Fazialisnerv Gereizt: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Ein hängender Mundwinkel, ein Auge, das sich nicht schließt - dies sind typische Symptome einer Fazialisparese, einer Gesichtslähmung. Diese entsteht, wenn der Nervus facialis, der für die Steuerung der Gesichtsmuskulatur zuständig ist, anschwillt oder geschädigt wird. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein.

Was ist eine Fazialisparese?

Der Nervus facialis ist ein Nervenpaar, wobei jeder Strang für eine Gesichtshälfte zuständig ist. Er verzweigt sich wie ein Baum und steuert die mimische Muskulatur, die Tränen- und Speichelsekretion sowie die Geschmackswahrnehmung. Eine Schädigung dieses Nervs führt zu einer Fazialisparese, bei der eine Gesichtshälfte gelähmt sein kann. Das Gesicht wirkt dann verzerrt, und die Betroffenen können ihre Gesichtszüge nicht mehr kontrollieren.

Ursachen einer Fazialisparese

Die Fazialisparese kann verschiedene Ursachen haben. Am bekanntesten ist sie als Symptom eines Schlaganfalls. Es gibt jedoch auch andere Auslöser:

  • Infektionen: Bakterielle oder virale Infektionen, wie beispielsweise eine Mittelohrentzündung oder Herpes zoster oticus (Ohrgürtelrose), können zu einer Schwellung des Nervus facialis führen und somit eine Lähmung verursachen. Das Herpes-simplex-Virus Typ 1 wird ebenfalls als möglicher Auslöser vermutet.
  • Verletzungen: Unfälle, Verletzungen im Gesicht oder ein Schädelbasisbruch können den Gesichtsnerv schädigen. Auch Operationen im Gehirn oder am Gesichtsnerv selbst können eine Fazialisparese verursachen.
  • Tumore: Tumore, die auf den Gesichtsnerv drücken oder in ihn hineinwachsen, können ebenfalls eine Lähmung auslösen. Bösartige Tumoren des Ohrs oder der Ohrspeicheldrüse können den Nervus fazialis schädigen.
  • Entzündliche Erkrankungen: Entzündliche Nervenerkrankungen oder Entzündungen im Gehirn, die sich auf den Hirnstamm ausbreiten, können eine Fazialisparese verursachen. Auch Autoimmunerkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder Sarkoidose können eine Gesichtslähmung zur Folge haben.
  • Weitere Ursachen: In seltenen Fällen können auch Autoimmunerkrankungen, angeborene Fehlbildungen, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder psychische Faktoren wie Stress eine Fazialisparese auslösen. Auch Kälteeinwirkung oder Zugluft im Gesicht werden als mögliche Auslöser diskutiert.

Idiopathische Fazialisparese (Bell-Lähmung)

In vielen Fällen bleibt die Ursache einer Fazialisparese jedoch unklar. In diesen Fällen spricht man von einer idiopathischen Fazialisparese oder Bell-Lähmung. Mediziner vermuten, dass verborgene oder wieder aktivierte entzündliche Prozesse im Körper, insbesondere durch Virusinfektionen, eine Rolle spielen könnten. Auch eine Mangeldurchblutung des Nervus facialis oder Druckschäden durch umgebende Gewebeveränderungen werden als mögliche Ursachen in Betracht gezogen.

Risikofaktoren

Einige Faktoren erhöhen das Risiko, an einer Fazialisparese zu erkranken:

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  • Diabetes: Schlecht eingestellte Zuckerwerte können generell Nerven schädigen, auch den Gesichtsnerv.
  • Schwangerschaft: Schwangere haben ein höheres Risiko für eine Fazialisparese, wobei die Ursache hierfür unbekannt ist.
  • Stress: Extremer Stress kann eine Entzündung des Nervus facialis auslösen.
  • Wetterumschwünge: Gesichtslähmungen treten statistisch häufiger nach Wetterumschwüngen auf.

Symptome einer Fazialisparese

Die Beschwerden einer Fazialisparese treten in der Regel innerhalb weniger Stunden auf und erreichen nach ein bis zwei Tagen ihren Höhepunkt. Typische Symptome sind:

  • Einseitige Erschlaffung der mimischen Muskulatur
  • Verlust der Fähigkeit, das Augenlid vollständig zu schließen (Lagophtalmus)
  • Herabhängender Mundwinkel
  • Schwierigkeiten beim Sprechen aufgrund geschwächter Wangen- und Lippenmuskulatur
  • Störungen in der Geschmackswahrnehmung
  • Abnahme der Speichel- und Tränenproduktion
  • Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen (Hyperakusis)
  • Schmerzen hinter dem Ohr
  • Missempfindungen auf einer Wange

Diagnose einer Fazialisparese

Die Diagnose der Fazialisparese ist vor allem Ursachenforschung. Zunächst wird der Arzt die Krankengeschichte erheben und eine körperliche Untersuchung durchführen. Dabei wird er prüfen, wie fortgeschritten die Gesichtslähmung ist und welche Muskeln betroffen sind.

Um die Ursache der Fazialisparese zu ermitteln, können verschiedene Untersuchungen durchgeführt werden:

  • Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT): Diese bildgebenden Verfahren dienen dazu, den Auslöser im Gehirn zu lokalisieren und andere Ursachen wie Tumore oder Entzündungen auszuschließen.
  • Blutuntersuchungen: Sie können Hinweise auf Infektionen, Entzündungen oder Autoimmunerkrankungen liefern. Auch der Nachweis von Borrelien, Herpes-Viren oder anderen Erregern kann erste Hinweise auf die Ursache der Gesichtslähmung geben.
  • Lumbalpunktion: Bei dieser Untersuchung wird Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit entnommen, um Entzündungen oder Infektionen des Nervensystems nachzuweisen.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen (EMG, ENG): Diese Untersuchungen messen die elektrische Aktivität der Muskeln (EMG) und die Funktionsfähigkeit der Nerven (ENG). Sie helfen, die Diagnose der Gesichtslähmung zu untermauern und den Ort der Schädigung genauer zu lokalisieren.
  • Ohrenspiegelung (Otoskopie): Eine Ohrenspiegelung kann eine Mittelohrentzündung oder andere Erkrankungen des Ohrs als Ursache ausschließen.
  • Nervenregbarkeitstests (Motorisch Evozierte Potentiale): Sie dienen der Beurteilung der Nervenfunktion.

Behandlung einer Fazialisparese

Die Behandlung einer Fazialisparese richtet sich nach der Ursache. Ist die Lähmung Symptom einer anderen Erkrankung, sollte diese zuerst behandelt werden.

Medikamentöse Therapie

  • Kortison: Bei der idiopathischen Fazialisparese wird meist eine Behandlung mit Kortison (Glukokortikoiden) für einen Zeitraum von 14 Tagen empfohlen. Kortison wirkt entzündungshemmend und kann die Heilung beschleunigen.
  • Virostatika oder Antibiotika: Bei bakteriellen oder viralen Infektionen werden Virostatika bzw. Antibiotika eingesetzt, um die Erreger zu bekämpfen.
  • Vitamin-B-Komplex: Bei Vitamin-B12-Mangel wird mit Präparaten aus dem Vitamin-B-Komplex behandelt, insbesondere mit Vitamin B12, B6 und B1.
  • Botulinumtoxin: Synkinesien können mit Botulinum-Toxin behandelt werden, das in die entsprechende Muskulatur gespritzt wird, um die unwillkürlichen Bewegungen zu verhindern.

Weitere Therapien

  • Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie: Ein Training der Gesichtsmuskeln mit Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie kann die Heilung unterstützen.
  • Augenpflege: Da bei den meisten Patienten mit peripherer Fazialisparese die Lidschluss-Funktion gestört ist, muss das Auge besonders gepflegt werden, um eine Entzündung der Hornhaut zu vermeiden. Dies geschieht mit künstlicher Tränenflüssigkeit und Augensalbe. Nachts tragen Patienten einen sogenannten Uhrglasverband, um das Auge vor Austrocknung zu schützen.
  • Transkutane Nervenstimulation: Bei schweren Verläufen, bei denen die Gesichtslähmung nicht wieder abklingt, kann eine transkutane Nervenstimulation versucht werden. Dabei werden betroffene Nerven und Muskeln über Elektroden angeregt.

Operative Behandlung

In seltenen Fällen ist eine operative Behandlung der Fazialisparese notwendig. Dies kann beispielsweise bei Tumoren, Verletzungen des Gesichtsnervs oder chronischen Lähmungen der Fall sein. Es gibt verschiedene operative Verfahren, die je nach Ursache und Ausprägung der Lähmung in Frage kommen:

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  • Nervenrekonstruktion: Bei einer Durchtrennung des Gesichtsnervs kann dieser durch eine direkte Naht oder ein Nerventransplantat wiederhergestellt werden. Als Spendernerv dient meist ein Gefühlsnerv vom Hals oder Bein.
  • Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose: Bei dieser Operation wird der Zungennerv (Nervus hypoglossus) mit dem Gesichtsnerv verbunden, um die Gesichtsmuskulatur wieder zu aktivieren.
  • Muskelplastik: Bei einer Muskelplastik wird ein Muskel aus einem anderen Bereich des Körpers (z.B. Kaumuskel) in das Gesicht verpflanzt, um die Funktion der gelähmten Gesichtsmuskulatur zu übernehmen.
  • Statische Maßnahmen: Hierbei werden Sehnen oder Muskelhaut verwendet, um die Gesichtszüge zu stabilisieren und die Symmetrie des Gesichts zu verbessern. Am Auge kann ein Goldgewicht in das Oberlid eingenäht werden, um den Lidschluss zu unterstützen.
  • Dynamische Verfahren: Nerventransplantationen zur Wiederherstellung des Nervens oder als sogenanntes Cross-Face-Transplantat, bei dem die Funktion des Nervens der Gegenseite auch auf die betroffene Seite übertragen wird.
  • Motorische Ersatzoperationen: Umsetzung von Muskeln oder Sehnen zur Übernahme der alten Funktion.

Prognose einer Fazialisparese

Die Prognose einer Fazialisparese ist in den meisten Fällen gut. Bei etwa 80 Prozent der Betroffenen verschwinden die Symptome innerhalb von Wochen oder Monaten wieder vollständig. In manchen Fällen bleiben jedoch Restsymptome zurück, wie beispielsweise unwillkürliche Zuckungen der mimischen Muskulatur oder unbeabsichtigte Mitbewegungen der Mimik (Synkinesien). Diese können jedoch mit Botulinumtoxin behandelt werden.

Langzeitfolgen

In seltenen Fällen kann eine Fazialisparese Langzeitfolgen haben. Ist die Gesichtslähmung chronisch und der Lidschluss des Auges gestört, gibt es die Möglichkeit einer rekonstruktiven, plastischen Operation. Ein offenstehendes Unterlid kann beispielsweise mit einer Canthoplastik behandelt werden, während eine Blepharoplastik das Sichtfeld korrigiert.

Leben mit einer Fazialisparese

Eine Fazialisparese kann für die Betroffenen eine große Belastung darstellen. Nicht nur die körperlichen Einschränkungen, sondern auch die psychischen Auswirkungen der veränderten Gesichtszüge können das Leben beeinträchtigen. Es ist daher wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen und Strategien zu entwickeln, um mit der Erkrankung umzugehen.

Tipps für den Alltag

  • Schützen Sie Ihr Auge vor Austrocknung, indem Sie regelmäßig künstliche Tränen verwenden und nachts einen Uhrglasverband tragen.
  • Üben Sie regelmäßig Ihre Gesichtsmuskulatur, um die Beweglichkeit zu verbessern.
  • Suchen Sie den Kontakt zu anderen Betroffenen, um sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen.
  • Scheuen Sie sich nicht, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie unter den psychischen Auswirkungen der Fazialisparese leiden.
  • Lernen Sie, mit den Einschränkungen im Alltag umzugehen und neue Wege zu finden, um Ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
  • Bleiben Sie aktiv und nehmen Sie am sozialen Leben teil.

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