Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die durch den Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet ist. Eines der komplexesten und beeinträchtigendsten Symptome ist das sogenannte "Freezing", auch bekannt als Gangblockade. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und verschiedene Behandlungsansätze für Freezing bei Parkinson.
Was ist Freezing?
Freezing, im Deutschen auch als "Einfrieren" bekannt, ist eine Gangstörung, die häufig bei Parkinson-Patienten auftritt. Betroffene erleben plötzlich auftretende, kurzzeitige Unbeweglichkeit beim Gehen. Professor Andrés Ceballos-Baumann, Chefarzt der Parkinson Fachklinik der Schön Klinik in München-Schwabing, beschreibt es so: "Patienten sprechen davon, dass die Füße am Boden kleben bleiben". Es ist ein Zustand, der wenige Sekunden, aber auch bis zu einer halben Minute andauern kann. Freezing tritt im Verlauf der Parkinson-Krankheit bei fast allen Patienten auf.
Wann tritt Freezing auf?
Freezing kann in verschiedenen Situationen auftreten:
- Beim Losgehen: "Die Ampel schaltet auf Grün - und die Patienten kommen nicht von der Stelle", so Ceballos-Baumann.
- Unter Zeitdruck: Das klingelnde Telefon oder der Gedanke, die nächste Haltestelle nicht zu verpassen, können Freezing auslösen.
- An Engstellen: Offene Türen, Türschwellen oder automatische Türen im Supermarkt können zu Blockaden führen.
- Beim Umdrehen: In der Küche kann der Oberkörper sich drehen, während die Füße wie festgeklebt am Boden bleiben.
Diese Blockaden können zu Stürzen führen, die insbesondere bei älteren Menschen heikel sein können und oft zu Knochenbrüchen führen.
Ursachen von Morbus Parkinson und Freezing
Morbus Parkinson entsteht durch einen Mangel an Dopamin in bestimmten Hirnregionen. Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff, der von der Substantia nigra (schwarze Substanz) im Gehirn produziert wird und für die Bewegungssteuerung unerlässlich ist. Beim Parkinson-Syndrom sterben diese Zellen aus bisher unbekannten Gründen vermehrt ab. Symptome treten erst auf, wenn mehr als 80 % der Substantia nigra nicht mehr funktionsfähig sind.
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Primäre und sekundäre Parkinson-Syndrome
Es gibt primäre und sekundäre Parkinson-Syndrome:
- Primäre Parkinson-Syndrome: Hierzu gehören das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS), bei dem keine spezifische Ursache gefunden wird, sowie hereditäre oder erbliche Parkinson-Syndrome. Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) macht etwa 75 Prozent aller Parkinson-Syndrome aus.
- Sekundäre Parkinson-Syndrome: Diese werden durch spezifische Ursachen ausgelöst, wie Hirnentzündungen, Durchblutungsstörungen (Schlaganfall), Giftstoffe (Mangan, Kohlenmonoxid, MPTP), Medikamente, Schädel-Hirn-Verletzungen oder Stoffwechselerkrankungen.
Pathophysiologie des Freezing
Freezing beim Gehen besitzt eine eigene spezifische Pathophysiologie und ist nicht einfach der Bradykinese (Bewegungsverlangsamung) zuzuordnen. Es kann sowohl während der "On"- als auch der "Off"-Phasen der Medikamentenwirkung auftreten. Tübinger Forschende haben herausgefunden, dass Gangblockaden spezifische Fehlaktivierungen des Nucleus subthalamicus zeigen, einem Nervenkern in der Tiefe des Gehirns, der eine entscheidende Rolle bei der Bewegungskontrolle spielt. Diese Fehlsteuerung der Beinmuskulatur resultiert aus der fehlerhaften Hirnaktivierung.
Diagnose von Morbus Parkinson
Die Diagnose und Therapie von Morbus Parkinson fallen in das Fachgebiet des Neurologen. Am Anfang stehen eine genaue Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) und eine fachärztliche, klinisch-neurologische Untersuchung. Auch eine psychiatrische Untersuchung kann zur weiteren Eingrenzung des Krankheitsbildes notwendig sein.
Apparative Diagnostik
- Bildgebung: Eine Computer- oder Kernspintomographie (CT oder MRT) des Gehirns kann andere Ursachen ausschließen.
- DAT-SPECT: Eine spezielle nuklearmedizinische Untersuchung (DAT-SPECT) kann die Stoffwechselaktivität in den Stammganglien sichtbar machen. Dabei wird ein radioaktives Mittel in die Blutbahn gespritzt und mit einer Spezialkamera gemessen.
Selbstcheck zur Früherkennung
Die deutsche Parkinson-Vereinigung e.V. (DPV) bietet einen Selbstcheck zur Früherkennung an, der folgende Fragen umfasst:
- Zittert Ihre Hand, obwohl sie entspannt aufliegt?
- Ist ein Arm angewinkelt oder schlenkert beim Gehen nicht mit?
- Haben Sie eine vorübergebeugte Körperhaltung?
- Haben Sie einen leicht schlurfenden Gang oder ziehen Sie ein Bein nach?
- Haben Sie einen kleinschrittigen Gang und stolpern oder stürzen Sie?
- Leiden Sie an Antriebs- und Initiativemangel?
- Haben Sie häufig Schmerzen im Nacken-Schultergürtel-Bereich?
- Ziehen Sie sich von Freunden und Angehörigen zurück?
- Haben Sie Veränderungen in Ihrer Stimme bemerkt?
- Haben Sie eine Verkleinerung Ihrer Schrift bemerkt?
- Leiden Sie an „innerem Zittern“ oder „innerer Unruhe“?
- Haben Sie Schlafstörungen?
Behandlung von Freezing
Es gibt verschiedene Strategien, um das Freezing zu überwinden oder zu reduzieren.
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Medikamentöse Therapie
Parkinson wird in erster Linie mit Medikamenten behandelt, oft durch eine Dopamin-Ersatztherapie. Ziel ist es, den Dopaminmangel im Gehirn auszugleichen. Allerdings unterliegt die Wirkung der Medikamente Schwankungen. In den sogenannten "Off"-Phasen bringen die Medikamente die Symptome schlechter unter Kontrolle, wodurch Freezing häufiger oder stärker auftreten kann.
Nicht-medikamentöse Therapie
- Physiotherapie: Spezielle Krankengymnastik fördert die Beweglichkeit und beugt Gelenkversteifungen und Stürzen vor.
- Psychisch stützende Maßnahmen und kognitives Training: Diese können bei Bedarf angewendet werden.
- Münchner Anti-Freezing-Training (MAFT): Dieses Training wurde speziell entwickelt, um Patienten Strategien zur Überwindung von Freezing beizubringen. Es beinhaltet das Erkennen von Auslösesituationen und das Verinnerlichen von Schritten, um über das Freezing hinwegzukommen.
Hinweisreize (Cues)
Externe Reize können helfen, aus der Starre herauszufinden. Beispiele sind:
- Wippen: Auf der Stelle leicht wippen und aus diesem Wippen den nächsten Schritt setzen.
- Taktgeber: Auf das Ticken einer Uhr hören oder innerlich zählen.
- Visuelle Reize: Striche auf den Boden malen oder kleben, über die man hinwegsteigen kann. Treppensteigen funktioniert oft gut, da die Stufen als Hinweisreize dienen.
Hilfsmittel
- Gehstock mit Querleiste: Ein Gehstock, bei dem eine kleine Querleiste herausspringt, über die der Patient steigen kann.
- Rollatoren mit Laserlinie: Rollatoren, die auf Knopfdruck eine Laserlinie auf den Boden werfen. Eine günstigere Alternative ist eine Kordel zwischen den unteren Rädern des Rollators mit einem kleinen Ball, gegen den man treten kann.
Was Angehörige tun können
- Verständnis zeigen: Es ist wichtig, dass Angehörige verstehen, dass Freezing ein echtes Problem ist.
- Erinnern an Strategien: Angehörige können den Patienten an seine erlernten Strategien erinnern.
- Taktgeber sein: "Eins - zwei - eins - zwei - eins - zwei" kann als rhythmische Unterstützung dienen.
- Vorbild sein: Einen Fuß vor den Fuß des Betroffenen setzen und ihn bitten, hinüberzusteigen.
Tiefe Hirnstimulation (THS)
In besonders schweren Fällen oder wenn eine ausreichende medikamentöse Therapie nicht möglich ist, kann eine Tiefe Hirnstimulation in spezialisierten Zentren erfolgen. Dabei werden Elektroden ins Gehirn eingesetzt, die durch elektrische Impulse bestimmte Hirnregionen positiv beeinflussen.
Forschung und Ausblick
Die Forschung zur Parkinson-Krankheit hat in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Es werden neue Therapien erforscht, die an der Ursache der Erkrankung ansetzen. Eine gezieltere Neurostimulation zur Abwendung von Gangblockaden ist ein vielversprechender Ansatz.
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