Der Schlaganfall ist eine der häufigsten Ursachen für bleibende Behinderungen und nimmt ab dem 60. Lebensjahr exponentiell zu. In den letzten Jahren hat das Interesse an Epilepsien nach Schlaganfall zugenommen, da diese ein Modell für pathophysiologische Prozesse darstellen könnten, die die Bereitschaft des Gehirns zu wiederholten epileptischen Anfällen bestimmen (Epileptogenese). Ein epileptischer Anfall "aus heiterem Himmel" kann bei älteren Menschen ein Warnsignal für einen Schlaganfall sein. Diesen Zusammenhang haben britische Wissenschaftler bei der Auswertung medizinischer Daten von insgesamt mehr als 9.000 Patienten entdeckt.
Schlaganfall: Ursachen, Inzidenz und Risikofaktoren
In Österreich erleiden jährlich 24.000 Menschen einen Schlaganfall, wobei ischämische Infarkte mit 85 % die häufigste Ursache sind, gefolgt von primären intrazerebralen Blutungen (IZB) mit 10 %, Subarachnoidalblutungen (SAB) mit 5 % und zerebralen venösen Thrombosen mit 0,5-1 %. Die altersstandardisierte Inzidenz (nur Erstereignisse) in den deutschsprachigen Ländern beträgt ca. 150/100.000 Einwohner pro Jahr. Obwohl die Inzidenz, die Mortalität und die behinderungs- und krankheitskorrigierten Lebensjahre in den letzten 26 Jahren in Mitteleuropa abgenommen haben, bleiben aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung und des exponentiellen Anstiegs des Schlaganfallrisikos im Alter die mit Behinderung nach Schlaganfall gelebten Lebensjahre hoch. Die Hauptrisikofaktoren für einen Schlaganfall sind Bluthochdruck und Vorhofflimmern. Andere relevante Risikofaktoren sind Diabetes, Rauchen, Bewegungsmangel und Fettstoffwechselstörungen.
Epileptische Anfälle nach Schlaganfall: Definitionen und Klassifikation
Unprovozierte epileptische Anfälle, die den Beginn einer Epilepsie darstellen, müssen von akut symptomatischen Anfällen im Rahmen des akuten Schlaganfalls unterschieden werden. In den letzten Jahren wurden die Definitionen dafür vereinheitlicht und bessere epidemiologische Daten generiert. ASA sind epileptische Anfälle, die in enger zeitlicher Beziehung zu systemischen Veränderungen (z. B. toxisch oder metabolisch) oder einer direkten ZNS-Schädigung auftreten. Für den Schlaganfall definierte man diese als „Frühanfälle“ innerhalb von 7 Tagen, wobei sich ca. 50 % innerhalb der ersten 24 h manifestieren. Ein unprovozierter Anfall ist definiert als epileptischer Anfall ohne engen zeitlichen Bezug zu einer systemischen Veränderung oder einer akuten ZNS-Schädigung. Für den Schlaganfall definierte man dies als „Spätanfälle“ > 7 Tage nach dem Ereignis.
Gemäß der neuen ILAE-Definition von Epilepsie mit der Wahrscheinlichkeit eines Rezidivrisikos innerhalb von 10 Jahren von zumindest 60 % erfüllt damit der Schlaganfallpatient bereits die Kriterien einer Epilepsie. Pathophysiologisch soll dafür eine Gliose mit meningozerebraler Narbenbildung verantwortlich sein.
Inzidenz und Risikofaktoren von Anfällen nach Schlaganfall
Die Inzidenz von epileptischen Anfällen nach zerebrovaskulären Erkrankungen in der Rochester-Kohorte in Minnesota zwischen 1935 und 1984 betrug 11 %. In der Altersgruppe über 65 Jahre fanden sich in dieser Population in 55 % zerebrovaskuläre Erkrankungen als Ursache für alle neu diagnostizierten Anfälle. In einer neueren populationsbasierten Studie in Island, die akut symptomatische Anfälle ausschloss, zeigte sich eine zerebrovaskuläre Ursache in 9 %. Im Rahmen der randomisierten Veteran Affairs Cooperative-Studie (VACS), in der über 60-Jährige mit Epilepsie eingeschlossen wurden, betrug der Anteil an Patienten mit ischämischen Schlaganfällen und Blutungen 36 %. Die Inzidenz von ASA nach jeglichem Schlaganfall beträgt 3-6 %, dabei liegt die Inzidenz für arterielle Blutungen (IZB und SAB) mit 10-16 % höher und kann bei zerebralen venösen Infarkten mit kortikaler Beteiligung bis zu 40 % ausmachen.
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Die Risikofaktoren für einen ASA sind eine kortikale Lokalisation, eine Blutung (oder hämorrhagische Transformation eines ischämischen Infarktes), aber auch die Größe und die Schwere des Schlaganfalls sowie eine Lokalisation im vorderen Stromkreislauf (Versorgungsgebiet der A. carotis interna). Die Inzidenz für einen unprovozierten Anfall mehr als 7 Tage nach einem zerebrovaskulären Ereignis beträgt 10-12 % innerhalb eines Zeitraumes von 5 bis 10 Jahren. Dabei ist die Inzidenz gleich bezüglich der Art des Schlaganfalls (Blutung oder Ischämie). Bekannte Risikofaktoren für einen unprovozierten Anfall nach Schlaganfall sind kortikale Lokalisation, die Größe der Läsion (z. B. > 10 ml Volumen bei intrazerebralen Blutungen) und akut symptomatische Anfälle innerhalb von 7 Tagen.
Anfälle nach Schlaganfall bei Kindern
Die Inzidenz von ASA nach Schlaganfall ist bei Kindern wesentlich häufiger als im Erwachsenenalter und beträgt 20-30 %. Umso jünger die Patienten zum Zeitpunkt des Insultes sind und umso häufiger und länger die ASA dauern, desto größer scheint das Epilepsierisiko zu sein. In einer retrospektiven populationsbasierten Studie in Kalifornien bei Kindern im Alter zwischen 29 Tagen und 19 Jahren (neonatale Anfälle waren ausgenommen) belief sich das kumulative Risiko für einen ersten unprovozierten Anfall (definiert als > 30 Tage nach dem Schlaganfall) auf 16 % innerhalb von 5 Jahren und 33 % innerhalb von 10 Jahren. ASA stellten einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Epilepsie dar.
Therapie und Prävention von Anfällen nach Schlaganfall
Es gibt keine ausreichende Evidenz, dass die Gabe eines Anfallsmedikaments vor einem etwaigen ASA diesen verhindert. Das generelle Risiko für einen ASA ist mit 3-6 % niedrig. Sollte eine Medikation begonnen worden sein, so ist darauf zu achten, diese nach der Akutphase zu beenden. Es gibt keine Evidenz, dass eine medikamentöse Therapie einen unprovozierten Anfall nach Schlaganfall verhindert. Das generelle Risiko für einen unprovozierten Anfall nach Schlaganfall innerhalb von 5 bis 10 Jahren beträgt nur 10-12 % und nimmt erst mit der Dauer des Intervalls zu. Eine Anfallsmedikationsgabe nach ASA mit dem Ziel, einen weiteren Anfall zu verhindern, wird nicht empfohlen. Das Rezidivrisiko für einen neuerlichen Anfall ist mit 10-20 % niedrig. Über etwaige Vorteile einer Anfallsmedikationsgabe nach einem unprovozierten Anfall nach Schlaganfall im Vergleich zu keiner Gabe existieren keine randomisierten Studien. Für die Wahl der Anfallsmedikation in der Folge eines unprovozierten Anfalls nach Schlaganfall gibt es keine klaren Empfehlungen.
Die Epilepsie nach Schlaganfall ist prinzipiell gut zu behandeln. Im Vergleich zu Patienten mit Hippocampussklerose und assoziierter kortikaler Läsion im Temporallappen (duale Pathologie) mit einer medikamentösen Therapieresistenz in 97 % fand sich diese bei Epilepsie nach Schlaganfall in nur 46 %. Klinische Studien sprechen insgesamt dafür, dass neuere antiiktale Substanzen aufgrund ihrer besseren Verträglichkeit für epileptische Anfälle nach Schlaganfall vorzuziehen sind. Von den neueren antiiktalen Substanzen sind Lamotrigin (LTG,) Levetiracetam (LEV) und Gabapentin (GBP) bei PSE untersucht worden. Dabei zeigten sich eine relativ gute Verträglichkeit und günstiges Interaktionsprofil.
Thrombolyse und Anfallsrisiko
Da rt-PA neurotoxisch auf das infarzierte Gehirn wirken könnte, wurde diskutiert, ob die Thrombolyse ein Risikofaktor für epileptische Anfälle nach Schlaganfall sei. In einer ausführlichen retrospektiven Studie waren das neurologische Defizit nach Thrombolyse und eine hämorrhagische Transformation unabhängige Risikofaktoren für Epilepsie nach Schlaganfällen mit Thrombolyse. Außerdem waren epileptische Anfälle - die im Vergleich zu nicht Thrombolyse-Behandelten häufiger auftraten - ein unabhängiger Risikofaktor für schlechtere Prognose nach schlaganfallbezogener Thrombolyse.
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Differenzialdiagnose und Komorbiditäten
Die Differenzialdiagnose zwischen akutem Hirninfarkt und Todd-Parese kann schwierig sein, wenn andere motorische Anfallssymptome der Beobachtung entgangen sind. Diese diagnostische Unschärfe kann für Therapiemaßnahmen bedeutsam sein. Im Alter werden Epilepsie und Schlaganfall häufig verwechselt. Ein leichtes Zucken im Gesicht, ein Nesteln der Hand, kurzes Wegdämmern - das können Anzeichen eines epileptischen Anfalls sein. Im Alter kommt dies häufiger vor als gedacht. Auch Ärzte missdeuten Krampfanfälle nicht selten etwa als Vorboten einer Demenz oder als kleinen Schlaganfall.
Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen
Bei der ersten Hilfe gilt: Nicht festhalten, keinen Beißkeil oder ähnliches zwischen die Zähne und Verletzungen verhindern. Nach einem Anfall ist es wichtig dabei zu bleiben, bis das Bewusstsein wieder klar ist. Betroffene Person auf den Boden legen, um einem Sturz vorzubeugen (ggf. Kopf schützen). Alle Gegenstände entfernen, die zu Verletzungen oder Gefahren führen könnten, z.B. Brille, Krawatte oder Halskette. Seltsame Körperhaltungen und freie Zuckungen ermöglichen und möglichst Platz dafür schaffen, falls noch nicht geschehen, sonst drohen Verletzungen. Auf die Uhr schauen und Notfallmedikamente erst nach der ärztlich angegebenen Zeit geben, weil sie erhebliche Nebenwirkungen haben. 112) rufen - auch, wenn schon ein Notfallmedikament gegeben wurde! Das gilt auch, wenn ein 2. Anfall folgt.
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