Demenz und Angstzustände: Ursachen und Behandlungsansätze

Demenz ist mehr als nur Vergesslichkeit. Es ist eine fortschreitende Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigt. Psychiater Frank Jessen von der Universität Köln beschreibt es als einen Prozess, der über Jahre hinweg zur vollständigen Pflegebedürftigkeit führen kann. Demenz ist jedoch keine einzelne Krankheit, sondern ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit Vergesslichkeit einhergehen. Auch die Symptome können variieren: Einige Betroffene sind still und in sich gekehrt, während andere aggressiv und unruhig sein können.

Das Problem der Neuroleptika-Verschreibung

Eine besondere Herausforderung für Angehörige ist die sogenannte "Hinlauf-Tendenz", das unkontrollierte Weglaufen. Um diese und andere Verhaltensweisen zu kontrollieren, werden in der Praxis oft Neuroleptika verschrieben, die die Patienten ruhigstellen. Gerd Glaeske, Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bremen, kritisiert jedoch, dass diese Medikamente zu häufig und unbedacht eingesetzt werden. Laut dem Demenzreport 2020 erhält ein Drittel aller Alzheimer-Patienten Neuroleptika, im stationären Bereich sogar über die Hälfte. Glaeske bemängelt, dass es hierbei oft mehr um Ruhigstellung als um Therapie gehe.

Die Risiken von Neuroleptika

Der Psychiater Frank Jessen weist darauf hin, dass diese Medikamente oft leichtfertig eingesetzt werden. Seit 2002 ist bekannt, dass Neuroleptika bei Alzheimer-Patienten mehr schaden als nutzen können. Die langfristige Einnahme erhöht das Sterberisiko um das 1,7-fache und kann Parkinson-ähnliche Symptome wie Zittern und Unruhe verursachen. Glaeske betont, dass die weit verbreitete Verordnung von Neuroleptika keine akzeptable Langzeitstrategie ist. Stattdessen erhalten nur etwa 20 Prozent der Patienten spezielle Medikamente gegen Demenz.

Neue Wege in der Behandlung: Früherkennung und aktivierende Pflege

Da es derzeit keine Therapie gibt, die Alzheimer heilen oder aufhalten kann, suchen Forscher nach anderen Lösungen. Frank Jessen betont die Bedeutung der Früherkennung und Prävention: "Alles, was kaputtgegangen ist im Gehirn, das kriegt man nicht mehr zurück." Er empfiehlt einen gesunden, aktiven Lebensstil mit Bewegung, ausgewogener Ernährung und sozialer Teilhabe, um das Demenzrisiko zu verringern. Auch Gedächtnistraining kann das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen.

Aktivierende Pflegekonzepte als Zukunftsmodell

Da Medikamente und Präventionsprogramme nicht alle Probleme lösen können, gewinnen aktivierende Pflegekonzepte an Bedeutung. Das St. Anna-Stift Kroge in Niedersachsen setzt beispielsweise auf die "Silviahemmet®- Pflegephilosophie", die auf die schwedische Königin Silvia zurückgeht. Ziel ist es, die Lebensqualität der dementen Menschen zu verbessern, indem man auf ihre individuellen Bedürfnisse eingeht und Ursachenforschung betreibt. Christopher Eckhardt berichtet, dass in diesem Ansatz Medikamente in 80 bis 90 Prozent der Fälle reduziert werden können.

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Aggressivität und Verhaltensänderungen bei Demenz

Menschen mit Demenz verändern oft ihr Verhalten. Sie können reizbar, aufgeregt oder zurückgezogen sein. In manchen Fällen kommt es zu Aggressivität und Wut. Dieses Verhalten ist komplex und wird oft missverstanden. Es kann durch Frustration über den kognitiven Abbau oder durch äußere Faktoren ausgelöst werden.

Ursachen und Umgang mit Aggressionen

Es ist wichtig zu verstehen, dass aggressives Verhalten bei Demenz meist nicht absichtlich erfolgt. Vielmehr handelt es sich um eine Reaktion auf Überforderung, Verwirrung oder Schmerzen. Folgende Faktoren können eine Rolle spielen:

  • Verwirrung und Frustration: Die Erkrankung selbst kann zu Verwirrung und Frustration führen.
  • Reizüberflutung: Zu viele Geräusche oder eine hektische Umgebung können überfordern.
  • Schmerzen: Körperliche Schmerzen oder Unwohlsein können Aggressionen auslösen.
  • Allgemeiner Stress: Überforderungssituationen im Alltag können zu Ungeduld und Gereiztheit führen.

Eine Schweizer Studie hat gezeigt, dass bis zur Hälfte der Demenzkranken in Pflegeheimen je nach Situation verbal oder körperlich aggressiv reagieren können. Es ist wichtig zu bedenken, dass etwa 80 Prozent der Verhaltensprobleme durch ungeeignete Umgebungsbedingungen verursacht werden.

Verhaltenstipps für Angehörige

Der Umgang mit Aggressionen bei Demenz ist für Angehörige oft eine große Herausforderung. Hier sind einige Tipps:

  • Ruhe bewahren: Sprechen Sie in einem ruhigen Tonfall und in kurzen Sätzen.
  • Verständnis zeigen: Versuchen Sie, die Situation aus der Sicht des Betroffenen zu sehen.
  • Ursachenforschung betreiben: Was ist vor dem aggressiven Verhalten passiert?
  • Reize reduzieren: Vermeiden Sie Lärm und Hektik.
  • Schmerzen behandeln: Sorgen Sie für regelmäßige Untersuchungen und Schmerzmedikation.
  • Professionelle Hilfe suchen: Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bietet eine kostenlose Beratungshotline an (030 - 259 37 95 14).

Medikamentöse Behandlung von Aggressionen

Medikamente zur Beruhigung sollten nur unter strenger ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden, da sie Nebenwirkungen haben können. Risperidon und Haloperidol können bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz eingesetzt werden, insbesondere bei Streitsucht oder Aggressivität. Es sollte jedoch immer ein Plan mit nicht-medikamentösen und medikamentösen Methoden erstellt werden.

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Angstzustände bei Demenz

Angst ist eine häufige Begleiterscheinung von Demenz. Sie kann durch die kognitiven Einschränkungen, den Verlust der Selbstständigkeit und die veränderte Wahrnehmung der Umwelt ausgelöst werden.

Ursachen von Angst im Alter

Mit zunehmendem Alter nimmt die Fähigkeit ab, mit Angst angemessen umzugehen. Ältere Menschen ziehen sich oft zurück und zeigen ihre Gefühle weniger. Der kognitive und körperliche Abbau verstärkt das Gefühl von Unsicherheit und Angst.

Symptome von Angststörungen im Alter

Angsterkrankungen werden im Alter oft unterschätzt, da die Symptome weniger dramatisch sind als in jüngeren Jahren. Rückzugsverhalten wird oft als alterstypisch interpretiert und nicht als Zeichen von Angst.

Umgang mit Angst bei Demenz

Um Angst zu reduzieren, ist es wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung zum Erkrankten aufzubauen und Sicherheit zu vermitteln. Pflegende sollten Umgebungsstressoren reduzieren, angstbindende Körpersprache anbieten und vermehrt auf individuelle Zuwendung achten.

Therapie von Angststörungen im Alter

Psychotherapie, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie, ist ein wichtiger Behandlungsansatz. Auch Entspannungsverfahren können hilfreich sein. Medikamente werden vor allem dann eingesetzt, wenn die Symptome stark ausgeprägt sind.

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Nicht-medikamentöse Therapieverfahren

Neben Medikamenten spielen nicht-medikamentöse Therapieverfahren eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Demenz und ihren Begleiterscheinungen.

Psychosoziale Interventionen

Es gibt evidenzbasierte Daten für die Wirksamkeit von psychosozialen Interventionen wie Erinnerungstherapie, Ergotherapie, körperliche Aktivitäten und aktive Musiktherapie.

Psychoedukation und Schulung

Alle an der Betreuung des Patienten beteiligten Personen sollten eine Psychoedukation und Schulung erhalten, um einen defizitorientierten Umgang zu vermeiden.

Kommunikation

In der Kommunikation mit dem Kranken sind kurze, prägnante Sätze, eine flexible Wortwahl und eine sonore, angenehme Stimmlage hilfreich.

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