Demenzfreundliche Städte in Holland: Einblicke in innovative Betreuungsmodelle

Die Zahl der Menschen mit Demenz steigt weltweit rasant an. In den Niederlanden wird sich die Zahl der Betroffenen Schätzungen zufolge bis 2050 auf etwa 235.000 verdoppeln. Diese Entwicklung stellt neue Herausforderungen an die Gesellschaft und insbesondere an die Gestaltung von Pflegeeinrichtungen und Betreuungsangeboten. In diesem Artikel werden innovative Ansätze in den Niederlanden vorgestellt, die darauf abzielen, Menschen mit Demenz ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Hogeweyk: Ein Dorf für Menschen mit Demenz

Ein besonders bemerkenswertes Beispiel für eine demenzfreundliche Stadt ist Hogeweyk, das weltweit erste Dorf für Menschen mit Demenz in Weesp bei Amsterdam. Hier leben 153 Bewohner in 23 einstöckigen Bungalows mit kleinen Gärten, ohne die typischen Merkmale eines Pflegeheims wie weiße Kittel, Mehrbettzimmer oder Großküchenessen.

Normalität und Freiheit in einer sicheren Umgebung

In Hogeweyk wird ein möglichst normales Leben simuliert. Die Bewohner können sich frei bewegen, im Supermarkt einkaufen, zum Friseur gehen oder das Theater besuchen. Der "Boulevard" im Zentrum ist mit Lichterketten geschmückt und lädt zum Flanieren ein. Einzig die Zugangstür zum Dorf wird von einem Pförtner kontrolliert, um die Sicherheit der Bewohner zu gewährleisten.

Individuelle Lebensstile und Betreuung

Die Bungalows in Hogeweyk sind in sieben verschiedenen Wohnstilen eingerichtet, die den unterschiedlichen Gewohnheiten und Vorlieben der niederländischen Gesellschaft entsprechen. Gemeinsam mit den Angehörigen wird entschieden, welcher Stil am besten zu einem Bewohner passt. So gibt es beispielsweise einen gehobenen Lebensstil mit Porzellangeschirr und klassischer Musik, einen häuslichen, einen kulturellen, einen handwerklichen und einen christlichen Lebensstil.

Auch die Betreuung ist individuell auf die Bedürfnisse der Bewohner abgestimmt. Das Pflegepersonal trägt Alltagskleidung und nimmt die Rolle von Nachbarn, Kassierern oder Bedienungen im Café ein. Es gibt keine festen Pläne, jeder kann ausschlafen und frühstücken, wie er möchte.

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Erfolg und internationale Anerkennung

Das Konzept von Hogeweyk hat sich als erfolgreich erwiesen. Die Bewohner sind fröhlicher und ruhiger als in herkömmlichen Pflegeheimen. Gesundheitsexperten aus aller Welt reisen nach Weesp, um von Hogeweyk zu lernen.

Bemerkenswert ist, dass ein Platz in Hogeweyk nicht teurer ist als in einem herkömmlichen Pflegeheim. Dies liegt daran, dass in Hogeweyk weniger psychologische Betreuung und Medikamente benötigt werden. Stattdessen wird in Beschäftigungsangebote investiert, wie Backen, Singen, Fahrradtouren oder Malen.

Kritik und alternative Ansätze

Trotz des Erfolgs von Hogeweyk gibt es auch Kritik an dem Konzept. Einige bemängeln, dass das Dorf den Demenzkranken eine heile Welt vorgaukelt. Andere plädieren dafür, Menschen mit Demenz so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung zu betreuen.

Demenzfreundliche Initiativen in Amsterdam

Auch in Amsterdam gibt es zahlreiche Initiativen, die darauf abzielen, Menschen mit Demenz ein würdevolles Leben zu ermöglichen. So leben beispielsweise im Pflegeheim "Leo Polak" die Bewohner wie in Familien zusammen, mit viel Unterstützung von Ehrenamtlichen aus der Umgebung. Die Betreuer haben viel Eigenverantwortung und gestalten den Alltag möglichst unkompliziert.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der individuellen Betreuung und der Berücksichtigung der Vorlieben und Abneigungen der Bewohner. So wird beispielsweise darauf geachtet, dass die Bewohner die Kleidung tragen, die sie früher gerne getragen haben, und dass sie an Aktivitäten teilnehmen, die ihnen Freude bereiten.

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Das Pflegeheim bietet auch innovative Beschäftigungsangebote wie einen fiktiven Bus, der Teil einer Videoinstallation ist, oder das "Bike Labyrinth", bei dem die Bewohner auf einem Trimmrad durch virtuelle Landschaften fahren können.

Nationale Strategien und finanzielle Unterstützung

Die Niederlande haben bereits 2004 ein nationales Demenzprogramm gestartet, um ein bedarfsgerechtes Pflegeangebot zu schaffen und die Beratung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen zu verbessern. Mit 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts sind die Niederlande in Europa Spitzenreiter bei den öffentlichen Ausgaben für die Altenpflege.

Die Regierung hat die Pflegesätze angehoben und unter dem Motto "Würde und Stolz" einen Extra-Etat für Zusatzangebote zur Verfügung gestellt. Allerdings wurde im Zuge der Diskussion auch deutlich, dass es nicht nur ums Geld geht, sondern vor allem um die Einstellung.

Die Zukunft der Demenzbetreuung

Die vorgestellten Beispiele zeigen, dass es in den Niederlanden innovative und vielversprechende Ansätze gibt, um Menschen mit Demenz ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Es ist wichtig, diese Ansätze weiterzuentwickeln und an die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen anzupassen.

Von Hogeweyk lernen

Das niederländische Demenzdorf macht vor, dass auch Demenzkranke ein weitgehend normales Leben führen können. Die Menschen, die hier leben, sind ernsthaft demenzkrank. Sie verstehen die Welt draußen nicht mehr. Wenn sie draußen in einen Supermarkt gehen, nehmen sie sich vielleicht eine Flasche Wein mit oder eine Tafel Schokolade. Aber sie verstehen nicht, dass sie dafür auch bezahlen müssen. Wenn eine Frau in diesem Dorf im Supermarkt etwas mitnimmt, ist das kein Problem. Die Angestellten rufen dann die Betreuer der betreffenden Wohnung an und sagen, was die Frau mitgenommen hat. Dann wird die Flasche Wein entweder zurückgebracht, oder - wenn die Bewohnerin sie wirklich haben möchte - wird sie auf eine Rechnung gesetzt, die dann die Angehörigen bekommen.

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Die Rolle der Gesellschaft

Es ist jedoch nicht nur Aufgabe von Pflegeeinrichtungen und der Politik, sich um Menschen mit Demenz zu kümmern. Auch die Gesellschaft als Ganzes ist gefordert, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Menschen mit Demenz wohl und akzeptiert fühlen.

Dazu gehört, dass wir uns mit dem Thema Demenz auseinandersetzen, Vorurteile abbauen und ein offenes und verständnisvolles Miteinander pflegen. Nur so können wir sicherstellen, dass Menschen mit Demenz nicht ausgegrenzt werden, sondern weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

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