Demenz Standard Umsetzung: Eine umfassende Betrachtung

Die Demenz stellt eine immense Herausforderung für Betroffene, Angehörige, Freunde und professionell Pflegende in stationären und ambulanten Einrichtungen dar. Moderne Lösungsansätze in der Demenzversorgung müssen die Vernetzung verschiedener Instanzen berücksichtigen, um Versorgungsbrüche zu vermeiden und eine patientenorientierte Versorgung zu gewährleisten. Die Stärkung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit relevanter Akteure ist ein vorrangiges Ziel der Nationalen Demenzstrategie (NDS), um eine umfassende Vernetzung von Unterstützungs-, Beratungs-, Leistungs- und Teilhabeangeboten durch strukturierte Versorgungspfade zu realisieren.

Die Nationale Demenzstrategie (NDS) und ihre Ziele

Die Nationale Demenzstrategie verfolgt das Ziel, die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu verbessern. Bis Ende 2022, 2024 oder 2026 soll der größte Teil der verabredeten Maßnahmen umgesetzt werden. Dazu sollen vor Ort Strukturen unterstützt oder neu geschaffen werden, die eine bessere Prävention, Aufklärung, gesellschaftliche Teilhabe, pflegerische und medizinische Versorgung und allgemeine Unterstützung für Demenzkranke und ihre Angehörigen ermöglichen. Ein wichtiger Aspekt ist die Förderung der Forschung.

Wichtige Rahmenbedingungen für die pflegerische Versorgung sind die Einführung und weitere Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der demenzielle Veränderungen stärker berücksichtigt, sowie die Umsetzung der Konzertierten Aktion Pflege zur Verbesserung der Ausbildungs-, Arbeits- und Entlohnungsbedingungen von Pflegekräften. Es bedarf auch einer weiteren Stärkung und Entlastung pflegender Angehöriger, der ambulanten und teilstationären Pflege sowie der Kurzzeitpflege, denn drei Viertel der Pflegebedürftigen und damit vermutlich auch der ganz überwiegenden Mehrzahl der an Demenz erkrankten Menschen, werden in der Häuslichkeit versorgt. Elementar sind somit der Aufbau demenzspezifischer Ansprechstellen und der weitere Aufbau von lokalen Allianzen.

Expertenstandard "Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz"

Das Deutsche Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (DNQP) hat in Kooperation mit dem Deutschen Pflegerat und mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit den Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ entwickelt. Dieser Standard soll Pflegekräften Empfehlungen und Anleitungen geben, die die Beziehungsgestaltung mit Demenzpatienten erleichtern und die Grundlage für eine kontinuierlich verbesserte Qualität der Pflege in Deutschland bilden.

Ein zentraler Punkt des Expertenstandards ist die Forderung nach einer personenzentrierten Pflege von Demenzpatienten. Die Beziehungsgestaltung soll von Akzeptanz, Vertrauen und Respekt geprägt sein, wobei Unterschiede zwischen Patient und Pflegekraft außer Acht gelassen und hingenommen werden sollen. Der Expertenstandard richtet sich mit einer Anleitung an Pflegekräfte, die sie bei der Beziehungsgestaltung unterstützen soll.

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Das Demenz-Balance-Modell

Um sich besser in die Situation von Menschen mit Demenz einfühlen zu können, hat Barbara Klee-Reiter das Demenz-Balance-Modell erarbeitet. Dieses Modell verdeutlicht die Notwendigkeit einer authentischen Beziehung in der Pflege von Menschen mit Demenz.

Aktualisierung des Expertenstandards

Mit der ersten Aktualisierung im Jahr 2026 wird der Standard an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und praxisbezogene Anforderungen angepasst. Die Überarbeitung soll stärker auf die Vielfalt der Gesellschaft eingehen und die Bedürfnisse verschiedener Personengruppen, wie z. B. Menschen mit Migrationshintergrund oder Behinderungen, in Bezug auf Pflege und Beziehungsgestaltung berücksichtigen.

Umsetzung des Expertenstandards in der Praxis

Die praktische Umsetzung des Expertenstandards Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz ist für viele Einrichtungen eine Herausforderung im pflegerischen Alltag. Es geht um eine veränderte Perspektive, eine andere Haltung und bewusstes, empathisches Interagieren: weg von der funktionalen Ausrichtung hin zum Erhalt und zur Stärkung der Person.

Das Haus Hasch als Beispiel für eine gelungene Umsetzung

Das Haus Hasch hat sich auf die Betreuung von Menschen mit einer Demenz und/oder mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen spezialisiert. Die Einrichtung ist nicht nur pflegefachlich sehr gut aufgestellt, sondern auch architektonisch nach den Bedürfnissen der BewohnerInnen ausgerichtet. Das Team lässt sich immer neue Ideen für die BewohnerInnen einfallen, wobei das Leitziel immer vor Augen steht: „Die BewohnerInnen sollen sich gehört, verstanden und angenommen fühlen!“

Phasenmodell zur Implementierung des Expertenstandards

Der Expertenstandard enthält ein 4-Phasenmodell, das die Vorgehensweise für seine Implementierung abbildet:

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  1. Vorbereitung: Mitarbeiter schulen und ihnen den Inhalt näherbringen.
  2. Konkretisierung: Auseinandersetzung mit dem Expertenstandard und Herausarbeitung, welche Prozesse in der Pflegeeinrichtung angepasst werden müssen.
  3. Überprüfung: Mit Hilfe eines Audit-Instruments überprüfen, ob die Kriterien umgesetzt wurden.
  4. Dokumentation: Festhalten, welche Maßnahmen eingeleitet werden, um die Kriterien des Expertenstandards umzusetzen.

Die Vorbereitungsphase und die Implementierung der vier Phasen sollen circa 6 Monate in Anspruch nehmen.

Struktur, Prozess und Ergebnis des Expertenstandards

Der Expertenstandard beinhaltet verschiedene Aspekte, die in Struktur, Prozess und Ergebnis unterteilt sind:

  • Haltung und Kompetenz: Die Pflegefachkraft hat eine personenzentrierte Haltung in der Pflege von Menschen mit Demenz entwickelt und verfügt über das Wissen und die Kompetenz, Menschen mit Demenz zu identifizieren und damit einhergehende Unterstützungsbedarfe in der Beziehungsgestaltung fachlich einzuschätzen. Die Einrichtung fördert und unterstützt eine personzentrierte Haltung für eine die Beziehung fördernde und - gestaltende Pflege von Menschen mit Demenz sowie ihren Angehörigen und sorgt für eine person-zentrierte Pflegeorganisation.
  • Planung und Durchführung: Die Pflegefachkraft verfügt über Kompetenzen zur Planung und Koordination von beziehungsfördernden und - gestaltenden Maßnahmen der Pflege von Menschen mit Demenz und plant auf Basis einer Verstehenshypothese unter Einbeziehung des Menschen mit Demenz und seiner Angehörigen sowie den beteiligten Berufsgruppen individuell angepasste beziehungsfördernde und -gestaltende Maßnahmen. Die Einrichtung stellt sicher, dass die Pflege von Menschen mit Demenz auf Basis eines personzentrierten Konzepts gestaltet wird und verfügt über eine interdisziplinäre Verfahrensregelung, in der die Zuständigkeiten für beziehungsfördernde und - gestaltende Angebote definiert sind.
  • Anleitung, Schulung und Beratung: Die Pflegefachkraft verfügt über Wissen und Kompetenzen zur Information, Anleitung, Schulung und Beratung über beziehungsfördernde und -gestaltende Angebote sowie deren Einbindung in Alltagssituationen und informiert, leitet an oder berät den Menschen mit Demenz entsprechend seiner Fähigkeiten über beziehungsfördernde und -gestaltende Angebote. Die Einrichtung schafft Rahmenbedingungen für individuelle Anleitungen und Schulungen von Angehörigen und stellt zielgruppenspezifische Materialien für Information, Anleitung, Schulung und Beratung über beziehungsgestaltende Maßnahmen zur Verfügung.
  • Maßnahmen und Angebote: Die Pflegefachkraft kennt beziehungsfördernde und - gestaltende Angebote und ist in der Lage, die Pflege von Menschen mit Demenz darauf auszurichten und gewährleistet und koordiniert das Angebot sowie die Durchführung von beziehungsfördernden und - gestaltenden Maßnahmen. Die Einrichtung schafft Rahmenbedingungen für personzentrierte, beziehungsfördernde und -gestaltende Angebote und sorgt für einen qualifikationsgemäßen Kenntnisstand aller an der Pflege Beteiligten.
  • Evaluation: Die Pflegefachkraft verfügt über das Wissen und die Kompetenz zur Evaluation beziehungsfördernder und - gestaltender Pflege und überprüft laufend die Wirksamkeit der beziehungsfördernden und - gestaltenden Maßnahmen.

Die Rolle des Paritätischen im Rahmen der Nationalen Demenzstrategie

Der Paritätische beteiligt sich über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) an der Nationalen Demenzstrategie. Die BAGFW ist Mitglied im Netzwerk Nationale Demenzstrategie, hat bei der Entwicklung der Nationalen Demenzstrategie in den Arbeitsgruppen 1, 2 und 3 mitgewirkt und ist an der Umsetzung verschiedener Maßnahmen beteiligt, darunter:

  • Demenzsensible öffentliche Begegnungs- und Verweilräume
  • Einrichtung von demenzspezifischen Ansprechstellen
  • Auf- und Ausbau von Lokalen Allianzen
  • Auf- und Ausbau von ehrenamtlichen Besuchs- und Begleitdiensten in Einrichtungen
  • Etablierung der "Woche der Demenz"
  • Angebote für Kinder und Jugendliche zum Thema Demenz
  • Vernetztes stationäres Wohnen im Quartier
  • Beratung zu Demenz in öffentlichen Einrichtungen
  • Unterstützung entfernt lebender Angehöriger
  • Qualitätsstandards für die Beratung von Menschen mit Demenz
  • Bessere Vermittlung der Leistungen, der Beratungs- und Schulungsansprüche
  • Kostenlose Rechtsberatung bei Bedürftigkeit
  • Vernetzung von Pflege- und Rechtsberatungsstellen sowie Betreuungsvereine
  • Weiterentwicklung und Vernetzung von kultursensiblen Informations- und Beratungsangeboten
  • Bessere Information über Pflegekurse und individuelle Schulungen in der Häuslichkeit
  • Betreuung der demenziell erkrankten Person bei Inanspruchnahme von Pflegekursen
  • Informationen für Unternehmen und Beschäftigte zum Thema Pflege und Beruf
  • Ausweitung und flexiblere Öffnungszeiten der teilstationären Betreuungsangebote
  • Stärkung von psychosozialer Beratung
  • Demenzspezifische Erweiterung des Präventions-Portals
  • Anspruch auf Rehabilitation für pflegende Angehörige und Versorgung der pflegebedürftigen Person nach § 40 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB V
  • Rehabilitation und Vorsorge für pflegende Angehörige in Einrichtungen des Müttergenesungswerk
  • Beratung und Information zur hospizlichen und palliativen Versorgung
  • Verbreitung von Beispielen guter Praxis aus der Hospizarbeit und Palliativversorgung
  • Auf- und Ausbau von Kooperationsstrukturen in der Hospiz- und Palliativversorgung
  • Gewinnung von Ehrenamtlichen zur Begleitung von Menschen mit Demenz in der letzten Lebensphase
  • Ausrichtung der pflegerischen Versorgung und der Leistungsangebote auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff
  • Weiterentwicklung der Kurzzeitpflege für Menschen mit Demenz
  • Umsetzung der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege in die ambulante Versorgung auf einheitlichen Grundlagen
  • Umsetzung der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung
  • Umsetzung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung auf einheitlichen Grundlagen
  • Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege zum Thema "Demenz und Lebensende"
  • Verbesserung der Beratung nach § 37 Abs.

Bedeutung der Beziehungsgestaltung in der Pflege

Die Beziehungsgestaltung ist ein wichtiger Punkt in der Pflege von Patienten mit Demenz. Durch die Krankheit werden sie häufig ausgeschlossen und gemieden. Eine gezielte Beziehungspflege soll dem entgegenwirken: Der Patient soll sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen und von Ihnen unterstützt werden. Durch beziehungsfördernde- und gestaltende Maßnahmen soll dem Patienten zu neuen Beziehungen verholfen und bereits bestehende sollen beibehalten und intensiviert werden.

Umgang mit Menschen mit Demenz in verschiedenen Stadien der Erkrankung

Demenzkranke verlieren nach und nach die Fähigkeit, sich zu orientieren, Informationen zu verstehen und einzuschätzen. Nach den Vorgaben des Expertenstandards sollen Sie ihm in dieser Situation Sicherheit und Halt bieten. Dies gelingt Ihnen am besten, wenn Sie erkennen, welche Unterstützung Ihr demenzerkrankter Patient benötigt.

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  1. Zu Beginn der Erkrankung: Das Erinnerungsvermögen ist nur punktuell beeinträchtigt. Achten Sie die Selbstbestimmung. Nehmen Sie die Person unbedingt ernst und respektieren Sie die Selbstbestimmung. Fördern Sie eigenständige Aktivität und bleiben Sie tolerant.
  2. Fortgeschrittene Erkrankung: Der Patient kann sich Neues immer schlechter merken, lässt sich leicht ablenken und kann sich nur noch über kurze Phasen hinweg konzentrieren. Alltagsaktivitäten kann er nicht mehr ohne Hilfe ausführen. Die Einsichtsfähigkeit lässt nach. Unterstreichen Sie Ihre Worte immer durch Gestik und Mimik. Akzeptieren Sie Verhaltensauffälligkeiten. Behalten Sie einen möglichst gleichförmigen Tagesablauf bei.
  3. Spätes Stadium der Erkrankung: Der Patient hat kaum Erinnerungen, auch nicht an ganz frühe Lebensphasen. Das Sprachvermögen erlischt bis auf das Wiederholen einzelner Worte und Phrasen. Er versteht zunächst noch Körpersprache, später reduziert sich dieses Verständnis auf die Mimik. Vermeiden Sie Reizüberflutung und bieten Sie gezielt Sinnesanregungen an.

Fortbildungen zum Thema Demenz Standard Umsetzung

Um Sicherheit im Umgang mit dem Expertenstandard und seiner Umsetzung zu erhalten, werden Fortbildungen angeboten. Diese vermitteln fundiertes Wissen über die Inhalte, Ziele und Umsetzungsmöglichkeiten des Expertenstandards - inklusive der aktuellen Änderungen durch die 1. Aktualisierung.

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