Ein Schlaganfall kann das Leben eines Betroffenen und seiner Familie abrupt verändern. In Deutschland erleiden jährlich etwa 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Neben Sprachstörungen sind vor allem halbseitige Lähmungen an Gesicht und Körper häufige Folgen, die den Alltag erheblich einschränken können. Die Rehabilitation spielt eine entscheidende Rolle bei der Erholung nach einem Schlaganfall. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene Therapieansätze, Erfahrungen von Betroffenen und Unterstützungsangebote.
Die Bedeutung der Rehabilitation nach einem Schlaganfall
Nach einem Schlaganfall können gespeicherte Informationen und selbst einfachste Bewegungsabläufe durch die Verletzung der entsprechenden Gehirnareale verloren gehen. Rehabilitative Maßnahmen sind für eine erfolgreiche Erholung entscheidend, da das Gehirn in den ersten Stunden und Tagen nach dem Schlaganfall am besten in der Lage ist, die Funktionen des betroffenen Gewebes wiederzuerlangen. Eine schnelle Behandlung und der frühzeitige Beginn der Rehabilitation erhöhen die Chancen auf eine deutliche Verbesserung der Symptome.
Therapieansätze in der Armrehabilitation
Armlähmungen gehören zu den häufigsten Folgen einer Hirnschädigung, wie sie beispielsweise nach einem Schlaganfall auftritt. Die Ausprägung der Armlähmung kann dabei sehr unterschiedlich sein. Einige Patienten leiden unter leichten Lähmungen, während andere ihren Arm im Alltag kaum oder gar nicht einsetzen können.
Untersuchung und Beurteilung der Armfunktion
Ob eine Armlähmung nach einem Schlaganfall vorliegt, wird vom behandelnden Arzt in einer klinisch-neurologischen Untersuchung festgestellt. Liegt eine Lähmung vor, wird geprüft, wie stark diese ausgeprägt ist. Anschließend werden gemeinsam Therapieziele festgelegt, geeignete therapeutische Vorgehensweisen ausgewählt und im Verlauf die Therapieerfolge dokumentiert. Dabei können standardisierte klinische Beurteilungsmethoden, sogenannte "Beurteilungsskalen" oder "Assessment"-Verfahren, nützlich sein.
Therapieformen ohne technische Geräte
In der Armrehabilitation gibt es verschiedene Therapieformen ohne technische Geräte, um in der Ergo- oder Physiotherapie den betroffenen Arm aktiv zu trainieren. Es wird empfohlen, dass die Rehabilitation der Armmotorik früh nach einem Schlaganfall beginnt. Insbesondere in der frühen Phase wird eine zusätzliche spezifische Armrehabilitation von mindestens 30 Minuten täglich empfohlen. In der späten Krankheitsphase können spezifische Maßnahmen der Armrehabilitation empfehlenswert sein, wie zum Beispiel 90-270 Minuten pro Woche ein strukturiertes, sich wiederholendes Training. Die verschiedenen klassischen Physiotherapie Schulen werden nicht ausdrücklich empfohlen.
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Zirkeltraining und virtuelle Realität
Insbesondere bei leichten bis mittelschweren Lähmungen ist für die Behandlung geeigneter Patienten ein "Zirkeltraining" denkbar. Dabei können auch passive mechanische Trainingsgeräte und virtuelle Realitäts-Anwendungen zum Einsatz kommen. Um die Arm-Handaktivitäten zu verbessern, lassen sich tägliches Eigentraining und Training mit Therapeuten kombinieren (Eigentraining mit regelmäßiger therapeutischer Begleitung, 90 Minuten pro Woche).
Geräteunterstützte Therapien
Zusätzlich gibt es geräteunterstützte Therapien wie die neuromuskuläre Elektrostimulation und die Robot-Therapie, aber auch die Therapie mit virtuellen Realitätsanwendungen sowie die sensible Stimulation und Akupunktur.
Arm-Basis- und Arm-Fähigkeits-Training
Mit dem Arm-Basis-Training übt man jeden Tag die Bewegungsfähigkeit wiederholt und einzeln in den verschiedenen Abschnitten von Arm, Hand und Fingern. Sie sollte bei Patienten früh nach dem Schlaganfall durchgeführt werden. Das Arm-Fähigkeits-Training trainiert täglich Präzision und Geschwindigkeit bei verschiedenen Armfunktions-Anforderungen an der individuellen Leistungsgrenze.
Bewegungsinduktionstherapie (CIMT)
Die sogenannte Bewegungsinduktionstherapie ist eine spezielle Therapie für Schlaganfall-Betroffene mit einem "erlernten Nicht-Gebrauch". Diese Personen haben früh nach einem Schlaganfall realisiert, dass ihr gelähmter Arm im Alltag nicht oder kaum eingesetzt werden kann. Sie haben dann gelernt, alles mit der nicht betroffenen Hand zu machen. Später hat sich der gelähmte Arm eventuell schon erholt. CIMT umfasst üblicherweise sechs Stunden Therapie pro Tag. Ergänzend stellt man über zwei Wochen die weniger betroffene Hand für die größte Zeit des Tages ruhig (90 Prozent der Wachstunden). Möglich ist auch eine abgeänderte, weniger intensive Form. Diese Behandlungsformen sind sehr zeitintensiv, sind aber wirksam, um einen erlernten "Nichtgebrauch" zu verändern und den tatsächlichen Einsatz des betroffenen Armes im Alltag zu fördern.
Spiegeltherapie und mentales Training
Bei der Spiegeltherapie betrachtet der Patient im Spiegel die Bewegung seiner nicht gelähmten Hand. Durch den Blick in den Spiegel sieht diese Bewegung so aus, als würde sich seine gelähmte Hand ganz normal bewegen. Eine Verbesserung der Armfunktion ist auch durch das mentale Training denkbar.
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Neuromuskuläre Elektrostimulation und Robotertherapie
Bei den verschiedenen Verfahren der neuromuskulären Elektrostimulation werden Nerven und Muskel am Arm elektrisch stimuliert. So erzeugt man technisch eine Bewegung, die eine betroffene Person mit schwerer Armlähmung nach Hirnschädigung noch nicht selbst ausführen könnte. Arm-Therapie-Roboter können je nach Bauart Schulter- und Ellenbogen-Bewegungen, Unterarm- und Handgelenksbewegungen oder Fingerbewegungen mechanisch unterstützen. Die Arm-Therapie-Roboter erkennen, welchen Anteil an Bewegungen der Betroffene schon selbst ausführen kann und ergänzen den Rest der Trainingsbewegungen. Mit ihnen können Betroffene mit sehr hohen Wiederholungsraten die gezielte Bewegungsfähigkeit in den einzelnen Armabschnitten trainieren und verbessern.
Sensible Stimulation
Als Zusatztherapie zur Behandlung von Armlähmungen können verschiedene Formen der sensiblen Stimulation erwogen werden.
Übungen zur Verbesserung der Feinmotorik
Es gibt verschiedene Übungen, die zur Verbesserung der Feinmotorik nach einem Schlaganfall eingesetzt werden können. Diese Übungen sollten regelmäßig durchgeführt werden, um die Neuroplastizität des Gehirns zu nutzen und die Repräsentation der geübten Funktion im Gehirn zu stärken.
Zielbewegungen
Bei dieser Übung werden mit einem Kugelschreiber vorgegebene Punkte unterschiedlicher Größe der Reihe nach von links nach rechts angetippt. Dabei werden nur die getroffenen Punkte gewertet. Wenn die Übung mühelos gelingt, kann eine schwierigere Variante durchgeführt werden.
Tippen
Nacheinander mit den Fingern auf den Tisch tippen, dabei mit dem Daumen beginnen. Jeder fehlerfreie Durchgang wird mit einem Punkt bewertet.
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Münzen umdrehen
Eine Münze zwischen Daumen und Fingern der betroffenen Hand halten und drehen. Wenn die Münze hinunterfällt, darf die andere Hand helfen, sie wieder in die betroffene Hand zu geben.
Labyrinth
Mit einem Kugelschreiber zügig ein vorgedrucktes Labyrinth nachzeichnen, ohne dabei die Labyrinthlinie zu überqueren. Bei jedem Fehler wird zur erforderlichen Zeit eine Strafsekunde addiert. Wenn die Übung mühelos gelingt, kann eine schwierigere Variante durchgeführt werden.
Schrauben
Bei dieser Übung sollen Muttern auf Schrauben gedreht und wieder abgedreht werden, wobei nur mit der betroffenen Hand gedreht werden darf. Die weniger betroffene Hand hält dabei die Schraube.
Erfahrungen von Betroffenen und Experten
Oliver Schmittke erholte sich rasch von seinem Schlaganfall und profitierte von der Teilnahme an einer Reha. Obwohl es einige Kritikpunkte gab, empfand er die Reha als Erfolg. Besonders wertvoll waren für ihn die Gruppen- und Einzeltherapie sowie das Sportprogramm. Er erkannte, dass chronischer Stress durch seine Arbeit sein Kernproblem darstellte und begann eine ambulante Psychotherapie, um die in der Reha begonnene Veränderung weiterzuführen.
Cornelia Cox, Physiotherapeutin mit einem M.Sc. in Neurorehabilitation, verfügt über langjährige praktische Erfahrung in der Physiotherapie und speziell der Rehabilitation von neurologischen Störungen. Sie kombiniert ihr Fachwissen mit den neuesten Forschungsstandards.
Herausforderungen und Unterstützung nach der Reha
Nach der Reha stehen Betroffene vor der Herausforderung, ihr Leben neu zu organisieren. Es ist wichtig, zeitnah einen Termin beim Hausarzt zu vereinbaren und gegebenenfalls Fachärzte hinzuzuziehen. Auch die Organisation von Therapien und Hilfsmitteln sollte frühzeitig angegangen werden.
Fragen und Antworten zur Nachsorge
- Wer übernimmt die Nachsorge nach einem Schlaganfall? In der Regel sollte die Hausarztpraxis die weitere Versorgung übernehmen. Bei unklarer Schlaganfall-Ursache oder weiterhin bestehenden neurologischen Defiziten sollten Kardiologen oder Neurologen hinzugezogen werden.
- Wie findet man die richtigen Therapeuten? Voraussetzung sollte sein, dass die Praxis Erfahrung in der Behandlung neurologischer Patienten hat. Für die Rehabilitation des Ganges sollte sie über ein Laufband verfügen. Gerätegestützte Therapie hilft auch in der Armrehabilitation. Und die Chemie sollte stimmen.
- Was ist von Intensivtherapien zu halten? Studien haben erwiesen, dass man durch eine hohe Therapiedichte auch längere Zeit nach dem Schlaganfall noch Fortschritte machen kann. Allerdings übernehmen die Krankenkassen in der Regel nicht die Kosten dieser Intensivtherapien.
- Was tun bei zunehmenden Verkrampfungen? Die Basistherapie aus Physio- und Ergotherapie ist unersetzlich. Möglicherweise kommt eine erneute Rehabilitation in Frage. Zusätzlich kann eine Versorgung mit Hilfsmitteln wie einer Orthese erfolgen. Auch die medikamentöse Behandlung sollte geprüft werden.
- Gibt es spezielle Angebote für Schlaganfall-Patienten? Für Schlaganfall-Patienten gibt es in vielen Regionen spezielle Rehasport-Gruppen. Rehasport wird vom Arzt verordnet und die Krankenkassen übernehmen nach vorheriger Genehmigung die Kosten.
- Wo kann man sich über Unterstützungsmöglichkeiten beraten lassen? Medizinische oder therapeutische Fragen sollten mit den Behandlern besprochen werden. Mit rechtlichen oder organisatorischen Fragen kann man sich an die Kranken-/Pflegeversicherung oder einen der Pflegestützpunkte oder Pflegeberatungsstellen des Wohnortes wenden. Auch die Deutsche Schlaganfall-Hilfe unterstützt gerne.
Schlaganfall-Lotsen
Schlagfanfall-Lotsen beraten und begleiten Betroffene und ihre Angehörigen durch das erste Jahr nach ihrem Schlaganfall, bis sie in der Lage sind, ihre weitere Versorgung selbst zu organisieren. Sie achten darauf, dass Patienten in allen Lebensbereichen gut versorgt sind, vermitteln notwendige Hilfen und unterstützen bei der Prävention eines wiederholten Schlaganfalls.
Aphasie nach Schlaganfall
Aphasie, eine Sprachstörung, ist eine häufige Folge eines Schlaganfalls. Es gibt verschiedene Übungsmöglichkeiten und Apps, die bei der Rehabilitation helfen können. Einige Krankenkassen bieten sogar kostenlose Apps für ihre Versicherten an. Der Landesverband der Aphasiker NRW e.V. ist eine wichtige Anlaufstelle für Selbsthilfe und Beratung.
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