Das Gehirn, ein komplexes Organ, besteht aus Milliarden von spezialisierten Zellen, den Nervenzellen oder Neuronen. Diese Zellen sind für die Verarbeitung und Weitergabe von Informationen verantwortlich und ermöglichen uns so das Denken, Handeln und Fühlen. Eine typische Nervenzelle besteht aus Dendriten, dem Zellkörper (Soma) und einem Axon, dem faserartigen Fortsatz einer Nervenzelle.
Die Neuronendoktrin: Bausteine des Gehirns
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Struktur des Gehirns unklar. War es ein zusammenhängendes Netz oder bestand es aus einzelnen Zellen? Erst Camillo Golgis Entdeckung der Silbernitratfärbung ermöglichte die Visualisierung einzelner Neurone. Santiago Ramón y Cajal nutzte diese Technik, um die Neuronendoktrin zu formulieren: Diskrete Nervenzellen sind die grundlegenden Bausteine des Gehirns.
Aufbau einer Nervenzelle
Eine Nervenzelle besteht typischerweise aus drei Hauptteilen:
- Dendriten: Fein verästelte Nervenzellfortsätze, die vom Soma auswachsen und Kontaktstellen für andere Zellen bilden. Sie empfangen Signale von anderen Nervenzellen oder Sinnesrezeptoren. Der Dendritenbaum einer einzigen Nervenzelle kann mehrere Tausend synaptische Kontakte aufweisen. Die auf Dendritenfortsätze übertragenen Erregungen breiten sich als elektrische Spannungsänderungen aus und laufen im Bereich des Perikaryons zusammen, wo sie gesammelt und weiter verarbeitet werden.
- Zellkörper (Soma oder Perikaryon): Das Stoffwechselzentrum der Zelle, das den Zellkern und andere Zellorganellen enthält. Hier werden Proteine und andere wichtige Substanzen gebildet, die für die Funktion der Nervenzelle notwendig sind. Im Soma werden die Erregungen, die von den Dendriten empfangen wurden, gesammelt und weiterverarbeitet.
- Axon: Ein langer, faserartiger Fortsatz, der am Axonhügel entspringt. Das Axon ist für die Weiterleitung von Nervenimpulsen (Aktionspotentialen) zu anderen Nervenzellen oder Zielzellen zuständig.
Das Axon: Der Informationsüberträger
Das Axon ist ein zentraler Bestandteil der Nervenzelle und spielt eine entscheidende Rolle bei der Erregungsleitung über weite Strecken.
Struktur und Funktion des Axons
Das Axon ist ein langer, faserartiger Fortsatz, der vom Zellkörper einer Nervenzelle ausgeht. Es kann je nach Typ der Nervenzelle zwischen 1 µm und 1 m lang sein. Das Axon ist in der Regel mehr oder weniger stark verzweigt (Axonkollaterale) und mündet in präsynaptischen Endigungen.
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Die Hauptfunktion des Axons ist die Übertragung von Aktionspotentialen, also elektrischen Impulsen, von einer Nervenzelle zu anderen Nervenzellen oder zu Zielzellen wie Muskelzellen oder Drüsenzellen. Des Weiteren wandern Stoffe, die im Soma gebildet werden (Neurotransmitter, Enzyme), durch das Axon zur Synapse, wo sie ihre Aufgaben erfüllen.
Myelinscheide und Ranviersche Schnürringe
Die Axone der Nervenzellen von Säugetieren weisen etwa eine Dicke von 0,5 bis 10 μm auf. Das Axon ist von mehreren aufeinander folgenden Myelinscheiden umhüllt (im ZNS werden diese von Oligodendrozyten, im PNS von Schwannschen Zellen gebildet). Zwischen diesen Myelinscheiden sind jeweils kleine Lücken (Ranvierscher Schnürring). Axon und Hülle zusammen bilden die Nervenfaser.
Die Myelinscheide dient als Isolationsschicht und ermöglicht eine schnelle und effiziente Erregungsleitung. An myelinisierten Axonen springen die Nervenimpulse von Schnürring zu Schnürring (saltatorische Erregungsleitung), während die Erregung bei nicht myelinisierten Nervenfasern die Axonmembran auf ihrer ganzen Länge depolarisieren muss, was sehr viel langsamer ist.
Endknöpfchen und Synapsen
Ein Axon und jede seiner Aufzweigungen zu Kollateralen endet mit einem sogenannten Endknöpfchen (auch als Endkölbchen beziehungsweise Endplatte bezeichnet), dem präsynaptischen Teil einer Synapse. Synapsen verknüpfen Nervenzellen untereinander oder mit anderen Zellen so, dass eine Erregung auf einzelne nachgeschaltete Zellen übertragen werden kann.
Das Endknöpfchen am terminalen Axon bildet hierbei den präsynaptischen Membranbereich der „Senderzelle“ und enthält in umhüllten Bläschen (Vesikel) abgepackt einen Neurotransmitter, der bei Erregung in den synaptischen Spalt abgegeben wird. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich der postsynaptische Membranbereich der „Empfängerzelle“, die hier mit Rezeptoren bestückt ist, an welche die Transmittermoleküle binden. Daraufhin werden Ionenkanäle geöffnet, was an der postsynaptischen Membran zu einer Änderung der elektrischen Spannung führt, die sich auf benachbarte Regionen ausbreitet.
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Die Synapse ist die Stelle, an der Erregung von einer Zelle auf eine andere übertragen werden kann. Dabei wird zumeist ein Neurotransmitter benutzt, um die schmale Lücke zwischen den Zellen, synaptischer Spalt genannt, zu überbrücken.
Axonaler Transport
Das Axon ist nicht nur für die Weiterleitung von elektrischen Signalen zuständig, sondern auch für den Transport von Stoffen, die im Zellkörper produziert werden und für die Funktion der Synapsen benötigt werden. Dieser axonale Transport erfolgt in zwei Richtungen:
- Anterograder Transport: Transport vom Zellkörper zu den Synapsen.
- Retrograder Transport: Transport von den Synapsen zum Zellkörper.
Für den axonalen Transport sind spezielle Transportproteine und das Zytoskelett des Axons (Mikrotubuli) verantwortlich.
Axone und Gliazellen
Axone sind eng mit Gliazellen verbunden, insbesondere mit Oligodendrozyten (im ZNS) und Schwannschen Zellen (im PNS). Diese Gliazellen bilden die Myelinscheide um die Axone und unterstützen die Funktion der Nervenzellen auf verschiedene Weise.
Oligodendrozyten und Schwannsche Zellen isolieren die Axone elektrisch und ermöglichen eine schnelle Erregungsleitung. Außerdem versorgen sie die Axone mit Energie und Nährstoffen. Neuere Forschung zeigt, dass Oligodendrozyten die Nervenzellfortsätze, die so genannten Axone, gezielt mit Energie versorgen. Sie nehmen aus den Blutgefäßen energiereiche Stoffe, vor allem Glucose, auf. Diese verarbeiten sie in die leichter verdauliche Milchsäure und geben diese wiederum über die Myelinscheiden direkt an die Axone ab.
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Axone in Forschung und Medizin
Die Erforschung der Axone ist von großer Bedeutung für das Verständnis der Funktion des Nervensystems und für die Entwicklung von Therapien für neurologische Erkrankungen.
- Neurodegenerative Erkrankungen: Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson kommt es häufig zu Schädigungen der Axone, was zu Funktionsstörungen des Nervensystems führt.
- Multiple Sklerose: Bei der Multiplen Sklerose werden die Myelinscheiden der Axone zerstört, was zu einer Verlangsamung der Erregungsleitung und zu neurologischen Ausfällen führt.
- Axonale Regeneration: Die Fähigkeit der Axone zur Regeneration nach Verletzungen ist begrenzt. Die Forschung konzentriert sich darauf, Mechanismen zu finden, die die axonale Regeneration fördern können.
Synapsen: Die Schaltstellen des Gehirns
Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen und ermöglichen die Kommunikation zwischen den Neuronen.
Aufbau und Funktion der Synapsen
Eine Synapse besteht aus einem präsynaptischen Bereich (dem Endknöpfchen des Senderneurons) und einem postsynaptischen Bereich (dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren). Zwischen den beiden Bereichen befindet sich der synaptische Spalt, ein schmaler Raum, der die Zellen voneinander trennt.
Die Erregungsübertragung an der Synapse erfolgt in der Regel chemisch über Neurotransmitter. Wenn ein Aktionspotential das Endknöpfchen erreicht, werden Neurotransmitter in den synaptischen Spalt freigesetzt. Die Neurotransmitter diffundieren durch den Spalt und binden an Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran. Die Bindung der Neurotransmitter an die Rezeptoren löst eine Veränderung des Membranpotentials in der postsynaptischen Zelle aus, die entweder erregend (depolarisierend) oder hemmend (hyperpolarisierend) sein kann.
Synaptische Plastizität
Synapsen sind keine starren Strukturen, sondern können sich in ihrer Stärke und Effizienz verändern. Diese synaptische Plastizität ist die Grundlage für Lernen und Gedächtnis.
Es gibt verschiedene Mechanismen der synaptischen Plastizität, wie z.B. die Langzeitpotenzierung (LTP) und die Langzeitdepression (LTD). Bei der LTP wird die synaptische Übertragung verstärkt, während sie bei der LTD geschwächt wird.
Die Rolle der Gliazellen
Gliazellen sind die Helferzellen im Gehirn und spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Nervenzellen. Sie übernehmen verschiedene Aufgaben, wie z.B.:
- Isolierung der Axone (Myelinisierung): Oligodendrozyten (im ZNS) und Schwannsche Zellen (im PNS) bilden die Myelinscheide um die Axone und ermöglichen eine schnelle Erregungsleitung.
- Versorgung der Nervenzellen mit Nährstoffen: Gliazellen transportieren Nährstoffe zu den Nervenzellen und entsorgen Abfallprodukte.
- Regulation der synaptischen Übertragung: Gliazellen können die Konzentration von Neurotransmittern im synaptischen Spalt beeinflussen und so die synaptische Übertragung modulieren.
- Immunabwehr im Gehirn: Mikroglia, eine spezielle Art von Gliazellen, sind für die Immunabwehr im Gehirn zuständig.
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