Die neuronale Verrechnung ist ein fundamentaler Prozess in der Signalverarbeitung des Nervensystems. Ein einzelnes Neuron empfängt mehrere tausend Signale von verschiedenen Synapsen, die entweder erregend oder hemmend wirken können. Die präzise Informationsverarbeitung im Nervensystem hängt von erregenden und hemmenden Synapsen ab.
Die Synapse: Schaltstelle der neuronalen Kommunikation
Um die Verrechnungsprozesse an der Synapse zu verstehen, ist es wichtig, zunächst den Aufbau und die Funktion einer Synapse zu betrachten. Eine Synapse ist die Verbindungsstelle zwischen zwei Nervenzellen (Neuronen), an der Informationen in Form von elektrischen oder chemischen Signalen übertragen werden. Die Übertragung von Informationen von einem Neuron zum nächsten wird als synaptische Übertragung bezeichnet. Es handelt sich um einen komplexen Prozess, der mehrere Schritte umfasst.
Synaptische Übertragung im Detail
Während der synaptischen Übertragung wird ein Aktionspotential, das die präsynaptische Membran erreicht, in ein chemisches Signal umgewandelt, indem es die Freisetzung von Neurotransmittern ausführt. Diese Neurotransmitter wandern durch den synaptischen Spalt und binden an spezifische Rezeptoren an der postsynaptischen Membran, was eine Veränderung des elektrischen Potentials innerhalb dieser Zelle auslöst - das Postsynaptische Potential.
Jeder Schritt der synaptischen Übertragung hängt von bestimmten biologischen Strukturen und Prozessen ab. Beispielsweise sind die Membrane von Neuronen mit spezialisierten Molekülen, den sogenannten spannungsabhängigen Ionenkanälen, bestückt. Diese Ionenkanäle öffnen und schließen sich in Reaktion auf Veränderungen des elektrischen Potentials, wodurch Ionen in die Zelle ein- oder aus ihr austreten. Dieser Vorgang ist für die Erzeugung und Weiterleitung von Aktionspotentialen von entscheidender Bedeutung. Dabei wird durch das Eintreffen eines Aktionspotentials an der präsynaptischen Membran der Einfluss von Calcium-Ionen in die Zelle ermöglicht, was zur Freisetzung der Neurotransmitter in den synaptischen Spalt führt. Nach der Freisetzung suchen die Neurotransmitter Bindungsstellen an den spezifischen Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran auf, was das Öffnen von Ionenkanälen und somit die Modulation des Membranpotentials zur Folge hat.
Postsynaptische Potentiale: EPSP und IPSP
Die Grundlage für die Verrechnungsprozesse an der Synapse bilden die postsynaptischen Potentiale (PSP). Postsynaptische Potentiale sind Änderungen des elektrischen Potentials an der postsynaptischen Membran einer Synapse. Sie dienen als Antwort auf die Freisetzung von Neurotransmittern durch die präsynaptische Membran. Bei der Übertragung von Signalen durch die Nervenzellen können zwei Arten von Postsynaptischen Potentialen unterschieden werden:
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- Erregende postsynaptische Potentiale (EPSP): Führen zu einer Depolarisation der Membran, das heißt, sie machen die Zelle erregbarer und fördern die Signalweiterleitung. Ein EPSP entsteht in einer exzitatorischen Synapse. Bei dem erregenden Potential steigt die Spannung in der postsynaptischen Zelle, also der Nervenzelle hinter dem synaptischen Spalt (Spalt zwischen Prä- und postsynaptischer Membran), an. Das bedeutet, die Spannung wird positiver. Durch eine präsynaptische Erregung kommt es zum Einstrom von Botenstoffen (Neurotransmittern) in den synaptischen Spalt der erregenden Synapse. Des postsynaptischen Neurons befinden sich entsprechende Rezeptoren, also Andockstellen für die Botenstoffe. Wenn die Neurotransmitter nun an die Rezeptoren binden, kommt es zur Öffnung von Ionenkanälen. Im Fall des EPSPs öffnen sich Natriumionenkanäle. Daher strömen Natriumionen (Na+) in die Zelle und das Potential steigt an. Je mehr Transmitter sich im synaptischen Spalt befinden, desto länger bleiben die Kanäle geöffnet. Erregende Synapsen haben immer die Funktion, eine Depolarisation weiterzuleiten. Ein Beispiel für eine erregende Synapse ist die acetylcholinerge Synapse, die als Antwort auf eine Erregung den Neurotransmitter Acetylcholin in den synaptischen Spalt ausschüttet.
- Hemmende postsynaptische Potentiale (IPSP): Führen zu einer Hyperpolarisation der Membran, sie machen also die Zelle weniger erregbar. Ein IPSP entsteht an einer hemmenden Synapse. Dabei sinkt die Spannung der postsynaptischen Nervenzelle. Den Vorgang nennst du auch Hyperpolarisation. Hierfür sind Kalium- und Chloridionenkanäle in der Nervenzellmembran verantwortlich. Auch sie werden durch Neurotransmitter im synaptischen Spalt geöffnet. Durch die Kaliumionenkanäle strömen dann positiv geladene K+-Ionen aus der Zelle heraus. Gleichzeitig strömen durch die Chloridionenkanäle negativ geladene Cl--Ionen in die Zelle. Beide Effekte führen dazu, dass die Ladung innerhalb der Zelle negativer wird. Daher kann die Nervenzelle die Erregung nicht weiterleiten. An einer hemmenden Synapse kommt es zur Entstehung eines inhibitorischen postsynaptischen Potentials (IPSP). Dabei sinkt die Spannung der postsynaptischen Nervenzelle. Die Neurotransmitter hemmender Synapsen setzen sich in Chlorid-Kanäle der postsynaptischen Membran und öffnen diese, so dass Chlorid-Ionen in die Zelle einströmen können. Ein Beispiel für eine hemmende Synapse ist die GABA ausschüttende Synapse. GABA ist dabei die Abkürzung für den Neurotransmitter Gamma-Amino-Buttersäure, wobei das hintere A für das Wort acid (englisch für „Säure“) steht. Ihre Funktion ist hauptsächlich das Abschwächen von erregenden Signalen im Zentralnervensystem. Damit verhindern hemmende Synapsen Übererregungen, die im Extremfall zu Starrkrämpfen führen können.
Neurotransmitter und ihre Rolle
Neurotransmitter sind Chemikalien, die für die Übertragung von Signalen im Nervensystem verantwortlich sind. Sie können entweder die Erzeugung von Aktionspotentialen fördern oder hemmen, je nachdem, ob sie an Rezeptoren binden, die exzitatorische oder inhibitorische Postsynaptische Potentiale erzeugen.
Exzitatorische Rezeptoren sind Ionenkanäle, die, wenn sie von einem Neurotransmitter aktiviert werden, eine erhöhte Durchlässigkeit für Na+ Ionen ermöglichen. Dies führt dazu, dass das Innere der Zelle positiver wird (Depolarisation), was die Wahrscheinlichkeit für das Auslösen eines Aktionspotentials erhöht. Inhibitorische Rezeptoren sind dagegen Ionenkanäle, die, wenn sie von einem Neurotransmitter aktiviert werden, eine erhöhte Durchlässigkeit für Cl- Ionen oder K+ Ionen bewirken.
Räumliche und zeitliche Summation
Eine einzelne Nervenzelle ist jedoch nicht nur mit einer einzigen, sondern mit sehr vielen anderen Nervenzellen verbunden. Die Synapsen können dabei jeweils erregend oder hemmend sein. Das bedeutet, dass es am Axonhügel des Neurons zu einer Summation aller Potentiale (alle Potentiale zusammengerechnet) kommt. Die Integration von inhibitorischen und exzitatorischen Potenzialen in einem Neuron hängt sowohl von der Anzahl der Erregungen oder Hemmungen, die gleichzeitig auftreten, als auch von ihrer zeitlichen Verteilung ab. Dies ist ein zentrales Prinzip bei der Verarbeitung von Informationen in Neuronen und wird als räumliche und zeitliche Summation bezeichnet.
Räumliche Summation
Von einer räumlichen Summation spricht man, wenn eine Nervenzelle gleichzeitig von mehreren präsynaptischen Zellen beeinflusst wird. Die Empfängerzelle wird gleichzeitig von zwei Senderzellen erregt. An jeder Synapse kommen 100 APs/s an, beide Stellen der postsynaptischen Membran werden auf -30 mV depolarisiert. Die beiden 40 mV-EPSPs bzw. Depolarisierungs-Wellen (elektrostatische Ausbreitung der Depolarisierung ähnlich wie die Wellen eines Steins im Wasser) summieren sich zu einem stärkeren EPSP von vielleicht 60 mV, das dann den Axonhügel erreicht und die Membran von -70 mV auf -10 mV depolarisiert. Damit wird der Schwellenwert für Aktionspotenziale schon deutlich überschritten. Am Axonhügel entstehen Aktionspotenziale. Bei der räumlichen Summation werden die von den verschiedenen Synapsen gebildeten EPSPs und IPSPs am Zellkörper verrechnet. Synapsen, die nahe am Axonhügel liegen, haben dabei einen größeren Einfluss als weit vom Axonhügel entfernte Synapsen.
In diesem Fall addieren sich die Potentiale auf, je nachdem, ob sie exzitatorisch oder inhibitorisch wirken. Das heißt, ob ein Aktionspotential ausgelöst wird oder nicht, hängt davon ab, wie viele exzitatorische und inhibitorische Potentiale gleichzeitig vorhanden sind und wie diese sich in ihrer Summe verhalten.
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Zeitliche Summation
Bei der zeitlichen Summation treffen Erregungen zeitlich so dicht aufeinander, dass das Membranpotential nach einer vorherigen Reizung nicht auf das Ruhepotential zurückkehren kann. Kommen in dieser Zeit aber weitere Aktionspotenziale am gleichen synaptischen Endknöpfchen an, so werden weitere Neurotransmitter in den synaptischen Spalt freigesetzt. Die Rezeptoren der postsynaptischen Membran werden also weiterhin durch Neurotransmitter besetzt, und bei einer erregenden Synapse fließen weitere Natrium-Ionen in die postsynaptische Zelle ein. Die zeitliche Summation ist eigentlich recht einfach zu verstehen. Wenn ein Aktionspotenzial am synaptischen Endknöpfchen ankommt, wird eine bestimmte Menge von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt ausgeschüttet. Diese Neurotransmitter setzen sich an entsprechende Rezeptoren der postsynaptischen Membran und führen zum Öffnen von Ionenkanälen; bei erregenden Synapsen sind dies Na+/K+-Kanäle. Nach kurzer Zeit (Millisekunden) lösen sich diese Neurotransmitter aus den Rezeptoren und gelangen wieder in den synaptischen Spalt. Ein Teil der Neurotransmitter-Moleküle setzt sich erneut in die Rezeptoren (Ping-Pong-Prinzip), ein anderer Teil wird durch bestimmte Enzyme im synaptischen Spalt abgebaut oder von Gliazellen aufgenommen, so dass die Neurotransmitter unwirksam werden.
Das Aktionspotential: Alles-oder-Nichts-Prinzip
Wenn der Gesamteffekt der räumlichen und zeitlichen Summation zu einer Depolarisation führt, die den Schwellenwert überschreitet, wird am Axonhügel ein Aktionspotential ausgelöst. Das ist notwendig, damit die Nervenzelle das elektrische Signal entlang ihres Axons bis zur nächsten Nervenzelle weiterleiten kann. Ein Aktionspotenzial ist ein schneller, durch Ionenflüsse verursachter Anstieg des negativen Ruhepotenzials einer Zelle zu einem positiven Membranpotenzial. Ein Aktionspotenzial kann immer nur am Axonhügel erzeugt werden und nur nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Wenn dabei ein Schwellenwert von ungefähr -50 mV überschritten wird, wird ein sogenanntes Aktionspotential ausgelöst.
Präsynaptische Hemmung
Hier findet die Hemmung vor der Synapse statt, das heißt, dass eine hemmende Synapse am Ende des Axons einer Nervenzelle andockt. So kann das Aktionspotential, welches über dieses Neuron geleitet wird, durch die Beeinflussung der hemmenden Synapse gestoppt werden.
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