Nervus facialis und Nervus trigeminus: Ein detaillierter Vergleich

Die Hirnnerven sind essenzielle Bestandteile des peripheren Nervensystems, die direkt aus dem Gehirn entspringen und vielfältige Funktionen im Kopf- und Halsbereich steuern. Unter den zwölf Hirnnervenpaaren nehmen der Nervus facialis (VII. Hirnnerv) und der Nervus trigeminus (V. Hirnnerv) aufgrund ihrer komplexen Funktionen und den damit verbundenen klinischen Manifestationen eine besondere Stellung ein. Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten dieser beiden Nerven, ihre jeweiligen Funktionen, klinischen Syndrome und Behandlungsmöglichkeiten.

Anatomische Grundlagen und Ursprungsorte

Die Ursprungsorte der zwölf Hirnnervenpaare, die Hirnnervenkerne, liegen im Hirnstamm. In einem Hirnnervenkern entspringen die Fasern, die Erregungen unter anderem zu verschiedenen Muskeln im Kopf- und Halsbereich weiterleiten. Der Hirnstamm besteht aus Mittelhirn, Brücke und verlängertem Mark.

  • Mittelhirn (Mesencephalon): Begrenzt nach oben durch das Zwischenhirn und nach unten durch die Brücke. Die Mittelhirnhaube (Tegmentum mesencephali) enthält Ansammlungen von Nervenzellkörpern für Muskelaktivitäten (z. B. Substantia nigra, Nucleus ruber) und für den III. und IV. Hirnnerv.
  • Brücke (Pons): Begrenzt nach unten durch das verlängerte Mark, nach oben durch das Mittelhirn und nach hinten durch das Kleinhirn. Sie enthält die Nervenzellkörper für den V. bis VIII. Hirnnerv sowie Teile des Atem-, Kreislauf- und Aktivitätszentrums.
  • Verlängertes Mark (Medulla oblongata): Geht nach unten direkt ins Rückenmark und nach oben in die Brücke über. Im hinteren Anteil befinden sich die Ursprungsorte für den IX. bis XII. Hirnnerv. Im vorderen Anteil verdickt sich die größte vom Gehirn durch das Rückenmark absteigende Nervenbahn, die Pyramidenbahn.

Die ersten beiden Hirnnerven (I und II) sind Gehirnanteile, während die übrigen zehn (III-XII) Nervenpaare des peripheren Nervensystems darstellen. Die Ursprungsorte der Hirnnerven I und II liegen im Großhirn beziehungsweise im Zwischenhirn, während die Ursprungsorte der übrigen Hirnnervenpaare sich meist in Mittelhirn, Brücke oder verlängertem Mark, also im Hirnstamm, befinden.

Nervus trigeminus (V. Hirnnerv)

Der Nervus trigeminus ist ein großer, gemischter Nerv, der sowohl sensible als auch motorische Fasern enthält. Sein Ursprung liegt in der Brücke. Er teilt sich in drei Hauptäste auf:

  1. Nervus ophthalmicus (V1): Versorgt die Augenhöhle, die Haut der Stirn und die Schleimhaut der Nasenscheidewand.
  2. Nervus maxillaris (V2): Versorgt den Oberkiefer, die Oberlippe, die Zähne des Oberkiefers und Teile der Nasenschleimhaut.
  3. Nervus mandibularis (V3): Versorgt die Kaumuskulatur, das Trommelfell, die Haut des äußeren Gehörgangs, die vorderen zwei Drittel der Zunge, die Unterlippe und die Zähne des Unterkiefers.

Nervus facialis (VII. Hirnnerv)

Der Nervus facialis ist ebenfalls ein gemischter Nerv, der in der Brücke entspringt. Er enthält verschiedene Arten von Nervenfasern:

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  1. Motorische Fasern: Innervieren die mimische Muskulatur des Gesichts.
  2. Sensorische Fasern: Übertragen Geschmacksempfindungen von den vorderen zwei Dritteln der Zunge.
  3. Parasympathische Fasern: Steuern die Tränen- und Speichelsekretion.

Nach dem Austritt aus dem Hirnstamm verläuft der Nervus facialis durch einen knöchernen Kanal im Schläfenbein (Canalis facialis).

Funktionelle Unterschiede

Der Nervus trigeminus und der Nervus facialis unterscheiden sich erheblich in ihren Funktionen, obwohl beide im Gesichtsbereich aktiv sind.

Nervus trigeminus

Der Nervus trigeminus ist primär für die sensible Innervation des Gesichts verantwortlich. Er übermittelt sensorische Informationen wie Berührung, Schmerz und Temperatur von der Gesichtshaut, den Schleimhäuten von Mund und Nase sowie den Zähnen an das Gehirn. Zudem steuert er die Kaumuskulatur und ist somit für das Kauen unerlässlich. Ein wichtiger Reflex, der vom Nervus trigeminus vermittelt wird, ist der Kornealreflex, bei dem die Berührung der Hornhaut zum Lidschluss führt.

Nervus facialis

Der Nervus facialis ist hauptsächlich für die motorische Innervation der mimischen Muskulatur zuständig. Er ermöglicht somit das Ausführen von Gesichtsausdrücken wie Lächeln, Stirnrunzeln oder das Schließen der Augen. Darüber hinaus ist er für die Geschmackswahrnehmung im vorderen Zungenbereich und die Steuerung der Tränen- und Speichelsekretion verantwortlich.

Klinische Syndrome und Erkrankungen

Trigeminusneuralgie (TGN)

Die Trigeminusneuralgie ist ein Schmerzsyndrom, das durch blitzartige, einschießende Schmerzen im Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus gekennzeichnet ist. Die Schmerzen werden oft als brennend, stechend oder elektrisierend beschrieben und können durch leichte Berührungen, Kauen, Sprechen oder Zähneputzen ausgelöst werden.

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Klassische Trigeminusneuralgie

Die klassische Trigeminusneuralgie wird meist durch eine vaskuläre Kompression des Nervus trigeminus an der Nervenaustrittszone (REZ) am Hirnstamm verursacht. Häufig ist die Arteria cerebelli superior (ACS) beteiligt, die den Nerv komprimiert und zu einer Reizung führt. Die Symptome treten meist nach dem 50. Lebensjahr auf.

Symptomatische Trigeminusneuralgie

Die symptomatische Trigeminusneuralgie wird durch Raumforderungen (z. B. Tumore) oder Entmarkungskrankheiten (z. B. Multiple Sklerose) ausgelöst. Läsionen im Hirnstamm können die Hirnnervenkerne reizen oder eine direkte Nervenverlagerung verursachen.

Diagnose

Die Diagnose der Trigeminusneuralgie basiert auf den typischen Symptomen. Eine Magnetresonanztomographie (MRT) mit Kontrastmittel ist notwendig, um eine symptomatische TGN auszuschließen.

Therapie

Die Therapie der Trigeminusneuralgie umfasst medikamentöse und operative Verfahren.

  • Medikamentöse Therapie: Mittel der Wahl sind Natriumkanalblocker wie Carbamazepin oder Oxcarbazepin, die die Erregungsleitung der Nervenfasern reduzieren.
  • Operative Therapie: Bei Versagen der medikamentösen Therapie oder bei starken Nebenwirkungen kommen operative Verfahren in Betracht.
    • Mikrovaskuläre Dekompression (MVD): Hierbei wird der neurovaskuläre Konflikt mikrochirurgisch behoben, indem das komprimierende Gefäß vom Nerven abgelöst und durch ein Teflon-Stückchen abgepolstert wird.
    • Perkutane Verfahren: Thermokoagulation, Glyzerinrhizolyse oder Ballonkompression des Ganglion Gasseri. Diese Verfahren werden eingesetzt, wenn kein neurovaskulärer Konflikt vorliegt oder die MVD nicht möglich ist.
    • Radiochirurgische Behandlung: Hierbei wird der Nervus trigeminus gezielt bestrahlt, um die Schmerzweiterleitung zu reduzieren.

Fazialisparese

Die Fazialisparese ist eine Lähmung des Nervus facialis, die zu einer Schwäche oder vollständigen Lähmung der Gesichtsmuskulatur führt.

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Periphere Fazialisparese

Bei der peripheren Fazialisparese ist der Nervus facialis selbst geschädigt, beispielsweise durch eine Entzündung, ein Trauma oder einen Tumor. Die Lähmung betrifft alle Muskeln der betroffenen Gesichtshälfte, was zu einem herabhängenden Mundwinkel, einem unvollständigen Lidschluss und einer verstrichenen Stirnfalte führt. Zudem können Störungen der Tränen- und Speichelsekretion sowie der Geschmacksempfindung auftreten.

Zentrale Fazialisparese

Die zentrale Fazialisparese wird durch eine Schädigung im Gehirn verursacht, genauer gesagt in einem Bereich der Großhirnrinde, der für die Erregungen im Gesichtsbereich zuständig ist. Im Gegensatz zur peripheren Fazialisparese ist bei der zentralen Form meist nur die untere Gesichtshälfte betroffen, während die Stirnmuskulatur weitgehend verschont bleibt.

Ursachen

Die Ursachen für eine Fazialisparese sind vielfältig:

  • Idiopathische Fazialisparese (Bell-Parese): Hierbei handelt es sich um die häufigste Form, bei der keine eindeutige Ursache gefunden wird. Vermutet werden virale Infektionen oder eine Entzündung des Nervs im knöchernen Kanal.
  • Infektionen: Herpes zoster oticus (Ramsay-Hunt-Syndrom), Borreliose oder Mittelohrentzündungen können den Nervus facialis schädigen.
  • Trauma: Verletzungen des Schädels oder des Gesichts können den Nerv verletzen.
  • Tumore: Akustikusneurinome oder andere Tumore im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels können den Nerv komprimieren.

Diagnose

Die Diagnose der Fazialisparese basiert auf der klinischen Untersuchung. Elektrophysiologische Untersuchungen (z. B. Elektroneurographie, Elektromyographie) können helfen, die Lokalisation und den Schweregrad der Schädigung zu bestimmen. Eine Bildgebung (MRT) ist erforderlich, um andere Ursachen wie Tumore auszuschließen.

Therapie

Die Therapie der Fazialisparese richtet sich nach der Ursache.

  • Idiopathische Fazialisparese: Kortikosteroide (z. B. Prednisolon) werden eingesetzt, um die Entzündung des Nervs zu reduzieren. Zusätzlich kann eine antivirale Therapie (z. B. Aciclovir) erwogen werden. Physiotherapie ist wichtig, um die Gesichtsmuskulatur zu stärken und Synkinesien (Mitbewegungen) zu vermeiden.
  • Infektiöse Ursachen: Die Behandlung der Grunderkrankung (z. B. Antibiotika bei Borreliose, Virostatika bei Herpes zoster) steht im Vordergrund.
  • Traumatische Ursachen: Je nach Schweregrad der Verletzung kann eine operative Nervenrekonstruktion erforderlich sein.
  • Tumorbedingte Ursachen: Die Behandlung des Tumors (z. B. Operation, Strahlentherapie) ist entscheidend.

In einigen Fällen kann eine operative Dekompression des Nervus facialis im knöchernen Kanal erforderlich sein, um den Druck auf den Nerv zu reduzieren. Bei persistierenden Lähmungen können plastisch-rekonstruktive Maßnahmen wie Muskeltransfers oder Nervenverlagerungen in Betracht gezogen werden, um die Gesichtsmimik wiederherzustellen.

Hemispasmus facialis

Der Hemispasmus facialis ist eine neurologische Erkrankung, die durch unwillkürliche, einseitige Zuckungen der Gesichtsmuskulatur gekennzeichnet ist. Die Zuckungen können von leichten Lidzuckungen bis hin zuGeneralisierten Spasmen der gesamten Gesichtshälfte reichen.

Ursachen

Die Ursache des Hemispasmus facialis ist meist eine Kompression des Nervus facialis durch ein Blutgefäß (meist die Arteria cerebelli inferior anterior, AICA) an der Nervenaustrittszone (REZ) am Hirnstamm. Diese Kompression führt zu einer Reizung und Übererregbarkeit des Nervs, was die unwillkürlichen Muskelkontraktionen auslöst.

Diagnose

Die Diagnose des Hemispasmus facialis basiert auf der klinischen Untersuchung. Elektrophysiologische Untersuchungen (z. B. Elektromyographie) können helfen, die Diagnose zu bestätigen und andere Ursachen auszuschließen. Eine MRT ist erforderlich, um die vaskuläre Kompression des Nervus facialis darzustellen.

Therapie

Die Therapie des Hemispasmus facialis umfasst symptomatische und kausaleBehandlungen.

  • Symptomatische Therapie: Botulinumtoxin-Injektionen in die betroffenen Muskeln können die Spasmen vorübergehend reduzieren. Die Wirkung hält etwa drei Monate an, danach muss die Injektion wiederholt werden.
  • Kausale Therapie: Die mikrovaskuläre Dekompression (MVD) ist die einzige kausale Therapie, die die Ursache des Hemispasmus facialis behebt. Dabei wird das komprimierende Gefäß vom Nervus facialis abgelöst und durch ein Teflon-Stückchen abgepolstert.

Andere Kompressionssyndrome

Neben der Trigeminusneuralgie und dem Hemispasmus facialis können auch andere Hirnnerven durch vaskuläre Kompression beeinträchtigt werden. Seltenere Kompressionssyndrome sind:

  • Glossopharyngeusneuralgie: Anfallsartige Schmerzen im Bereich des Zungengrundes und des Rachens, verursacht durch eine Kompression des Nervus glossopharyngeus (IX. Hirnnerv).
  • Vestibularisparoxysmie: Schwindelattacken, verursacht durch eine Kompression des Nervus vestibulocochlearis (VIII. Hirnnerv).
  • Nervus intermedius Neuralgie: Schmerzen im Bereich des Ohres, des Gesichts und der Zunge, verursacht durch eine Kompression des Nervus intermedius (einem Ast des Nervus facialis).

Die Diagnose und Therapie dieser Kompressionssyndrome ähneln denen der Trigeminusneuralgie und des Hemispasmus facialis.

Neurovaskuläre Kompressionssyndrome: Gemeinsame Pathophysiologie

Die neurovaskulären Kompressionssyndrome der Hirnnerven haben eine gemeinsame pathophysiologische Ursache: Im Bereich der Nervenaustritts-/Eintrittszone am Hirnstamm kommt es zu einem Kontakt zwischen dem Hirnnerven und einem arteriellen oder venösen Blutgefäß. An dieser "natürlichen Schwachstelle", an der zentrales Myelin in peripheres Myelin übergeht, ist der Nerv besonders anfällig für mechanische Irritationen, die dann die Symptomatik hervorrufen.

Diagnostische Verfahren

Bei Verdacht auf ein Nervenkompressionssyndrom sollte immer eine Bildgebung mit der Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden. Neben hochauflösenden 3D-T2-gewichteten Sequenzen sollte auch eine 3D-TOF-Angiografie durchgeführt werden, um sicher zwischen arterieller und venöser Kompression unterscheiden zu können. Außerdem dient die MRT auch dazu, andere Prozesse auszuschließen, die ursächlich für die Symptomatik sein könnten, wie zum Beispiel Tumore oder Aneurysmen.

Mikrovaskuläre Dekompression (MVD)

Die mikrovaskuläre Dekompression ist ein neurochirurgischer Eingriff, der zur Behandlung von Nervenkompressionssyndromen eingesetzt wird. Ziel der Operation ist es, den Kontakt zwischen dem Nerv und dem komprimierenden Gefäß zu beseitigen und so die Reizung des Nervs zu reduzieren.

Durchführung

Die MVD wird in der Regel unter Vollnarkose durchgeführt. Der Zugang zum Hirnstamm erfolgt über eine kleine Öffnung im Schädel (Kraniotomie) hinter dem Ohr. Unter dem Mikroskop wird der Nerv und das komprimierende Gefäß dargestellt. Das Gefäß wird vorsichtig vom Nerv abgelöst und ein kleines Stück Teflonwatte zwischen Nerv und Gefäß platziert, um einen erneuten Kontakt zu verhindern.

Neuromonitoring

Während der Operation wird ein kontinuierliches Neuromonitoring durchgeführt, um die Funktion der Hirnnerven zu überwachen und das Risiko von Komplikationen zu minimieren.

Endoskopische Unterstützung

In einigen Fällen kann die MVD endoskopisch-assistiert durchgeführt werden. Dabei wird ein Endoskop verwendet, um die Anatomie im Bereich des Hirnstamms besser darzustellen und die Dekompression des Nervs zu erleichtern.

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