Diabetische Polyneuropathie: Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung

Die diabetische Polyneuropathie (DPN) ist eine häufige und schwerwiegende Komplikation des Diabetes mellitus, die durch Schädigung der peripheren Nerven gekennzeichnet ist. Fast jeder zweite Mensch mit Diabetes ist von dieser Nervenerkrankung betroffen. Die DPN kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen, darunter Schmerzen, Taubheit, Kribbeln und Schwäche in den Füßen und Beinen. In schweren Fällen kann die DPN zu Amputationen führen.

Was ist Diabetische Polyneuropathie?

Die Polyneuropathie (PNP) ist eine Erkrankung peripherer Nerven. Das können zum Beispiel Nerven in den Armen und Beinen sein oder solche, die innere Organe versorgen. Mediziner unterscheiden verschiedene Formen von Polyneuropathie. Polyneuropathien sind eine Gruppe von Erkrankungen des peripheren Nervensystems, wobei Nerven, die sich außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks befinden (sogenannte periphere Nerven), Schaden nehmen. Dies beeinträchtigt die Reizweiterleitung in den Nervenbahnen, was in Missempfindungen, Sensibilitätsstörungen oder auch Schmerzen mündet.

Die diabetische Polyneuropathie ist eine der häufiger auftretenden Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2. Der Begriff beschreibt die Schädigung und in der Folge funktionale Einschränkung peripherer Nerven. Die Polyneuropathie äußert sich dadurch, dass Patienten einen Kraftverlust, ggf. sogar eine Lähmung der mit den beschädigten Nerven in Verbindung stehenden Muskeln, einen Empfindungsverlust für Schmerzen oder schmerzhafte Missempfindungen feststellen. Die Symptome sind abhängig von den betroffenen Nerven.

Formen der Polyneuropathie

Je nach Ausprägung und Körperstelle, an dem die Nervenschäden auftreten, unterscheiden Ärzte:

  • Symmetrische Polyneuropathien: Die Nervenschädigungen betreffen beide Körperhälften.
  • Asymmetrische Polyneuropathien: Die Nervenschädigungen betreffen nur eine Körperseite.
  • Distale Polyneuropathien: Die Schäden an den Nervenbahnen betreffen hauptsächlich Körperregionen, die vom Rumpf bzw. der Körpermitte entfernt liegen (bspw. Hände, Beine, Füße).
  • Proximale Polyneuropathie: Eine seltene Form der Neuropathie, bei der sich die Erkrankung auf die rumpfnahen Körperteile beschränkt.

Welcher Teil der Nervenzellen wird geschädigt?

Jede Nervenzelle setzt sich aus einem Zellkörper und einem Nervenfortsatz (Axon) zusammen. Axone kann man sich wie elektrisch leitende Kabel vorstellen. Der Körper muss sie für die optimale elektrische Reiz- oder Signalweiterleitung mit einer Isolierschicht ummanteln. Diese wird Myelinschicht oder Markscheide genannt.

Lesen Sie auch: Einblick in die Pathophysiologie der diabetischen Polyneuropathie

Bei einer Polyneuropathie können unterschiedliche Teile dieser Nervenfortsätze geschädigt sein. Man unterscheidet:

  • Demyelinisierende Polyneuropathie: Bei dieser Neuropathieform zerfällt die schützende Myelinschicht. Die elektrische Reizweiterleitung wird gestört. Je nach Ursache kann sich eine demyelinisierende Neuropathie (zumindest) teilweise auch wieder bessern.
  • Axonale Polyneuropathie: Dabei ist das Axon selbst betroffen. Meist geht eine axonale Degeneration der Nerven mit schwerwiegenderen Beschwerden einher und weist eine deutlich schlechtere Prognose auf.

In bestimmten Fällen treten auch beide Formen kombiniert auf, sodass Myelinschicht und Axone gleichermaßen geschädigt sind.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Mechanismen, die dazu führen, dass Diabetes die Nerven schädigt, sind bisher nicht eindeutig geklärt. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Entstehung einer diabetischen Neuropathie. Erhöhte Blutzuckerwerte nehmen einen zentralen Platz unter den Risikofaktoren ein. Bei schlechter Blutzuckereinstellung und mit zunehmender Diabetesdauer steigt das Risiko für einen Nervenschaden an.

Die häufigste Ursache für eine Polyneuropathie sind der Diabetes mellitus oder ein übermäßiger Alkoholkonsum. Die entzündlichen, meist immunvermittelten Polyneuropathien sind mit ca. 20 % seltener. Eine wahrscheinlich weiterhin unterdiagnostizierte Gruppe sind die erblichen Neuropathien.

Folgende Grunderkrankungen sind häufig mit einer Polyneuropathie assoziiert:

Lesen Sie auch: Therapieansätze bei diabetischer Polyneuropathie

  • Diabetes mellitus
  • Alkoholmissbrauch
  • Entzündungen (Borreliose, Lepra)
  • Leber-, Nieren- und Lungenerkrankungen
  • Hämatologische und rheumatologische Erkrankungen
  • Tumorerkrankungen
  • Bestimmte Medikamente
  • Langzeitbehandlung auf einer Intensivstation
  • Organtransplantationen

Eine Vielzahl von Medikamenten und weiteren Substanzen kann eine „exotoxische“ Polyneuropathie verursachen. Dazu gehören u.a. verschiedene Chemotherapeutika, Antibiotika, Immun-Checkpoint-Inhibitoren.

Diabetiker sind besonders gefährdet, an einer erworbenen Polyneuropathie zu erkranken, da es zu Schädigungen der kleinsten Gefäße kommt, die die peripheren Nerven versorgen.

Symptome

Eine Neuropathie bei Diabetes kann sich mit verschiedenen Anzeichen bemerkbar machen. Bei der sensomotorischen Neuropathie breiten sich die Symptome in der Regel von den Zehen, Füßen und Unterschenkeln nach oben aus. Die Folge kann neben Kribbeln oder einem Taubheitsgefühl in den Füßen beispielsweise eine Gangunsicherheit sein.

Typische Symptome einer Polyneuropathie sind sensible Reizerscheinungen wie Kribbeln, Ameisenlaufen, Stechen, Elektrisieren und sensible Ausfallerscheinungen wie Pelzigkeitsgefühl, Taubheitsgefühl, Gefühl des Eingeschnürtseins, Schwellungsgefühle sowie das Gefühl, wie auf Watte zu gehen. Oft bestehen eine Gangunsicherheit, insbesondere im Dunkeln, und ein fehlendes Temperaturempfinden mit schmerzlosen Wunden.

Ist das autonome Nervensystem beeinträchtigt, hängen die Beschwerden vom betroffenen Organ ab. Nervenschäden am Herz-Kreislaufsystem äußern sich etwa mit Störungen des Blutdrucks und der Herzfrequenz. Im Magen-Darm-Trakt sind Schluckstörungen, Sodbrennen, Völlegefühle oder Übelkeit mögliche Auswirkungen. Außerdem können beispielsweise eine Blasenschwäche oder Erektionsstörungen auftreten.

Lesen Sie auch: Symptome & Behandlung

Weitere Symptome:

  • Missempfindungen, brennende Schmerzen oder Taubheit - vor allem in Füßen und Beinen
  • Schmerzen fehlen oft, Temperaturwahrnehmung ist eingeschränkt
  • Autonome Symptome wie Kreislaufprobleme, Verdauungsstörungen, Blasenentleerungsstörungen oder Potenzprobleme
  • Gestörtes Empfinden in Bezug auf Vibration sowie Wärme und Kälte
  • Schmerzen am Fuß, vor allem während der Nachtruhe
  • Eingeschränkte Bewegungsfreiheit
  • Diabetischer Fuß mit offenen, nicht heilenden Wunden

Gestörte Unterzucker-Wahrnehmung

Ein diabetischer Nervenschaden kann sich auf die Blutzuckereinstellung auswirken. Betroffene nehmen dann einen Abfall des Blutzuckerspiegels schlechter wahr. Vor allem bei Menschen mit Diabetes, die Insulin benötigen, kann es zu schweren Unterzuckerungen kommen. Dieser Effekt kann durch eine langsamere Magenentleerung infolge einer Neuropathie verstärkt werden: Das zum Essen gespritzte Insulin wirkt dann schon, bevor die Kohlenhydrate aus dem Verdauungstrakt ins Blut übergegangen sind. Betroffene sollten ihren Blutzucker öfter überprüfen, um zu tiefen Werten vorzubeugen. Auch ein Unterzucker-Wahrnehmungstraining kann sinnvoll sein.

Diagnose

Wenn Sie mögliche Polyneuropathie-Symptome an sich bemerken, sollten Sie umgehend einen Arzt aufsuchen. Werden die Nervenschäden frühzeitig erkannt und ihre Ursache behandelt, wirkt sich das positiv auf den Polyneuropathie-Verlauf aus. Die klinische Diagnose einer Polyneuropathie wird anhand von Anamnese und dem klinisch-neurologischen Befund gestellt. In der Krankengeschichte wird nach typischen Symptomen, dem Erkrankungsverlauf, nach Vorerkrankungen und Begleiterkrankungen sowie nach der Familienanamnese gefragt. In einer neurologischen Untersuchung werden Muskelkraft, Sensibilität und Muskeleigenreflexe geprüft.

Geschädigte Nerven äußern sich nicht immer mit wahrnehmbaren Anzeichen. Auch wenn sie keine Beschwerden haben, sollten Menschen mit Diabetes deshalb ihre Nerven untersuchen lassen. Bei Typ-1-Diabetes ab dem fünften Erkrankungsjahr, bei Typ-2-Diabetes gleich nach der Diagnose.

Arzt-Patient-Gespräch (Anamnese)

Der Arzt wird sich zuerst ausführlich mit Ihnen unterhalten, um Ihre Krankengeschichte zu erheben (Anamnese). Er lässt sich die Beschwerden genau schildern und fragt, wie lange sie schon bestehen. Außerdem erkundigt er sich nach eventuellen Vor- oder Grunderkrankungen (wie Diabetes, Nierenerkrankungen, Unterfunktion der Schilddrüse etc.).

Ihre behandelnde Ärztin oder Ihr behandelnder Arzt stellt Ihnen folgende oder ähnliche Fragen im Erstgespräch:

  • Seit wann bestehen die Nervenschmerzen
  • Seit wann bestehen die Empfindungsstörungen?
  • Treten die Beschwerden gleichzeitig auf?
  • Leiden Sie an Vorerkrankungen?
  • Welche Medikamente haben Sie zuletzt zu sich genommen?
  • Sind Sie mit giftigen Substanzen in Kontakt gekommen?
  • Traten bei anderen Familienmitgliedern ähnliche Beschwerden auf?
  • Haben sich das Kribbeln, die Missempfindungen oder Schmerzen in letzter Zeit verschlechtert?

Wichtig ist, dass Sie Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem behandelnden Arzt in einem solchen Gespräch alle Medikamente, die sie einnehmen, nennen. Auch ob Sie möglicherweise mit Giftstoffen in Berührung gekommen sind - beispielsweise am Arbeitsplatz. Zur Abklärung einer Polyneuropathie sind zudem Angaben zu Drogen- und Alkoholkonsum wichtig. Auf entsprechende Fragen sollten Sie Ihren Ärzten daher offen und ehrlich antworten. Nur so können sie die richtige Ursache für die Nervenstörungen herausfinden.

Körperliche und neurologische Untersuchung

Im Anschluss an das Gespräch wird Sie der Arzt körperlich untersuchen. Dabei testet er zum Beispiel Ihre Reflexe (wie den Achillessehnenreflex, der als erster schwächer wird). Er prüft auch, ob Ihre Pupillen richtig auf einfallendes Licht reagieren. Auch auf mögliche Fehlbildungen des Skeletts (Deformitäten) achtet der Arzt. Beispielsweise können Krallenzehen und Hohlfuß ein Hinweis sein, dass die Polyneuropathie erblich bedingt ist.

Am häufigsten beginnen die Symptome und Ausfälle an den unteren Extremitäten, meist an den Füßen oder Fußspitzen. In einer klinischen Untersuchung stellt man häufig abgeschwächte oder ausgefallene Muskelreflexe (insbesondere Achillessehnenreflex) und schlaffe Lähmungen fest. An den Extremitäten können sich Sensibilitätsstörungen socken-, strumpf- oder handschuhförmig ausbreiten. Zu den weiteren Symptomen gehört einerseits eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit, z. B. auf Berührung, Wärme oder Kälte. Je nach Schädigung der Nerven kann aber auch das Berührungs- und Schmerzempfinden abgeschwächt sein.

Daran schließt sich meist eine körperliche und neurologische Untersuchung an, bei der beispielsweise die Reflexe, die Muskelkraft sowie die Empfindsamkeit der Haut im Bereich der Beine und Arme überprüft werden. Bei einer Polyneuropathie treten Empfindungsstörungen meist symmetrisch, also an beiden Beinen gleichermaßen auf.

Weitere Untersuchungen und Tests

Daneben folgen weitere Untersuchungen. Manche davon werden bei jedem Patienten durchgeführt, andere nur in bestimmten Fällen:

  • Elektroneurografie (ENG): Bei der Elektroneurografie (ENG) wird die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen. Der Arzt setzt dafür einen kleinen elektronischen Impuls an mindestens zwei verschiedenen Stellen eines Nervs. Dann misst er die Zeit bis zur Reaktion (Kontraktion) des dazugehörigen Muskels. Bei der Polyneuropathie ist diese Nervenleitgeschwindigkeit meist herabgesetzt. Bei der neurophysiologischen Untersuchung mit Elektroneurographie (ENG) werden mit Stromimpulsen periphere Nerven stimuliert und Antworten von Muskeln oder sensiblen Fasern abgeleitet. Damit lässt sich die Art der Nervenschädigung feststellen.
  • Elektromyografie (EMG): Bei der Elektromyografie (EMG) wird die elektrische Muskelaktivität geprüft. Bei motorischen Störungen wie Muskelschwäche oder Muskellähmung lässt sich so herausfinden, ob das Problem beim Muskel selbst oder aber bei den ihn versorgenden Nerven liegt. Ergibt die EMG, dass die Nervenfunktion gestört ist, spricht das für eine Polyneuropathie. Die Elektromyographie (EMG) untersucht Muskeln mit Nadeln und stellt so das Ausmaß der Schädigung fest.
  • Quantitative sensorische Untersuchung: Bei der quantitativen sensorischen Untersuchung prüft der Arzt, wie ein Nerv auf bestimmte Reize wie Druck oder Temperatur reagiert. So lässt sich feststellen, ob die Empfindlichkeit des Nervs beeinträchtigt ist - wie bei einer Polyneuropathie. Auf diese Weise lässt sich eine Nervenschädigung also gut nachweisen. Die Untersuchung ist allerdings sehr zeitaufwändig. Zudem muss sich der Patient dabei gut konzentrieren und mitarbeiten. Deshalb wird die Methode nicht routinemäßig zur Abklärung einer Polyneuropathie angewendet.
  • Elektrokardiografie (EKG): Eine Elektrokardiografie (EKG) kann Auskunft darüber geben, ob die autonomen Nervenfasern des Herzens geschädigt sind.
  • Ultraschall-Untersuchung der Harnblase: Mittels Ultraschall-Untersuchung der Harnblase kann der Arzt feststellen, ob sich nach dem Wasserlassen noch Restharn in der Blase befindet. Wenn ja, ist wahrscheinlich die Blasenentleerung gestört. Das passiert bei einer autonomen Polyneuropathie sehr oft.
  • Nervenbiopsie: Bei einer Nervenbiopsie wird über einen kleinen Hautschnitt eine winzige Probe des Nervengewebes entnommen. Die Gewebeprobe wird anschließend unter dem Mikroskop begutachtet. Diese Untersuchung wird aber nur in ganz bestimmten Fällen durchgeführt. Sie kann zum Beispiel bei Diabetikern notwendig sein, bei denen nur Nerven auf einer Körperseite geschädigt sind (asymmetrische diabetische Polyneuropathie). Auch wenn der Arzt Lepra als Ursache der Nervenschädigung vermutet, kann er eine Nervenbiopsie durchführen.
  • Hautbiopsie: Ebenfalls nur in ausgewählten Fällen wird eine Hautbiopsie durchgeführt. Dabei wird ein winziges Stück Haut ausgestanzt (etwa am Unterschenkel) und genau untersucht.
  • Blutuntersuchungen: Blutuntersuchungen dienen vor allem dazu, häufige und behandelbare Ursachen der Nervenschädigung zu erkennen. Polyneuropathie ist nicht direkt im Blut nachweisbar. Allerdings können (seltenere) Ursachen bei entsprechendem Verdacht anhand bestimmter Laborwerte aufgedeckt werden. Eine Blutuntersuchung kann unter anderem zeigen, ob zum Beispiel ein Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure besteht oder der Langzeitzuckerwert HbA1c zu hoch ist. Das kann auf mögliche Ursachen der Polyneuropathie hinweisen.

Einige Beispiele für solche Labortests bei Polyneuropathie sind:

  • Erhöhte Entzündungswerte (wie CRP, weiße Blutkörperchen etc.) können auf eine entzündliche Ursache der Nervenschäden hindeuten.
  • Ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) zeigt an, wie gut der Körper Zucker verarbeiten kann. Auffällige Testergebnisse können auf einen noch unentdeckten Diabetes (oder eine Vorstufe davon) hinweisen. Auch der Nüchternblutzucker ist hierbei sehr aussagekräftig. Bei bekannter Zuckerkrankheit ist vor allem der HbA1c-Wert ("Langzeitblutzucker") wichtig: Er zeigt an, wie gut der Diabetes in den letzten Monaten eingestellt war.
  • Der Vitamin-B12-Status wird gemessen, um zu prüfen, ob eventuell ein Mangel besteht.
  • Liegen die Leber- oder Nierenwerte außerhalb der Norm, wird die Polyneuropathie möglicherweise durch eine Leber- oder Nierenerkrankung verursacht. Dabei können Leberschäden auch durch Alkoholmissbrauch verursacht sein.
  • Besteht der Verdacht, dass eine bestimmte Infektionskrankheit die Polyneuropathie verursacht, sind spezielle Blutuntersuchungen sinnvoll. Beispielsweise lässt sich eine vermutete Borreliose abklären, indem man im Blut des Patienten nach Antikörpern gegen die auslösenden Bakterien (Borrelien) fahndet.
  • Eine genetische Untersuchung ist angezeigt, wenn es in einer Familie mehrere Fälle von Polyneuropathie gibt. Dann liegt der Verdacht nahe, dass es sich um eine erblich bedingte Nervenschädigung handelt. Das Gleiche gilt, wenn der Patient bestimmte Fehlstellungen des Fußes (Krallenzehen, Hohlfuß) oder andere Fehlbildungen des Skeletts (wie Skoliose) aufweist. Sie sind typisch für eine erblich bedingte Polyneuropathie. Der Arzt kann dann das Erbgut des Patienten auf entsprechende Veränderungen (Mutationen) untersuchen lassen.

Je nach Situationen veranlasst der Arzt oder die Ärztin gegebenenfalls auch weitere Untersuchungen, etwa eine Gewebeprobe (Biopsie) von Nerven und Muskeln, eine Untersuchung des Hirnwassers (Liquorpunktion), eine Kernspintomografie, eine Ultraschalluntersuchung oder genetische Untersuchungen.

Behandlung

Heilbar sind diabetische Nervenschäden nicht. Die Behandlung zielt in erster Linie darauf ab, die Beschwerden zu lindern und den Betroffenen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Sie sollen zudem Wissen und Fähigkeiten erlernen, um mit der Erkrankung im Alltag zurechtzukommen. Darüber hinaus geht es darum, eine weitere Verschlechterung der Nervenschäden zu verhindern.

Welche Therapie bei Polyneuropathie die richtige ist, hängt vor allem davon ab, ob die Ursache der Erkrankung festgestellt werden kann. Hauptziel der Behandlung ist es, die Symptome der Nervenerkrankung so gut wie möglich zu lindern und eine Verschlimmerung abzuwenden.

Die Therapie der Polyneuropathie richtet sich nach der festgestellten Ursache und nach dem Beschwerdebild.

Kausale Therapie

Die kausale Therapie zielt darauf ab, den Blutzuckerspiegel in Absprache mit dem Hausarzt zu senken, bspw. über Medikamente oder eine Diät. Als Ziel gilt im Normalfall ein HbA1c-Wert von unter 6,5 Prozent. Hat eine Polyneuropathie ihre Ursachen in einer anderen Erkrankung (wie Diabetes), gilt es, diese zu behandeln. Besteht ein nachweislicher Mangel an Nährstoffen wie Vitamin B12 oder Folsäure, sollte dieser ausgeglichen beziehungsweise die Ursache dafür behoben werden.

Entscheidend ist stets die Behandlung der Grunderkrankung, z. B. bei Diabetes mellitus eine Verbesserung der Blutzuckereinstellung, das strikte Vermeiden von Alkohol oder die Behandlung einer Tumorerkrankung. Bei autoimmunvermittelten, entzündlichen Polyneuropathien gibt es verschiedene gegen die Entzündung wirkende Medikamente (Immunglobuline, Kortikoide, Immunsuppressiva). Bei schweren Verläufen kann auch eine Blutwäsche durchgeführt werden. Bei erblichen Neuropathien gibt es bisher keine Therapie.

Schmerztherapie

Die Schmerztherapie kann sowohl medikamentös als auch nicht-medikamentös erfolgen. Die Medikamente, die der Arzt verschreiben kann, werden grundlegend in die drei Bereiche Antidepressiva, Opioide und Antikonvulsiva unterteilt. Diese werden auch bei vielen weiteren Nervenerkrankungen eingesetzt. Die hier genannten Medikamente eignen sich vor allem dadurch zur Therapie der diabetischen Polyneuropathie, dass sie Neuronen und Nervenfasern beeinflussen, die Schmerz weiterleiten. Gegen die Schmerzsymptomatik werden Pregabalin oder Gabapentin sowie alternativ Duloxetin oder Amitriptylin eingesetzt. Diese Medikamente modifizieren die Schmerzwahrnehmung auf unterschiedlichen Wegen und haben sich als effektiver gegenüber klassischen Schmerztabletten erwiesen. Hierzu bedarf es der Unterstützung eines erfahrenen Neurologen oder Schmerztherapeuten.

Auch wenn sich Schmerzen und andere Symptome einer Polyneuropathie oft nicht vollständig beseitigen lassen, so ist es doch in vielen Fällen möglich, sie zu lindern. Welche Medikamente sich für die Behandlung eignen, kann von Fall zu Fall verschieden sein. Als gut wirksam gelten zum Beispiel Wirkstoffe aus der Gruppe der Antiepileptika (wie Gabapentin, Pregabalin) oder trizyklischen Antidepressiva (wie Amitriptylin, Duloxetin). Damit diese Medikamente wirken, müssen sie täglich eingenommen werden. Ein erster Effekt stellt sich meist nach etwa zwei bis vier Wochen ein. Schmerzmittel aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen bleiben bei nervenbedingten Schmerzen wie bei einer Polyneuropathie hingegen normalerweise so gut wie wirkungslos.

Nicht-medikamentöse Therapie

Die nicht-medikamentösen Maßnahmen sollen dabei helfen, die Medikation langsam zu senken. Dazu gehört bspw. die TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation), bei der Schmerzen mittels kleiner Stromstöße schonend behandelt werden können. Des Weiteren eignen sich Maßnahmen wie Krankengymnastik, Bäder, Trinkkuren und Inhalationen (sog. Balneotherapie).

Neben Arzneien gibt es weitere Behandlungsmethoden wie etwa Physiotherapie, Akupunktur oder elektrotherapeutische Verfahren. Hierzu gehören beispielsweise die elektrische Nervenstimulation (TENS) oder die Muskelstimulation (Hochtontherapie). Bei diesen Verfahren werden Elektroden auf die Haut geklebt, die leichte Stromimpulse mit unterschiedlichen Frequenzen abgeben. Diese Impulse sollen schmerzlindernd wirken, indem sie die Weiterleitung der Schmerzempfindungen in den Nerven zum Gehirn oder, wie bei der Hochtontherapie, den Zellstoffwechsel beeinflussen.

Eine Psychotherapie oder ein Schmerzbewältigungstraining können helfen, mit den Folgen der Nervenschädigungen besser zurechtzukommen. Auch soziale Kontakte, ein interessantes Hobby und andere erfüllende Aktivitäten im Alltag können dazu beitragen.

Vermeidung von Risikofaktoren und Komplikationen

Die Vermeidung von Risikofaktoren und Komplikationen erfolgt bspw. durch eine optimale Blutzuckereinstellung. Als Diabetiker sollten Sie zudem darauf achten, Ihren Alkohol- und Tabakkonsum zu reduzieren oder gar zu stoppen. Denn eine Polyneuropathie kann vor allem durch chronischen Alkoholkonsum ausgelöst werden. Da Alkoholkonsum die Nerven schädigen und so eine bestehende Polyneuropathie verstärken kann, sollten alkoholische Getränke möglichst nur gelegentlich genossen werden. Ist Alkoholkonsum die Ursache der Polyneuropathie, sollte Betroffene im Rahmen ihrer Behandlung Alkohol am besten ganz meiden.

Maßnahmen zur Verbesserung der Alltagsaktivitäten

Zur Verbesserung der Alltagsaktivitäten wird in Abhängigkeit vom Schweregrad die Versorgung mit Hilfsmitteln empfohlen (z. B. orthopädische Schuhe, Rollatoren oder Orthesen). Je nach Ausprägung sind manche beruflichen Tätigkeiten nicht mehr möglich - etwa auf Leitern oder mit feinen Handbewegungen. Alltagshilfen wie orthopädische Schuhe, Rollatoren oder Orthesen ermöglichen aber weiterhin Teilhabe. Es sollten Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten gemieden werden, Vorsichtsmaßnahmen beim Laufen auf unebenem Untergrund (Baustellen) oder im Dunkeln müssen beachtet werden. Feinmotorische Tätigkeiten (z. B. Uhrmacher) sind oft nicht mehr möglich. Dennoch sollten Patienten mit einer Polyneuropathie so lange wie möglich am Berufsleben teilhaben.

Diabetisches Fußsyndrom

Das sogenannte diabetische Fußsyndrom ist eine Folgeerkrankung des Diabetes mellitus und eine Komplikation der diabetischen Polyneuropathie. Dabei entstehen Schäden an Blutgefäßen, infolge welcher die Füße mit zu wenig Sauerstoff versorgt werden. Ebenso sind die Nervenzellen der Füße betroffen, was ein reduziertes Schmerzempfinden zur Folge hat. Das ist gefährlich, da Verletzungen oder Druckstellen am Fuß nicht mehr wahrgenommen werden, was sehr schnell dazu führt, dass sich diese verschlimmern.

Prognose

Der Verlauf ist je nach Ursache der Polyneuropathie unterschiedlich. Es gibt akute Verläufe, bei denen sich die klinische Symptomatik auch wieder rasch bessert. In Abhängigkeit von der Ursache besteht nur begrenzt die Aussicht auf Heilung. Zum Beispiel sind die weniger häufig vorkommenden entzündlichen Neuropathien mit Medikamenten meist sehr gut zu behandeln, akute Formen heilen oft komplett aus.

Die Frage, ob eine Heilung der Polyneuropathie möglich ist, lässt sich leider nicht eindeutig beantworten. Sie hängt unter anderem vom Zeitpunkt der Diagnose, der zugrundeliegenden Erkrankung und dem Ausmaß der bereits bestehenden Nervenschädigung ab. Wenn bisherige Behandlungen nicht zur gewünschten Beschwerdefreiheit geführt haben, ist ein Reha-Aufenthalt eine sinnvolle therapeutische Ergänzung. Physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen sind als langfristige Behandlungen am effektivsten.

Bei ca. einem Viertel der Polyneuropathien kann die Ursache nicht geklärt werden, meist haben diese Formen jedoch eine gute Prognose. Polyneuropathien beeinflussen für gewöhnlich die Lebenserwartung nicht direkt, jedoch kann die Lebensqualität durch Symptome wie Schmerzen, verminderte Mobilität und die damit verbundene erhöhte Sturzgefahr eingeschränkt sein.

Vorbeugung

Menschen mit Diabetes können einiges tun, um ihr Risiko für einen diabetischen Nervenschaden zu senken oder das Voranschreiten einer Neuropathie zu bremsen:

  • Nicht rauchen.
  • Keinen oder nur sehr wenig Alkohol trinken.
  • Abnehmen bei Übergewicht.
  • Auf gute Werte bei Blutzucker und Blutdruck achten. Die Therapieziele dabei mit der behandelnden Arztpraxis absprechen.
  • Täglich die Füße untersuchen, gerade wenn bereits ein Nervenschaden vorliegt.
  • Regelmäßig zu den Kontrolluntersuchungen gehen.
  • Regelmäßige Bewegung oder Physiotherapie
  • Eine ausgewogene Ernährung und gegebenenfalls die Substitution von Vitaminen.

tags: #diabetische #Polyneuropathie #Wikipedia