Facharztausbildung Neurologie: Dauer, Ablauf und Inhalte

Fachärztinnen und Fachärzte für Neurologie sind spezialisiert auf die Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems und der Muskulatur. Dieser Artikel beleuchtet die Dauer, den Ablauf und die Inhalte der Facharztausbildung in der Neurologie in Deutschland.

Definition und Aufgabenbereich

Neurologen beschäftigen sich mit den Erkrankungen des zentralen, peripheren und vegetativen Nervensystems einschließlich der Muskulatur. Der menschliche Körper wird durch mehr als 100 Milliarden Nervenzellen gesteuert, die Bewegungen, Sprache, Gedanken und Empfindungen kontrollieren. Neurologen sind Experten für die Diagnose und Behandlung von Störungen dieser komplexen Vorgänge.

Die häufigste von Neurologen behandelte Erkrankung ist der Schlaganfall, der in Deutschland die dritthäufigste Todesursache darstellt. Schätzungen zufolge versterben daran jährlich etwa 63.000 Patienten. Da vor allem ältere Patienten betroffen sind, wird die Zahl der Schlaganfälle voraussichtlich zunehmen. Glücklicherweise haben sich die Behandlungsmöglichkeiten und Überlebenschancen der Patienten in den letzten Jahren stark verbessert, insbesondere durch die systemische Lysetherapie und mechanische Thrombektomie. Diese Behandlungen sind besonders wirksam, wenn die Patienten frühzeitig in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

Auch bei der Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) haben Neurologen heute bessere Möglichkeiten als früher. Zudem spielt die Neurologie eine immer größere Rolle in der Notfallmedizin, nicht nur bei Schlaganfällen, sondern auch bei Unfällen mit Schädel-Hirn-Trauma.

Durch diese neuen Behandlungsmöglichkeiten entwickelt sich die Neurologie zunehmend von einem diagnostischen zu einem stärker therapeutischen Fachgebiet. Traditionell ist die Neurologie eng mit der Psychiatrie und Psychotherapie verbunden, da beide Fachrichtungen ursprünglich aus dem "Nervenarzt" hervorgegangen sind. Seit 1950 sind die beiden Fächer jedoch getrennt. Vereinfacht ausgedrückt, kümmert sich die Neurologie eher um die "Hardware" (organische Störungen des Nervensystems), während sich die Psychiatrie auf die "Software" (seelische Vorgänge und Erkrankungen) konzentriert.

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Neben der Psychiatrie arbeiten Neurologen eng mit anderen Fachgebieten zusammen, wie der Neurochirurgie, Neuroradiologie und Inneren Medizin.

Dauer und Struktur der Facharztausbildung

Die Facharzt-Weiterbildung in der Neurologie dauert 60 Monate, was einem Zeitraum von 5 Jahren entspricht. Davon müssen 12 Monate in der Psychiatrie und Psychotherapie abgeleistet werden. Die Weiterbildungszeit wird bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte gemäß § 5 Abs. 1 der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) absolviert.

Inhalte der Weiterbildung

Die Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie umfasst folgende Inhalte:

  • Grundlagen der Antikörperdiagnostik und Therapie anderer Autoimmunerkrankungen des Zentralnervensystems, einschließlich ZNS-Manifestationen von systemischen Autoimmunerkrankungen, paraneoplastischer und autoimmuner Erkrankungen.
  • Diagnostik und konservative Therapie traumatisch verursachter Nerven- und Nervenwurzelkompressionen.
  • Durchführung und Befunderstellung von neurootologischen Untersuchungen.
  • Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Selbstständigkeit und Minderung der Pflegebedürftigkeit sowie zur Sicherung von Geschäftsfähigkeit.
  • Qualifizierte Entzugsbehandlung aller stoffgebundenen Süchte.

Zusätzlich zu den genannten Inhalten umfasst die Weiterbildung auch:

  • Neurologische Befunderhebung bei Störungen der höheren Hirnleistungen
  • Neuro-otologische Untersuchungen

Das eLogbuch

Ein verpflichtender Bestandteil der Facharztausbildung ist das Ausbildungslogbuch. Es enthält den strukturierten Weiterbildungsgang Neurologie und dient der Dokumentation der Inhalte und erworbenen Kenntnisse. Seit dem 01.11.2020 haben die Landesärztekammern sukzessiv eine digitale Version des Logbuchs (eLogbuch) für alle neuen Ärzte eingeführt. Ein Antrag auf Zulassung zur Facharztprüfung ohne ausgefülltes eLogbuch wird abgelehnt.

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Voraussetzungen und Ablauf

Voraussetzung für die Facharztausbildung ist ein abgeschlossenes Medizinstudium mit Approbation. Mit der Approbation erhält man die Berechtigung, den Titel Arzt/Ärztin zu tragen. Im Anschluss beginnt die Tätigkeit als Assistenzarzt (Arzt in Weiterbildung).

Nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung Neurologie können weitere Zusatzbezeichnungen erworben werden.

Der Weg zum Facharzt im Detail

  1. Approbation: Nach dem Medizinstudium und dem dritten Staatsexamen wird die ärztliche Approbation beantragt.
  2. Assistenzarztstelle: Bewerbung auf eine Stelle als Weiterbildungsassistent an einem weiterbildungsbefugten Haus.
  3. Facharztweiterbildung: Festlegung auf die Neurologie und Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten während der ersten Berufsjahre.
  4. Weiterbildungszeit: 60 Monate, die bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte absolviert werden.
  5. Logbuch: Dokumentation der Ausbildungsinhalte im eLogbuch.
  6. Facharztprüfung: Nachweis der erworbenen Kompetenzen vor der Landesärztekammer.

Die Facharztprüfung

Nach Abschluss der Ausbildung muss eine Facharztprüfung bei der Landesärztekammer durchgeführt werden. Die Prüfung gilt entweder als „bestanden“ oder „nicht bestanden“. In der 30- bis 45-minütigen Prüfung wird der Prüfling von einer Prüfungskommission befragt, die aus drei Fachärzten des Prüfungsgebiets und einem Vorsitzenden besteht. Gegenstand der Prüfung ist der gesamte Umfang der Facharztfortbildung.

Der Prüfling muss Grundlagenwissen, spezifische Kenntnisse über Diagnostik und Therapien, die auf konkreten Befunden von Labordaten und Röntgenbildern aufbauen, und neueste Erkenntnisse aus dem Fachbereich mündlich darlegen. Gefragt sind Wissen aus Fachliteratur sowie die Fähigkeit zur Begutachtung und Nachbehandlung von Patienten. Der Prüfling hat unter Beweis zu stellen, dass er in der Lage ist, nach den Standards von behandelnden Fachärzten seines Gebiets zu arbeiten.

Tipps für die Facharztausbildung

  • Vollständige Dokumentation: Alle Tätigkeiten und Inhalte der Ausbildung müssen vollständig dokumentiert und unterzeichnet sein.
  • Frühzeitige Information: Vor Antritt der Weiterbildung bei der zuständigen Landesärztekammer informieren.
  • Weiterbildungsbefugnis: Sicherstellen, dass der zuständige Weiterbilder eine Weiterbildungsbefugnis hat.

Berufliche Perspektiven

Fachärzte für Neurologie sind meist in Facharztpraxen oder in Kliniken tätig. Es gibt zahlreiche Neurologie Stellenangebote, insbesondere für Assistenzärzte.

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Tätigkeitsbereiche

  • Kliniken: Über 66 Prozent der Neurologen sind in Krankenhäusern und Kliniken angestellt.
  • Facharztpraxen: Über 19 Prozent der Neurologen sind in fachärztlichen Praxen beschäftigt.

Karrierewege

  • Oberarzt/Chefarzt: Mit dem Facharzttitel können Neurologen zum Oberarzt oder Chefarzt aufsteigen.
  • Eigene Praxis: Die Niederlassung in eigener Praxis ist eine weitere Option.

Verdienstmöglichkeiten

Das Gehalt eines Facharztes für Neurologie ist abhängig von Tarifverträgen, der Trägerschaft der Einrichtung und den Berufsjahren. In einer eigenen Praxis sind die Verdienstmöglichkeiten von Fachrichtung, Größe, Einzugsgebiet und Patientendisposition der Praxis abhängig.

Zusatzweiterbildungen

Über den Facharzttitel hinaus können Zusatzweiterbildungen absolviert werden, zum Beispiel in Akupunktur, Diabetologie, Ernährungsmedizin, Homöopathie, Psychoanalyse oder Schlafmedizin. Diese Zusatzbezeichnungen weisen den Arzt als besonderen Fachmann aus. Zu den meisten Zusatzweiterbildungen wird man nur als Facharzt zugelassen, mit Ausnahme der Notfallmedizin und Medizinischen Informatik.

Zahlen und Fakten

  • Anzahl Fachärzte für Neurologie in Deutschland (2024): 11.113, davon 10.070 berufstätig.
  • Beliebtheit des Medizinstudiums: Im Wintersemester 2021/22 waren es deutschlandweit mehr als 105.000 Studierende der Humanmedizin.

Die Neurochirurgie als verwandtes Fachgebiet

Die Neurochirurgie ist eine Facharztrichtung, die aus der Chirurgie hervorgegangen ist. Neurochirurgen sind innerhalb der Chirurgie für die operative Behandlung von Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems und seiner Umgebungsstrukturen zuständig.

Definition und Aufgabenbereich

Neurochirurgen beschäftigen sich mit Erkrankungen, Fehlbildungen und Verletzungen des zentralen und peripheren Nervensystems.

Dauer und Struktur der Facharztausbildung

Die Facharzt-Weiterbildung in der Neurochirurgie dauert 72 Monate. Davon müssen 6 Monate in der intensivmedizinischen Versorgung neurochirurgischer Patienten abgeleistet werden.

Zahlen und Fakten

  • Anzahl Fachärzte für Neurochirurgie in Deutschland (2024): 3.268, davon 2.788 berufstätig.

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