Die Intermediusneuralgie ist eine seltene, aber äußerst schmerzhafte Erkrankung, die durch plötzliche, einseitige Schmerzen im Bereich des Ohrs, des äußeren Gehörgangs oder des Zungengrundes gekennzeichnet ist. Der Nervus intermedius, ein Teil des Gesichtsnervs (Nervus facialis), ist der betroffene Nerv. Er leitet Empfindungen aus dem Ohr und Signale für die Tränen- und Speichelbildung.
Symptome der Intermediusneuralgie
Typisch für die Intermediusneuralgie sind kurze, stechende oder brennende Schmerzattacken auf einer Seite des Kopfes. Diese Attacken dauern meist nur Sekunden bis wenige Minuten und können mehrmals täglich auftreten. Einige Betroffene beschreiben ein elektrisierendes Gefühl oder ein Brennen tief im Ohr. Manchmal strahlt der Schmerz bis in den Kiefer, die Schläfe oder den hinteren Zungenbereich aus.
Auslöser der Schmerzattacken
Die Schmerzattacken können durch harmlose Reize ausgelöst werden, etwa durch Berührung des äußeren Gehörgangs, Kauen, Sprechen, Schlucken oder kalte Luft. Manchmal kommt es auch ohne erkennbaren Grund zu Attacken.
Mögliche Ursachen der Intermediusneuralgie
In vielen Fällen liegt keine eindeutige Ursache vor. Bei einigen Betroffenen drückt jedoch ein Blutgefäß auf den Nerv und reizt ihn dauerhaft. In anderen Fällen ist der Nerv durch Entzündungen, Herpes zoster (Gürtelrose am Ohr, auch Ramsay-Hunt-Syndrom genannt), Tumoren oder eine Erkrankung wie Multiple Sklerose geschädigt. Selten kann sich der Kopfschmerz auch ohne offensichtliche Ursache oder als Komplikation eines Herpes zoster entwickeln beziehungsweise (sehr selten) einer Multiplen Sklerose oder eines Tumors.
Neurovaskuläre Kompressionssyndrome können ebenfalls eine Rolle spielen. Hierbei kommt es im Bereich der Nervenaustritts-/Eintrittszone am Hirnstamm zu einem Kontakt zwischen dem Hirnnerven und einem arteriellen oder, seltener, einem venösen Blutgefäß. An dieser Stelle, an der zentrales Myelin in peripheres Myelin übergeht, ist der Nerv besonders anfällig für mechanische Irritationen, die dann die Symptomatik hervorrufen.
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Diagnose der Intermediusneuralgie
Die Diagnose wird in erster Linie anhand der typischen Beschwerden und der genauen Schilderung der Schmerzattacken gestellt. Eine gründliche Untersuchung des Ohres und der Nervenfunktionen ist wichtig. Um andere Ursachen auszuschließen, wird in der Regel eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns und der Schädelbasis bei Erstmanifestation durchgeführt. Dabei können Gefäßkompressionen, Entzündungen oder Tumoren erkannt werden.
Es ist wichtig, andere Krankheiten auszuschließen, da die Schmerzen auch bei anderen Erkrankungen vorkommen können. Dazu gehören die Trigeminusneuralgie (Schmerzen im Gesicht), die Glossopharyngeusneuralgie (Schmerzen im Rachen und Ohr), das Ramsay-Hunt-Syndrom (Gürtelrose im Ohrbereich) oder andere Kopfschmerzformen wie der Clusterkopfschmerz. Auch die Sluder-Neuralgie (Neuralgie des Ganglion pterygopalatinum) mit Schmerzen in Gaumen, Oberkiefer, Tonsille, Auge, Ohr und Felsenbein, die Neuralgie des N. glossopharyngeus mit Schmerzen in Rachen, Ohr und Nacken, die Neuralgie des Ganglion ciliare (Charlin-Neuralgie) mit Schmerzen im inneren Augenwinkel, Nasenrücken und Lidern, die Neuralgie der sensiblen Fasern des N. facialis in der Ohrgegend und das Costen-Syndrom bei Kiefergelenkerkrankungen müssen differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden.
Behandlung der Intermediusneuralgie
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. In den meisten Fällen wird zunächst eine medikamentöse Therapie versucht. Antiepileptische Medikamente wie Carbamazepin oder Oxcarbazepin helfen, die überaktive Reizweiterleitung im Nerv zu dämpfen. Auch Gabapentin oder Pregabalin können wirksam sein. Wenn diese Mittel nicht ausreichend helfen, können ergänzend Antidepressiva wie Amitriptylin eingesetzt werden, die ebenfalls auf Nerven wirken.
In hartnäckigen Fällen kann eine gezielte Nervenblockade mit einem örtlichen Betäubungsmittel oder einem entzündungshemmenden Medikament erfolgen. Wenn im MRT eine Gefäßschlinge erkannt wird, kann eine mikrochirurgische Operation (mikrovaskuläre Dekompression) helfen, den Druck auf den Nerv zu beseitigen. Alternativ stehen moderne Verfahren wie die Gamma-Knife-Radiochirurgie zur Verfügung, die den Nerv ohne Schnitt präzise bestrahlt.
Medikamentöse Behandlung
Carbamazepin (Tegretal) in einer Dosierung von 3 x täglich 200 - 400 mg kann versucht werden. Nach 3 bis 4 Wochen kann eine langsame Reduktion auf 2 x (oder 1 x) 200 mg täglich erfolgen. Nach einigen Monaten kann versuchsweise abgesetzt werden, da eine Remission möglich ist. Bleibt der Erfolg nach der Medikation von Carbamazepin aus, so sollte auf Diphenylhydantoin (Epanutin, Phenhydan, Zentropil) 2 - 6 x täglich 100 mg ausgewichen werden, gegebenenfalls in Kombination mit Carbamazepin oder mit einem Phenothiazin-Präparat.
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Invasive Verfahren
Führt die konservative Therapie nicht zum Erfolg, so kommt eine Leitungsunterbrechung in Frage, die allerdings eine Anästhesie in dem Ausbreitungsgebiet des betroffenen Nervs zur Folge hat. Voraussetzung für eine erfolgreiche Leitungsunterbrechung ist, dass eine Leitungsanästhesie an dem betroffenen peripheren Nervenast (N. mandibularis, N. lingualis, N infraorbitalis oder N. supraorbitalis) während eines Schmerzanfalls zu einer Schmerzfreiheit geführt hat. Für die Dauer der Lokalanästhesie dürfen auch keine Schmerzanfälle auslösbar sein.
Früher wurde 80%iger Alkohol in den Nerv injiziert. Heute verwendet man auf 40° erwärmtes Glycerin. Folgende Injektionen können vorgenommen werden: Foramen infraorbitale, Foramina supraorbitalia, Foramen rotundum, Foramen ovale.
Die Neurexhairese kann am Foramen mandibulare, im dorsalen Anteil des Mundbodens (N. lingualis) sowie am Foramen infraorbitale und am oberen Orbitarand (N. supraorbitalis) vorgenommen werden. Der Nerv wird mit einer Klemme gefasst und durch Drehbewegung aufgewickelt, bis er zentral und peripher abreißt. An der Abrissstelle bildet sich ein Amputationsneurom. Bei der Neurexhairese am Foramen mandibulare soll der Nerv zentral scharf durchtrennt werden, damit das Ganglion Gasseri nicht irritiert wird.
Rezidive können sowohl nach Glycerin-Blockade durch Regeneration des Nervs als auch nach Neurexhairese durch das Amputationsneurom oder durch Erkrankung des Nervs zentral von der Unterbrechungsstelle auftreten.
Zentrale neurochirurgische Eingriffe
Eine Weiterentwicklung der neurochirurgischen Operationsverfahren hat in den vergangenen Jahren mit Erfolgsquoten von 60 bis 80 % und einer Vermeidung des postoperativen Sensibilitätsausfalls zu einer deutlichen Verbesserung der Ergebnisse und damit zu einer Einschränkung der Indikation für die peripheren Leitungsunterbrechungen geführt:
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Die Glycerin-Blockade kann auch durch Injektion in die Zisterne des Ganglion Gasseri vorgenommen werden (Hakanson). Die Erfolgsquote wird mit 60 bis 70 % angegeben. Das Verfahren ist bei einem Rezidiv wiederholbar.
Bei der Thermokoagulation (Sweet) wird mit einer Thermosonde in das Ganglion Gasseri eingegangen und drei Minuten lang eine Temperatur von 75° erzeugt, wodurch eine Schmerzfreiheit bei erhaltener Sensibilität erzeugt werden kann. Die Erfolgsquote beträgt 70 bis 80 %.
Mikrovaskuläre Dekompression (MVD)
Die mikrovaskuläre Dekompression wird als endoskopisch-assistierte mikrochirurgische Operation durchgeführt. Ziel der Operation ist die Beseitigung des Gefäß-Nerven-Kontaktes durch Trennung der Strukturen voneinander und das langfristige Verhindern der Neuentstehung einer neurovaskulären Kompression.
Der Eingriff erfolgt unter Allgemeinanästhesie über eine retrosigmoidale Kraniotomie. Obligat ist ein kontinuierliches Neuromonitoring mit Facialis-EMG und akustisch-evozierten Potenzialen. Unter mikroskopischer Sicht wird der Kleinhirnbrückenwinkel freigelegt und der entsprechende Hirnnerv dargestellt. Nach Mobilisation des Gefäßes vom betroffenen Nerven wird, um die Distanz zwischen dem komprimierenden Gefäß und Nerven aufrecht zu erhalten, Teflonwatte zwischen diesen Strukturen platziert. Manchmal wird das komprimierende Gefäß auch mit einer Teflonschlinge an die harte Hirnhaut genäht.
Was kann ich selbst tun?
Es kann helfen, bekannte Auslöser zu vermeiden - etwa kalte Luft oder Berührung im Bereich des äußeren Gehörgangs. Wärme kann bei manchen Betroffenen lindernd wirken, bei anderen verschlechtert sie die Beschwerden. Ein Schmerztagebuch hilft, den Verlauf zu beobachten und die Wirkung der Medikamente einzuschätzen. Entspannungsverfahren wie progressive Muskelentspannung oder Atemtechniken können zusätzlich helfen, den Körper zu beruhigen und die Schmerzschwelle zu erhöhen.
Heilungschancen und Prognose
Die Prognose ist meist gut, wenn die richtige Behandlung gefunden wird. Viele Patienten sprechen gut auf Medikamente an. Wenn eine Operation notwendig ist, sind die Erfolgsaussichten hoch - oft bessern sich die Schmerzen dauerhaft. Rückfälle können aber vorkommen, besonders wenn eine zugrunde liegende Erkrankung wie eine Virusinfektion oder Gefäßveränderung fortbesteht. Geduld und regelmäßige Kontrolle sind entscheidend.
Differentialdiagnosen
Es ist wichtig, die Intermediusneuralgie von anderen Erkrankungen abzugrenzen, die ähnliche Symptome verursachen können. Dazu gehören:
- Trigeminusneuralgie: Schmerzen im Gesichtsbereich, die durch Reizung des Trigeminusnervs verursacht werden.
- (Vagus-)Glossopharyngeusneuralgie: Plötzlich auftretende, lanzinierende Schmerzen im Bereich der von den auriculären beziehungsweise pharyngealen Ästen des IX. (Glossoparyngeus) und X. (Vagus) Hirnnerven sensibel versorgten Areale. Der Schmerz ist typischerweise im hinteren Bereich der Zunge, den Tonsillen, dem Pharynx, Larynx sowie dem Mittelohr und dem Kieferwinkel lokalisiert.
- Ramsay-Hunt-Syndrom: Gürtelrose im Ohrbereich, die mit starken Schmerzen und manchmal auch mit einer Gesichtslähmung einhergeht.
- Clusterkopfschmerz: Eine seltene, aber sehr schmerzhafte Kopfschmerzform, die in Attacken auftritt und oft von Begleiterscheinungen wieAugentränen und einer verstopften Nase begleitet wird.
- Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz: Anhaltender Gesichtsschmerz ohne erkennbare Ursache.
- Sluder-Neuralgie: Neuralgie des Ganglion pterygopalatinum mit Schmerzen in Gaumen, Oberkiefer, Tonsille, Auge, Ohr und Felsenbein.
- Neuralgie des Ganglion ciliare (Charlin-Neuralgie): Schmerzen im inneren Augenwinkel, Nasenrücken und Lidern.
- Costen-Syndrom: Kiefergelenkschmerzen.
Klassifikation von Kopf- und Gesichtsschmerzen
Die International Headache Society (IHS) hat eine Klassifikation von Kopfschmerzen, kranialen Neuralgien und Gesichtsschmerzen entwickelt, die in drei Teile gegliedert ist:
- Teil I: Primäre Kopfschmerzen (z.B. Migräne,Spannungskopfschmerz, Trigemino-autonome Kopfschmerzerkrankungen)
- Teil II: Sekundäre Kopfschmerzen (Kopfschmerz zurückzuführen auf eine Verletzung oder ein Trauma des Kopfes und/oder der HWS, Gefäßstörungen, nichtvaskuläre intrakranielle Störungen, eine Substanz oder deren Entzug, eine Infektion, eine Störung der Homöostase, Erkrankungen des Schädels sowie von Hals, Augen, Ohren, Nase, Nebenhöhlen, Zähnen, Mund und anderen Gesichts- oder Schädelstrukturen, psychiatrische Störungen)
- Teil III: Neuropathien und Gesichtsschmerzen (Schmerzhafte Läsionen der Hirnnerven und andere Gesichtsschmerzen)
Die Intermediusneuralgie fällt unter Teil III, genauer gesagt unter die Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Erkrankung des N. intermedius.
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