Schneeflocken sind nicht nur ein winterliches Vergnügen, sondern auch faszinierende Naturphänomene. Dieser Artikel beleuchtet die Entstehung, die Struktur und die Bedeutung von dendritischen Eiskristallen, die nicht nur in Schneeflocken, sondern auch in anderen winterlichen Erscheinungen vorkommen.
Die Grundlagen: Was sind Eiskristalle und wie entstehen sie?
Schnee und Eis teilen die gleiche kristalline Struktur, wobei Wasser dem hexagonalen Kristallsystem angehört. Die bevorzugte Kristallform ist ein sechseckiges Prisma. Im Gitter ist jedes Wassermolekül tetraedrisch von vier weiteren durch Wasserstoffbrücken-Bindungen umgeben. In den Hohlräumen kann Eis fremde Stoffe, bevorzugt Gase, einschließen.
Von Wasserdampf zu Eis: Resublimation und Reifbildung
Bei klaren, sehr kalten Nächten unter -10 °C und leichtem Wind bildet sich anstelle von Tau Reif. Dieser entsteht durch Resublimation, also den direkten Übergang von Wasserdampf in den festen Zustand. Die Wassermoleküle benötigen dabei Unterstützung in Form von Keimen, meist winzige Partikel, an denen die Kristallisation leichter gelingt. Der ideale Keim ist ein bereits existierender Eiskristall, weshalb eher vorhandene Exemplare wachsen, als dass neue entstehen.
Dendritische Eiskristalle: Baumartige Strukturen
Eiskristalle wachsen dendritisch (griech. dendron, Baum) bevorzugt an den Ecken und Kanten. Auch Schneekristalle gehören dazu. Es gibt keine zwei identischen Schneekristalle, was auf unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeiten zurückzuführen ist.
Der Entstehungsprozess dendritischer Eiskristalle
Die Entstehung dendritischer Eiskristalle ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren abhängt.
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Übersättigung und Kristallisationskeime
Die Bildung von Eiskristallen beginnt, wenn die Luft an Wasserdampf übersättigt ist. Wassertröpfchen nutzen die in der Luft vorhandenen Staubpartikel als Kristallisationskeime. Wenn die Temperatur unter 0 °C liegt, bilden sich zunächst Flüssigkeitströpfchen, aus denen dann Eiskristalle entstehen, die durch Anlagerung weiterer Wassermoleküle aus dem Dampf dendritisch wachsen. So verbinden sie sich mit weiteren zu einer Schneeflocke.
Der Einfluss von Temperatur und Feuchtigkeit
Die Form und Struktur der dendritischen Eiskristalle werden maßgeblich von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit beeinflusst. Bei höheren Sublimationsraten und hohen übersättigten Wasserdampfkonzentrationen kommt es vermehrt zur Dendritenbildung, also der Ausbildung von Verzweigungen.
Dendritenbildung: Ein baumartiges Wachstum
Die Entstehung von Eisnadeln beginnt bevorzugt an dünnen Härchen und anderen winzigen Auswüchsen auf Oberflächen. Diese sind nicht nur besonders kalt, sondern ragen oft auch ein Stück weit in die Umgebung hinein, die von Wasserdampfmolekülen wimmelt. Die Verfügbarkeit von Wasserdampf ist einer der Gründe dafür, dass die entstehenden Eisnadeln meist nicht in beliebige Richtungen wachsen, sondern von ihrer Basis weg ins Freie. Bei der Resublimation fällt Energie in Form von Kondensations- und Kristallisationswärme an. Nur wenn diese genügend schnell abgeführt wird, kann Dampf tatsächlich erstarren. Haben die Spitzen eine bestimmte Länge erreicht, können Seitenzweige schräg nach oben austreiben, weil ihre Flanken jetzt genügend weit von der Basis entfernt sind. So ergeben sich die dendritischen Strukturen gewissermaßen zwangsläufig.
Vielfalt der Eiskristallmuster
In der Natur sind vielfältige Eiskristallmuster zu beobachten. Das spiegelt die zahlreichen Möglichkeiten wider, die sich durch die Geometrie der Objekte, die jeweils herrschenden Temperaturverhältnisse, den Nachschub an Wasserdampfmolekülen sowie die Entsorgung der Abwärme ergeben.
Hexagonale Blättchen und Kristallbäume
Bei reichlich vorhandenem Wasserdampf und optimalem Abtransport der Wärme entstehen großflächige und dichte Eisstrukturen. Hierbei schlägt sich der Einfluss der hexagonalen Symmetrie der mikroskopischen Wassermoleküle auf die makroskopischen Muster besonders deutlich nieder. Über Buschwerk, das tagsüber von der Sonne aufgeheizt wurde, wachsen nachts flächige Eiskristalle mit einem typischen Durchmesser von einem Zentimeter. An manchen Stellen treten die Strukturen lamellenartig gestaffelt auf. Bei so einer Konstellation wird die Kristallisationswärme leicht in den kalten Nachthimmel abgestrahlt. So füllen sich beim Emporwachsen selbst die Zwischenräume problemlos. In nur einer Nacht können auf diese Weise lamellenartige Strukturen entstehen, die teilweise wie nach oben offene Gefäße aussehen und an manchen Stellen wie Kühlrippen gestaffelt sind. Die typischen weihnachtsbaumartigen Muster sind weniger eine ästhetisch ansprechende Laune der Natur als vielmehr eine physikalische Notwendigkeit.
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Eisblumen am Fenster: Ein seltener Anblick
An Gewächshäusern und uralten Fenstern sind sie im Winter noch zu finden: kristalline Gebilde aus Eis. Anmutige Zweige, Farnblätter und Blüten wachsen auch im Winter: Bei Minusgraden bilden sich an einigen Glasscheiben Eisblumen. Doch diese einst verbreitete kalte Pracht ist selten geworden, da die gute Isolation moderner Fenster verhindert, dass die innere Glasscheibe Minustemperaturen erreicht.
Damit Eisblumen auftreten können, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein:
- Eine kalte Oberfläche unter dem Gefrierpunkt
- Eine ausreichend hohe Luftfeuchtigkeit im Raum
- Kondensationskeime, also Unebenheiten auf der Oberfläche, etwa Staubpartikel oder Risse
Der Prozess der Eisblumenbildung ähnelt der Reifbildung: Die wärmere Raumluft kühlt sich an der Fensteroberfläche ab, wodurch ihre Fähigkeit, Wasser zu speichern, sinkt. Das überschüssige Wasser kondensiert oder geht direkt vom gasförmigen in den festen Zustand über. An den Kondensationskeimen lagert sich weiteres Wasser an, wodurch der Kristall weiterwächst. Da Scheiben nicht ganz eben sind, wachsen die sechseckigen Kristalle nicht einfach sechseckig weiter, wie etwa Schneeflocken.
Die Bedeutung von Schnee und Eis für das Klima
Schneeflocken haben einen erheblichen Einfluss auf das Klima unserer Erde. Durch die Reflexion von Sonnenlicht und die Isolation der Erdoberfläche spielen sie eine entscheidende Rolle in unserem Klimasystem.
Albedo-Effekt: Reflexion des Sonnenlichts
Wenn Schneeflocken auf der Erdoberfläche liegen, reflektieren sie einen Großteil der Sonnenstrahlung zurück ins All. Dieser Albedo-Effekt führt dazu, dass weniger Wärmeenergie in das System der Erde gelangt, was das Klima abkühlt. Der Verlust von Schnee und Eis durch die globale Erwärmung kann dazu führen, dass sich die Erde noch schneller erwärmt, da ohne den reflektierenden Schnee mehr Sonnenstrahlung von der Erdoberfläche absorbiert wird.
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Isolation der Erdoberfläche
Schnee isoliert die Erdoberfläche und hält die darunter liegende Erde warm. Er spielt auch eine Rolle im Wasserkreislauf.
Positive Rückkopplung im Klimasystem
Eine Positive Rückkopplung im Kontext von Schneeflocken und dem Klimawandel bedeutet, dass eine Erwärmung dazu führt, dass weniger Schnee und Eis die Sonnenstrahlen reflektieren, was die Erde mehr Wärme absorbieren lässt und somit die Erwärmung verstärkt.
Schnee in den Alpen: Natürlicher und künstlicher Schnee
Im Winter bleibt in den Alpen immer mehr der Schnee aus. Deshalb machen die sich ihren Schnee selbst. Durch eine Röhre presst man Druckluft. Mittels Düsen sprüht man feinstverteiltes Wasser in den Luftstrahl. Das sind einige Liter pro Sekunde! Die Kosten für die Beschneiung sind immens. Zudem wird durch den Bergtourismus die Vegetation gestört und die natürliche Senke für CO2 wird geringer. Das führt zum verstärkten Abschmelzen von Gletschern und Schnee.
Schneealterung und Schneeforschung
Auf der Erde angekommen, beginnt die Metamorphose des Schnees. Der lockere Neuschnee wiegt zunächst nur um die 40 Kilogramm pro Kubikmeter, weniger als ein Zwanzigstel von kompaktem Eis. Hundert Kilogramm davon liegen zwei Meter hoch. Die Zeit macht daraus Nassschnee (Sulz), Altschnee und Harsch. Nach einem Jahr ist daraus Firn geworden. Schließlich Eis von 900 Kilogramm pro Kubikmeter.
Schnee ist ein Hochtemperaturmaterial. Die Messlatte, was Hochtemperatur bedeutet, richtet der Forscher nicht an der menschlichen Intuition aus, sondern gewissermaßen an der subjektiven Sicht des Schnees. Für den sind Temperaturen von minus fünf oder 20 Grad knapp unter seinem Schmelzpunkt. Wesentlich ist der hohe Dampfdruck von Eis: Die Kristalle gehen leicht in Wasserdampf über und überspringen dabei den flüssigen Aggregatszustand - sie „sublimieren“. An etwas kälteren Stellen lagern sich die Dampfmoleküle wieder ab, sie resublimieren. Weil das ein ungeregelter Prozess ist, werden die feinen Schneekristalle immer runder und klumpiger.
Die Schneeforschung (Nivologie) ist keineswegs eine Disziplin weltabgewandter Liebhaber der flockigen Ästhetik, sondern hat Praxisbezug. Naheliegend ist es, Lawinenwarnungen zu verbessern. Wie die luftigen Gebilde in verbackene Klumpen übergehen, verfolgen Forscher unter anderem mit Mikroskop und Rechnermodellen, neuerdings auch mit einem Computertomografen. Draußen am verschneiten Hang vollziehen die Forscher die Verwandlung des Schnees nach, bringen Messgeräte ein und studieren das lebende Objekt.
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