Schwerhörigkeit und Demenz: Ursachen, Risiken und Prävention

Schwerhörigkeit ist ein weit verbreitetes Problem, besonders im höheren Alter. Studien zeigen, dass ein unversorgter Hörverlust das Risiko erhöhen kann, im Laufe des Älterwerdens eine Demenz zu entwickeln. Da Schwerhörigkeit oft schleichend beginnt, erkennen viele Betroffene das Fortschreiten der Krankheit zu spät. Oftmals sind es die Angehörigen und nicht die Betroffenen selbst, die erste Anzeichen wahrnehmen.

Wie hängen Hörverlust und geistige Fitness zusammen?

Unsere Ohren sind für die Wahrnehmung von Geräuschen verantwortlich, während unser Gehirn die Geräusche verarbeitet und ihnen somit einen Sinn gibt. Das Hören von Geräuschen und die Verarbeitung von Sprache halten unser Gehirn aktiv. Schwierigkeiten beim Hören belasten das Gehirn, da es hart arbeiten muss, um unvollständige Informationen zu verstehen. Mit der Zeit kann diese zusätzliche Anstrengung zu Müdigkeit und Stress führen, was sich negativ auf die allgemeine geistige Gesundheit auswirkt.

Kognition oder geistige Fitness beschreibt die Fähigkeit von uns Menschen, zu denken und Dinge wahrzunehmen. Mit zunehmendem Alter kann diese Gehirnleistung abnehmen - das ist ein ganz natürlicher Prozess. Unter Demenz versteht man ein Spektrum von Erkrankungen des Gehirns, die alle mit kognitiven Beeinträchtigungen einhergehen, sich jedoch hinsichtlich Ursache, Verlauf und Prognose stark unterscheiden können. Demenz ist mehr als nur eine Gedächtnisstörung, sie beinhaltet eine Beeinträchtigung mehrerer höherer kognitiver Funktionen wie Gedächtnis, Sprache, Aufmerksamkeit und Problemlösefähigkeit und führt zu einem allmählichen Defizit in der Fähigkeit, alltägliche Aufgaben auszuführen. Die kognitiven Probleme gelten als dauerhaft und irreversibel. Sowohl Hörverlust als auch Demenz hängen mit dem Alter zusammen. Unter den verschiedenen bekannten Risikofaktoren für Demenz wurde Hörverlust als der größte beeinflussbare Risikofaktor identifiziert.

Ursachen und Risikofaktoren für Demenz

Auch wenn an der Entstehung einer Demenzerkrankung stets mehrere Faktoren beteiligt sind, gibt es einen wichtigen Risikofaktor, den die meisten Demenzformen gemeinsam haben: das Alter. So steigt das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, statistisch gesehen mit zunehmendem Alter deutlich an. Die häufigste Demenzform ist Morbus Alzheimer, allgemein als Alzheimer-Krankheit bezeichnet. Sie ist durch schädliche Proteinablagerungen zwischen den Gehirnzellen gekennzeichnet: Plaques (das heißt größere Zusammenlagerungen) aus Amyloid-beta-Proteinen stören die Kommunikation zwischen den Zellen. Bei anderen Demenzformen liegen der Erkrankung andere Ursachen und Prozesse zugrunde. So ist die zweithäufigste Form der Demenz, die vaskuläre Demenz, eine Folge von Durchblutungsstörungen im Gehirn. Die eher seltene frontotemporalen Demenz (FTD) ist durch absterbende Nervenzellen in den Schläfenlappen (Temporallappen) sowie im Stirnlappen (Frontallappen) gekennzeichnet.

Neben dem Alter und genetischen Faktoren gibt es weitere beeinflussbare Risikofaktoren, die das Demenzrisiko erhöhen können:

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  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Sie belasten die Gefäße oder den Stoffwechsel - etwa durch Bluthochdruck, hohe Blutzucker- oder Cholesterinwerte.
  • Entzündungen: Sie fördern Entzündungen oder schädliche Ablagerungen im Gehirn.
  • Kognitive Reserve: Sie schwächen die kognitive Reserve, also die Widerstandskraft des Gehirns gegenüber Schäden.
  • Erhöhtes Cholesterin: Erhöhtes Cholesterin - vor allem bei Menschen unter 65 - kann die Ablagerung von schädlichen Proteinen wie Amyloid-beta und verändertem Tau im Gehirn fördern, beides typische Merkmale der Alzheimer-Krankheit. Da mit einem hohen Cholesterinspiegel auch das Risiko für Schlaganfälle zunimmt, vergrößert sich auch die Gefahr für eine vaskuläre Demenz.
  • Depressionen: Anhaltende Niedergeschlagenheit, sozialer Rückzug und mangelnde Selbstfürsorge belasten nicht nur die Seele - sondern auch das Gehirn.
  • Bewegungsmangel: Wer sich im Alltag kaum bewegt, erhöht sein Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Bewegungsmangel beeinträchtigt die Durchblutung des Gehirns, schwächt Nervenzellen und begünstigt den geistigen Abbau.
  • Diabetes: Typ-2-Diabetes zählt zu den am besten belegten Risikofaktoren für Demenz.
  • Rauchen: Rauchen erhöht das Risiko für Alzheimer und vaskuläre Demenz - vor allem durch die negativen Auswirkungen auf Herz, Gefäße und Gehirn.
  • Bluthochdruck: Bluthochdruck im mittleren Lebensalter erhöht das Risiko für alle Demenzformen, insbesondere für die vaskuläre Demenz.
  • Übergewicht: Übergewicht - besonders im mittleren Lebensalter- erhöht das Risiko, später an einer Demenz zu erkranken.
  • Alkoholkonsum: Wer regelmäßig viel Alkohol trinkt, riskiert mehr als einen Kater. Studien zeigen: Schon mehr als drei Liter Bier oder zwei Liter Wein pro Woche führt zum Verlust der grauen Masse im Gehirn und damit zu einem höheren Risiko für alle Formen der Demenz. Ein zu hoher Alkoholkonsum kann zudem bewirken, dass eine Demenz früher auftritt als bei Menschen, die wenig oder gar nicht trinken.
  • Soziale Isolation: Soziale Isolation bedeutet, dass ein Mensch nur selten Kontakt zu anderen hat - zum Beispiel, wenn er allein lebt, kaum Besuch bekommt oder nicht mehr aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Eine solche Isolation kann das Risiko erhöhen, an Demenz zu erkranken.
  • Luftverschmutzung: Was wir einatmen, kann auch unser Gehirn erreichen. Feine Partikel aus Abgasen, Industrie, Holz- und Kohleöfen können Entzündungen auslösen, die Gefäße schädigen und langfristig die geistige Gesundheit beeinträchtigen.
  • Sehschwäche: Sehen ist mehr als ein Sinn - es ist geistige Anregung. Wenn das Sehvermögen nachlässt und nicht ausgeglichen wird, gehen dem Gehirn wichtige Reize verloren.

Schwerhörigkeit als Risikofaktor

Ein nachlassendes Hörvermögen wird oft nicht ernst genommen. Viele scheuen aus Eitelkeit den Gang zum Arzt, weil sie kein Hörgerät tragen möchten. Schwerhörigkeit ist der wichtigste Alzheimer-Risikofaktor im mittleren Lebensalter. Tritt sie bei 45- bis 65-Jährigen auf und bleibt unbehandelt, ist das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung im Alter deutlich erhöht.

Menschen, die schlecht hören, verarbeiten weniger akustische Reize. Viele reagieren auch mit Rückzug, weil sie Gesprächen nicht mehr so gut folgen können oder schnell müde werden. Das Gehirn ist dann weniger gefordert und die geistige Leistungsfähigkeit nimmt ab. Dadurch erhöht sich das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Vermutet wird, dass ein schlechtes Hörvermögen zu Veränderungen im Gehirn führt, die das Demenzrisiko erhöhen.

Studien zum Zusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und Demenz

Zahlreiche Studien wurden durchgeführt, um die Beziehung zwischen Hörverlust und Demenz bei älteren Patienten zu bewerten. Diese Studien zeigen, dass ältere Menschen mit Hörverlust verglichen mit Menschen mit normalem Hörvermögen eine sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, im Laufe ihres Lebens eine Demenz zu entwickeln.

Eine Studie von Frank Lin und seinem Team beobachteten 639 Patienten 18 Jahre lang. Während der 18-jährigen Beobachtung wurde bei 58 der 639 Patienten eine Demenz diagnostiziert. Verglichen mit Probanden mit normalem Hörvermögen hatten die Patienten mit leichtem, mittelschwerem und schwerem Hörverlust jeweils ein 2-, 3- bzw. Selbst nach Berücksichtigung anderer Faktoren, die mit dem Demenzrisiko in Verbindung gebracht werden, unter anderem Diabetes, Bluthochdruck, Alter, Geschlecht und Herkunft, standen Hörverlust und Demenz weiterhin in einem deutlichen Zusammenhang.

In der Studie „ACHIEVE“ der John-Hopkins-University (USA) hat sich gezeigt, dass das Tragen von Hörgeräten den Verlust des Denk- und Gedächtnisvermögens bei älteren Erwachsenen, die bereits ein erhöhtes Demenzrisiko aufweisen, über einen Zeitraum von drei Jahren um 48 % verlangsamen kann. Die Forscherinnen und Forscher der University of Melbourne haben in ihrer Studie „ENHANCE“ herausgefunden, dass die kognitiven Fähigkeiten in der Gruppe mit Hörgeräten über drei Jahre stabil geblieben sind, wohingegen die Gruppe ohne Hörgeräte in ihren kognitiven Funktionen abbauten.

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Mögliche Mechanismen

Wie genau die verminderte Hörleistung zur Entwicklung einer Demenz beiträgt, ist bisher nicht vollständig geklärt. Vermutlich führt der Hörverlust auch zu Veränderungen im Gehirn: Aufgrund der Dauerbelastung durch starke Konzentration auf das Hören werden andere Hirnfunktionen vernachlässigt. Besonders die Hirnrinde und der Hippocampus, die Schaltstelle zwischen Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis, scheinen betroffen zu sein. Die Wissenschaftler formulierten in Gesprächen, dass eine allgemeine Pathologie der Grund für beide Gesundheitsprobleme sein könnte. Sie legen nahe, dass die Betroffenen anfälliger für eine Demenz werden, weil der Hörverlust über die Jahre hinweg so viel „Gehirnleistung“ fordert, um Geräusche in nützliche Informationen zu verwandeln. Dazu kommt, dass wir uns mit zunehmendem Hörverlust gesellschaftlich zurückziehen, weniger unter Menschen kommen und damit seltener Gespräche führen. Einer der größten Risikofaktoren für Demenz ist die gesellschaftliche Isolierung.

Was kann man tun?

Ab Mitte 50 kann das Hörvermögen durch altersbedingten Verschleiß schlechter werden. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern das Gehör regelmäßig von einer Fachärztin oder einem Facharzt untersuchen lassen. In den meisten Fällen können Defizite durch ein Hörgerät ausgeglichen werden. Wird eine Hörhilfe ärztlich verordnet, übernimmt die Krankenkasse die Kosten bis zu einer Obergrenze. Ist die Hörschwäche krankheitsbedingt, sollten die Ursachen behandelt werden. Das können zum Beispiel Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen oder Schäden an der Halswirbelsäule sein.

Prävention und Früherkennung

Um die Entwicklung einer Demenz zu vermeiden, sollte eine Hörverminderung möglichst schnell erkannt und auch behandelt werden. Ein beginnender Hörverlust lässt sich mit einem Hörgerät gut ausgleichen. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung einer Schwerhörigkeit können einen großen Beitrag zu gesundem Altern leisten.

Was können Betroffene selbst tun?

  • Regelmäßige Hörvorsorge: Eine regelmäßige Hörvorsorge ist sehr zu empfehlen. So kann eine Schwerhörigkeit früh erkannt und versorgt werden, um das gesunde Altern zu unterstützen. Betroffene sollten daher bei den ersten Symptomen eines beginnenden Hörverlusts ihr Gehör testen lassen - das ist bei Ihrem HNO-Arzt oder Ihrer HNO-Ärztin aber auch in einem Fachgeschäft in Ihrer Nähe kostenlos möglich.
  • Hörgeräteversorgung: Wurde ein Hörverlust diagnostiziert, kann die Hörminderung durch das Tragen eines Hörgerätes im Regelfall gut kompensiert werden. Hörgeräte helfen dabei, Gesprächen wieder besser folgen zu können, Naturklänge wieder besser zu hören oder wichtige Signale z.B. im Straßenverkehr wieder besser wahrzunehmen. Mit einem Hörgerät kann wieder aktiver am Leben teilgenommen werden.
  • Gesunder Lebensstil: Ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung und ausreichend geistiger Stimulation ist der beste und einfachste Weg, um einer Demenz bestmöglich vorzubeugen.

Anzeichen für Schwerhörigkeit

Lautet Ihre Antwort auf einige der folgenden Fragen "Ja", empfehlen wir zeitnah einen Hörtest durchführen zu lassen oder zunächst einen Online-Hörtest zu machen:

  • Drehen Sie die TV- oder Radio-Lautstärke auf, um besser verstehen zu können?
  • Ist das Verstehen beim Telefonieren in letzter Zeit anstrengender für Sie geworden?
  • Haben Sie das Gefühl, Ihr Gegenüber spricht oft undeutlich und leise?
  • Bitten Sie Ihren Gesprächspartner vermehrt, das Gesagte zu wiederholen?
  • Empfinden Sie bestimmte Töne als besonders laut und unangenehm?
  • Haben Sie Schwierigkeiten, die Quelle/Richtung eines Geräusches zu bestimmen?
  • Ziehen Sie sich in letzter Zeit oftmals aus dem sozialen Leben zurück und unternehmen weniger mit anderen?

Was kann ich selbst tun?

Sie können einiges an Ihren Lebensgewohnheiten ändern, um ein gesundes Altern und Ihr Wohlbefinden zu fördern:

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  • Körperliche Aktivität
  • Gesunde Ernährung
  • Nicht Rauchen
  • Weniger Alkohol
  • Geistig und sozial aktiv bleiben
  • Auf die (Hör-)Gesundheit achten
  • Die kognitiven Fähigkeiten schützen

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