Epilepsie durch Corona: Ursachen und Risiken

Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur unmittelbare gesundheitliche Auswirkungen, sondern auch langfristige Folgen für die neurologische und psychiatrische Gesundheit. Studien zeigen, dass selbst zwei Jahre nach einer COVID-19-Infektion das Risiko für bestimmte neurologische Erkrankungen wie Epilepsie leicht erhöht bleibt. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen für Epilepsie im Zusammenhang mit COVID-19 und fasst die Erkenntnisse aus aktuellen Forschungsarbeiten zusammen.

Neurologische Manifestationen von COVID-19

Bereits kurz nach Beginn der Pandemie wurden erste Berichte über neurologische Manifestationen im Rahmen von COVID-19-Erkrankungen veröffentlicht. Eine frühe retrospektive Studie aus Wuhan, China, zeigte, dass 36,4 % der hospitalisierten COVID-19-Patienten neurologische Symptome aufwiesen. Diese Symptome umfassten Enzephalopathie, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Kopfschmerzen, zerebrovaskuläre Erkrankungen (wie Schlaganfälle und Hirnblutungen) sowie epileptische Anfälle.

In einer prospektiven Beobachtungsstudie in New York City traten bei 14 % der mit COVID-19 hospitalisierten Patienten neue neurologische Manifestationen auf. Die häufigste Diagnose war metabolische Enzephalopathie (6,8 %), gefolgt von Schlaganfällen (1,9 %) und epileptischen Anfällen (1,6 %).

Epileptische Anfälle bei COVID-19

Epileptische Anfälle können ein Symptom einer COVID-19-Erkrankung sein, das zur Erstvorstellung in einer Notaufnahme führt. Eine Studie aus dem Iran ergab, dass bei 0,8 % der hospitalisierten COVID-19-Patienten ein epileptischer Anfall der Grund für die Aufnahme war. Nur ein kleiner Teil dieser Patienten hatte zuvor eine Epilepsie-Diagnose.

In der größten Untersuchung zu neurologischen Manifestationen bei COVID-19 traten epileptische Anfälle bei 1,6 % der Patienten auf. Fast die Hälfte dieser Patienten hatte zuvor keine Epilepsie gehabt. Eine systematische Übersichtsarbeit der Literatur zeigte, dass epileptische Anfälle bei COVID-19 etwas seltener auftraten (0,7 % der Fälle).

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Es ist wichtig zu beachten, dass epileptische Anfälle bei kritisch kranken Patienten auf Intensivstationen häufig vorkommen (15-20 %). Viele dieser Anfälle sind nicht klinisch erkennbar und können nur durch kontinuierliche EEG-Ableitungen detektiert werden. Studien mit kontinuierlichen EEGs bei COVID-19-Patienten mit Enzephalopathie oder vorausgegangenen Anfällen zeigten bei vielen Patienten epileptiforme Potenziale.

Status epilepticus und COVID-19

Ein systematischer Review zu Status epilepticus (SE) und COVID-19 fand 47 Fälle von SE in Verbindung mit einer SARS-CoV-2-Infektion. Nur wenige dieser Patienten hatten zuvor eine Epilepsie-Erkrankung. Die meisten SE-Fälle wurden als akut symptomatisch eingestuft, wobei die Ätiologie oft unklar blieb. Vaskuläre, septische und entzündliche Ursachen wurden ebenfalls identifiziert.

Die Autoren des Reviews vermuteten, dass nichtkonvulsiver Status epilepticus (NCSE) aufgrund von Einschränkungen in der EEG-Diagnostik bei infektiösen Patienten unterdiagnostiziert sein könnte. Eine epidemiologische Untersuchung aus Salzburg, Österreich, fand jedoch keinen Unterschied in der Inzidenz des SE während der COVID-Pandemie im Vergleich zu den Vorjahren.

Ursachen für Epilepsie im Zusammenhang mit COVID-19

Die genauen Ursachen für das erhöhte Risiko von Epilepsie nach einer COVID-19-Infektion sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt verschiedene mögliche Mechanismen, die eine Rolle spielen könnten:

  • Direkte Virusinvasion: SARS-CoV-2 kann möglicherweise das zentrale Nervensystem (ZNS) infizieren und direkt neurologische Schäden verursachen. Es ist bekannt, dass der ACE2-Rezeptor, durch den SARS-CoV und SARS-CoV-2 menschliche Zellen infizieren, an verschiedenen Stellen im ZNS exprimiert wird. Allerdings gelang der Nachweis von SARS-CoV-2-RNA im Liquor nur selten, und die klinische Evidenz für direkt durch SARS-CoV-2 vermittelte Enzephalitiden ist bislang gering.

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  • Indirekte Mechanismen: Die meisten neurologischen Manifestationen im Zusammenhang mit COVID-19 werden vermutlich durch indirekte Mechanismen und Auswirkungen der systemischen Erkrankung auf das Gehirn verursacht. Dazu gehören metabolische Entgleisungen, Hypoxie, Sepsis und Entzündungen. Das Zusammenspiel dieser Faktoren könnte bei kritisch kranken Patienten das Auftreten von epileptischen Anfällen begünstigen.

  • Immunologische Reaktionen: Eine maladaptive Reaktion des Immunsystems auf die SARS-CoV-2-Infektion könnte zu nachhaltigen neurologischen Schäden führen. Erhöhte Biomarker für Hirnschädigung, insbesondere Tau, wurden beobachtet.

  • Vaskuläre Komplikationen: COVID-19 ist mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und andere zerebrovaskuläre Erkrankungen verbunden. Diese Komplikationen können wiederum zu Epilepsie führen.

  • Gesellschaftliche Auswirkungen: Die COVID-19-Pandemie hat in der Gesellschaft zu Stress, Angst und Störungen des täglichen Lebens geführt. Diese Faktoren könnten indirekt zu neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen beitragen.

Risiken bei Kindern

Kinder können ebenfalls von neurologischen Komplikationen nach einer COVID-19-Infektion betroffen sein. Eine retrospektive Untersuchung von hospitalisierten Kindern mit schwerer COVID-19-Erkrankung oder MIS-C zeigte, dass 22 % neurologische Symptome aufwiesen, darunter schwerwiegende Manifestationen.

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Eine Studie ergab, dass Kinder nach einer COVID-19-Infektion ein erhöhtes Risiko für kognitive Defizite, Schlaflosigkeit, intrakranielle Blutungen, ischämische Schlaganfälle, Nerven-, Nervenwurzel- und Plexuserkrankungen, psychotische Störungen und Epilepsie oder Krampfanfälle hatten. Anders als bei Erwachsenen war das Risiko für kognitive Defizite bei Kindern jedoch weniger als ein Vierteljahr lang erhöht.

Das Risiko für das Auftreten einer Epilepsie nach einer COVID-19-Infektion verdoppelte sich bei Kindern innerhalb von zwei Jahren. Es ist wichtig zu beachten, dass Fieberkrämpfe besonders mit viralen Infektionen assoziiert sind, die hohes Fieber verursachen.

Auswirkungen von Virusvarianten

Eine Studie deutet darauf hin, dass das neurologische Risiko ab der Delta-Variante anstieg. Nach dem Aufkommen der Delta-Variante wurden erhöhte Risiken für ischämische Schlaganfälle, Epilepsie oder Krampfanfälle, kognitive Defizite, Schlafstörungen und Angststörungen beobachtet. Dies ging mit einer erhöhten Sterberate einher.

Die neurologischen Auswirkungen während der Delta- und Omikron-Welle waren ähnlich, was darauf hindeutet, dass die Belastung des Gesundheitssystems auch bei Varianten anhalten wird, die in anderer Hinsicht weniger gefährlich sind.

COVID-19-Impfung und Epilepsie

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) geht in seinem aktuellen Sicherheitsbericht auch auf Krampfanfälle ein, die in zeitlichem Zusammenhang mit Coronaimpfungen gemeldet wurden. Krampfanfälle nach Impfungen gehören laut PEI zu den Ereignissen von besonderem medizinischen Interesse.

Dem PEI wurden nach Impfung mit einem COVID-19-Impfstoff insgesamt 1169 Verdachtsfallmeldungen eines Krampfanfalls berichtet. Die Melderaten variierten je nach Impfstoff. Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat in einer Stellungnahme festgehalten, dass derzeit kein erhöhtes Risiko für das Auftreten von epileptischen Anfällen als Nebenwirkung von COVID-19-Impfungen bekannt ist. Als Impfreaktion kann es zum Auftreten von Fieber kommen, was die "Krampfschwelle" herabsetzen kann.

Behandlung von Epilepsie bei COVID-19-Patienten

Eine erfolgreiche Behandlung von Patienten mit akut symptomatischen epileptischen Anfällen setzt voraus, dass diese als solche erkannt werden und die zugrunde liegende Ätiologie rasch identifiziert wird. Daneben werden Patienten mit akut symptomatischen Anfällen in der Regel vorübergehend mit Anfallsmedikamenten behandelt.

In Zusammenhang mit COVID-19 wurde auf das mögliche Potenzial von pharmakokinetischen Interaktionen zwischen Anfallsmedikamenten und COVID-19-Therapien hingewiesen. Beispielsweise können hepatische Enzyminduktoren wie Carbamazepin und Phenytoin die Konzentration von Remdesivir signifikant reduzieren.

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