Die Validation nach Naomi Feil ist ein umfassendes Konzept, das sich auf den Umgang mit desorientierten, alten Menschen konzentriert. Im Kern ist Validation eine Kommunikationsmethode, die aus einem Bündel von verbalen und non-verbalen Konzepten besteht. Sie wird hauptsächlich in der Alterspflege angewendet und zielt darauf ab, eine Brücke zur Erlebniswelt der Betroffenen zu bauen.
Was bedeutet Validation?
Validation bedeutet so viel wie „Gültigkeitserklärung“ oder „Das Wertvolle finden“. Validieren heißt, den älteren Menschen dort aufzusuchen, wo er sich befindet, seine Realität zu respektieren und ihn in seinem Verhalten und seiner Persönlichkeit gelten zu lassen. Dies gibt ihm Sicherheit und Stärke und damit seine Würde zurück. Validation ist aber auch eine Gegenmaßnahme gegen unsere gewohnheitsmäßigen Reaktionen auf verwirrte Menschen: Die Validation hilft uns, eine neue Perspektive einzunehmen, mit welcher wir Demenzkranken mit positiver Grundhaltung begegnen können (und uns dabei selber auch besser fühlen).
Die Grundlagen der Validation nach Naomi Feil
Naomi Feil, die Begründerin der Validationsmethode, wurde 1932 in München geboren. Zusammen mit ihren jüdischen Eltern floh sie vor den Nationalsozialisten nach Amerika. Sie wuchs in Cleveland in einem Altenheim auf, das ihre Eltern leiteten. 1956 schloss Naomi Feil ihr Studium als Sozialarbeiterin an der Universität von Columbia ab; ihr Spezialgebiet war Gruppenarbeit mit sehr alten Menschen. 1963 kehrte sie ins Altenheim nach Cleveland zurück und entwickelte dort in der Zeit bis 1980 die Validationsmethode. Feil befasste sich speziell mit desorientierten Hochbetagten mit Diagnose Alzheimer.
Naomi Feil orientiert sich am Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung nach Erikson und erweitert dieses: Die letzte Lebensaufgabe des Menschen ist es, die Vergangenheit aufzuarbeiten, um in Frieden sterben zu können. „Walking in the shoes of the other“ - In den Schuhen des Anderen gehen. So lautet das oberste Prinzip von Naomi Feil. Ziel der Validation ist es, sich über die Gefühlswelt der betroffenen Menschen unter Berücksichtigung ihrer Biografie einen Zugang zu ihrer Erlebniswelt zu ermöglichen. Naomi Feil formuliert dies mit ihrem bekannten Satz: „Wir müssen lernen in den Schuhen des anderen zu gehen“.
Die vier Phasen der Desorientierung nach Feil
Feil identifizierte vier Stadien der Desorientierung bei älteren Menschen:
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- Stadium 1: Mangelhafte Orientierung: Welche noch verheimlicht werden kann.
- Stadium 2: Der desorientierte Patient hat einen ausgeprägten Isolationsdrang: Er lebt mehr und mehr in seinen eigenen Erinnerungen.
- Stadium 3: Der Patient zeigt wiederholende Bewegungen: Wie rhythmisches Schlagen, ständiges Auf-und-ab-Gehen. Die Sprache und das Denkvermögen gehen verloren.
- Stadium 4: Der desorientierte Patient „vegetiert“ nur noch vor sich hin: Er sitzt apathisch in einem Stuhl oder liegt teilnahmslos im Bett.
Die Prinzipien der Validation
Die Einstellung gegenüber dementen Menschen ist für die Anwendung von Validation wichtiger als die konkreten Techniken. Die Methode basiert auf Empathie, Akzeptanz und Authentizität. Der Rückzug in die Vergangenheit muss akzeptiert werden. Im Pflegealltag bedeutet Validation eine Haltung, die auf Akzeptanz, Wertschätzung, Empathie und einem tiefen Verständnis für die Einschränkungen des Patienten basiert.
- Widersprich niemals: Der Patient würde es nicht verstehen. Gehe auf die dahinterliegenden Bedürfnisse und Gefühle ein, nicht auf die vordergründigen Verhaltensweisen und Aussagen.
- Lüge niemals.
- Eine hohe Kontaktqualität ist essenziell.
Ziele und Vorteile der Validation
Ziele im Alltag der Betroffenen: Validation stärkt das Selbstwertgefühl und vermittelt Sicherheit. Die Anwendung von Validation kann dazu beitragen, das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Demenzkranken zu verbessern. Die Methode des Validierens vermindert den Stress von Betreuern und Betreuten, vermittelt dem Verwirrten Geborgenheit und hilft dem Pflegenden, demente alte Menschen zu verstehen. Validation akzeptiert den Menschen so, wie er ist. Die Gefühle und die innere Erlebniswelt des verwirrten Menschen werden respektiert. Diese Menschen in ihrer eigenen Welt zu erreichen - das ist die Kunst der Validation. Wir erreichen durch diese Methode eine Steigerung ihres Selbstwertgefühls und reduzieren ihren Stress sowie den der Betreuenden.
Praktische Anwendung der Validation: Drei Schritte
Drei Schritte zur praktischen Anwendung: Gefühle erkennen, benennen und durch vertraute Sprichwörter oder biografische Bezüge bestätigen - so gewinnen Demenzerkrankte Orientierung.
- Schritt 1: Gefühle des Demenzkranken analysieren: Sie fragen sich als Pflege- oder Betreuungskraft: Was sind die Gefühle des demenziell Erkrankten? Welche Gefühle bewirken seine Handlungen und Handlungsimpulse? Beispiele: Der Erkrankte ist aufgeregt, hilflos, fühlt sich einsam, traurig, sorgenvoll, ist pflichtbewusst.
- Schritt 2: Gefühle des Demenzkranken ausformulieren: Die wahrgenommenen Gefühle und Antriebe werden von Ihnen mit kleinen Sätzen, die dem Sprachgebrauch des Erkrankten angepasst sind, formuliert, angenommen, akzeptiert, wertgeschätzt und zugelassen. Beispiel: Sie sind gerade ganz aufgeregt; Sie fühlen sich hilflos; das macht Sie traurig; Sie fühlen sich sehr einsam; Sie sorgen sich; Sie wollen schließlich Ihre Pflicht erfüllen.
- Schritt 3: Gefühle als allgemein akzeptiert bestätigen - die eigentliche Validation: Wichtig ist nun, dass Sie dem Demenzkranken zeigen, dass sein Innenleben „in Ordnung“ ist, dass das, was er sagt, tut und fühlt, völlig normal und akzeptiert ist. Da bei alten Menschen Sprichwörter, Volksweisheiten, Redewendungen, Lieder, etc. tief im Gedächtnis eingegraben sind, ist es am einfachsten, ihre Erinnerung daran wachzurufen: Hier findet der demente Patient die Bestätigung, Bekräftigung seiner Gefühle und Gedanken.
Verbale und nonverbale Kommunikation in der Validation
Die Validation umfasst eine verbale und eine nonverbale Kommunikationsform, die sich auf die Beziehungsebene konzentriert. In der Validation® spielt die nonverbale Verständigung eine ebenso große Rolle wie die verbale. Angewendet werden auch Angebote wie Erinnerungsarbeit, Singen oder bestimmte "verankerte" Berührungen.
Verbale Techniken
W-Fragen, wie „Wer?, Was?, Wo?, Wie? und "Wann“ sind ideal - vermieden wird „Warum?“ (es verlangt eine logische Erklärung, wozu demenziell Erkrankte meist nicht fähig sind).
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Nonverbale Techniken
Berührung ist eine gute Möglichkeit in Kontakt zu treten. Legen Sie der Person behutsam die Hand auf die Schulter, nehmen Sie seine Hand bei der Ansprache. Musik & Singen ist oft, auch nach dem Verlust der Sprache, noch eine Möglichkeit eine Emotionsebene aufzubauen. Ehrliche Worte spielen eine übergeordnete Rolle und werden durch einen positiven Unterton gespürt. Verwenden Sie Sätze wie, „Es ist schön, dich zu sehen“, „Ich freue mich immer wenn ich dich besuche“ oder beispielsweise „Du siehst heute sehr hübsch oder gut aus“.
Validation nach Feil und andere Ansätze: Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Unterschiedliche Ansätze, gemeinsames Ziel: Während Naomi Feil auf ungelöste Lebenskonflikte blickt, sieht Nicole Richard vor allem hirnorganische Veränderungen.
- Naomi Feil sieht in der Demenz ein psychisches Problem. Demenzkranke sind inneren Konflikten ausgesetzt.
- Nicole Richard geht von organischen Ursachen aus.
Während die Validation nach Feil gerne mit Fragen arbeitet, um dem Patienten zu helfen, seine ungelösten Lebensaufgaben zu bewältigen, verzichtet Richard vollständig auf das Stellen von Fragen. Richard glaubt nicht, dass Demenzkranke noch in der Lage sind, Lebenskrisen zu bewältigen. Demenzkranke nehmen die Welt nur noch „zerhackt“ wahr und sie verfügen nur noch über „Puzzlestücke“ ihrer Vergangenheit. Daher sieht Richard - im Gegensatz zu Naomi Feil - die Aufgabe der Validation nicht darin, Demenzkranke bei der Bewältigung unerledigter Lebensaufgaben zu helfen, sondern ihnen ihr aktuelles Schicksal zu erleichtern, welches oft mit hirnorganischen Veränderungen zusammenhängt.
Die Methoden unterscheiden sich in der Praxis nicht grundlegend von denjenigen der Validation nach Naomi Feil. Auch für Richard stehen Empathie und Fokus auf die Gefühle im Zentrum der Arbeit. Richard versucht, die dem Demenzkranken verbleibenden Ressourcen zu nutzen, um ihn in seiner „inneren Erlebniswelt“ zu erreichen. Antriebe wie Eigenwille, Ordnungssinn. Fürsorge, Charme, Musikalität. Gefühle.
Kritik und Grenzen der Validation
Validation kann für die meisten Demenzkranken hilfreich sein, aber es ist wichtig zu beachten, dass jede Person einzigartig ist und unterschiedliche Bedürfnisse hat. Es ist wichtig, eigene Gedanken und Vorurteile in den Hintergrund zu stellen. Vermeiden Sie Ausreden & Lügen dem Menschen mit Demenz gegenüber. Erzeugen Sie eine wertschätzende Atmosphäre. Die Emotionsebene bleibt bis zum Schluß erhalten.
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Integration von Validation in den Pflegealltag
Validation kann in den Pflegealltag durch regelmäßige Schulungen, die Förderung einfühlsamer Kommunikation und den Aufbau einer unterstützenden Umgebung integriert werden. Dabei beschränkt sich die Validation durchaus nicht auf die Pflegefachkräfte. Auch andere Mitarbeitenden in Kliniken und Heimen - wie zum Beispiel Putzkräfte, Küchenpersonal usw. Stress und Anspannung reduzieren bzw.
Aus- und Weiterbildung in Validation
Ja, es gibt Schulungen und Workshops, die Pflegekräften und Betreuungspersonen helfen, die Prinzipien und Techniken der Validation zu erlernen und anzuwenden.
Berufsbegleitende Ausbildung in Validation ab September 2024
Lernen in 5 Ausbildungsblöcken. In den 5 Ausbildungsblöcken lernen Sie intensiv die vier Phasen der Aufarbeitung nach Feil kennen. Es werden die entsprechenden verbalen und non-verbalen Techniken, Prinzipien und Ziele der Validation sowie die Lebensstadientheorie von Erik Erikson vermittelt. Zwischen den Blöcken sollen die Teilnehmer/innen einen älteren Menschen in einer Phase der Aufarbeitung mindestens einmal pro Woche validieren und dieses dokumentieren. Im letzten Block erfolgt eine theoretische Prüfung (Fallstudie) und eine praktische Prüfung (Video oder live).
Seminargebühr: 1850,00 € pro Person für 10 Seminartage inkl. Beurteilung und Besprechung der Teilnehmerdokumentation, Arbeitsunterlagen und Pausenerfrischungen.
Ziele: Die Seminarteilnehmer/innen lernen, Einzelvalidation kompetent anzuwenden kleineren Gruppen - innerhalb der eigenen Institution - in kurzen Einführungsveranstaltungen die Methode mit ihren Grundprinzipien und die praktische Anwendung aufgrund ihrer Erfahrungen zu vermitteln. Inhalte/Methodik: Die Ausbildung dauert 10 Theorie-Tage. Die in den Theorieblöcken erarbeiteten Inhalte werden in den dazwischenliegenden Praxisphasen eingeübt. Die Teilnehmenden müssen darüber Dokumentationen erstellen. Abschluss: Die Teilnehmer:innen erhalten nach erfolgreicher Teilnahme und Prüfung das Zertifikat Validation®-Worker (VTI-LeveI 1). Block I 14./15.09.2024 Block II 23./24.11.2024 Block III 08./09.02.2025 Block IV 05./06.04.2025 Block V 12./13.07.2025 (Prüfungsblock) Unterrichtszeiten: Jeweils Samstag und Sonntag, (16 Std.
Autorisierte Validationsorganisationen
KPG Bildung in Berlin ist seit 2020 eine Autorisierte Validationsorganisation nach Naomi Feil (AVO)®. Das Validation®-Training-Institute (VTI) in Springfield/Oregon, die internationale Dachorganisation der Validation®, hat das KPG vertraglich dazu berechtigt, zertifizierte Ausbildungen, Seminare und Workshops zur Validation® anzubieten. Als autorisiertes Zentrum hat das KPG damit den Auftrag, die Methode der Validation® weiterzuentwickeln und in die Praxis der Altenpflege, Geriatrie, Hospizarbeit und Palliative Care zu tragen und zwar durch Bildung, Beratung und Vernetzung zum Thema Validation®. KPG Bildung arbeitet dafür u. a. Weil das KPG Palliative Geriatrie lehrt und uns die Würde desorientierter alter Menschen sehr wichtig ist, setzt sich das KPG im Unionhilfswerk dafür ein, dass Validation® in Pflegewohnheimen und Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz fester Bestandteil des Betreuungs- und Pflegekonzepts wird. Ziel ist es, dass Validation® immer stärker Anwendung findet. Das Unionhilfswerk hat darum ein Projekt zur Etablierung von Validation® als Teil von Palliativer Geriatrie ins Leben gerufen. Unterstützt von der Unionhilfswerk-Förderstiftung und beraten vom KPG, arbeiten in einer ersten Phase fünf Institutionen aus der ambulanten und vollstationären Pflege im Rahmen eines Bildungs- und Organisationsentwicklungsprozesses zusammen.
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