Diabetische Neuropathie: Definition, Ursachen, Symptome und Therapie

Die diabetische Neuropathie ist eine häufige und potenziell schwerwiegende Komplikation des Diabetes mellitus. Etwa jeder dritte Mensch mit Diabetes ist davon betroffen, was die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken kann. Dies geschieht vor allem durch quälende neuropathische Schmerzen, aber auch durch Missempfindungen oder Taubheitsgefühl in den unteren Extremitäten.

Die klinische Bedeutung der diabetischen Neuropathie wird nach wie vor unterschätzt. Verschiedene Daten weisen darauf hin, dass das Neuropathie-Screening in der allgemeinmedizinischen Praxis nicht hinreichend in Anspruch genommen wird. Daher wurde 2013 die nationale Aufklärungsinitiative „Diabetes! Hören Sie auf Ihre Füße?” ins Leben gerufen und in diesem Rahmen die PROTECT-Studie durchgeführt, an der 1850 Personen mit und ohne Diabetes teilgenommen haben.

Definition und Formen der diabetischen Neuropathie

Definitionsgemäß umfasst die Erkrankung eine Vielzahl von klinischen Manifestationen am peripheren oder autonomen Nervensystem, die im Rahmen des Diabetes mellitus auftreten und auf keine anderen Ursachen einer peripheren Neuropathie zurückzuführen sind.

Man unterscheidet unterschiedliche Ausprägungen der diabetischen Neuropathie:

  • Periphere Neuropathie: Nervenschäden betreffen die Extremitäten - also den Bereich der Füße, der Unterschenkel wie auch der Hände oder (Unter-)Arme. Diese Form der diabetischen Neuropathie wird oft beobachtet. Sie ist meist durch Brennen, stichartiges Kribbeln, Taubheit, Schmerz oder Schwäche in den betroffenen Partien gekennzeichnet.
  • Autonome Neuropathie: Eine autonome diabetische Neuropathie kann nahezu jedes Organ in Mitleidenschaft ziehen. Dabei betreffen die Nervenschäden ebenjene Nerven, die die inneren Organe steuern. Dies kann zu Problemen mit dem Herzen, dem Blutdruck, dem Verdauungstrakt, der Blase, den Geschlechtsorganen oder sogar zu verminderter Sehkraft führen - abhängig davon, welche Nervenbahnen betroffen sind. Da die Funktion der inneren Organe beeinträchtigt ist, kann die Lebenserwartung je nach Krankheitsverlauf eingeschränkt sein.
  • Fokale Neuropathie: Bei der fokalen (diabetischen) Neuropathie beschränken sich die Nervenschäden (stark) lokal begrenzt auf einzelne Nervenstränge entweder in den Händen, den Beinen oder auch im Rumpf.
  • Proximale Neuropathie: Die proximale Neuropathie hingegen zeichnet sich durch Nervenschäden im Bereich der Hüfte aus. Oftmals ist dann nur eine Körperhälfte betroffen. Beide Formen sind selten.
  • Subklinische Neuropathie: Da eine diabetische Neuropathie meist schleichend einsetzt sind die ersten Anzeichen oftmals nicht offensichtlich. In dieser Phase sind Alltagaktivitäten nicht eingeschränkt, doch neurologische Untersuchungen zeigen bereits Auffälligkeiten. In dieser Phase sind vorbeugende Maßnahmen besonders effektiv.
  • Schmerzlose Neuropathie: Häufig vorkommende Verlaufsform, die insbesondere durch Missempfindungen in den betroffenen Körperpartien gekennzeichnet ist. Ausgeprägte Schmerzen treten jedoch nicht auf.
  • Chronisch-schmerzhafte Neuropathie: Sie ist durch dauerhaftes Schmerzempfinden geprägt. Dies hat meist großen Einfluss auf die Lebensqualität der betroffenen Personen.
  • Akut-schmerzhafte Neuropathie: Eine sehr spezielle, seltene Verlaufsform. Sie kann bei Patienten mit langfristig schwer entgleistem (oft unbehandeltem) Diabetes auftreten. Sobald dann eine Stoffwechselkorrektur durch Insulingabe durchgeführt wird, kann diese (zu) rasche Normalisierung des Stoffwechsels mit starken Schmerzen einhergehen ("Behandlungsinduzierte Neuropathie des Diabetes“, „treatment-induced neuropathy of diabetes, TIND").

Ursachen und Risikofaktoren

Die Nervenschäden bei einer diabetischen Neuropathie entstehen durch mehrere Faktoren. Wie häufig kommt es zu einer diabetischen Neuropathie? Ungefähr die Hälfte der Menschen mit einem Diabetes Typ 1 und Typ 2 entwickelt im Lauf des Lebens eine Neuropathie. Das Risiko steigt mit der Erkrankungsdauer. Auch ein schlecht eingestellter Blutzuckerspiegel begünstigt Nervenschäden.

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Bei der Entstehung einer diabetischen Neuropathie greifen wohl mehrere Faktoren ineinander. Obwohl noch nicht abschließend geklärt, fördert ein dauerhaft erhöhter Blutzucker (vermutlich) folgende - sich gegenseitig verstärkende - Schädigungsprozesse in den betroffenen Geweben und damit in den dort verlaufenden Nerven:

  • Gestörte Durchblutung: Durch Störungen der Mikrozirkulation in den peripheren Geweben werden Nervenzellen und Nervenbahnen nicht mehr ausreichend mit Blut, und damit nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Nervenzellen nehmen in diesen Mangelversorgungsgebieten Schaden.
  • Beeinträchtigung des Stoffwechsels auf Zellebene: Durch den erhöhten Blutzucker, vermutet man, dass die „Kraftwerke der Zelle“ (Mitochondrien) nicht optimal funktionieren. Die davon betroffenen Nervenzellen gehen dadurch im Laufe der Zeit zugrunde.
  • Schädliche Stoffwechselprodukte: Man vermutet, dass durch den (chronisch) erhöhten Blutzucker schädliche Stoffwechselprodukte gebildet werden können - etwa neurotoxische (glykierte) Proteine.

Das Risiko für eine diabetische Neuropathie steigt neben demografischen Faktoren wie einem erhöhten Alter und Übergewicht durch folgende Einflussgrößen:

  • Dauer der bestehenden Diabetes-Erkrankung
  • Dauerhaft erhöhter Blutzucker (Hyperglykämie, schlecht eingestellter Stoffwechsel)
  • Erhöhter Blutdruck (Hypertonie)
  • Vorerkrankungen (bspw.: periphere arterielle Verschlusskrankheit / pAVK, Niereninsuffizienz, diabetische Nephropathie, etc.)
  • Alkohol und Nikotin
  • Mangelnde körperliche Aktivität

Bestimmte Faktoren prädisponieren für die Entstehung der schmerzhaften Form. Diese tritt häufiger bei Frauen, bei bevorzugtem Befall der kleinen Fasern und in Verbindung mit höherem Schweregrad der DSPN auf. Zu den wichtigen Risikofaktoren für das Auftreten einer diabetischen Neuropathie gehören das Alter, die Diabetesdauer, eine unzureichende Diabeteseinstellung und Übergewicht/Adipositas. Hinzu kommen mangelnde Bewegung sowie Hypertonie im Rahmen des metabolischen Syndroms, Nervengifte wie Nikotin und Alkohol und die Dyslipidämie. Komorbiditäten wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) und weitere mikro- und makrovaskuläre Folgeschäden erhöhen das Risiko ebenfalls. Eine Neuropathie kann bereits im Stadium des Prädiabetes vorliegen, das heißt bei gestörter Nüchternglukose (IFG) und/oder gestörter Glukosetoleranz (IGT). Mehrere Studien weisen darauf hin, dass im Vergleich zu Gesunden eine erhöhte Prävalenz sowohl der DSPN als auch einer kardiovaskulären autonomen Neuropathie bei Prädiabetes besteht.

Symptome der diabetischen Neuropathie

Eine diabetische Neuropathie setzt in der Regel schleichend über viele Jahre hinweg ein. Daher kann es vorkommen, dass Betroffene den ersten Symptomen oftmals keine Beachtung schenken. Wie sich die Beschwerden im weiteren Verlauf ausprägen, hängt stark von der vorliegenden Verlaufsform und dem Fortschritt der Erkrankung ab.

Symptome einer peripheren diabetischen Neuropathie

Typischerweise beginnt die periphere diabetische Neuropathie in den Füßen. Diese Beschwerden breiten sich im weiteren Verlauf auch auf die Bereiche der Unterschenkel und Hände aus. Sie reichen von Missempfindungen, Taubheitsgefühlen über Kribbeln hin zu stechendem, brennendem Schmerzen. Die Symptome sind nachts meist stärker ausgeprägt - können sich aber durch Bewegung bessern.

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In fortgeschrittenen Stadien gehen die Beschwerden zunehmend mit typischen Bewegungseinschränkungen einher:

  • Veränderter Gang
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Erhöhte Sturzanfälligkeit
  • Verlust der Muskelkraft
  • Verlust der Muskelspannung
  • Schmerzen beim Gehen - häufig begleitet von geschwollenen Füßen.

Symptome einer autonomen diabetischen Neuropathie

Die autonome diabetische Neuropathie beeinträchtigt die Funktion innerer Organe. Auch Schluckbeschwerden, eine verminderte Schweißproduktion oder eine verminderte Sehfähigkeit werden in einigen Fällen beobachtet.

Die häufigsten Ausprägungen der autonomen diabetischen Neuropathie sind jedoch:

  • Kardiovaskuläre autonome Neuropathie: Sind Nerven, die die Funktion des Herzens kontrollieren, betroffen hat dies Einfluss auf die Herzfunktion (bspw.: Herzrhythmusstörung, Herzrasen, verminderte Pumpleistung, etc.). Eine autonome diabetische Neuropathie kann auch zu einer gestörten Blutdruckregulation oder zu Durchblutungsstörungen führen, was wiederum das Risiko für ein diabetisches Fuß-Syndrom erhöht („diabetischer Fuß“).
  • Autonome Neuropathie des Urogenitaltrakts: Sind Nerven geschädigt, die den Harntrakt steuern, kann es zu unwillkürlichem Harnverlust (Inkontinenz) oder zur Unfähigkeit die Blase zu entleeren kommen (Miktionsstörungen). Zudem können sich Störungen der Sexualfunktion entwickeln.
  • Autonome Neuropathie des Gastrointestinaltrakts: Betreffen die Nervenschädigung den Verdauungstrakt kann dies Schmerzen in der Bauchgegend, Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl und Blähungen führen. Auch ein charakteristischer Wechsel von Durchfall und Verstopfung wird oftmals beobachtet, da die Darmbewegungen (Peristaltik) gestört sein können.

Weitere Symptome

  • Niedriger Blutdruck
  • Benommenheit
  • Schluckstörungen
  • Übelkeit
  • Verstopfung
  • Durchfall
  • Schwierigkeiten, die Blase zu entleeren
  • Extremes Schwitzen
  • Erektionsstörungen

Ungefähr die Hälfte der Menschen mit einer diabetischen Neuropathie hat jedoch keine Beschwerden. Bei ihnen können trotzdem das Empfindungsvermögen und Muskelreflexe vermindert sein oder fehlen. Auch haben sie oft einen unsicheren Gang und stürzen leichter. Ebenso bleiben Fußverletzungen häufig unbemerkt, weil sie nicht schmerzen.

Diagnose der diabetischen Neuropathie

Aufgrund der schwerwiegenden Folgen der DSPN ist die Früherkennung wichtig. Mithilfe einfacher Screeningtests sollte bereits frühzeitig nach Hinweisen auf eine DSPN gesucht werden, um rechtzeitig eine Therapie einleiten zu können. Erfassung neuropathischer Plus- und Minussymptome (ggf. Untersuchung auf eine pAVK (Pulsstatus, ggf. Neurologische Untersuchungen (ggf. 1. Vibrationsempfindung mit C64-Hz-Stimmgabel (nach Rydel-Seiffer) oder Druck- bzw. 2. Schmerzempfindung, z. B. mittels 512-mN-Pinprick-Stimulatoren (oder Ähnlichem), oder Temperaturempfindung, z. B.

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In Übereinstimmung mit der NVL werden als Minimalkriterium für das Screening zwei Tests vorgeschlagen (Schmerz- und Vibrationsempfindung). Neuropathische Schmerzen können mithilfe von Fragebögen wie dem „Douleur Neuropathique 4”-(DN4)-Interview verifiziert werden, während Schmerzskalen der Quantifizierung der Schmerzstärke dienen. Im Allgemeinen gilt ein Schmerzniveau von ≥4 Punkten auf der numerischen Ratingskala (NRS) als klinisch relevanter Indikator für eine Schmerztherapie.

Die klinische Diagnostik umfasst weitere Tests wie Prüfung der Temperatur- (z. B. TipTherm) sowie Druck- und Berührungsempfindung (10-g-Monofilament), der Propriozeption und der Achillessehnenreflexe. Zur Erfassung des Schweregrades der neuropathischen Symptome und Defizite (selten Allodynie bzw. Hyperalgesie) können validierte Scores eingesetzt werden, die nicht zuletzt auch der Standardisierung der klinischen Diagnostik dienen.

Ein regelmäßiges Screening auf sensorische oder autonome Neuropathien ist ab dem Zeitpunkt der Diabetes-Diagnose sinnvoll - insbesondere bei Typ-2-Diabetes. Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes sollte das Routine-Screening spätestens fünf Jahre nach der Diagnosestellung beginnen. Erster Ansprechpartner ist der niedergelassene Allgemeinarzt oder der betreuende Diabetologe.

Eine engmaschige Kontrolle ermöglicht es, diabetische Neuropathien frühzeitig zu entdecken. Das Screening findet in der Regel einmal jährlich statt. Ergibt sich bei solchen Terminen ein erster Verdacht auf Nervenschäden, finden die Untersuchungen alle drei bis sechs Monate statt.

In der Regel erkundigt sich Ihre Ärztin oder Ihr Arzt in einem persönlichen Gespräch nach Ihrem Gesundheitszustand, möglichen Auffälligkeiten oder Verschlechterungen. Dies könnten etwa Schmerzen oder Taubheitsgefühle an Händen oder Füßen sein.

Weitere körperliche Untersuchungen umfassen in der Regel:

  • Messen der Empfindlichkeit gegenüber leichten Berührungen oder Vibrationen (Stimmgabeltest)
  • Prüfen des Kälte- und Wärmeempfindens
  • Prüfen der Muskelreflexe und des Gangs
  • Messen der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektromyographie, Elektroneurographie)
  • Herzfunktionstest (Elektrokardiogramm, EKG) zur Abklärung von möglichen Schäden am Herz-Kreislauf-System

Darüber hinaus prüfen Ärzte auf mögliche Hautverfärbungen, Hauteinblutungen, Blasenbildung, die Ausdehnung von Hautverletzungen oder infizierte Wunden an den betroffenen Körperpartien, die auf ein diabetisches Fuß-Syndrom hindeuten könnten.

Auch prüfen Ärzte auf möglicherweise bestehende Begleiterscheinungen wie beispielsweise charakteristische Verformungen des Fußes (Neuroosteoarthropathie, „Charcot-Fuß“).

Bei einem bestehenden Diabetes in Kombination mit unspezifischen Beschwerden kann es auch notwendig sein, dass Ihre behandelnde Ärztin oder Arzt gegebenenfalls weitere Blutuntersuchungen durchführt:

  • Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
  • Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH)
  • Vitamin B12, Folsäure
  • Kreatinin
  • Alanin-Aminotransferase (ALAT)
  • Gamma-Glutamyltransferase (Gamma-GT, GGT) sowie ggf. weitere.

Treten bestimmte Beschwerde-Konstellationen auf, kann sich ein Verdacht auf eine autonome diabetische Neuropathie ergeben. In einem solchen Fall ziehen Ihre behandelnden Ärztinnen oder Ärzte weitere Fachdisziplinen hinzu - etwa aus der Neurologie, Kardiologie oder Urologie.

Therapie der diabetischen Neuropathie

Eine diabetische Neuropathie ist nicht heilbar. Das Ziel der Therapie ist daher, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen und Komplikationen wie ein Fußgeschwür zu verhindern.

Die Therapie der diabetischen Neuropathie basiert auf den drei Säulen kausale Therapie, pathogenetisch orientierte Therapie und symptomatische Schmerztherapie.

Kausale Therapie

Bei der kausalen Therapie steht im Vordergrund, den ätiologischen Faktor Hyperglykämie durch eine möglichst normnahe Diabeteseinstellung und, falls erforderlich, Lebensstiländerung auszuschalten. Es besteht jedoch Konsens, dass bei allen Diabetestypen Risikofaktoren für die Neuropathie (Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum) und assoziierte Begleiterkrankungen (Nephropathie, Retinopathie, KHK, pAVK, Hypertonie, viszerale Adipositas, Dyslipidämie) erfasst und therapiert (initial durch Lebensstilmodifikation) werden müssen.

Für Patienten mit Typ -1-Diabetes zeigte die DCCT/EDIC-Studie präventive Effekte einer intensiven im Vergleich zur konventionellen Insulintherapie auf die DSPN. Am Ende der randomisierten Interventionsphase (DCCT) lag bei 9 % (intensive Therapie) vs. 17 % (konventionelle Therapie) der Teilnehmer eine bestätigte DSPN vor; nach einer Beobachtungsphase von 13 bis 14 Jahren (EDIC) war der Anteil in beiden Gruppen gestiegen (25 % vs. 35 %). Die Daten zeigen, dass sich die Entwicklung der DSPN zwar aufhalten, aber nicht vollständig verhindern lässt. Selbst bei sehr schwerer, fortgeschrittener DSPN kann eine kausale Therapie zu einer Besserung beitragen. Nach simultaner Pankreas- und Nierentransplantation nahm die Faserdichte der Hornhaut in der Kornea-Mikroskopie in der transplantierten Gruppe gegenüber Studienbeginn im Gegensatz zur Kontrollgruppe ohne Transplantation signifikant zu. Der Anstieg war bereits nach einem Jahr zu beobachten und hielt bis zu drei Jahren an.

Beim Typ-2-Diabetes sind die Daten zur Prävention der DSPN durch eine kausale Therapie nicht eindeutig. In der Look-AHEAD-Studie schnitten Typ-2-Diabetespatienten mit Übergewicht oder Adipositas, die eine intensive Lebensstilintervention erhielten, über einen Zeitraum von zwölf Jahren bei jährlichen Befragungen zu neuropathischen Symptomen mit dem Fragebogen „Michigan Neuropathy Screening Instrument” (MNSI) punktuell besser ab als die Gruppe ohne diese Intervention. Bei neuropathischen Defiziten (MNSI-Untersuchung) am Ende der Studie zeigte sich jedoch kein Unterschied zwischen beiden Gruppen bezüglich der Anteile der Teilnehmer mit DSPN (67,4 % bzw. 67,8 %). Ähnliches gilt für die Effekte der intensiven Diabetestherapie beim Typ-2-Diabetes.

Pathogenetisch orientierte Therapie

Die zweite Säule der Therapie leitet sich aus der komplexen Pathogenese der diabetischen Neuropathie ab. Sie soll krankheitsmodifizierend in die verschiedenen Pathomechanismen eingreifen, um neuropathische Defizite und Symptome langfristig zu beheben.

Bei der diabetischen Neuropathie spielen neben der Hyperglykämie weitere Faktoren eine ursächliche Rolle, dazu gehören u. a. Dyslipidämie, Insulinresistenz (Typ-2-Diabetes), inflammatorische Prozesse und Carbonyl-Stress durch Methylglyoxal (eine hochreaktive Vorstufe der fortgeschrittenen glykierten Endprodukte „advanced glycation endproducts”, AGE). Ein zentraler Pathomechanismus ist nach diesem Konzept die Überproduktion von Superoxid durch die mitochondriale Elektronentransportkette. Sie führt zu oxidativem Stress, der über verschiedene Stoffwechselwege die Nerven schädigt. In diesen Pathomechanismus können mehrere Wirkstoffe eingreifen: Alpha-Liponsäure, ein Antioxidans, reduziert den oxidativen Stress. Benfotiamin, eine fettlösliche Vorstufe von Thiamin (Vitamin B1), hemmt pathogene Stoffwechselwege einschließlich der Bildung von AGE.

Für Alpha-Liponsäure liegt die höchste Evidenz in Form von zahlreichen Metaanalysen vor. Sowohl die intravenöse als auch die orale Gabe der Substanz führt nach einigen Wochen zu einem signifikanten und klinisch relevanten Rückgang der Symptome (brennende und stechende Schmerzen, Parästhesien, Taubheitsgefühl) (sechs Metaanalysen) und Defizite bzw. Zeichen (drei Metaanalysen). In der NATHAN-1-Studie zeigten sich positive Effekte von Alpha-Liponsäure in der langfristigen Anwendung bei Patienten mit milder bis moderater, nahezu asymptomatischer DSPN. So hatte sich nach vier Jahren unter täglich 600 mg Alpha-Liponsäure im Vergleich zu Placebo bei deutlich mehr Patienten eine Verbesserung der neuropathischen Defizite eingestellt. Diese war definiert als eine Abnahme des „Neuropathy Impairment Scores” (NIS) der unteren Extremitäten (NIS-LL) um mindestens zwei Punkte. Zugleich war der Anteil der Patienten, bei denen sich die Defizite verschlechtert hatten (Zunahme des NIS-LL um ≥2 Punkte), unter Placebo höher als unter Alpha-Liponsäure. Gemäß einer Post-hoc-Analyse der Studie war die Wirksamkeit von Alpha-Liponsäure besonders gut bei Patienten, bei denen der Diabetes oder die DSPN bereits länger bestand und die Diabeteseinstellung schlechter war.

In einer kürzlich publizierten Metaanalyse wurden erniedrigte systemische Spiegel von Thiamin (Vitamin B1) bei Menschen mit Diabetes nachgewiesen. Dieser Befund weist darauf hin, dass der Thiamin-Bedarf bei Diabetes erhöht sein könnte. Schon in früheren Studien wurden sowohl bei Patienten mit Typ-1- als auch mit Typ-2-Diabetes günstige Effekte von Benfotiamin beobachtet. So führte die Gabe von 300 mg Benfotiamin pro Tag über drei Wochen zu einer signifikanten Verbesserung der Nervenleitgeschwindigkeit.

Symptomatische Schmerztherapie

Bei der schmerzhaften Form der DSPN kommt häufig eine symptomatische Schmerztherapie zum Einsatz, die die Schmerzen reduzieren und so die Lebensqualität des Patienten erhalten soll.

Schmerzen werden oft mit Medikamenten gelindert, die üblicherweise bei Depressionen und Epilepsie zum Einsatz kommen. Sie hemmen die Weiterleitung der Schmerzreize an das Gehirn und können bei diabetischer Neuropathie helfen.

Wichtig an dieser Stelle: Übliche Schmerzmittel gegen Kopf-, Gelenk- oder Magenschmerzen (Aspirin, Ibuprofen und weitere) sind nicht geeignet. Stattdessen sollten Ärztinnen oder Ärzte bestimmte Medikamente verschreiben, die direkt auf das Nervensystem wirken, wie Pregabalin oder Duloxetin.

Die Dosierung dieser Medikamente sollte bis zum Wirkeintritt, aber nicht über die Maximaldosierung hinaus gesteigert werden, sofern sie vertragen werden. In der Praxis kommt es oft vor, dass mit einer niedrigen Dosis begonnen und dann vergessen wird, diese zu steigern, obwohl noch keine Linderung der Symptome eingetreten ist. Wichtig ist daher, die mögliche Dosierung auszureizen, bevor auf ein anderes Medikament gewechselt wird.

Bei Nebenwirkungen muss sorgfältig abgewogen werden, inwiefern diese vertretbar sind oder nicht. Abhängig von der Art der neuropathischen Symptome und der Begleiterkrankungen können gegebenenfalls auch mehrere Medikamente kombiniert werden. In schweren Fällen ist auch der Einsatz von Morphinen gerechtfertigt.

Neben diesen symptomatischen Therapien gibt es auch Ansätze, die Nervenschäden verursachenden Mechanismen durch Medikamente zu beeinflussen. Alpha-Liponsäure, ein frei verkäufliches und gut verträgliches Medikament, zeigte in diversen Studien einen günstigen Einfluss auf die Nervenfunktion und Symptome der peripheren diabetischen Polyneuropathie. Einige Studien berichten von einer recht früh eintretenden Verbesserung. Laut einer anderen Studie ist eher von einem langfristigen günstigen Effekt auszugehen. Der individuelle Behandlungserfolg ist deshalb weniger leicht feststellbar.

Ebenso wird vermutet, dass Benfotiamin, eine Vorstufe von Vitamin B1, günstige Effekte auf diese Mechanismen ausübt, die vermutlich an der Entstehung diabetischer Nervenschäden beteiligt sind. Es wird bereits bei nicht diabetischen Polyneuropathien eingesetzt. Bei diabetischen Nervenschäden gibt es bisher nur wenige Studien, die einen günstigen Einfluss nach mehreren Wochen Einnahme belegen. Da Benfotiamin und Alpha-Liponsäure beide in Apotheken frei verkäuflich sind, werden diese in Deutschland nicht von den Krankenkassen bezahlt.

Weitere Behandlungsansätze

Neben regelmäßig einzunehmenden Medikamenten gibt es noch weitere Behandlungsansätze. Manchen Betroffenen hilft eine Psychotherapie, die durch chronische Missempfindungen oder Bewegungseinschränkungen eingeschränkte Lebensqualität zu verbessern. Eventuell kann eine elektrische Stimulation mit speziellen Geräten die Beschwerden lindern. Fachleute nennen diese Behandlung TENS (Transkutane elektrische Nervenstimulation). Bei schwer zu behandelnden neuropathischen Schmerzen kann auch die lokale Anwendung von Capsaicin-Pflastern ausprobiert werden. Capsaicin wird aus Chili-Schoten gewonnen und ist dafür verantwortlich, dass wir deren Geschmack als scharf wahrnehmen. Bei Muskelschwäche, Bewegungsstörungen oder Lähmungen hilft regelmäßige Krankengymnastik oder Physiotherapie. Sehr wichtig ist es, ein bestimmtes Grundmaß an körperlicher Aktivität aufrechtzuerhalten, da sonst Bewegungsabläufe vom Körper verlernt und Muskeln übermäßig abgebaut werden.

Menschen, die durch die Polyneuropathie ein eingeschränktes Berührungs- und Schmerzempfinden in den Füßen haben, sollten auf jeden Fall ihre Füße und Schuhe häufig auf Druck- und Scheuerstellen kontrollieren.

Was hilft bei einer diabetischen Neuropathie im Alltag?

Für Menschen mit einer diabetischen Neuropathie ist es sinnvoll, täglich die Füße zu untersuchen und dabei auf trockene oder rissige Haut sowie entzündete, gerötete Stellen zwischen den Zehen und Nägeln zu achten. Dies ist wichtig, um Geschwüre, Hautinfektionen und Verletzungen frühzeitig zu erkennen.

Sollte das allein schwer fallen, kann man die Füße regelmäßig von Angehörigen oder durch eine medizinische Fußpflege untersuchen und pflegen lassen.

Zudem ist es wichtig, im Alltag selbstständig zu bleiben. Eine Physiotherapie kann dabei helfen, die körperliche Fitness zu verbessern und so auch Stürzen und Verletzungen vorzubeugen. Bei einer Ergotherapie lernt man, mit körperlichen Einschränkungen zurechtzukommen.

Außerdem gibt es Möglichkeiten, die Sicherheit zu Hause zu verbessern und so die Sturzgefahr zu senken: etwa durch Haltegriffe im Bad oder durch Nachtlichter in der Wohnung.

Verletzungen können auch durch zu heißes Wasser entstehen.

Vorbeugung

Es bestehen gute Aussichten, das Risiko für eine diabetische Neuropathie zu senken und das Fortschreiten einer bestehenden Symptomatik zu verlangsamen.

Man geht davon aus, dass viele verschiedene Faktoren an der Entstehung einer diabetischen Neuropathie beteiligt sind. Missempfindungen, brennende Schmerzen oder Taubheit - vor allem in Füßen und Beinen sind typische Anzeichen einer Diabetischen Polyneuropathie. Fast jeder zweite Mensch mit Diabetes ist betroffen. Die Erkrankung ist nicht heilbar, aber gut behandelbar. Eine gute Blutzuckerkontrolle ist entscheidend sowie regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung.

Menschen mit Diabetes können einiges tun, um ihr Risiko für einen diabetischen Nervenschaden zu senken oder das Voranschreiten einer Neuropathie zu bremsen:

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