Epilepsie: Wenn Medikamente nicht helfen – Ursachen und Alternativen

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch eine übermäßige Aktivität von Nervenzellen im Gehirn. Obwohl Medikamente, sogenannte Antiepileptika, oft eine wirksame Behandlung darstellen, helfen sie nicht allen Betroffenen. Dieser Artikel beleuchtet die Gründe, warum Antiepileptika nicht immer wirken und welche alternativen Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Wie Antiepileptika wirken

Antiepileptika wirken, indem sie die übermäßige Aktivität der Nervenzellen im Gehirn hemmen und so das Risiko von Anfällen senken. Sie heilen jedoch nicht die Ursachen der Epilepsie. Die Medikamente sind in verschiedenen Formen erhältlich, wie Tabletten, Kapseln, Säfte, Spritzen, Infusionen oder Zäpfchen. Die Wahl des Medikaments und der Dosierung muss sorgfältig auf den einzelnen Menschen abgestimmt werden, da Antiepileptika teils unangenehme Nebenwirkungen haben können, aber in niedrigen Dosierungen oft gut vertragen werden.

Warum Medikamente nicht immer helfen

Obwohl Antiepileptika vielen Menschen mit Epilepsie helfen, Anfälle dauerhaft zu vermeiden, gibt es eine beträchtliche Anzahl von Betroffenen, bei denen die Medikamente nicht ausreichend wirken. Etwa 3 von 10 Menschen haben trotz mehrerer Behandlungsversuche weiterhin regelmäßig Anfälle. Warum Medikamente nicht bei allen Menschen ansprechen, ist nicht vollständig bekannt.

Es gibt mehrere Gründe, warum Antiepileptika möglicherweise nicht wirksam sind:

  • Falsche Diagnose: Manchmal stellt sich heraus, dass es sich nicht um eine Epilepsie, sondern um eine andere Anfallserkrankung handelt. Funktionelle Anfälle können beispielsweise Symptome zeigen, die denen einer Epilepsie ähneln, aber eine andere Ursache haben und daher eine andere Behandlung erfordern.
  • Falsche Medikamentenwahl: Nicht alle Antiepileptika wirken bei allen Epilepsieformen gleich gut. Die Wahl des Medikaments hängt von der Art der Epilepsie ab (fokal oder generalisiert) und der Art der Anfälle (fokal, generalisiert, Absencen, Myoklonie etc.). Paradoxerweise kann man durch den falschen Einsatz von Antiepileptika Epilepsien auch verschlimmern.
  • Resistenz: Bei manchen Menschen entwickelt sich eine Resistenz gegen Antiepileptika. Das bedeutet, dass die Medikamente im Laufe der Zeit ihre Wirksamkeit verlieren.
  • Nebenwirkungen: Manchmal sind die Nebenwirkungen der Medikamente so stark, dass sie nicht in ausreichend hoher Dosis eingenommen werden können, um die Anfälle zu kontrollieren.
  • Mangelnde Therapietreue: Der häufigste Grund für einen Anfall ist das Vergessen der Einnahme der Antiepileptika oder das absichtliche Unterlassen der Einnahme. Selbst wenn Sie es nur einmal vergessen, kann dies einen Anfall auslösen.
  • Lebensstilfaktoren: Bestimmte Lebensstilfaktoren wie Schlafmangel, Stress, Alkohol- oder Drogenkonsum können Anfälle auslösen und die Wirksamkeit von Medikamenten beeinträchtigen.

Alternative Behandlungsmöglichkeiten

Wenn Medikamente nicht ausreichend wirken, gibt es verschiedene alternative Behandlungsmöglichkeiten:

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  • Epilepsiechirurgie: Bei fokalen Epilepsien, bei denen die Anfälle immer wieder an derselben Stelle im Gehirn entstehen, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Dabei wird der Bereich des Gehirns, der die Anfälle auslöst, entfernt. Dies ist aber nicht immer möglich. Dafür müssen allerdings verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, die durch eingehende Untersuchungen verschiedener Fachdisziplinen genau überprüft werden.
  • Neurostimulation: Wenn Medikamente nicht ausreichend wirksam sind und eine Operation nicht in Frage kommt, können Neurostimulationsverfahren wie die Vagusnerv-Stimulation oder die tiefe Hirnstimulation eine weitere Behandlungsmöglichkeit sein.
    • Vagusnerv-Stimulation (VNS): Dabei wird ein Schrittmacher an der Brust unter die Haut implantiert, der elektrische Impulse abgibt. Er ist über Kontakte am Halsbereich mit dem Vagusnerv verbunden. Der Nerv leitet die Impulse ins Gehirn und soll so die Überaktivität hemmen. Der Nutzen dieser Therapie ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend belegt. Wenn Sie vor einem Anfall Warnzeichen spüren, können Sie mittels eines Magneten das Gerät gezielt anstellen. Manche Anfälle können auf diese Weise unterbrochen werden.
    • Tiefe Hirnstimulation (THS): Bei der THS werden Elektroden in bestimmte Bereiche des Gehirns implantiert, um die Aktivität der Nervenzellen zu modulieren.
  • Ketogene Diät: Dabei wird die Ernährung auf fettreichere, kohlenhydratreduzierte Produkte umgestellt. Es werden vorwiegend gesunde Fette verwendet. So kann nicht nur die Anzahl epileptischer Anfälle verringert, sondern auch Ihr Ernährungszustand verbessert werden.
  • Gentherapie: Bei der Gentherapie wird ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV) das Gen für das Neuropeptid Dynorphin gezielt in Neurone der betroffenen Hirnregion gebracht. Ziel ist eine langfristige Unterdrückung von Anfällen, indem die Nervenzellen Dynorphin auf Vorrat produzieren und bei Bedarf ausschütten.
  • Verhaltensorientierte Strategien: Verhaltensorientierte Strategien werden meist ergänzend zu Ihrer medikamentösen Therapie eingesetzt. Nach und nach lernen Sie, Ihre Krankheit besser zu verarbeiten, zu akzeptieren und mit ihr umzugehen. Durch die psychische Entlastung kann es zu einer deutlichen Verbesserung der Anfallssituation kommen, besonders dadurch, dass die Angst vor der Krankheit gemildert wird.
  • Minimalinvasiv platzierte Hirnschrittmacher: Die neue Behandlungsmethode kann die Häufigkeit und Stärke epileptischer Anfälle, die auf bestimmte Hirnareale begrenzt sind, deutlich reduzieren. Täglich für etwa eine halbe Stunde gibt der Hirnschrittmacher durch den Schädel leichte elektrische Reize an ein festgelegtes Hirnareal ab.

Umgang mit Anfallsauslösern

Bei manchen Menschen führen bestimmte Auslöser, wie ein Schreck oder Flackerlicht, fast immer zu einem Anfall. Manche anfallsfördernde Faktoren erhöhen erst in Kombination die Wahrscheinlichkeit eines Anfalls: Hier führt dann ein Schreck zum Beispiel nur bei zusätzlicher Anspannung oder Müdigkeit zu einem Anfall. Um solche Zusammenhänge zuverlässig zu entdecken, ist eine genaue Beobachtung erforderlich, am besten in Form eines Tagebuchs. Hier halten Sie fest, welche Faktoren Ihre Anfälle fördern, wie diese aussehen und wie oft und in welchen Formen sie auftreten, aber auch, in welchen Situationen selten oder nie Anfälle auftreten. Diese „stabilen Lebenssituationen“ sind für die Behandlung sehr wichtig. Wenn wir anfallsfördernde Faktoren ermittelt haben, erarbeiten wir gemeinsam mit Ihnen einen gesundheitsfördernden Umgang mit diesen Situationen. Anfallsauslöser wie Flackerlicht können Sie zum Beispiel durch das Tragen einer dunklen Brille vermeiden. Faktoren, wie Schreck oder Wetterwechsel, sind unvermeidlich. Wenn man allerdings herausgefunden hat, dass zusätzliche Risikofaktoren, wie Schlafmangel oder Stress, eine Rolle spielen, kann man versuchen, diese zu beeinflussen.

Was tun bei einem Anfall?

Ein einzelner epileptische Anfall ist nicht zwingend ein Notfall. Die allermeisten Anfälle hören von selbst wieder auf. Dauert er länger als fünf Minuten, spricht man von einem „Status epilepticus“. Dabei handelt es sich um einen Notfall, der schnell mit Medikamenten behandelt werden muss. Deshalb muss sofort der Rettungsdienst unter der 112 gerufen werden.

Leben mit Epilepsie

Epilepsien haben in den meisten Fällen Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen. Manche Lebensbereiche werden durch klare gesetzliche und behördliche Vorgaben eingeschränkt, in anderen Bereichen müssen Betroffene einen eigenen Umgang mit den Herausforderungen finden. Es ergeben sich also Folgen für die Ausübung der Arbeit, die Berufswahl und die Lebensführung und -planung.

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