Die diabetische Neuropathie ist eine häufige und oft übersehene Komplikation des Diabetes mellitus. Sie entsteht durch Schädigung der Nerven aufgrund von dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerten. Diese Nervenschädigung kann sich in verschiedenen Formen äußern und unterschiedliche Bereiche des Körpers betreffen, was zu vielfältigen Beschwerden führen kann.
Was ist diabetische Neuropathie?
Diabetische Neuropathie ist ein Sammelbegriff für Nervenschäden, die durch Diabetes mellitus verursacht werden. Dabei sind die Nerven des peripheren Nervensystems betroffen, also jene Nerven, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark liegen. Diese Nerven sind für Empfindungen, Bewegungen und die Steuerung der Organfunktionen zuständig.
Etwa jeder dritte Mensch mit Diabetes mellitus entwickelt eine diabetische Neuropathie. Das Risiko steigt mit der Dauer der Diabeteserkrankung und einem schlecht eingestellten Blutzuckerspiegel.
Ursachen für diabetische Neuropathie
Die genauen Ursachen für die Entstehung einer diabetischen Neuropathie sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass mehrere Faktoren zusammenspielen:
- Erhöhter Blutzuckerspiegel: Ein dauerhaft zu hoher Blutzuckerspiegel schädigt die kleinen Blutgefäße, die die Nerven mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen.
- Stoffwechselstörungen: Auch andere Stoffwechselstörungen, die bei Diabetes auftreten können, wie z.B. erhöhte Blutfettwerte, können zur Nervenschädigung beitragen.
- Mangel an Vitamin B: Ein schlecht eingestellter Blutzuckerspiegel kann dazu führen, dass zu viel Vitamin B im Urin ausgeschieden wird. Ein Mangel an diesem Vitamin kann die Entwicklung von Nervenschäden fördern und verschlimmern.
- Weitere Risikofaktoren: Bluthochdruck, Rauchen, Alkoholkonsum, Übergewicht und Bewegungsmangel können das Risiko für eine diabetische Neuropathie erhöhen.
Formen der diabetischen Neuropathie
Je nachdem, welche Nerven betroffen sind, werden verschiedene Formen der diabetischen Neuropathie unterschieden:
Lesen Sie auch: Einblick in die Pathophysiologie der diabetischen Polyneuropathie
- Sensomotorische Neuropathie: Dies ist die häufigste Form. Sie betrifft die Nerven, die für Empfindungen und Bewegungen zuständig sind. Typische Symptome sind Schmerzen, Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Missempfindungen in den Füßen und Beinen, aber auch in Händen und Armen.
- Autonome Neuropathie: Diese Form betrifft die Nerven, die unbewusst ablaufende Körperfunktionen steuern, wie z.B. Verdauung, Herzfrequenz, Blutdruck, Blasenfunktion und Schweißbildung. Die Symptome können je nach betroffenem Organ sehr unterschiedlich sein.
- Fokale Neuropathie: Diese Form betrifft einzelne Nerven oder Nervengruppen und kann zu plötzlichen Schmerzen oder Muskelschwäche führen.
Symptome der diabetischen Neuropathie
Die Symptome einer diabetischen Neuropathie können vielfältig sein und hängen davon ab, welche Nerven betroffen sind.
Sensomotorische Neuropathie:
- Missempfindungen wie Kribbeln, Brennen oder Stechen in den Füßen und Beinen
- Taubheitsgefühle, Verlust des Empfindungsvermögens für Berührungen, Schmerzen oder Temperaturen
- Schmerzen, die oft nachts schlimmer sind
- Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen
- Muskelschwäche oder Lähmungen
- Unsicherheit beim Gehen, häufiges Stolpern
- Restless-Legs-Syndrom
Autonome Neuropathie:
- Herz-Kreislauf-System: Blutdruckschwankungen, Herzrhythmusstörungen, Schwindel
- Verdauungstrakt: Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Durchfall, Blähungen, Sodbrennen, Schluckstörungen
- Harnwege: Blasenschwäche, Schwierigkeiten beim Entleeren der Blase, Inkontinenz
- Geschlechtsorgane: Erektionsstörungen, gestörtes sexuelles Empfinden
- Schweißdrüsen: Verminderte Schweißproduktion, trockene Haut, übermäßiges Schwitzen (vor allem im Gesicht und am Hals beim Essen)
- Augen: Pupillenstörungen, beeinträchtigte Anpassung an Dunkelheit
Gastrointestinale Symptome:
Mehr als die Hälfte der Patienten mit Diabetes mellitus klagt über gastrointestinale Beschwerden wie Obstipation, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen und Stuhlinkontinenz. Es ist jedoch fraglich, ob diese Symptome ausschließlich durch die bestehende Blutzuckerkrankheit und eine den Diabetes mellitus begleitende Neuropathie des autonomen Nervensystems verursacht werden. Vielmehr spiegeln sie auch die hohe Prävalenz gastrointestinaler Symptome in der Allgemeinbevölkerung wider.
Diagnose der diabetischen Neuropathie
Die Diagnose einer diabetischen Neuropathie basiert auf einer Kombination aus Anamnese, körperlicher Untersuchung und neurologischen Tests.
- Anamnese: Der Arzt wird nach den Beschwerden des Patienten fragen und Informationen über die Diabeteserkrankung, Begleiterkrankungen und Medikamente einholen.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt wird die Empfindlichkeit des Patienten auf Berührungen, Temperaturen und Schmerzen prüfen. Er wird auch die Reflexe und die Muskelkraft testen.
- Neurologische Tests: Es gibt verschiedene neurologische Tests, die zur Diagnose einer diabetischen Neuropathie eingesetzt werden können, wie z.B. die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, die quantitative sensorische Testung (QST) und die autonome Funktionstestung.
- Weitere Untersuchungen: Bei Verdacht auf eine autonome Neuropathie können weitere Untersuchungen erforderlich sein, um die Funktion der betroffenen Organe zu überprüfen.
Behandlung der diabetischen Neuropathie
Eine diabetische Neuropathie ist nicht heilbar, aber es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, um die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
- Optimale Blutzuckereinstellung: Eine gute Blutzuckereinstellung ist die wichtigste Maßnahme, um weiteren Nervenschäden vorzubeugen. Dies kann durch eine Kombination aus Ernährungsumstellung, Bewegung, Medikamenten und gegebenenfalls Insulin erreicht werden. Die AOK Sachsen-Anhalt bietet besondere Behandlungsprogramme (DMP) bei Diabetes an, um Patienten bei der optimalen Einstellung ihres Blutzuckers zu unterstützen.
- Kontrolle von Risikofaktoren: Auch andere Risikofaktoren wie Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Übergewicht, Rauchen und Alkoholkonsum sollten behandelt bzw. vermieden werden.
- Schmerztherapie: Bei Schmerzen können verschiedene Schmerzmittel eingesetzt werden. Allerdings wirken gängige Schmerzmittel wie Aspirin oder Ibuprofen oft nicht gut bei diabetischer Neuropathie. Stattdessen werden Medikamente eingesetzt, die üblicherweise zur Behandlung von Depressionen und Epilepsie verwendet werden, wie z.B. Pregabalin oder Duloxetin. Diese Medikamente können die Schmerzwahrnehmung verändern und die Weiterleitung von Schmerzreizen an das Gehirn hemmen.
- Alternative Behandlungsmethoden: Einige Patienten profitieren von alternativen Behandlungsmethoden wie Akupunktur, transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS) oder Capsaicin-Creme.
- Physiotherapie: Bei Muskelschwäche, Bewegungsstörungen oder Lähmungen kann Physiotherapie helfen, die Muskelkraft zu verbessern und die Beweglichkeit zu erhalten.
- Ernährungsberatung: Bei Magen-Darm-Problemen kann eine Ernährungsberatung helfen, die Ernährung anzupassen und die Beschwerden zu lindern.
- Fußpflege: Menschen mit diabetischer Neuropathie sollten ihre Füße täglich auf Verletzungen, Druckstellen oder andere Auffälligkeiten untersuchen. Eine professionelle Fußpflege kann helfen, Fußproblemen vorzubeugen.
- Weitere Behandlungen: Je nach Art der autonomen Neuropathie können weitere Behandlungen erforderlich sein, z.B. Medikamente zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen, Blutdrucksenker oder Medikamente zur Verbesserung der Blasenfunktion.
Vorbeugung der diabetischen Neuropathie
Eine gute Blutzuckereinstellung und ein gesunder Lebensstil sind die besten Maßnahmen, um einer diabetischen Neuropathie vorzubeugen.
Lesen Sie auch: Therapieansätze bei diabetischer Polyneuropathie
- Regelmäßige Blutzuckerkontrolle: Menschen mit Diabetes sollten ihren Blutzucker regelmäßig kontrollieren und darauf achten, dass er im Zielbereich liegt.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukten kann helfen, den Blutzucker zu stabilisieren und das Gewicht zu kontrollieren. Die AOK beteiligt sich gern an den Kosten, wenn aufgrund einer Erkrankung, wie z.B. einer Allergie, eine Ernährungsberatung benötigt wird.
- Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann helfen, den Blutzucker zu senken, das Gewicht zu kontrollieren und die Durchblutung zu verbessern.
- Verzicht auf Nikotin und Alkohol: Rauchen und Alkoholkonsum können die Nervenschädigung verstärken und sollten vermieden werden.
- Regelmäßige Check-ups: Menschen mit Diabetes sollten regelmäßig ihren Arzt aufsuchen, um sich auf Anzeichen einer diabetischen Neuropathie untersuchen zu lassen. Die AOK übernimmt ab dem 35. Lebensjahr alle drei Jahre die Kosten für einen Gesundheits-Check-Up.
Leben mit diabetischer Neuropathie
Eine diabetische Neuropathie kann das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen. Es ist wichtig, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um das Fortschreiten der Nervenschäden zu verlangsamen und die Lebensqualität zu erhalten.
- Selbstmanagement: Menschen mit diabetischer Neuropathie können selbst viel tun, um ihre Beschwerden zu lindern und ihr Wohlbefinden zu verbessern. Dazu gehören eine gute Blutzuckereinstellung, eine gesunde Lebensweise, regelmäßige Fußpflege und die Einnahme der verordneten Medikamente.
- Unterstützung suchen: Es ist wichtig, sich von Familie, Freunden oder Selbsthilfegruppen unterstützen zu lassen. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen.
- Hilfsmittel nutzen: Je nach Art der Beschwerden können verschiedene Hilfsmittel den Alltag erleichtern, z.B. Gehhilfen, orthopädische Schuhe oder spezielle Strümpfe.
- Achtsamkeit: Menschen mit diabetischer Neuropathie sollten besonders achtsam mit ihrem Körper umgehen und auf Veränderungen achten. Verletzungen oder Druckstellen an den Füßen sollten sofort behandelt werden, um Komplikationen wie ein diabetisches Fußsyndrom zu vermeiden.
Lesen Sie auch: Symptome & Behandlung
tags: #diabetische #neuropathie #darm #symptome #ursachen #behandlung