Epilepsie: Eine "heilige Krankheit" im Wandel der Geschichte

Die Epilepsie, im Volksmund auch als Fallsucht bekannt, ist eine der ältesten bekannten Krankheiten der Menschheit. Ihre Geschichte ist geprägt von Aberglauben, religiösen Deutungen und wissenschaftlichen Fortschritten. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Aspekte der Epilepsie, von ihrer historischen Wahrnehmung als "heilige Krankheit" bis hin zu modernen Behandlungsmethoden und dem Kampf gegen Vorurteile.

Ursprünge und Aberglaube in der Antike

Bereits in der Antike war die Epilepsie bekannt und gefürchtet. Aufgrund ihrer oft dramatischen Erscheinungsform wurde sie als "heilige Krankheit" betrachtet. Man glaubte, dass höhere Mächte oder Götter im Spiel seien und sich im Anfall die Stimme Gottes offenbare. Der Begriff "Epilepsie" stammt aus dem Griechischen ("Epileptos") und bedeutet so viel wie "der Ergriffene".

Berühmte Persönlichkeiten wie Julius Cäsar litten an Epilepsie. Seine Anfälle wurden als Zeichen göttlicher Gunst interpretiert. Auch im alten Ägypten wurde die Krankheit als "Heilige Erkrankung" verehrt.

Hippokrates, ein griechischer Arzt, vertrat bereits um 400 v. Chr. die Ansicht, dass die Epilepsie eine natürliche Ursache im Gehirn habe. Er distanzierte sich von religiösen Deutungen und legte den Grundstein für ein wissenschaftliches Verständnis der Krankheit.

Mittelalter: Dämonen und Heilige

Im christlichen Mittelalter gerieten die Erkenntnisse der Antike weitgehend in Vergessenheit. Epileptische Anfälle wurden nun als Werk von Dämonen, Geistern oder als Strafe Gottes angesehen. Entsprechend sah die Behandlung aus: Gebete, Fasten, Wallfahrten und Exorzismen sollten die bösen Geister austreiben.

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Parallel dazu entwickelten sich abergläubische Heilpraktiken wie Zaubersprüche, Amulette und die Verwendung von Heilpflanzen. Viele dieser Therapieversuche zeugen von Furcht, Abscheu und Hilflosigkeit gegenüber der Krankheit.

Trotz des Aberglaubens gab es im Mittelalter auch Versuche, die Krankheit naturalistisch zu erklären. Hildegard von Bingen (um 1100-1200) schrieb in ihrem Werk "Naturkunde" den Steinen eine heilende Wirkung zu. Aufgeschlossene Vertreter der Medizinrichtung versuchten, heilende Kräuter oder bestimmte Diäten den Körper gegen Dämonen kräftigen sollten.

In dieser Zeit entwickelte sich auch die Verehrung bestimmter Heiliger als Schutzpatrone gegen Epilepsie. Besonders bekannt ist der Heilige Valentin, der im deutschsprachigen Raum als wichtigster "Epilepsiespezialist" galt. Bildliche Darstellungen des Heiligen Valentin als "Fallsucht-Patron" finden sich vor allem im mitteleuropäischen Raum.

Renaissance und frühe Neuzeit: Chemische Substanzen und Aberglaube

In der Renaissance und der frühen Neuzeit wurden zunehmend chemische Substanzen im Kampf gegen die "Fallsucht" eingesetzt. Zu den bedeutendsten gehörten Kupfer, Zinkoxyd, Silbernitrat, Quecksilber, Wismut und Zinn. Zwei der kuriosesten Mittel gegen die "Fallsucht" waren Bibergeil und Menschenschädel.

Bibergeil ist eine harzige Absonderung aus den Duftdrüsen des Bibers. Sie wurde bereits in der Antike eingesetzt, war bis ins 19. Jahrhundert hinein als "Beruhigungs- und Fallsucht-Mittel" weit verbreitet und durfte in keiner Apotheke fehlen. Gewöhnungsbedürftig ist auch ein Mittel aus dem menschlichen Totenschädel. Es wurde aus der Hirnschale etwas abgeschabt und dann über einige Monate hinweg von dem Patienten eingenommen. Bei einem männlichen Patienten musste es der Schädel einer Frau sein und umgekehrt.

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Trotz dieser Fortschritte hielten sich weiterhin Aberglaube und Vorurteile gegenüber Epileptikern.

19. Jahrhundert: Wissenschaftliche Fortschritte und erste Medikamente

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang der Durchbruch zu einem wissenschaftlichen Verständnis der Epilepsie. Der englische Neurologe John Hughlings Jackson konnte darlegen, dass Epilepsie einen physiologischen Ursprung hat.

Mit Kaliumbromid wurde außerdem das erste Medikament gefunden, das epileptische Anfälle hemmen konnte. Einen weiteren Fortschritt brachte die Entwicklung der Elektroenzephalographie (EEG) im Jahr 1929. Krankhafte Hirnveränderungen ließen sich nun durch die Aufzeichnung der Hirnströme genauer analysieren.

Trotz dieser Fortschritte gab es in Deutschland bis ins 19. Jahrhundert keine auf Epilepsie spezialisierten Einrichtungen. Wenn die Betreuung zu Hause nicht mehr möglich war, wurden die Kranken oft in Irrenanstalten oder Gefängnissen untergebracht. Die erste Heilanstalt für Epilepsie-Kranke wurde erst 1855 in Görlitz gegründet.

Moderne Epilepsiebehandlung: Medikamente, Chirurgie und Selbsthilfe

Heute wissen wir, dass es beim epileptischen Anfall zu einer plötzlichen, unkontrollierten elektrischen Entladung größerer Nervenzellverbände der Hirnrinde kommt. Klassische Antiepileptika wie beispielsweise Carbamazepin, Lamotrigin oder Valproat erhöhen sozusagen die elektrische Entladungsschwelle der Neuronen, indem sie Ionenkanäle oder Neurotransmitterkonzentrationen beeinflussen. Auf diese Weise beugen sie Anfällen vor.

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Es gibt verschiedene Formen von Epilepsie. Manche Anfallsformen sind durch nur lokale Muskelzuckungen oder kurze Absencen gekennzeichnet und für Außenstehende kaum wahrnehmbar.

Neben der medikamentösen Therapie hat sich in den letzten Jahren auch die Epilepsie-Chirurgie weiterentwickelt. In spezialisierten Zentren werden die Erregungszentren im Gehirn aufgespürt und operativ entfernt.

Ein wichtiger Bestandteil der modernen Epilepsiebehandlung ist die Selbsthilfe. In Selbsthilfegruppen können sich Betroffene austauschen, gegenseitig unterstützen und gemeinsam gegen Vorurteile kämpfen.

Vorurteile und Stigmatisierung

Trotz der medizinischen Fortschritte sind Epileptiker auch heute noch mit Vorurteilen und Stigmatisierung konfrontiert. Viele Menschen glauben fälschlicherweise, dass Epilepsie eine Geisteskrankheit sei oder dass Anfälle zu kognitiven Einbußen führen.

Diese Vorurteile führen dazu, dass viele Betroffene ihre Krankheit verheimlichen und unter ständiger Angst vor Entdeckung leben. Es ist daher wichtig, die Öffentlichkeit über Epilepsie aufzuklären und Vorurteile abzubauen.

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