Entzündung des Nervensystems: Medikamente und Behandlungsansätze

Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, sind ein weit verbreitetes und oft schwer zu behandelndes Leiden. Sie entstehen durch Schädigungen oder Fehlfunktionen im Nervensystem und können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Neben Rücken- und Kopfschmerzen zählen Neuralgien zu den häufigsten Ursachen für chronische Schmerzen. Die Therapie von Nervenschmerzen ist oft komplex und erfordert einen individuellen Behandlungsplan, der verschiedene medikamentöse und nicht-medikamentöse Ansätze kombiniert.

Ursachen und Entstehung von Nervenschmerzen

Nervenschmerzen entstehen durch eine Schädigung des Nervengewebes, welches das Fundament des Nervensystems bildet und aus Nervenzellen (Neuronen) und Gliazellen besteht. Diese Schädigung kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden:

  • Erkrankungen: Diabetes mellitus (diabetische Polyneuropathie), Multiple Sklerose (MS)
  • Infektionen: Gürtelrose (Post-Zoster-Neuralgie), Borreliose, Diphtherie, HIV
  • Verletzungen: Bandscheibenvorfall, Nervenverletzungen durch Unfälle
  • Einwirkung von Neurotoxinen (Nervengiften): Tierische, chemische oder pflanzliche Gifte
  • Stoffwechselstörungen: Vitaminmangel (z.B. Vitamin B12 oder B1), Alkoholmissbrauch
  • Weitere Ursachen: Autoimmunerkrankungen (Guillain-Barré-Syndrom, rheumatoide Arthritis), Krebserkrankungen, hormonelles Ungleichgewicht (Schilddrüsenunterfunktion), Medikamente

Die Schädigung der Nerven führt zu einer direkten Aktivierung der Schmerzbahn zwischen dem Bereich des Nervenschadens und dem Gehirn. Diese Aktivierung kann durch kleinste Reize getriggert werden und bei den Betroffenen Schmerzen wie Stromschläge auslösen.

Neben den körperlichen Ursachen können auch psychische Faktoren wie Angststörungen, Depressionen oder ständiger Stress eine Rolle spielen. Diese können die Spannung im Körper erhöhen und die Schmerzempfindlichkeit steigern, was zu somatoformen Schmerzstörungen oder psychosomatischen Erkrankungen führen kann.

Symptome von Nervenschmerzen

Neuropathische Schmerzen strahlen meist in den gesamten Körperbereich aus, der von einem Nerv oder mehreren Nerven versorgt wird. Betroffene können auch an verschiedenen Körperstellen gleichzeitig stechende Schmerzen haben.

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Die Schmerzwahrnehmung bei Nervenschmerzen ist typischerweise verändert. Schon harmlose Reize wie leichte Berührung, Wärme, Kälte oder Druck auf der Haut können Schmerzen auslösen (Allodynie).

Da der gesamte Körper von Nervensträngen durchzogen ist, sind neuropathische Schmerzen in fast allen Körperbereichen möglich. Einige Beispiele sind:

  • Rücken: Bandscheibenvorfall (drückt auf einen Nerv), Ischias, Piriformis-Syndrom
  • Haut: Post-Zoster-Neuralgie (nach Gürtelrose)
  • Kopf/Gesicht: Trigeminusneuralgie
  • Füße: Diabetische Polyneuropathie (durch überhöhte Zuckerwerte)
  • Hände: Karpaltunnelsyndrom (Einklemmung des Mittelnervs im Handgelenk)

Weitere Symptome können sein:

  • Stechende, brennende oder elektrisierende Schmerzen
  • Taubheitsgefühle
  • Kribbeln
  • Muskelschwäche
  • Muskelschmerzen
  • Muskelzucken
  • Muskelkrämpfe
  • Schwindel
  • Blasenschwäche
  • Durchfall
  • Verstärktes Schwitzen
  • Erschöpfungszustände

Medikamentöse Behandlung von Nervenschmerzen

Die medikamentöse Schmerztherapie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung von Nervenschmerzen. Da rezeptfreie Schmerzmittel in der Regel nicht wirken, kommen spezielle Medikamente zum Einsatz, die die Nervenaktivität modulieren und Schmerzsignale blockieren. Es kann einige Wochen dauern, bis sich zeigt, ob die medikamentöse Therapie hilft und die Schmerzintensität nachlässt.

Die wichtigsten Medikamentengruppen zur Behandlung von Nervenschmerzen sind:

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  • Nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAR): Diese Medikamente (z.B. Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen) wirken schmerzlindernd und entzündungshemmend, sind aber bei Nervenschmerzen oft weniger wirksam als bei anderen Schmerzarten. Sie sollten nur über einen kurzen Zeitraum und in möglichst niedriger Dosierung eingenommen werden, da sie Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden, Blutdruckveränderungen und Nierenfunktionsstörungen verursachen können.
  • COX-2-Hemmer: Diese Medikamente wirken ähnlich wie NSAR, haben aber etwas geringere Nebenwirkungen an der Magen- und Darmschleimhaut. Auch hier ist Vorsicht bei Patienten mit Nieren- und Herzerkrankungen geboten.
  • Opioide: Diese Schmerzmittel docken an den Rezeptoren der schmerzverarbeitenden Nervenzellen (Opiatrezeptoren) an und können so die Weiterleitung von Schmerzreizen wirksam verhindern. Man unterscheidet zwischen schwächer wirksamen Opioiden (z.B. Tramadol, Tilidin) und stärker wirksamen Opioiden (z.B. Morphin, Oxycodon, Hydromorphon). Opioide sind nicht bei allen Arten von Schmerzen gleich gut wirksam und können starke Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Juckreiz und Schwierigkeiten beim Wasserlassen verursachen. Zudem besteht die Gefahr einer Abhängigkeit.
  • Antidepressiva: Diese Medikamente beeinflussen zwar nicht die Schmerzen selbst, aber die Verarbeitung und das subjektive Empfinden der Schmerzen. Sie werden oft in niedriger Dosierung im Rahmen einer Schmerztherapie verordnet. Am häufigsten kommen trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin, Imipramin, Clomipramin) zum Einsatz, aber auch selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden oder Müdigkeit treten am häufigsten zu Beginn der Therapie auf und gehen meist im Lauf der Einnahme wieder zurück.
  • Antiepileptika: Diese krampflösenden Medikamente (z.B. Gabapentin, Pregabalin) werden vor allem bei Nervenschmerzen (neuropathischen Schmerzen) verordnet. Sie können Prozesse bei der Entstehung von Schmerzen beeinflussen und übererregte Nervenzellen hemmen.
  • Capsaicin: Der Wirkstoff aus Chilischoten kann in Form von Pflastern bei Nervenschmerzen eingesetzt werden. Er deaktiviert hyperaktive Rezeptoren, die Schmerz wahrnehmen, und hemmt somit die Schmerzwahrnehmung.
  • Lidocain: Ein örtliches Betäubungsmittel, das in Form von Pflastern auf die Haut aufgebracht wird, um bestimmte Bestandteile der Nervenzelloberfläche zu beeinflussen und die Schmerzentstehung oder -weiterleitung zu verhindern.
  • Botulinumtoxin: Kann in Spritzen zur Therapie von Nervenschmerzen eingesetzt werden.

Weitere Therapieansätze

Neben der medikamentösen Behandlung gibt es verschiedene weitere Therapieansätze, die bei Nervenschmerzen eingesetzt werden können:

  • Physiotherapie: Kann helfen, Körperhaltung und Bewegungsabläufe zu trainieren und betroffene Muskelgruppen zu stärken.
  • Psychotherapie: Kann helfen, mit den psychischen Belastungen durch die Schmerzen umzugehen und Strategien zur Schmerzbewältigung zu entwickeln.
  • Nervenblockaden und Infiltrationen: Können Schmerzen gezielt lindern, indem Nerven oder Nervenwurzeln blockiert werden.
  • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Sanfte elektrische Impulse werden über Elektroden auf die Haut übertragen, um die Schmerzen zu hemmen.
  • Entspannungstechniken: Meditation, autogenes Training oder progressive Muskelentspannung können zu einer seelischen und körperlichen Beruhigung führen und das Wohlbefinden steigern.
  • Akupunktur: Die Methode aus der traditionellen chinesischen Medizin setzt auf das Einbringen von Nadeln in die Haut an bestimmten Energiepunkten, um die Beschwerden zu lindern.
  • Massagen: Fördern die Durchblutung und lockern das Bindegewebe.
  • Wärme- und Kältebehandlungen: Kühle Kompressen können bei Entzündungen helfen, während warme Auflagen oder Bäder als wohltuend empfunden werden können.
  • Biofeedback: Hier lernen Betroffene, normalerweise unbewusst ablaufende Prozesse des Körpers (wie die Herzrate oder Hirnströme) zu kontrollieren.
  • Operative Eingriffe: In einigen Fällen, z.B. bei einem Karpaltunnelsyndrom oder einem Bandscheibenvorfall, kann ein operativer Eingriff erforderlich sein, um den Nerv zu entlasten. In sehr seltenen Fällen und bei sehr starken Schmerzen (z.B. Tumorschmerzen) ist auch eine Neurodestruktion möglich, bei der Nerven oder Nervengeflechte durch chemische oder thermische Verfahren zerstört werden.

Behandlung spezifischer Ursachen von Nervenschmerzen

Neben der symptomatischen Behandlung von Nervenschmerzen ist es wichtig, die zugrunde liegende Ursache zu behandeln:

  • Schlaganfall: Eine unverzügliche Therapie (z.B. mit Medikamenten, die das Blutgerinnsel auflösen) ist notwendig.
  • Diabetische Neuropathie: Eine optimale Einstellung der Blutzuckerwerte ist erforderlich.
  • Alkoholbedingte Nervenschädigungen: Eine sofortige Alkoholabstinenz ist erforderlich.
  • Vitaminmangel: Patienten müssen ihre Ernährungsweise ändern oder Vitaminpräparate einnehmen.
  • Entzündliche Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose): Die Behandlung kann mit Medikamenten erfolgen, die das Abwehrsystem „aufhalten“ sollen, z.B. durch Kortison oder Immunglobuline (Antikörper).

Hilfsmittel und Tipps für den Alltag

Ein zentraler Therapie-Bestandteil bei Nervenschädigungen sind auch Hilfsmittel für den Alltag. Bei Menschen mit einer diabetischen Neuropathie besteht beispielsweise eine erhöhte Gefahr von Verletzungen oder Druckstellen und damit von Folgeerkrankungen wie einem diabetischen Fußsyndrom. Noch wichtiger sind Hilfsmittel bei einigen bislang nicht heilbaren neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Beispiele hierfür sind Rollstühle, Sprachcomputer, Türöffnungshilfen und Co.

Weitere Tipps für die Vorsorge und mehr Lebensqualität bei Polyneuropathie:

  • Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes sollten regelmäßig ihren Blutzucker kontrollieren und ärztlich verordnete Medikamente einnehmen.
  • Füße kontrollieren: Eine Polyneuropathie an Beinen oder Füßen erhöht das Risiko für Fußgeschwüre - eine regelmäßige Kontrolle auf Wunden ist also wichtig.
  • Bewegen: Menschen mit Polyneuropathie können bei Schmerzen und Missempfindungen von verschiedenen Angeboten wie Aquagymnastik oder Gehtraining profitieren.

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