Epilepsie und Arbeitsunfähigkeit: Dauer, Rechte und Unterstützung

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, von der etwa 1 % der Bevölkerung weltweit betroffen ist. In Deutschland sind es etwa eine halbe Million Menschen. Sie zeichnet sich durch wiederholte, plötzliche Funktionsstörungen des Gehirns aus, sogenannte epileptische Anfälle. Diese Anfälle können das tägliche Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen, insbesondere im Hinblick auf ihre Arbeitsfähigkeit. Der folgende Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte von Epilepsie im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeit, Rechte von Betroffenen und Unterstützungsmöglichkeiten.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch eine übermäßige und unkontrollierte Aktivität von Nervenzellen im Gehirn. Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder, der einen epileptischen Anfall erlebt, automatisch an Epilepsie leidet. Ein einzelner Anfall kann auch durch akute Faktoren wie Fieber oder starke Übermüdung ausgelöst werden. Schätzungen zufolge erleben etwa 10 von 100 Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens einen epileptischen Anfall.

Epileptischer Anfall vs. Epilepsie

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen einem epileptischen Anfall und Epilepsie. Während ein epileptischer Anfall ein einmaliges Ereignis sein kann, das durch verschiedene Faktoren wie Drogenkonsum, Stress oder Schlafmangel ausgelöst wird, ist Epilepsie eine chronische Erkrankung, bei der das Gehirn immer wieder Anfälle produziert, oft durch äußere Einflüsse ausgelöst, aber auch ohne erkennbare Reize.

Ursachen von Epilepsie

Epilepsie kann unterschiedliche Ursachen haben, wobei in vielen Fällen kein genauer Ursprung festgestellt werden kann. Zu den möglichen Ursachen gehören:

  • Genetische Veranlagung: Epilepsie tritt häufig innerhalb von Familien auf.
  • Hirnschädigungen: Angeborene oder erworbene Hirnschädigungen können Epilepsie verursachen.
  • Störungen des Gehirnstoffwechsels: Stoffwechselstörungen können die Funktion des Gehirns beeinträchtigen und zu Anfällen führen.
  • Hirnmissbildungen: Fehlbildungen des Gehirns können epileptische Anfälle auslösen.
  • Hirntumore: Tumore im Gehirn können die normale Funktion der Nervenzellen stören.
  • Entzündungen des Gehirns: Entzündungen können die Nervenzellen schädigen und Anfälle verursachen.
  • Schädigungen der hirnversorgenden Gefäße: Gefäßfehlbildungen, Engstellungen der Gefäße oder Schlaganfälle können zu Epilepsie führen.
  • Kopfverletzungen: Traumatische Hirnverletzungen können das Risiko für Epilepsie erhöhen.

Symptome von Epilepsie

Das Hauptsymptom der Epilepsie sind epileptische Anfälle. Diese können in verschiedenen Formen und Intensitäten auftreten. Einige Betroffene erleben nur ein Anfallsvorgefühl (Aura), während andere schwere Krampfanfälle mit Bewusstseinsverlust erleiden.

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Aura

Vor einem Anfall können Patienten eine Aura erleben, ein Anfallsvorgefühl, das sich als aufsteigendes Unwohlsein, Sprachstörung, Schwindel oder Gedächtnisstörung äußern kann. Manchmal ist die Aura das einzige spürbare Zeichen eines epileptischen Anfalls.

Fokaler Anfall

Bei einem fokalen Anfall ist der Betroffene nicht ansprechbar, zeigt eine seltsame Armhaltung, einen starren Blick, verharrt oder kaut und schmatzt. Diese Anfälle beruhen auf einer Funktionsstörung eines begrenzten Gewebebereichs des Gehirns, dem "Epilepsieherd".

Generalisierter Anfall (Grand-Mal-Anfall)

Der generalisierte Anfall, auch Grand-Mal-Anfall genannt, wirkt oft lebensbedrohlich: Der Atem der krampfenden Person kann stocken, die Augen blicken starr, der Körper kann rhythmisch zucken oder ganz verkrampft sein. Es kann zu Urinabgang oder Zungenbiss kommen.

Status epilepticus

Dies ist ein lang andauernder Anfallszustand, bei dem mehrere Anfälle aufeinander folgen, ohne dass sich der Patient dazwischen erholen kann, oder ein einzelner Anfall länger als 20 Minuten dauert. Es besteht die Gefahr einer nicht mehr reparablen Schädigung des Gehirns.

Myoklonien und Myoklonische Anfälle

Kurze, einzelne, unwillkürliche Zuckungen einzelner Muskelgruppen oder einer Vielzahl von Muskeln, die oft bei genetisch bedingten Epilepsien auftreten.

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Absencen

Sekunden bis Minuten dauernde Zustände mit Bewusstseinstrübung und meist starrem Blick, typisch für generalisierte Epilepsien.

Auslöser von Anfällen

Bestimmte Faktoren können bei Menschen mit Epilepsie epileptische Anfälle auslösen. Diese Auslöser sollten von Betroffenen gemieden werden. Zu den häufigsten Auslösern gehören:

  • Schlafmangel
  • Alkoholgenuss
  • Flackerlicht
  • Stress
  • Überanstrengung
  • Fieberhafte Infekte
  • Vergessene oder nicht eingenommene Antiepileptika

Diagnose von Epilepsie

Die Diagnose von Epilepsie basiert auf einer ausführlichen Anamnese, den Berichten von Beobachtern des Anfalls und technischen Untersuchungen wie dem EEG (Elektroenzephalogramm).

EEG-Diagnostik

Das EEG misst die elektrische Aktivität des Gehirns und kann zeigen, ob epileptische Entladungen vorliegen. Eine besondere Form ist das Langzeit-Video-EEG, bei dem die Hirnströme über 72 Stunden oder länger aufgezeichnet werden.

Magnetresonanztomografie (MRT)

Die MRT des Gehirns dient dazu, strukturelle Veränderungen im Gehirn zu erkennen, die für die Anfälle verantwortlich sein könnten.

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Liquordiagnostik und Labordiagnostik

Blutuntersuchungen sind wichtig, um den Stoffwechsel von Leber und Niere zu überwachen, insbesondere bei der Einnahme von Medikamenten. Die Hirnwasser-Entnahme (Liquordiagnostik) wird bei Verdacht auf Entzündungen durchgeführt.

Neuropsychologische Tests

Diese Tests erfassen Einbußen in Gedächtnis und Konzentration und helfen, die Auswirkungen der Erkrankung auf den Lebensalltag der Patienten zu messen.

Videodokumentation per Smartphone

Experten empfehlen, dass Familienangehörige oder enge Freunde den Anfall des Betroffenen als Video aufnehmen, um den behandelnden Ärzten wichtige Informationen zu liefern.

Behandlung von Epilepsie

Epilepsie ist in vielen Fällen gut behandelbar. Ziel der Behandlung ist es, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Medikamentöse Behandlung

Antiepileptika sind die häufigste Behandlungsmethode. Sie wirken, indem sie die Krampfschwelle des Gehirns erhöhen und so Anfälle verhindern. Es ist wichtig, die Medikamente regelmäßig und in Absprache mit dem Arzt einzunehmen.

Neurostimulation

  • Vagusnervstimulation (VNS): Die VNS beruht auf der regelmäßigen Reizung des linken Vagusnervs, die über einen implantierten Generator abgegeben wird.
  • Tiefe Hirnstimulation: Elektroden werden in bestimmten Hirnbereichen operativ eingepflanzt, um elektrische Impulse abzugeben und die Anfallssituation zu verbessern.
  • Transkutane Vagusnervstimulation (T-VNS): Eine äußere Reizung eines Nerves, der die Ohrmuschel versorgt, kann die Anfallsaktivität unterdrücken.

Epilepsiechirurgie

Bei schwer behandelbaren Epilepsien kann ein operativer Eingriff zur Entfernung des Epilepsieherds in Betracht gezogen werden.

Epilepsie und Arbeitsleben

Epilepsie kann das Arbeitsleben der Betroffenen in vielfältiger Weise beeinflussen. Die Auswirkungen hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B.:

  • Anfallsrisiko
  • Art und Häufigkeit der Anfälle
  • Wirkung der Medikamente
  • Beruf und Arbeitsplatz

Berufswahl

Junge Menschen mit Epilepsie sollten sich frühzeitig bei der Berufswahl beraten lassen. Es gibt keine Berufe, die bei der Diagnose Epilepsie generell ungeeignet sind. Wichtig ist, die persönlichen Wünsche, Fähigkeiten und Einschränkungen individuell abzustimmen.

Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber

Eine Meldung an den Arbeitgeber ist nur nötig, wenn die Epilepsie die Arbeit erheblich beeinträchtigt. Dies ist z.B. der Fall, wenn eine Eigen- oder Fremdgefährdung besteht.

Arbeitsunfähigkeit

Epilepsie und ihre Behandlung können eine längere Arbeitsunfähigkeit mit sich bringen, z.B. wegen einer Operation oder der Medikamenteneinstellung.

Erwerbsminderung

Wer wegen Epilepsie nur noch unter 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann, gilt als teilweise erwerbsgemindert. Sind es unter 3 Stunden, liegt eine volle Erwerbsminderung vor. In diesem Fall kann eine Erwerbsminderungsrente das Arbeitseinkommen ersetzen oder ergänzen.

Unterstützungsmöglichkeiten im Arbeitsleben

  • Anpassung des Arbeitsplatzes: Der Arbeitsplatz kann an die Bedürfnisse des Betroffenen angepasst werden, z.B. durch einen Wechsel an einen Arbeitsplatz, an dem eine Eigen- oder Fremdgefährdung ausgeschlossen ist.
  • Arbeitsassistenz: Arbeitsassistenz kann Menschen mit Epilepsie eine Berufstätigkeit in Anstellung oder Selbstständigkeit ermöglichen.
  • Lohnkostenzuschüsse: Lohnkostenzuschüsse können gewährt werden, wenn die Leistungsfähigkeit des Beschäftigten aufgrund der Epilepsie vermindert ist.

Rechte von Menschen mit Epilepsie

Menschen mit Epilepsie haben die gleichen Rechte wie andere Arbeitnehmer. Sie dürfen aufgrund ihrer Erkrankung nicht diskriminiert werden. Schwerbehinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Bei einer Kündigung ist das Integrationsamt einzubeziehen.

Alltag mit Epilepsie

Die Diagnose Epilepsie hat oft weitreichende Folgen für das alltägliche Leben:

  • Die Berufswahl kann eingeschränkt sein.
  • Die Mobilität mit dem PKW ist durch ein Fahrverbot eingeschränkt.
  • Ein Kinderwunsch muss geplant werden.
  • Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen sind häufig.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Es ist wichtig, zu wissen, wie man sich bei einem epileptischen Anfall verhält:

  1. Ruhe bewahren: Ein Anfall wirkt oft dramatisch, hört aber meist nach wenigen Minuten von selbst auf.
  2. Notarzt rufen: Rufen Sie den Notarzt, wenn Sie nicht gesehen haben, wie der Betroffene zu Boden gegangen ist, der Anfall länger als fünf Minuten dauert oder die betroffene Person nach dem Anfall nicht normal atmet.
  3. Gefahren minimieren: Sorgen Sie für Sicherheit, indem Sie gefährliche Gegenstände entfernen.
  4. Abschirmen: Schützen Sie die betroffene Person vor unerwünschten Blicken.
  5. Nichts in den Mund stecken: Stecken Sie keine Gegenstände in den Mund der krampfenden Person.
  6. Stabile Seitenlage: Nach dem Anfall bringen Sie die betroffene Person in die stabile Seitenlage.

Fazit

Epilepsie ist eine komplexe Erkrankung, die das Leben der Betroffenen in vielfältiger Weise beeinflussen kann. Es ist wichtig, sich umfassend über die Erkrankung zu informieren, die Behandlungsmöglichkeiten zu kennen und die Unterstützungsmöglichkeiten im Arbeitsleben zu nutzen. Mit einer frühzeitigen Diagnose, einer individuellen Therapie und der richtigen Unterstützung können die meisten Menschen mit Epilepsie ein weitgehend normales Leben führen.

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