Die elektrische Stimulation des Gehirns ist ein vielversprechendes Feld in der Neurowissenschaft und Medizin, das darauf abzielt, die Aktivität von Nervenzellen gezielt zu modulieren. Es gibt verschiedene Methoden, die sich in ihrer Technik und Anwendungsweise unterscheiden. Dieser Artikel beleuchtet die Funktionsweise und Anwendungsgebiete der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) und der tiefen Hirnstimulation (DBS).
Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Die transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist ein nicht-invasives Verfahren, das auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion basiert.
Funktionsweise der TMS
Eine Magnetspule, die von einem Impulsstrom durchflossen wird, erzeugt ein kurzzeitiges Magnetfeld. Dieses Magnetfeld induziert durch die Schädeldecke hindurch ein elektrisches Feld im darunterliegenden Hirngewebe. Die hervorgerufene elektrische Potenzialänderung führt zu einem Impulsstrom in den Nervenzellen, wodurch deren Aktivität zeitlich verändert werden kann.
Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS)
In der Therapie wird die Neurostimulation mit sich wiederholenden (repetitiven) Folgen gleicher Magnetimpulse eingesetzt, weshalb sie auch als repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) bezeichnet wird. Die Frequenz dieser Impulse ist ein wesentlicher Parameter eines Stimulationsprotokolls. Typische Frequenzen sind z.B. 1 Hz, 10 Hz oder 20 Hz. Die Impulsfolgen können auch aus einer Kombination von zwei verschiedenen Frequenzen bestehen, das heißt, sie können frequenzmoduliert sein. In der Praxis haben sich Impulsfolgen von 50 Hz, die mit 5 Hz wiederholt werden, bewährt. Diese Art der transkraniellen Magnetstimulation wird als Theta-Burst-Stimulation (TBS) bezeichnet. Werden die Impulsfolgen ohne Pausen durchgeführt, spricht man von „kontinuierlichen“ Protokollen, mit Pausen von „intermittierenden“ Protokollen und verwendet zur Unterscheidung die Buchstaben c oder i. So bezeichnet cTBS eine kontinuierliche Theta-Burst-Stimulation, das heißt, mit Impulsfolgen ohne Pausen, und iTBS eine intermitierende Theta-Burst-Stimulation, das heißt mit Impulsfolgen mit Pausen. Das Magnetfeld bei der transkraniellen Magnetstimulation dient lediglich dazu, im Hirngewebe eine elektrische Spannung bzw. einen elektrischen Strom zu erzeugen, der die Aktivität der stimulierten Nervenzellen modulieren kann. Nicht das Magnetfeld wirkt auf die Neuronen, sondern das induzierte elektrische Feld in Form von Spannung bzw. Strom.
Wissenschaftliche Grundlage
Es ist wichtig zu betonen, dass rTMS auf präzisen, wissenschaftlich validierten Prinzipien basiert und keine esoterische oder unbegründete Therapie darstellt. Aussagen, die den Eindruck erwecken, bei der rTMS würden körpereigene "Magnetwellen" das Gehirn und seine Nervenzellen in "Schwingungen" versetzen und dadurch "dynamisieren" oder "harmonisieren", sind fachlich falsch und spekulativ.
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Anwendungsgebiete der TMS
Die TMS wird in der Forschung und zur Behandlung vieler Hirnerkrankungen eingesetzt. In der Medizin wird TMS bei Störungen motorischer Funktionen (z.B. bei Multipler Sklerose oder nach einem Schlaganfall) diagnostisch eingesetzt. Therapeutisch kommt sie beispielsweise bei Tinnitus, bei Depressionen, bei Schmerz- und neuerdings auch Suchtpatienten zum Einsatz.
Tiefe Hirnstimulation (DBS)
Die tiefe Hirnstimulation (DBS) ist eine neurochirurgische Therapie, die gezielte elektrische Impulse an bestimmte Bereiche des Gehirns abgibt, um verschiedene neurologische Störungen zu behandeln.
Funktionsweise der DBS
Die DBS funktioniert durch die Implantation von Elektroden in bestimmte Hirnregionen, die für die Regulierung von Bewegungen und die Verarbeitung von Schmerz verantwortlich sind. Diese Elektroden sind mit einem Implantat (Stimulator) verbunden, das unter der Haut (häufig im Brustbereich) platziert wird. Das Implantat erzeugt die elektrischen Impulse, die an die Elektroden im Gehirn weitergeleitet werden. Diese Impulse können die Aktivität bestimmter Gehirnregionen modulieren, indem sie die abnormale neuronale Aktivität hemmen oder fördern, was zu einer Linderung der Symptome führt. Die spezifische Hirnregion, die stimuliert wird, hängt von der jeweiligen Erkrankung ab.
Anwendungsgebiete der DBS
Die tiefe Hirnstimulation ist vor allem bei neurologischen Erkrankungen und schmerzbedingten Störungen von Bedeutung. Zu den häufigsten Indikationen gehören:
Bewegungsstörungen:
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- Parkinson-Krankheit: Die DBS wird häufig bei Patienten mit fortgeschrittenem Parkinson eingesetzt, bei denen die medikamentöse Behandlung nicht mehr ausreicht oder mit schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden ist. Die Stimulation hilft, die motorischen Symptome zu kontrollieren, insbesondere Tremor, Rigor und Hypokinesie.
- Dystonien: Eine Erkrankung, bei der es zu unkontrollierten Muskelkontraktionen kommt, die zu abnormen Haltungen oder Bewegungen führen. DBS kann bei therapierefraktären Dystonien sehr hilfreich sein.
- Essentieller Tremor: Eine häufige neurologische Erkrankung, die bei Patienten mit stark ausgeprägtem Tremor behandelt werden kann.
- Tourette-Syndrom: Bei schwerem Tourette-Syndrom, bei dem Tics die Lebensqualität stark beeinträchtigen, kann DBS in bestimmten Fällen eine Behandlungsmöglichkeit sein.
Schmerzbehandlung:
- Chronische Schmerzen: Die DBS kann bei bestimmten Formen chronischer Schmerzen eingesetzt werden, insbesondere bei Patienten, bei denen andere Behandlungen, wie medikamentöse Therapie oder Rückenmarkstimulation, versagt haben. Zielregionen für die Stimulation sind oft der Thalamus, der Periaquäduktale Graubereich (PAG) und der somatosensorische Kortex, welche eine Rolle bei der Schmerzmodulation spielen.
- Phantomschmerzen: Bei Patienten, die nach einer Amputation Phantomschmerzen entwickeln, hat sich DBS als potenziell hilfreich erwiesen, um die Schmerzwahrnehmung zu modulieren.
Psychiatrische Indikationen:
- Schwer behandlungsresistente Depressionen: In seltenen Fällen wird DBS zur Behandlung von therapieresistenten Depressionen eingesetzt, insbesondere wenn alle anderen Behandlungsmöglichkeiten (wie Medikamente und Psychotherapie) versagen.
- Schweres Zwangsstörung: Es gibt einige Berichte über den Einsatz der DBS bei therapieresistenten Zwangsstörungen (OCD), wenn andere Behandlungen versagen.
Epilepsie:
- Fokale Epilepsie: Hierbei wird im sogenannten anterioren Thalamus stimuliert, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.
Ablauf einer DBS-Therapie
Der erste Schritt bei der Durchführung einer DBS-Therapie ist die gründliche Diagnose und Vorbereitung. Zuerst wird eine Elektrode in die Zielregion des Gehirns eingeführt. Dieser Eingriff erfolgt mittlerweile unter Vollnarkose. Nachdem die Elektroden implantiert sind, wird der Stimulator zunächst in eine Testphase überführt, um sicherzustellen, dass die Stimulation die gewünschten Effekte hat. Dabei wird die Intensität, Frequenz und Dauer der Impulse feinjustiert. Der Patient kann nach der Implantation weiterhin regelmäßig mit dem Arzt kommunizieren, um die Stimulationseinstellungen anzupassen, bis die optimale Einstellung gefunden wird.
Vorteile der Tiefen Hirnstimulation
- Verbesserung der Lebensqualität: Bei Patienten mit Bewegungsstörungen wie Parkinson oder Dystonien kann die DBS zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome führen, indem sie die Beweglichkeit und Kontrolle über die Muskeln verbessert.
- Langfristige Schmerzlinderung: Bei bestimmten chronischen Schmerzsyndromen kann DBS eine langfristige Schmerzreduktion bieten, die zu einer besseren Lebensqualität und einer reduzierten Notwendigkeit für Schmerzmedikamente führt.
- Weniger Nebenwirkungen im Vergleich zu Medikamenten: Im Vergleich zu herkömmlichen Medikamenten wie Antidepressiva, Antipsychotika oder Schmerzmitteln hat DBS in der Regel weniger systemische Nebenwirkungen, da es gezielt das Gehirn stimuliert.
- Reversibilität: Ein großer Vorteil der DBS ist, dass die Behandlung reversibel ist. Das bedeutet, dass die Stimulation jederzeit abgeschaltet oder die Position der Elektroden angepasst werden kann, wenn es zu unerwünschten Nebenwirkungen oder Problemen kommt.
Risiken und Komplikationen der DBS
Trotz sorgfältiger Planung des Zugangsweges und akkurater Durchführung der chirurgischen Handgriffe lassen sich Komplikationen durch den stereotaktischen Eingriff nicht ganz verhindern. Bei etwa 2% der operierten Patienten kommt es durch Verletzung eines Gefäßes zu einer Gehirnblutung, die in der Regel sehr klein und umschrieben ausfällt. Aufgrund des Zugangswegs und der Lage dieser Blutungen verursachen etwa die Hälfte dieser Blutungen (d.h. bei etwa 1% aller Patienten) auch neurologische Symptome wie Halbseitenlähmungen, Gefühlsstörungen, Sprach- oder Sprechstörungen. In der Regel bilden sich diese Symptome vollständig oder zumindest teilweise wieder zurück. Sehr, sehr selten kommt es zu einer Dislokation (Fehlplatzierung) der Elektrode mit Wirkverlust oder Auftreten von Nebenwirkungen. Häufig tritt eine solche Dislokation im Verlauf auf. Zunächst wird die entsprechende Elektrode nicht mehr stimuliert. Ein weiteres Risiko, das über den chirurgischen Eingriff hinaus auch noch im langfristigen Verlauf zu Problemen führen kann, stellt das Infektionsrisiko dar. Bakterien haften sich sehr gerne an Implantaten an und sind einer Antibiotikatherapie nur schwer zugänglich. Dies bedeutet, dass eine Infektion nur selten durch Antibiose effektiv zu behandeln ist, häufig wird daher eine Explantation der Implantate notwendig. Meist ist es ausreichend, nur den Impulsgeber und einen Teil des Kabels zu entfernen; selten jedoch kann die Explantation des gesamten Systems notwendig werden, um die Entwicklung einer Hirn- und Hirnhautentzündung zu vermeiden. Selbstverständlich sind die verwendeten technischen Bauteile sorgfältig geprüft und für den Gebrauch am Menschen zugelassen. Dennoch kann es im Verlauf - wie bei anderen elektrischen Apparaturen auch - zu einem Ausfall des Impulsgebers kommen, die zu einem Funktionsverlust der THS führen können. In diesem Fall kann ein Austausch des entsprechenden Kabels oder Stimulators durchgeführt werden. Notwendig wird der Austausch des Impulsgebers bei Erschöpfung der Batterie, die in Abhängigkeit von den Stimulationsparametern etwa 2 bis 7 Jahre lang hält. Dieser Eingriff wird durch die Ärzte der stereotaktischen Neurochirurgie in örtlicher Betäubung durchgeführt und dauert ca. Je nach Stimulationsort und Elektrodenlage bzw. der verwendeten Spannung können durch die hochfrequente Stimulation neben den erwünschten Wirkungen auch Nebenwirkungen auftreten. Diese können vorübergehender Natur sein oder dauerhaft vorliegen. Zu nennen sind Sprechstörungen, Gefühlsstörungen, Verkrampfungen oder Doppelbilder. Im Falle des Nucleus subthalamicus bei M. Parkinson können auch mal psychiatrische Nebenwirkungen wie Apathie, depressive Verstimmung oder submanische Zustände provoziert werden, auf die natürlich besondere Aufmerksamkeit bei der Einstellung der Stimulationsparameter gerichtet wird.
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Adaptive Tiefe Hirnstimulation (aDBS)
Ein bedeutender Durchbruch in der Parkinson-Behandlung ist die adaptive tiefe Hirnstimulation (aDBS). Diese neue Methode kann die Hirnaktivität dynamisch beeinflussen, um Symptome wie Zittern oder Bewegungsverlangsamung zu lindern. Im Gegensatz zur herkömmlichen DBS, bei der konstante Impulse gesendet werden, reagiert aDBS in Echtzeit auf die Hirnaktivität der Patient:innen und passt die Stimulation individuell an. Mit speziellen Algorithmen wird die elektrische Aktivität des Gehirns dabei ständig überwacht, die Impulse würden automatisch angepasst.
Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)
Die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) ist eine weitere nicht-invasive Methode zur Behandlung von Schmerzen oder Depressionen. Ein schwacher elektrischer Strom wirkt durch den Schädelknochen hindurch (transkraniell) auf das Gehirn. Er verändert die elektrische Ladung auf der Membran der Nervenzellen, was ihre Erregbarkeit teilweise verstärkt und teilweise dämpft. Auch das Zusammenspiel der Nerven (Oszillationen) wird durch eine tDCS verändert. Neue Untersuchungen zeigen, dass der Gleichstrom die Bildung neuer Verschaltungen im Gehirn fördert. Im Gegensatz zur Elektrokrampftherapie (EKT), die mit starken Stromstößen Krampfanfälle auslöst, spürt der/die PatientIn bei der tDCS allenfalls ein leichtes Kribbeln. Die Therapie ist ohne größere Risiken. Krampfanfälle treten nicht auf. Manche PatientInnen berichten über leichte Müdigkeit, seltener auch über Kopfschmerzen oder Übelkeit. Auch kann es zu Hautrötungen im Bereich der Elektroden kommen, in sehr seltenen Fällen wurden leichte Verbrennungen -vermutlich bei nicht sachgemäßer Anwendung- berichtet. Die tDCS erfolgt ohne Operation von außen durch Anbringung von Elektroden an der Kopfhaut. Die Polarität der Elektroden, Anode oder Kathode, bestimmt den gewünschten Effekt, Bahnung oder Hemmung einer Hirnfunktion. Die Intensität des Stromflusses liegt meist bei 1 mA bis 2 mA bei Elektrodengrößen von 35 cm2. Die Stimulationsdauer liegt zwischen 10 und 20 Minuten. Sie können durch den/die Arzt/Ärztin erfolgen und nach Anleitung prinzipiell von PatientInnen und Angehörigen auch zuhause durchgeführt werden.
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