Dendritische Zellen (DZ) spielen eine zentrale Rolle im Immunsystem und sind für die Erkennung von Fremdstrukturen, wie Krankheitserregern oder Tumorzellen, sowie für die Einleitung einer gezielten Immunabwehr verantwortlich. Ihren Namen verdanken sie den unzähligen Verzweigungen ihrer Oberfläche. Sie besiedeln weite Teile des menschlichen Körpers. Wenn sie einen Krankheitserreger oder eine Tumorzelle finden und aufnehmen, wandern sie in den Lymphknoten und lösen auf den Erreger bzw. die Tumorzelle zugeschnittene Immunantworten aus. Somit sind dendritische Zellen zentrale Regulatoren des Immunsystems.
Die Entdeckung und Entwicklung der Forschung
Obwohl seit der Entdeckung der Dendritischen Zellen wenig mehr als vier Jahrzehnte vergangen sind, werden sie weltweit intensiv beforscht. Dendritische Zellen wurden erstmals 1973 von Steinman und Cohn in der Milz von Mäusen beschrieben und nach ihrem charakteristischen mikroskopischen Erscheinungsbild mit zahlreichen astförmigen Ausläufern (griechisch: dendros, deutsch: Baum) benannt. Mitte der 80er-Jahre erkannte man, dass dendritische Zellen und die bereits vor hundert Jahren von Langerhans entdeckten und nach ihm benannten Langerhans-Zellen einem gemeinsamen Zellsystem angehören. Dendritische Zellen wurden auch in anderen lymphatischen Organen sowie in nichtlymphatischem Geweben nachgewiesen.
Funktion der Dendritischen Zellen im Immunsystem
Dendritische Zellen sind wichtige Zellen der angeborenen Immunabwehr, die den Körper an Grenzflächen wie Haut und Schleimhaut gegen Krankheitserreger schützen, indem sie das erworbene Immunsystem alarmieren. Sie nehmen auf zweierlei Weise eine zentrale Position im Immunsystem ein: Einerseits können sie eine Immunantwort einleiten, andererseits schützen sie den Körper durch Toleranzvermittlung vor Autoimmunreaktionen.
Erkennung von Fremdkörpern und Aktivierung des Immunsystems
Dendritische Zellen kommen im Grunde überall dort vor, wo Kontakt zur Außenwelt besteht, also in Schleimhäuten (Nase, Mund, Rachen, Speiseröhre, Vagina, Darm, Atemorgane) und der Haut. Dort sind sie die erste Instanz an Immunzellen, die den Körper beschützt und werden daher auch als "Wächter" des Immunsystems bezeichnet. Falls es Pathogene wie Bakterien oder Viren durch die Hautbarriere oder Schleimhäute schaffen, sind dendritische Zellen zur Stelle, um sie abzufangen. Dabei sind ihnen ihre beweglichen Arme behilflich, mit denen sie nach Pathogenen Ausschau halten und Phagozytose einleiten, sobald sie in Kontakt mit ihnen kommen.
Sie erkennen eindringende Keime, nehmen diese auf und präsentieren Bestandteile der körperfremden Moleküle - die Antigene - auf ihrer Oberfläche anderen Zellen des erworbenen Immunsystems, den T-Zellen. Dadurch werden die T-Zellen aktiviert, vermehren sich und starten dann Abwehrmechanismen gegen die Erreger.
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Toleranzvermittlung
Die Toleranzvermittlung sorgt dafür, dass das Immunsystem eine Toleranz gegenüber Strukturen zeigt, die vom eigenen Körper stammen. Es soll verhindert werden, dass der Körper eine Immunantwort gegen sich selbst startet und dabei eine Autoimmunerkrankung auslöst. Selbstantigene können von dendritischen Zellen eingesammelt und den T-Zellen in den sekundär lymphatischen Organen präsentiert werden. Allerdings sollen die T-Zellen dort zu einer Immunreaktion stimuliert werden. Stattdessen tragen die dendritischen Zellen dazu bei, dass alle selbstreaktiven T-Zellen erkannt und beseitigt werden.
Aufbau und Reifung der Dendritischen Zellen
Der Name "dendritische Zellen" leitet sich von dem griechischen Wort "dendrítēs" ab, das so viel heißt wie "baumartig" oder "verzweigt". Dementsprechend kann man sich auch ihren charakteristischen Aufbau vorstellen. Unreife dendritische Zellen haben einen Zellkörper mit langen, sternförmig in alle Richtungen ausstrahlenden Fortsätzen (Dendriten). Diese sind beweglich und können dadurch ihre Umgebung abtasten. Dendritische Zellen entstehen aus Stammzellen im Knochenmark.
Reifungsprozess
Auf ihrer Oberfläche besitzen unreife dendritische Zellen MHC-Moleküle. Nach dem Kontakt mit Antigenen wandern dendritische Zellen in sekundäre lymphatische Organe. Auf dem Weg reifen die dendritische Zellen und verändern dabei sowohl ihre Form, als auch die Menge der Rezeptoren auf ihrer Oberfläche. Anstelle der vielen Dendriten verändert sich die Membran zu Ausstülpungen, die schleierhafte Strukturen bilden. Auf ihrer Oberfläche vermehren sich die MHC-Moleküle und es bilden sich B7-Moleküle, die bisher noch nicht anwesend waren. Außerdem verlieren die dendritischen Zellen die Fähigkeit, Phagozytose zu betreiben. Alle diese Veränderungen unterstützen die Funktionen, die dendritische Zellen nun im Rahmen der Immunantwort erfüllen müssen.
Typen und Unterklassen von Dendritischen Zellen
Dendritische Zellen sind keine einheitliche Masse an Zellen, sondern verschiedene Arten an Immunzellen, die ähnliche Strukturen und Funktionen aufweisen. Sie können anhand unterschiedlicher Merkmale klassifiziert und in Unterklassen eingeteilt werden.
Einteilung nach Oberflächenmerkmalen
Bei der Einteilung von dendritischen Zellen anhand der CD-Moleküle auf ihrer Oberfläche unterscheidet man zwei Typen:
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- Myeloide dendritische Zellen: Bei den myeloiden dendritischen Zellen handelt es sich um eine verbreitete, recht heterogene Zellgruppe, zuständig für Aufnahme, Verarbeitung und Präsentation von Antigenen. Da sie die größte Gruppe an dendritischen Zellen darstellen, werden sie auch als konventionelle dendritische Zellen bezeichnet. Sie ähneln den Monozyten und besitzen die Oberflächenmarker CD11c und CD33.
- Plasmazytoide dendritische Zellen: Plasmazytoide dendritische Zellen sind selten im Vergleich zu myeloiden und ähneln nach ihrer Aktivierung einer Plasmazelle. Plasmazytoide dendritische Zellen haben die Oberflächenmarker CD123, CD303 und CD304, jedoch nicht den für myeloide dendritische Zellen charakteristischen CD11c. Außerdem sind sie hauptsächlich für die Abwehr von Viren relevant. Sie können große Mengen antiviraler Stoffe (Zytokine) synthetisieren, wie z.B. Typ I Interferone.
Weitere Einteilungen
Neben Oberflächenmerkmalen kann man dendritische Zellen auch anhand anderer Merkmale klassifizieren. Dazu können etwa spezifische Funktionen und Lokalisationen berücksichtigt werden.
- Langerhans-Zellen: Langerhans-Zellen sind spezialisierte dendritische Zellen der Haut und Schleimhäute. Dringen z. B. bei Verletzungen der Haut Pathogene in den Körper ein, werden sie von Langerhans-Zellen phagozytiert. Auch sie wandern anschließend in Lymphknoten und können T-Lymphozyten aktivieren.
- Interdigitierende dendritische Zellen: Interdigitierende dendritische Zellen sind überall im Körper zu finden, vor allem aber in lymphatischen Organen wie Lymphknoten und Milz. Dort sind sie immer in der Nähe von T-Zellen und können dort ihrer Aufgabe als "mächtigste" antigenpräsentierende Zellen zur T-Zell-Aktivierung nachgehen.
- Inflammatorische dendritische Zellen: Inflammatorische dendritische Zellen findet man nicht zu jedem Zeitpunkt, sondern primär während einer akuten Entzündung. Dann entwickeln sie sich aus Monozyten und begeben sich in das entzündete Gewebe.
Klinische Bedeutung der Dendritischen Zellen
Auch in der klinischen Forschung ist die enorme Bedeutung der dendritischen Zellen in der Regulation der Immunantwort bekannt. Sie können in schwere Krankheiten verwickelt sein, stellen aber auch Ansätze zur Therapie von Allergien und Krebs dar.
Dendritische Zellen und HIV-Infektionen
Bei der Verbreitung von HIV im Körper spielen dendritische Zellen eine zentrale Rolle: Gelangt das HI-Virus über verletzte oder angreifbare Schleimhäute in den Körper, wird es von dendritischen Zellen - primär Langerhans-Zellen - als Eindringling identifiziert und durch Phagozytose aufgenommen. Dann kann das Virus die dendritische wie ein trojanisches Pferd nutzen, um zu den Lymphknoten zu gelangen. Dort will die dendritische Zellen CD4+ Zellen aktivieren, das HI-Virus nutzt jedoch die Chance und springt zur T-Zelle über, um sie zu infizieren. Einmal in den T-Zellen angekommen, richtet das HI-Virus großen Schaden an. Indem es die T-Helfer-Zellen dezimiert, ist das Immunsystem auf lange Sicht geschwächt und kann anfallende Erkrankungen nicht mehr effektiv bekämpfen.
Dendritische Zellen und Krebserkrankungen
Da dendritische Zellen mit für die Aktivierung von T-Zellen verantwortlich sind, wird vermutet, dass sie die Immunantwort gegen Tumore erheblich verstärken und verbessern können. Diese These wird davon unterstützt, dass Patienten mit hohen Mengen an dendritischen Zellen nach Tumorerkrankungen bisher bessere klinische Ergebnisse gezeigt haben.
Inzwischen ist es möglich, im Labor für Krebspatienten aus ihren Monozyten eigene dendritische Zellen zu generieren. Im Labor werden sie mit Informationen über die Eigenschaften des Tumors und mit Gefahrensignalen „beladen“ und dem Patienten als Impfung verabreicht. Die erste Marktzulassung einer Vakzination mit dendritischen Zellen wurde im Mai 2010 in den USA erteilt für das Präparat Sipuleucel-T (Provenge®) gegen Prostatakrebs. 2017 wurde auch in Indien ein autologer DC-Impfstoff (APCEDEN®) zugelassen für die Behandlung von vier Krebsindikationen (Prostatakrebs, Eierstockkrebs, kolorektales Karzinom und nichtkleinzelliges Lungenkarzinom). Auch für andere Krebsarten sind Zulassungen zu erwarten.
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Dendritische Zellen und allergische Reaktionen
Da sich dendritische Zellen - primär Langerhans-Zellen - zu großen Zahlen in der Haut aufhalten, sind sie auch für viele allergische Reaktionen zuständig, die bei dem Kontakt mit manchen Stoffen auftreten.
Dendritische Zellen in der Forschung
Dendritische Zellen nehmen wichtige Funktionen als Weichensteller unseres Immunsystems ein. Was ihre Heterogenität und funktionelle Spezialisierung bestimmt, ist allerdings nach wie vor nicht ausreichend verstanden. Die Erkenntnisse tragen zu einem besseren Verständnis der immunologischen Prozesse während Infektionen, Impfungen sowie Allergien und Autoimmunität bei. Dendritische Zellen gehören zu unserem angeborenen Immunsystem und nehmen dort eine zentrale Position ein.
Aktuelle Studien und Erkenntnisse
Ein Team um Barbara Schraml vom Biomedizinischen Centrum der LMU hat nun in Mäusen das Gegenteil bewiesen. Die Forscher zeigen, dass frühe dendritische Zellen zwar andere Eigenschaften besitzen als diejenigen erwachsener Tiere, aber durchaus eine Immunreaktion auslösen können. Ihre Ergebnisse könnten helfen, Impfungen bei Kindern effektiver zu machen. Die Wissenschaftler untersuchten in Mäusen mithilfe fluoreszierender Marker die Herkunft und die Eigenschaften dendritischer Zellen im Neugeborenen- und Jugendalter und verglichen sie mit denen erwachsener Mäuse. Dabei fanden sie, dass die Zellen je nach Alter aus unterschiedlichen Quellen stammen: Bei Neugeborenen stammen sie von Vorläuferzellen aus der fötalen Leber ab und werden dann mit zunehmendem Alter durch Zellen aus myeloiden Stammzellen des Knochenmarks ersetzt.
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