit Demenz" beleuchtet diesen wichtigen Aspekt und gibt Einblicke, wie man sensibel und respektvoll mit den Bedürfnissen nach Nähe umgehen kann.

"Erotik in der Box"

Das Konzept "Erotik in der Box" bietet eine innovative Möglichkeit, das Thema Liebe und Erotik auf sensible und respektvolle Weise anzusprechen. Die Box enthält eine breite Palette von Materialien und Aktivitäten, die Gespräche anregen und Erinnerungen wecken können.

Die "Erotikbox" kann sowohl im Pflegeheim als auch zu Hause eingesetzt werden. Sie trägt dazu bei, das wichtige Thema Sexualität nicht zu tabuisieren und dem Grundbedürfnis nach Sexualität von Menschen mit Demenz einen angemessenen Stellenwert zu geben.

Würdevolle Begleitung in allen Phasen der Demenz

Eine Demenzerkrankung verläuft in der Regel in Stadien. Es ist wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, wie man am besten mit den Betroffenen kommunizieren kann. Dabei spielen Kommunikationsregeln eine große Rolle. Wenn man diese Regeln beachtet, können Missverständnisse vermieden und auf die Bedürfnisse der Erkrankten eingegangen werden.

Leichte Demenz

Zu Beginn einer dementiellen Erkrankung ist die Wahrnehmung des Betroffenen zunächst nur wenig verändert. Die Person vergisst eventuell Namen, verlegt Gegenstände oder hat Schwierigkeiten, komplexe Aufgaben zu bewältigen.

Bei der Kommunikation mit Menschen mit leichter Demenz ist es wichtig, den Betroffenen mehr Zeit zum Antworten zu lassen. Man sollte stets zugewandt sein und in einfachen, kurzen Sätzen sprechen. Hilfreich ist es, wenn man langsam und deutlich spricht und das Gesagte mit Gesten unterstützt.

Mittelschwere Demenz

Im Stadium einer mittelschweren Demenz haben Betroffene oft auffällige Denk- und Gedächtnislücken. Sie benötigen verstärkt Hilfe bei alltäglichen Aktivitäten. Die Demenzerkrankten bemerken den Abbau ihrer Fähigkeiten auch selber und versuchen, die Auswirkungen zu bewältigen.

Ab diesem Krankheitsstadium ist es sehr wichtig, auf die jeweils aktuelle Gefühlslage des Angehörigen einzugehen. Man sollte mit Empathie reagieren und vermitteln, dass das Gefühl gerechtfertigt ist.

Schwere Demenz

Im letzten Stadium einer dementiellen Erkrankung geht vielen Betroffenen die Fähigkeit verloren, verbal zu kommunizieren. Eine nonverbale und emotionale Kommunikation zur Verständigung wird dann immer wichtiger.

Für die Kommunikation mit Menschen mit schwerer Demenz eignet sich die Methode der basalen Stimulation besonders gut. Man sollte gerade in diesem Krankheitsstadium nach dem Motto "Weniger ist mehr" handeln. Viele der Betroffenen genießen auch ein schweigendes Beisammensitzen. Hand in Hand. Wichtig ist das Erleben "Ich bin nicht allein".

Wohn- und Betreuungsformen für Menschen mit Demenz

Für Menschen mit Demenz gibt es unterschiedliche Wohn- und Betreuungsformen. Hierbei sollte, wenn möglich, die geeignetste Form für dendie Bewohnerin ausgesucht werden. Eine wohnliche Strukturierung, um Geborgenheit, Vertrautheit, Überschaubarkeit und einen Lebensmittelpunkt zu schaffen, bilden zentral gelegene Gemeinschaftsflächen.

Die Ausstattung der Wohnbereiche sollte einem Milieu angepasst sein, das den sozialen Bedürfnissen derdie Bewohnerin gerecht wird, um eine Kontinuität in der Lebensführung der Bewohner*in zu erhalten. Die Bewohnerzimmer sollten individuell nach lebensgeschichtlichen Aspekten ausgestattet sein. Hier soll ein Milieu geschaffen werden, das Vertrautheit und Wohlbefinden durch persönliche Möbelstücke, Bilder, Fotos, Lampen, Kissen und weiteren persönlichen Gegenständen fördert.

Die Rolle der Angehörigen

Angehörige sind Vertrauenspersonen des demenziell erkrankten Bewohners und somit wichtige Ansprechpartner für die Mitarbeiter*innen. Da Angehörige oftmals auch an der Versorgung beteiligt sind, sollte auf die Beratung, Schulung und Anleitung der Bezugspersonen ein hohes Augenmerk gelegt werden.

Wissen über die Erkrankung und die individuellen Verhaltensweisen im Umgang mit Bewohnern können Sicherheit geben und möglichen Konflikten oder Überforderungstendenzen vorbeugen. Durch Beratung, Schulung und Anleitung können individuelle Lösungsansätze im Umgang mit Bewohnern geschaffen und ein entspanntes Miteinander gefördert und ermöglicht werden.

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