Die Diagnose einer Demenz ist ein einschneidendes Ereignis, das viele Fragen aufwirft. Um Klarheit zu erhalten und die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten, ist eine zeitnahe und umfassende Diagnostik entscheidend. Dieser Artikel beleuchtet, welcher Arzt für die Diagnostik von Demenz zuständig ist, welche Untersuchungen durchgeführt werden und welche spezialisierten Einrichtungen es gibt.
Bedeutung einer frühzeitigen Diagnostik
Für Störungen des Gedächtnisses gibt es verschiedene Ursachen, einige davon heilbar. Bei rechtzeitiger Intervention kann es bei heilbaren Ursachen zu einem Rückgang bzw. Verschwinden der Symptome kommen. Liegt den Symptomen eine nicht heilbare Ursache zugrunde, zum Beispiel eine Alzheimer-Krankheit, dann kann ein zügiger Therapiebeginn mit modernen Antidementiva gerade am Beginn der Erkrankung den größten Effekt bewirken: eine zeitweilige Milderung der Symptome und Verlangsamung des Verlaufs. Eine Demenzerkrankung hat Auswirkungen auf die Lebensplanung. Darum ist es für viele Menschen wichtig, eine Klarheit zu schaffen, um Zukünftiges zu regeln.
Erster Ansprechpartner: Der Hausarzt
Die erste Anlaufstelle bei Gedächtnisproblemen ist in der Regel die hausärztliche Praxis. Gerade für viele ältere Menschen ist die Hausärztin oder der Hausarzt eine wichtige Vertrauensperson, die zudem gut über deren gesundheitlichen Zustand Bescheid weiß. Hier wird zunächst abgeklärt, worin die Ursachen liegen könnten - in einer heilbaren Grunderkrankung, wie beispielsweise einem Altershirndruck oder einer Depression, oder doch einer Demenz.
Der Hausarzt führt erste Untersuchungen durch und überweist den Patienten bei Bedarf an einen Facharzt. Generell empfiehlt es sich, zu den Untersuchungsterminen ein Familienmitglied oder eine andere nahestehende Person mitzubringen, die ebenfalls befragt werden kann. Der Grund: Gedächtnisprobleme werden von den Betroffenen häufig anders erlebt als von ihrem nächsten Umfeld.
Zuständige Fachärzte
Die zuständigen Fachärzte für die Diagnostik von Demenz sind Neurologen und Psychiater. Bei anhaltenden Gedächtnis- oder Wortfindungsstörungen sowie auffallenden Verhaltensstörungen im Alter sollte unbedingt eine Abklärung der Ursache beim Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder Neurologie erfolgen. Für den Facharzt von Vorteil sind dabei Kompetenzen im Bereich der Alterskrankheiten seines Faches (Gerontopsychiatrie, Geriatrie = Altersheilkunde).
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Spezialisierte Einrichtungen: Gedächtnissprechstunden und Memory-Kliniken
In vielen Städten gibt es spezialisierte Zentren für die Diagnostik und Behandlung von Demenzerkrankungen, sogenannte Gedächtnissprechstunden oder Memory-Kliniken. Diese Einrichtungen sind auf die differenzierte Diagnostik von Gedächtnisstörungen spezialisiert und bieten eine umfassende Betreuung. Die Angliederung an eine Krankenhausabteilung ermöglicht ambulante und auch teilstationäre Untersuchungen. Für die Untersuchung in einer Gedächtnissprechstunde ist eine Überweisung durch den Hausarzt oder Neurologen erforderlich.
Ablauf der Diagnostik
Die Diagnostik umfasst in der Regel verschiedene Untersuchungen, um die Ursache der Gedächtnisstörungen zu ermitteln und eineDemenz von anderen Erkrankungen abzugrenzen.
Anamnese
Erster Schritt bei der fachärztlichen Diagnose von Gedächtnisstörungen ist das Anamnese-Gespräch. Hier werden Fragen gestellt wie:
- Welche Beschwerden liegen vor?
- Wann begannen die Beschwerden?
- Um welche Tageszeit treten die Beschwerden auf und wie lange dauern diese an?
- Wie oft treten die Beschwerden auf?
- Wodurch verbessert oder verschlechtert sich der Zustand?
- Wie sehr schränken die Beschwerden im Alltag ein?
Generell sollten Sie vorbereitet sein, viele persönliche Fragen gestellt zu bekommen, auch zu Sachverhalten, die Ihnen selbst nicht wichtig erscheinen.
Körperliche und neurologische Untersuchung
Im Anschluss an das Gespräch folgt eine allgemeine körperliche Untersuchung sowie eine detaillierte neurologische Untersuchung.
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Kognitive Tests
Kognitive oder auch neuropsychologische Tests können wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Demenzerkrankung geben. Anhand verschiedener Tests kann der Arzt die derzeitige geistige Leistungsfähigkeit des Patienten beurteilen und damit den Schweregrad der Demenz einordnen:
- Mini-Mental-Status-Test (MMST): Der MMST ist der älteste und bekannteste Fragebogentest zur Demenz. Er umfasst unter anderem verschiedene Merk- und Rechenaufgaben.
- Uhren-Test: Bereits das einfache Zeichnen einer Uhr, lässt eine Beurteilung des geistigen Zustands des Patienten zu. Aufgrund der zunehmenden visuell-räumlichen Orientierungsprobleme im Verlauf der Krankheit können die Ziffern und Zeiger oft nicht mehr richtig in einem vorgegebenen Kreis angeordnet werden (Dauer ca. 5 Minuten).
- Demenz-Detektion (DemTect): Dieser Spezialtest zur Früherkennung ist dem MMST überlegen und wird daher häufig vom Gerontopsychiater/Neurologen durchgeführt. Er dauert ebenfalls etwa 10 Minuten. DemTect steht für Demenz-Detektion. Der Test enthält fünf Aufgaben. Der Patient muss eine Wortliste wiederholen. Damit wird das Kurzzeitgedächtnis geprüft. Diese Liste wird am Testende noch einmal abgefragt, um das Langzeitgedächtnis zu beurteilen. In einer "Zahlenwandelaufgabe" muss der Patient zwei Ziffern in Zahlwörter und zwei Zahlwörter in Ziffern umsetzen. Außerdem wird die Flüssigkeit der Sprache geprüft.
- Montreal Cognitive Assessment (MoCA): Ähnlich dem DemTect dient auch der MoCA der Früherkennung von Defiziten des Gedächtnisses bzw. des Denkvermögens. In 10 Minuten werden auch hier verschiedene Bereiche der Leistungsfähigkeit abgefragt. Dazu gehört das Lernen von fünf Begriffen, welche später abgefragt werden. Die visuell-räumliche Verarbeitung wird durch das Zeichnen einer Uhr und das Abzeichnen eines Würfels geprüft. Es folgt die Prüfung der Konzentration, der „Exekutivfunktionen“ und der Abstraktionsfähigkeit. Auch hier werden die Flüssigkeit der Sprache und die Zahlenverarbeitung getestet. Darüber hinaus werden die Fähigkeit, komplexe Sätze zu verstehen, und die Orientierung in Raum, Ort und Situation untersucht.
- ADL-Skalen: ADL-Skalen (ADL: "Activities of Daily Living") messen die Auswirkungen der Demenz auf die Alltagsfähigkeiten. Der Test, der in verschiedenen Varianten existiert, misst, zu welchen Tätigkeiten des alltäglichen Lebens der Patient noch fähig ist. Es werden Alltagsprobleme mit Punkten zwischen 1 für "nie vorhandene" und 10 für "immer vorhandene Schwierigkeiten" bewertet (Dauer: ca. 10 Minuten).
Bildgebende Verfahren
Bei der Erstdiagnose der Demenz sollte zusätzlich entweder eine Computertomografie (CT) oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden. CT und MRT erstellen Schichtaufnahmen des Gehirns und erlauben einen Einblick in den Aufbau des Gehirns. Diese bildgebenden Verfahren ermöglichen allein zwar nicht die Diagnose einer Demenz, können aber helfen, zwischen den einzelnen Formen zu unterscheiden. So können z.B. der Hauptgrund für die Erstellung von CT- und MRT-Bildern liegt jedoch in der frühzeitigen Erkennung von behandelbaren Ursachen einer Demenz. Dies kann ein Hirntumor oder eine krankhafte Erweiterung der Hohlräume im Gehirn sein.
Neuere Verfahren wie Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) und Positronen-Emissionstomographie (PET) können in unklaren Fällen und in Frühstadien zur Sicherung der Diagnose beitragen. So kann eine PET-Untersuchung z.B. einen verminderten Zuckerstoffwechsel im Gehirn nachweisen, obwohl im MRT noch keine Hirnschrumpfung darstellbar ist. Auch ist es neuerdings möglich, die für die Alzheimer-Erkrankung typischen Amyloid-Ablagerungen darzustellen.
Laboruntersuchungen
Der Arzt wird bei allen Patienten mit Verdacht auf Demenz auch Blut abnehmen, um einige behandelbare Ursachen einer Demenz rechtzeitig zu erkennen (z.B. Mangel an Vitamin B12 oder an Schilddrüsenhormonen). Eine sehr empfindliche Methode zur Feststellung einer Alzheimer-Erkrankung ist die Untersuchung des Nervenwassers (Liquor).
Differenzialdiagnose
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine einzelne Untersuchung nicht viel aussagt. Zur Feststellung einer Demenz bei Alzheimer-Krankheit müssen andere Erkrankungen, die ebenfalls Anzeichen einer Demenz zeigen können, abgeklärt werden: Hierzu gehören u.a. eine Verkalkung der Hirngefäße (vaskuläre Demenz), eine Demenz mit Lewy-Körperchen, gut- und bösartige Hirntumore, AIDS, ein Parkinson-Syndrom, die Erbkrankheit Chorea Huntington, eine Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) und ein Vitaminmangel z.B. an B12, Folsäure oder B-Vitamin Niacin. Weiter können Erkrankungen der Nieren, der Leber und der Bauchspeicheldrüse zu einer Demenz führen. Auch Alkohol- bzw. Immer wieder kommt es vor, dass Patienten mit depressiven Erkrankungen aufgrund der psychischen und körperlichen Verlangsamung für dement gehalten werden („Pseudodemenz"). Der Facharzt kann hier mit speziellen Untersuchungen und Tests in der Regel zwischen den beiden Krankheiten unterscheiden.
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Liquordiagnostik
Bei Verdacht auf ein entzündliches Geschehen innerhalb der Schädelkalotte kann durch eine Punktion auf der Höhe Lendenwirbel sogenannter Liquor (Gehirnwasser) aus dem Spinalkanal entnommen werden. Ist die Zahl der Leukozyten oder bestimmter Proteine in der Probe erhöht ist dies ein Hinweis für entzündliche Prozesse. Durch das gehäufte Vorliegen fehlgefalteter Amyloid oder Tau-Proteine im Liquor können altersdegenerative Formen, wie Morbus Alzheimer von Demenzerkrankungen mit vaskulärer Ursache unterschieden werden.
Beispiele für Gedächtnissprechstunden in Berlin
- Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Berlin Buch Gedächtnissprechstunde und Zentrum für Demenzprävention Lindenberger Weg 80 in 13125 Berlin Ansprechpartner: Prof. Dr. med.
- Hedwig- Krankenhaus Gedächtnissprechstunde Große Hamburger Straße 5-11 in 10115 Berlin Ansprechpartner: Dr.
- Vivantes Krankenhaus Am Urban Psychiatrische Institutsambulanz, Abteilung für Psychiatrie Dieffenbachstr. 1 in 10969 Berlin Leiterin Dr. med. A. Lüschow und Dr. med. P.
- med. Joseph-Krankenhaus Weißensee Zentrum für Seelische Gesundheit im Alter Gartenstr. 1 in 13088 Berlin Ansprechpartner: Dr.
Die Zukunft der Demenzdiagnostik
Weltweit arbeiten Demenzforscherinnen und -forscher daran, die Diagnose von Demenzerkrankungen zu verbessern. Ein wichtiges Ziel ist es, Demenzerkrankungen wie Alzheimer früher zu erkennen. Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld im Bereich der Diagnostik ist die korrekte Abgrenzung von Demenzerkrankungen: Während die Alzheimer-Krankheit mittlerweile sehr gut zu Lebzeiten eindeutig diagnostiziert werden kann, sind andere, seltenere Demenzen diagnostisch nach wie vor eine Herausforderung - zum Beispiel die Frontotemporale Demenz oder die Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE), die durch Kopfverletzungen hervorgerufen wird. Hier kann oft erst eine Untersuchung des Gehirns nach dem Tod endgültig Gewissheit bringen. Die Forschung arbeitet daran, auch diese Diagnosen frühzeitig und eindeutig zu ermöglichen.
Dank der Fortschritte in der Forschung ist es mittlerweile möglich, die Alzheimer-Krankheit auch per Bluttest zu erkennen. Allerdings können Bluttests die etablierten Diagnoseverfahren bislang noch nicht ersetzen.