Demenz und Schluckbeschwerden: Ursachen, Erkennung und Umgang

Schluckstörungen (Dysphagie) treten häufig bei Menschen mit Demenz auf und können schwerwiegende Folgen haben, darunter Lungenentzündung, Mangelernährung und soziale Isolation. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Schluckbeschwerden bei Demenz, gibt Hinweise zur Erkennung und bietet praktische Tipps für den Umgang mit dieser Problematik.

Was sind Schluckstörungen (Dysphagie)?

Der Mensch schluckt etwa 2.000 Mal am Tag, meist unbewusst. Eine Schluckstörung (Dysphagie) liegt vor, wenn in einer der Phasen des Schluckvorgangs Probleme auftreten. Da am Schluckvorgang verschiedene Bereiche des Gehirns beteiligt sind, können Durchblutungsstörungen im Gehirn und Schlaganfälle zu Schluckstörungen führen. Rund 60 Prozent aller Schlaganfallpatienten sind davon betroffen. Die Schluckstörung bildet sich meist nicht vollständig selbstständig zurück. Etwa ein Viertel aller Betroffenen verstirbt kurz nach einem Schlaganfall. Häufigste Ursache innerhalb des ersten Jahres ist die Aspirationspneumonie, also eine Lungenentzündung, die durch das Einatmen bzw. Einschlucken von Nahrung oder Getränken beim Schlucken verursacht wird.

Ursachen von Schluckstörungen bei Demenz

Schluckstörungen bei Demenz können verschiedene Ursachen haben:

Kognitive Probleme

Nicht alle Teile des Schluckvorgangs müssen bewusst gesteuert werden. Das Schlucken beginnt aber mit der Intention, etwas zu essen oder zu trinken. Zunächst muss also in der sogenannten präoralen Phase das erkannt werden, was gegessen oder getrunken werden soll. Die Wahrnehmung passiert über das Sehen und Riechen, manchmal auch das Hören und letztlich das Erkennen dessen, was in den Mund genommen werden soll. Danach, in der oralen Vorbereitungs- und Transportphase, muss das Öffnen und Schließen des Mundes, das Kauen und der erste Teil des Herunterschluckens gesteuert werden. Im Verlauf einer Demenzerkrankung gehen die kognitiven Fähigkeiten verloren, die dazu notwendig sind. Menschen mit Demenz haben oft bereits in der ersten Schluckphase Probleme. Motorische Probleme stehen hier nicht im Vordergrund, deshalb spricht man hier eher von einer „intentionalen Ess- und Trinkstörung“ - nicht von einer Dysphagie. Weil Menschen mit Demenz aber oft nicht nur eine Demenz, sondern auch andere altersbedingte Erkrankungen haben, ist eine Mischung aus kognitiven und motorischen Schwierigkeiten nicht selten.

Motorische Probleme

Wenn zum Beispiel das Kleinhirn betroffen ist, kann es zu motorischen Störungen kommen. Dann können die feinen Bewegungsabläufe, die zum Schlucken notwendig sind, nicht mehr umgesetzt werden.

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Altersbedingte Faktoren

Unabhängig von neurologischen Erkrankungen entwickeln ältere und pflegebedürftige Personen oft Schluckstörungen. Häufige Gründe dafür sind Kraftverluste der Kau- und Schluckmuskulatur, vermehrt fehlende Zähne und eine schlechtere Wahrnehmung von Sinnesreizen im Mundraum.

Andere Erkrankungen

Auch Infektionen und Entzündungen im Mund- und Rachenraum, akute Tumore, allgemeine Fehlbildungen und spezielle Situationen wie der Durchbruch des Zwerchfells oder Erkrankungen der Speiseröhre können eine Schluckstörung auslösen. Ebenso sind Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS-Syndrom) oft mit Schluckstörungen verbunden.

Folgen von Schluckstörungen

Die Lungenentzündung ist eins der größten Risiken, die mit einer Schluckstörung verbunden sind. Für ältere Menschen verläuft eine solche Infektion nicht selten tödlich. Auch Mangelernährung und die Unterversorgung mit Flüssigkeit (Exsikkose) können eine gravierende Folge von Schluckstörungen sein.

Essen und Trinken hat aber auch eine wichtige soziale Funktion. Ein gemeinsames Essen verbindet uns und kann uns ein Gefühl von Zugehörigkeit geben. Deshalb ist es besonders wichtig, auch Menschen mit Schluckstörungen so gut wie möglich in dieses alltägliche Ritual einzubinden.

Erkennen von Schluckstörungen

Schluckstörungen kann man unter anderem an Folgendem erkennen:

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  • Häufiges Verschlucken, Räuspern, Husten
  • Häufiges Ausspucken oder Hochwürgen
  • Belegter, feuchter, gurgelnder Stimmklang
  • Das Essen bleibt lange im Mund
  • Nahrung oder Speichel läuft aus dem Mund
  • Veränderte Trink- und Essgewohnheiten
  • Kloßgefühl im Hals
  • Wiederhochbringen von Nahrungsbestandteilen
  • Stimmveränderungen während oder nach dem Essen

Diagnostik und Therapie

Eine Schluckstörung kann durch speziell ausgebildete Logopädinnen und Logopäden (Sprachtherapeuten) diagnostiziert werden, die durch den HNO-Arzt, Neurologen oder Hausarzt dazu einen Auftrag (mittels einer Heilmittelverordnung) bekommen. Die Diagnostik dient dazu, Ansätze für die Therapie sowie spezielle, individuelle Maßnahmen zu entwickeln, mit denen die Nahrungsaufnahme für den oder die Betroffene erleichtert und die Ernährung sichergestellt werden kann. Bei motorischen Problemen konzentriert sich die Behandlung darauf, die Schluckfunktion zu verbessern, etwa durch Training der Kau- und Schluckmuskulatur, die Veränderung der Körperhaltung und den Einsatz von Hilfsmitteln. Logopädinnen und Logopäden können auch Angehörige und Pflegekräfte im Umgang mit einer Schluckstörung beraten. Wünschenswert für eine gute Versorgung ist, dass Angehörige, Pflegepersonal, Therapeuten und Ärzte im Austausch stehen und hilfreiche Maßnahmen für die Betroffenen abstimmen.

Tipps zum Umgang mit Schluckstörungen bei Demenz

Hier sind einige Tipps, die den Umgang mit Schluckstörungen bei Demenz erleichtern können:

Gestaltung der Ess-Situation

Die Ess-Situation sollte bewusst als solche gestaltet werden, damit sie von der demenzkranken Person richtig eingeordnet werden kann. Es ist hilfreich, wenn Pflegende selbst auch essen. Wenn möglich, sollten Menschen mit Demenz in die Zubereitung des Essens einbezogen werden. Es hilft, wenn die betroffene Person selbst den Löffel hält und zum Mund führt. Gegebenenfalls sollte sie dazu angeleitet werden. Das Essen sollte appetitlich angerichtet werden. Eine aufrechte Körperhaltung erleichtert das Schlucken. Menschen mit Schluckstörungen brauchen Zeit und Ruhe zum Essen.

Auswahl und Zubereitung der Nahrung

Die Nahrung sollte leicht zu kauen sein, zum Beispiel weiches Gemüse, wenn nötig löffelfeste Breikost. Besonders schwer zu essen sind Mischkonsistenzen, etwaklare Brühe mit Fleischeinlage. Diese Mischung muss vor dem Schlucken im Mund sortiert werden. Wem das schwer fällt, verschluckt sich daran leicht. Lieblingsspeisen und -getränke können den Appetit verbessern. Speisen können besonders deutlich gewürzt oder gesüßt werden, damit sie im Mund besser wahrgenommen werden. Menschen mit Demenz haben in der Regel eine Vorliebe für Süßes. Das kann man sich zunutze machen.

Unterstützung beim Essen

Wenn man bemerkt, dass jemand Nahrung lange im Mund behält, kann man die Person ans Herunterschlucken erinnern. Nach dem Essen sollte man sicherstellen, dass keine Nahrungsreste im Mund bleiben. Diese könnten eingeatmet und dadurch verschluckt werden. Weil der Mund ein sehr intimer Bereich ist, sollte man bei der Mundpflege behutsam vorgehen. Auch hier kann es hilfreich sein, den Finger oder die Zahnbürste des Betroffenen zu führen.

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Weitere hilfreiche Maßnahmen

  • Regelmäßige Gewichtskontrolle: Um Unterernährung vorzubeugen.
  • Anpassung der Konsistenz: Weiche, homogene und gut formbare Konsistenz wählen. Püriertes Gemüse, weiche Kartoffelgerichte, Rührei, cremige Suppen, Pudding oder Joghurt sind geeignet. Auch angedickte Flüssigkeiten können das Risiko des Verschluckens deutlich senken.
  • Vermeidung ungeeigneter Speisen: Krümelige, faserige oder trockene Speisen wie Körnerbrot, Reis, rohe Salate, Nüsse oder zähes Fleisch vermeiden, da sie leicht im Rachenraum hängen bleiben.
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Achten Sie stets auf ausreichende Trinkmengen.
  • Basale Stimulation: Die gezielte und systematische Förderung von Wahrnehmung und Kommunikation auf elementarer Ebene kann die Essensaufnahme erleichtern.
  • Fingerfood: Bieten Sie folglich Menschen mit Demenz einige Speisen in Form von Fingerfood an. Fingerfood verbessert die Selbstständigkeit und die Selbstbestimmung.
  • Eat by Walking: Dieses Angebot können vor allem noch Demenzerkrankte umsetzen, die sich im frühen Stadium befinden, nicht mehr ruhig am Tisch sitzen und essen können und ruhelos umherwandern.
  • Mundpflege: Eine sorgfältige Mundpflege kann Munderkrankungen wie Zahnfleischentzündungen und Mundsoor vorbeugen, die die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschweren.
  • Regelmäßige Angebote: Bieten Sie Getränke regelmäßig an und positionieren Sie sie an mehreren Stellen in der Wohnung.

Umgang mit Verhaltensweisen während des Essens

Menschen mit Demenz können während des Essens ungewöhnliche Verhaltensweisen zeigen. Hier sind einige Tipps, wie man damit umgehen kann:

  • Unruhe und Aggressivität: Platzwechsel im Speisesaal, Medikamentengabe von vorn mit Erklärung.
  • Verweigertes Essen: Ursachenanalyse (Schmerzen, Erkrankungen im Mund-Rachen-Raum, Schluckstörungen, Medikamentennebenwirkungen, depressive Verstimmungen oder ein verändertes Geschmacksempfinden).
  • Herumgehen während des Essens: Begleitung mit dem Essen (Eat by Walking).

Künstliche Ernährung

Bei stark ausgeprägter Dysphagie kann eine Form der künstlichen Ernährung notwendig sein. Diese soll sicherstellen, dass der oder die Betroffene ausreichend mit Nährstoffen und Flüssigkeit versorgt wird - entweder vorübergehend oder dauerhaft. Möglich ist zum Beispiel, dass dem Patienten oder der Patientin eine Sonde durch die Nase in den Magen geschoben (transnasal) oder mittels Operation direkt durch die Bauchdecke verlegt wird (sogenannte PEG, perkutane endoskopisch kontrollierte Gastrostomie). Die Nahrungszufuhr muss sichergestellt werden, jedoch ohne Zwang, sondern auf eine für den Demenzerkrankten akzeptable Weise. Kleine Tricks wie Zuprosten oder Fragen nach Geschmack und Temperatur regen unauffällig zum Essen an. Kann jemand nicht essen, helfen taktile Reize z. B. die Hand zum Mund führen. Verbale Aufforderungen wirken meist nicht.

Frontotemporale Demenz (FTD) und Schluckstörungen

Bei der Frontotemporalen Demenz sterben Nervenzellen im Frontallappen (Stirnlappen) und Temporallappen (Schläfenlappen) im Gehirn ab. Diese Hirnregionen steuern Gefühle, Sozialverhalten und Sprache. Menschen mit FTD können ein verändertes Essverhalten zeigen, wie zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol. Im späten Stadium können auch körperliche Symptome wie Schwierigkeiten beim Schlucken hinzukommen.

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