Dendritische Zelltherapie: Nutzen, Risiken und Nebenwirkungen

Im Kampf gegen Krebs suchen Patienten und ihre Angehörigen ständig nach neuen Hoffnungsschimmern. Die dendritische Zelltherapie (DZT) ist eine innovative Methode, die das körpereigene Immunsystem zur Bekämpfung bestimmter Krebsarten nutzt. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkungsweise, Anwendung, potenzielle Nebenwirkungen und den aktuellen Stand der Forschung zur dendritischen Zelltherapie.

Was sind dendritische Zellen und wie funktioniert die Therapie?

Dendritische Zellen (DZ) spielen eine entscheidende Rolle im Immunsystem. Sie fungieren als "Superhelden", indem sie Eindringlinge wie Krebszellen erkennen und andere Immunzellen aktivieren, um diese zu bekämpfen. Die dendritische Zelltherapie macht sich diese Fähigkeit zunutze.

Der Ablauf der DZT lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Eignungsprüfung und Blutentnahme: Ein erfahrener Arzt führt eine gründliche Untersuchung durch und entnimmt dem Patienten Blut, um die Eignung für die Therapie zu prüfen.
  2. Laborvorbereitung: Die Blutprobe wird in ein zertifiziertes Labor geschickt. Dort werden die dendritischen Zellen isoliert und darauf vorbereitet, Krebszellen zu erkennen. Dies geschieht, indem sie mit Tumorantigenen beladen werden.
  3. Verabreichung: Nach der Vorbereitungszeit werden die dendritischen Zellen dem Patienten durch subkutane Injektionen (unter die Haut) verabreicht.
  4. Aktivierung des Immunsystems: Die dendritischen Zellen wandern durch das Lymphsystem und präsentieren die Tumorantigene den T-Lymphozyten (Killerzellen). Dadurch werden die Killerzellen aktiviert und können die Krebszellen im ganzen Körper bekämpfen.

Der Therapieerfolg hängt auch von der Anzahl der natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) ab, die etwa 10-15 % der Lymphozyten im Blut ausmachen.

Vorteile der dendritischen Zelltherapie

Ein wesentlicher Vorteil der DZT ist ihre potenziell geringe Nebenwirkungsrate im Vergleich zu klassischen Krebstherapien wie Chemotherapie oder Bestrahlung. Da die DZT das körpereigene Immunsystem nutzt, gilt sie als eine "natürliche und sanfte Methode" zur Krebsbekämpfung.

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Mögliche Nebenwirkungen

Obwohl die dendritische Zelltherapie im Allgemeinen als gut verträglich gilt, können dennoch Nebenwirkungen auftreten. Diese sind meist harmlos und klingen schnell wieder ab. Sie entstehen in der Regel aufgrund der Immunantwort des Körpers und ähneln den Symptomen eines leichten Infekts:

  • Leichtes Fieber
  • Mattigkeit
  • Lymphknotenschwellung
  • Rötung an der Einstichstelle

In seltenen Fällen kann es bei der Behandlung mit dendritischen Zellen zu stärkeren Nebenwirkungen kommen, die einer normalen Immunreaktion entsprechen, wie z.B. Appetitlosigkeit oder Abgeschlagenheit.

Anwendungsbereiche

Die dendritische Zelltherapie wird bei verschiedenen Krebsarten eingesetzt, darunter:

  • Metastasierter Hirntumor
  • Akute lymphatische Leukämie (ALL)
  • Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)
  • Weitere in der Entwicklung befindliche CAR-T-Zell-Therapien zielen auf andere Oberflächenmarker auf Krebszellen ab, wie BCMA, und werden beim rezidivierten oder refraktären multiplen Myelom eingesetzt. Sie sind aber derzeit noch nicht zugelassen und können nur in Studien eingesetzt werden.

Dendritische Zelltherapie und CAR-T-Zelltherapie: Ein Vergleich

Sowohl die dendritische Zelltherapie als auch die CAR-T-Zelltherapie sind Formen der Immuntherapie, jedoch mit unterschiedlichen Ansätzen:

  • Dendritische Zelltherapie: Nutzt dendritische Zellen, um andere Immunzellen (insbesondere T-Zellen) zu aktivieren und auf Krebszellen aufmerksam zu machen.
  • CAR-T-Zelltherapie: Modifiziert T-Zellen gentechnisch, sodass sie Krebszellen direkt erkennen und angreifen können.

Die CAR-T-Zelltherapie kann zwar hochwirksam sein, ist aber auch mit dem Risiko starker Nebenwirkungen verbunden.

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Aktuelle Forschung und Studien

Die Forschung zur dendritischen Zelltherapie ist weiterhin aktiv. Zahlreiche Studien untersuchen den therapeutischen Nutzen von dendritischen Zellen bei verschiedenen Tumorarten. Dabei konzentriert man sich auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Therapie, beispielsweise durch:

  • Identifizierung geeigneter Tumorantigene
  • Generierung von dendritischen Zellen mit optimaler T-Zell-stimulatorischer Aktivität
  • Kombination der DZT mit anderen Immuntherapien oder Standardtherapien

Experten empfehlen, Immuntherapien, die (noch) nicht zugelassen sind, nur im Rahmen klinischer Studien anzuwenden.

Fragwürdige Angebote und "individuelle Heilversuche"

Es ist wichtig zu beachten, dass die dendritische Zelltherapie in Deutschland nicht generell zugelassen ist. Einige Kliniken und Praxen bieten die Therapie jedoch im Rahmen eines "individuellen Heilversuchs" an, oft zu hohen Kosten. Es gibt Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit solcher Angebote, da häufig wissenschaftliche Belege fehlen und die Therapien nicht ausreichend reguliert sind. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA warnt vor derartigen nicht regulierten Therapien, die für Patienten ein "ernstes Risiko für wenig oder gar keinen Nutzen darstellen" können.

Immuntherapie bei Krebs: Ein Überblick

Die Immuntherapie hat sich als vierte Säule der Krebsbehandlung etabliert. Sie umfasst verschiedene Ansätze, die das Immunsystem zur Krebsbekämpfung aktivieren:

  • Checkpoint-Inhibitoren: Lösen die "Bremsen" des Immunsystems, sodass Immunzellen Krebszellen erkennen und angreifen können.
  • CAR-T-Zelltherapie: Modifizieren T-Zellen gentechnisch, um Krebszellen gezielt zu bekämpfen.
  • Therapeutische Krebsimpfungen: Sollen das Immunsystem dazu bringen, Krebszellen zu erkennen und zu vernichten.
  • Zytokine: Botenstoffe, die das Immunsystem anregen können.
  • Weitere Immunmodulatoren: Substanzen, die die Immunantwort beeinflussen.

Mögliche Komplikationen und deren Behandlung bei Immuntherapien

Nach der Lymphodepletion und der CAR-T-Zell-Gabe (siehe Kapitel „Behandlungsablauf“) kommt es zu Reaktionen des Körpers. Einerseits werden schnell viele Krebszellen zerstört, was zu Problemen führen kann (Tumorlyse-Syndrom‎), andererseits rufen die CAR-T-Zellen eine Immunreaktion hervor, die sehr stark sein kann (Zytokin-Freisetzungssyndrom).

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Wenn viele Krebszellen gleichzeitig zerstört werden, kann es zu einem Tumorlyse-Syndrom‎ kommen. Um dies zu verhindern, werden vorsorgliche Maßnahmen getroffen: Einerseits erhält der Patient eine Dauerinfusion, damit für eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit gesorgt ist. Andererseits werden harnfördernde Medikamente (zum Beispiel Furosemid) verabreicht, um die Nieren bei der Urinausscheidung zu unterstützen.

Das Zytokin-Freisetzungssyndrom (englisch: Cytokine Release Syndrome, kurz: CRS) ist eine systemisch‎e Entzündungsreaktion, die im Rahmen der CAR-T-Zelltherapie auftreten kann. Sie ist durch eine massive Freisetzung von Zytokine‎n gekennzeichnet, die durch eine Aktivierung von weißen Blutzellen (Leukozyten‎) ausgelöst wird. Bis zu einem gewissen Grad ist das Auftreten des CRS nach der CAR-T-Zell-Gabe erwünscht, da es ein Zeichen für die Wirksamkeit der CAR-T-Zellen ist. Um das Einsetzen der CRS frühzeitig erkennen zu können, ist es nötig, dass der Patient nach der CAR-T-Zell-Gabe mindestens für 14 Tage im Krankenhaus verbleibt, da das CRS erst einige Tage nach der CAR-T-Zell-Gabe auftreten kann.

Anzeichen eines Zytokin-Freisetzungssyndroms (CRS) können das Auftreten von Fieber, erhöhtem Herzschlag, erniedrigtem Blutdruck, Hautausschlag, Übelkeit, Erbrechen oder Müdigkeit sein. Bei schweren Verläufen wird der Kreislauf instabil, es können Störungen der Blutgerinnung‎ auftreten und es kommt zu Atemproblemen. Die jeweiligen Krankheitszeichen des Zytokin-Freisetzungssyndroms (CRS) werden gezielt behandelt, zum Beispiel mit fiebersenkenden Mitteln, Medikamenten gegen Übelkeit, Gabe von Sauerstoff und kreislaufstabilisierenden Medikamenten. Es gibt zudem ein hochwirksames Medikament (Tocilizumab) zur Behandlung des CRS. Insbesondere das Interleukin-6 (IL-6), ein Botenstoff im Blut, der für die Immunabwehr‎ wichtig ist, ist bei einem CRS stark erhöht. Tocilizumab hindert das Interleukin-6 daran, eine Entzündungsreaktion im Körper hervorzurufen.

Auch Krankheitszeichen, die das Zentralnervensystem‎ (ZNS) betreffen, können nach CAR-T-Zelltherapie auftreten. Es wird vermutet, dass auch für neurologische Nebenwirkungen das Zytokin Interleukin-6 mit verantwortlich ist. Zu Beginn können Kopfschmerzen, eine allgemeine Verlangsamung bei Tätigkeiten und beim Sprechen, Verwirrtheit, Müdigkeit und ein verändertes Schriftbild Anzeichen einer neurologischen Beteiligung sein. Zur Abklärung sollte auf jeden Fall eine Computertomographie‎ (Ct) oder Magnetresonanztomographie‎ (MRT) des Gehirns erfolgen. Die Therapie der neurologischen Nebenwirkungen erfolgt in der Regel durch die Gabe von Glukokortikoid‎en wie Dexamethason oder Methylprednison.

Alle Patienten erhalten vor der CAR-T-Zell-Gabe eine Chemotherapie‎ zur Reduktion der Lymphozyten in Blut und Knochenmark (Lymphodepletion). Das betrifft besonders die weißen Blutzellen (Leukozyten‎) und deren Untergruppe, die neutrophilen Granulozyten‎. Deren Anzahl kann über mehrere Wochen erniedrigt sein. In der Folge haben die Patienten ein erhöhtes Risiko, an einer Infektion mit Bakterien‎, Viren‎ oder Pilzen zu erkranken. Nach der Entlassung nach Hause sollten die Eltern beim Auftreten von Fieber oder anderen Anzeichen für eine Infektion‎ sofort Kontakt zum behandelnden Ärzteteam aufnehmen.

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