Epilepsie-Operation: Dauer, Verfahren und Erfolgsaussichten

Die Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte, unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist. In Deutschland leiden schätzungsweise 400.000 bis 800.000 Menschen an Epilepsie, wobei jährlich etwa 30.000 Neuerkrankungen hinzukommen. Während sich bei etwa 70 % der Betroffenen die Anfälle medikamentös kontrollieren lassen, gibt es auch Fälle von pharmakoresistenter Epilepsie, bei denen Medikamente keine Anfallsfreiheit bewirken. Für diese Patienten kann eine epilepsiechirurgische Operation eine Behandlungsoption darstellen.

Ursachen und Anfallsformen

Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig. Häufig liegt eine genetische Veranlagung vor (idiopathische Epilepsie). In anderen Fällen können Hirnschädigungen wie Tumoren, Entzündungen oder Verletzungen die Ursache sein. Bei fokalen Epilepsien, die durch eine umschriebene Anfallsursprungszone gekennzeichnet sind, finden sich häufig Ammonshornsklerose (Veränderungen im Hippocampus), Fehlbildungen (Dysplasien) oder Tumoren als Ursache.

Epileptische Anfälle können sich unterschiedlich äußern. Man unterscheidet zwischen einfach-fokalen Anfällen, bei denen das Bewusstsein erhalten bleibt, komplex-fokalen Anfällen mit Bewusstseinsstörungen und fokal eingeleiteten generalisierten Anfällen, die mit plötzlicher Bewusstlosigkeit und Verkrampfungen einhergehen.

Wann ist eine Operation sinnvoll?

Eine Operation kommt für Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie in Frage, bei denen eine umschriebene Anfallsursprungszone identifiziert werden kann, die nicht in funktionell wichtigen Hirnarealen liegt. Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, durch ein drittes Medikament Anfallsfreiheit zu erreichen, sehr gering ist. Daher sollten Patienten, die auf zwei oder mehr Medikamente nicht ansprechen, in spezialisierten Zentren beraten werden.

Prächirurgische Diagnostik

Vor einer möglichen Operation ist eine umfassende Diagnostik notwendig, um den Anfallsursprung genau zu lokalisieren und die Eignung für einen operativen Eingriff zu prüfen. Zu den wichtigsten Untersuchungen gehören:

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  • Video-EEG-Monitoring: Ableitung der Hirnströme über Oberflächen- und Sphenoidalelektroden, um Anfälle aufzuzeichnen und den Ursprungsort zu bestimmen.
  • Kernspintomographie (MRT): Bildgebung des Gehirns, um strukturelle Veränderungen wie Tumoren, Fehlbildungen oder Narben zu identifizieren. Hochauflösende 3T-MR-Bilder können zusätzliche Informationen liefern.
  • SPECT (Single-Photon-Emissionscomputertomographie): Messung der Hirndurchblutung während und zwischen Anfällen, um den Anfallsursprung zu lokalisieren.
  • Neuropsychologische Untersuchungen: Tests zur Erfassung von kognitiven Funktionen wie Gedächtnis, Sprache und Aufmerksamkeit.
  • Wada-Test: Überprüfung der Sprachdominanz der Hirnhälften, um das Risiko von Sprachstörungen nach der Operation zu minimieren.
  • PET (Positronenemissionstomographie): Bildgebung des Hirnstoffwechsels zur Identifizierung von Arealen mit erhöhter oder verminderter Aktivität.
  • Elektrische Quellenanalyse (ESI): Analyse von EEG-Daten mit bis zu 256 Elektroden, um die neuronale Aktivität im Gehirn zu lokalisieren.
  • EEG-assoziiertes funktionelles MRT: Kombination von EEG und funktionellem MRT, um den interiktalen Fokus zu lokalisieren.
  • Funktionelles MRT: Lokalisierung von motorischem, sensorischem und Sprachkortex.

In einigen Fällen kann eine invasive Exploration mit implantierten Elektroden erforderlich sein, um den Anfallsursprung genauer zu lokalisieren. Dabei werden Tiefenelektroden oder subdurale Elektroden in das Gehirn implantiert, um die Hirnströme direkt abzuleiten.

Operative Verfahren

Es gibt verschiedene operative Verfahren zur Behandlung von Epilepsie, die je nach Ursache und Lokalisation der Anfälle eingesetzt werden.

Resektive Verfahren

Ziel der resektiven Verfahren ist die Entfernung des epilepsieauslösenden Hirngewebes.

  • Amygdalo-Hippokampektomie oder Corticoamygdalo-Hippokampektomie: Entfernung des Mandelkerns und des Hippocampus mit oder ohne angrenzende Schläfenlappenanteile. Dieses Verfahren wird häufig bei Temporallappenepilepsien eingesetzt.
  • Temporallappenresektion: Entfernung des vorderen Teils des Schläfenlappens.
  • Läsionektomie: Entfernung einer Läsion (z.B. Tumor) einschließlich des direkt benachbarten Hirngewebes.
  • Topektomie: Maßgeschneiderte Entfernung einer bestimmten erkrankten Hirnregion, in der der Anfallsursprung durch EEG-Ableitung nachgewiesen wurde.
  • Funktionelle Hemisphärektomie oder Hemisphärotomie: Funktionelle Abtrennung der anfallserzeugenden Hirnhälfte.
  • Lobektomie: Entfernung eines Gehirnlappens oder eines Teils davon.

Diskonnektionsverfahren

Diskonnektionsverfahren unterbrechen die Ausbreitung der Anfälle, ohne das epilepsieauslösende Gewebe zu entfernen.

  • Kallosotomie: Durchtrennung des Corpus callosum, der die beiden Hirnhälften verbindet.
  • Subpiale Transektionen (MST):Multiple subpiale Transektionen sollen die Anfallsausbreitung über die horizontalen kortikalen Fasern unterbinden und zugleich die funktionstragenden vertikalen Kolumnen weitgehend erhalten.

Stimulationsverfahren

Stimulationsverfahren sollen durch elektrische Reizung spezieller Hirnstrukturen die Erregbarkeit des Gehirns reduzieren oder die Ausbreitung von Anfällen verhindern.

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  • Vagusnerv-Stimulation (VNS): Ein Schrittmacher-ähnliches Gerät wird unterhalb des Schlüsselbeins implantiert und stimuliert den linken Vagusnerv.
  • Tiefe Hirnstimulation (THS): Elektroden werden in tiefe Bereiche des Gehirns platziert und stimulieren diese elektrisch.

Operationsdauer und Ablauf

Epilepsiechirurgische Eingriffe dauern meist einige Stunden. Die Operationen werden meist mit computergestützter Neuronavigation durchgeführt, um den operativen Zugang und das Resektionsausmaß genau planen zu können. Während der Operation wird die Resektion des erkrankten Gewebes mit Hilfe der Navigation kontrolliert. Nachdem das erkrankte Hirngewebe entfernt worden ist, werden von den Rändern der angrenzenden Hirnrinde die Potentiale (Elektrocortikographie) abgeleitet, um eventuell verbliebenes epileptogenes Gewebe zu erkennen und dann zu resezieren.

Erfolgsaussichten

Die Erfolgsaussichten einer Epilepsie-Operation hängen von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Ursache und Lokalisation der Anfälle. In Abhängigkeit von der Ursache der Epilepsie, lässt sich durch einen epilepsiechirurgischen Eingriff in etwa 60 bis 80% der Fälle eine Anfallsfreiheit oder eine 90%ige Anfallsreduktion erreichen. Eingriffe bei Temporallappenepilepsie haben insgesamt eine bessere Prognose. Bei Patienten mit Temporallappenepilepsie kann das PET das MRI ersetzen: 80 Prozent mit einseitigem Hypometabolismus sind anfallsfrei, was genauso hoch ist wie die Operation von Patienten mit Hippocampussklerose. Insgesamt gilt: Je mehr bildgebende Verfahren übereinstimmen bezüglich des zu resezierenden Fokus, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit postoperativ anfallsfrei zu werden. Die besten Ergebnisse werden bei einseitigen Temporallappen-Epilepsien erzielt, hier kann eine Erfolgsrate von siebzig bis achtzig Prozent erreicht werden.

Risiken und Komplikationen

Wie jede Operation birgt auch die Epilepsiechirurgie bestimmte Risiken. Dazu gehören Verletzungen wichtiger Hirnstrukturen mit möglichen Funktionsverlusten, Nachblutungen, Infektionen und das Risiko, dass der gewünschte Erfolg nicht eintritt. Schwerwiegende Komplikationen sind jedoch selten. Statistisch gesehen sind die Risiken durch persistierende Anfälle deutlich höher als durch eine epilepsiechirurgische Intervention.

Nachsorge

Nach der Operation verbleiben die Patienten in der Regel 7-10 Tage im Krankenhaus. Die postoperative Nachsorge wird im Allgemeinen vom betreuenden Neurologen oder Neuropädiater wieder aufgenommen, unterstützt vom chirurgischen Zentrum. Wiedervorstellung im Zentrum wird nach drei, sechs, zwölf und 24 Monaten postoperativ empfohlen, kann aber bei Bedarf auch länger oder häufiger sein. Bei etwa 50 Prozent der operierten Patienten ist ein Absetzen der medikamentösen Therapie erfolgreich, in den anderen 50 Prozent ist eventuell nur ein Medikament ausreichend. Der Zeitpunkt des Absetzversuchs sollte zusammen mit dem Patienten besprochen werden.

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