Neurose ist ein Begriff, der im allgemeinen Sprachgebrauch oft verwendet wird, um ungewöhnliches oder übertriebenes Verhalten zu beschreiben. Obwohl der Begriff in der Medizin kaum noch gebräuchlich ist, ist es wichtig zu verstehen, was er bedeutet, welche Ursachen und Symptome er hat und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Definition: Was ist eine Neurose?
Neurose ist ein Sammelbegriff für zahlreiche psychische Krankheiten und Störungen, denen nach derzeitigem Kenntnisstand keine unmittelbaren organischen Ursachen zu Grunde liegen. Vielmehr haben sie ihre Wurzeln meist in der gestörten Verarbeitung von Konflikten. Man kann daher auch sagen, dass Neurosen die ernsthaften Konflikte widerspiegeln, die eine Persönlichkeit bedingen.
Der Begriff wurde von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, geprägt. In den aktuellen Diagnosesystemen findet die Neurose als Sammelbegriff für verschiedene psychische Störungen allerdings keine Anwendung mehr. Stattdessen teilt man die ursprünglich als Neurosen bezeichneten psychischen Störungen in unterschiedliche Gruppen ein. Dazu zählen zum Beispiel Angststörungen, Zwangsstörungen und dissoziative Störungen.
Ursachen: Wie kommt es zu einer Neurose?
Es gibt viele verschiedene Gründe, warum es zu einer neurotischen Störung kommt. Einfluss nehmen können zum Beispiel die Persönlichkeitsstruktur, Stress- und Belastungssituationen sowie emotionale Traumata.
Anhänger der Psychoanalyse gehen davon aus, dass eine Neurose auf unbewusste, nicht gelöste Konflikte zurückzuführen ist, die in der Kindheit entstanden sind. Vor allem unterdrückte Ängste und sexuelle Schwierigkeiten spielen dabei eine Rolle. Nicht verarbeitete Zustände (seelische Konflikte, seelische oder körperliche Traumata), die teils bis in die Kindheit zurückreichen, können Auslöser von Neurosen sein.
Lesen Sie auch: Informationen über die Demenz-Initiative
Auch sozial bedingte Einflüsse wie Probleme mit dem Lebenspartner oder Schwierigkeiten bzw. Konflikte im Beruf können eine Rolle spielen. Mediziner diskutieren ebenfalls über eine erblich bedingte Veranlagung für Neurosen.
Bei einer Neurose gibt es in der Regel mehrere Aspekte, die sich gegenseitig beeinflussen:
- Eigene charakterliche Besonderheiten, wie etwa scheu und gehemmt zu sein, introvertiert und gefühlverdrängend.
- Schwierige Lebensphasen wie Pubertät oder Wechseljahre.
- Ungünstige Einflüsse durch Menschen und Umwelt, oft verbunden mit mangelnder Zuneigung und Achtung oder Entmutigung.
- Akute Belastungssituationen, häufig in Verbindung mit Versagung, d. h., dem Betroffenen wurde in der Vergangenheit etwas vorenthalten, was in der Gegenwart nicht ohne psychische Konsequenzen bleibt.
- Traumatisierungen seelischer und/oder körperlicher Natur, z. B. Gewalttätigkeit, Missbrauch, Unfälle, die als lebensbedrohlich und unentrinnbar erlebt wurden.
Symptome: Neurotisches Verhalten
Die Symptome einer Neurose sind sehr vielfältig und abhängig von den Erkrankungen, die unter diesen Begriff fallen. Sie reichen von psychischen Leiden bis zu körperlichen Beschwerden. Die Neurose-Symptome haben meist keine körperliche Ursache und können stark variieren, doch sie sind immer von Angst und emotionaler Instabilität gekennzeichnet.
Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Ängste: Ein Zustand der Erwartung bedrohlicher und voraussichtlich unüberwindlicher feindlicher Ereignisse. Je nach Ausprägung spricht man von Platz-, Errötungs-, Verletzungs-, Empfängnis- und Krebsangst.
- Zwänge: Starker innerer Drang, Handlungen immer wieder auszuführen (Waschen, Zählen, Schlucken, Blinzeln, Grübeln), um die Ängste zu beschwichtigen und die Konsequenzen der quälenden Gedanken zu verhindern.
- Depressionen: Verlust der Freude und der Leistungsfähigkeit.
- Entfremdungsempfinden: Das Gefühl, nicht mehr wie man selbst zu sein oder die Umgebung fühlt sich nicht real an.
- Hypochondrie: Ständige Angst davor, krank zu sein oder krank zu werden.
- Körperliche Symptome: Abnorme Empfindungen in bestimmten Organen (Herz, Magen, Geschlechtsorgane usw.), denen keine erkennbaren krankhaften Veränderungen zu Grunde liegen. Allenfalls lassen sich funktionelle Störungen nachweisen, für deren Zustandekommen das vegetative Nervensystem verantwortlich ist. Die Anzeichen sind so vielgestaltig und abwechslungsreich, dass eine Aufzählung unmöglich ist; sie reichen von Herzklopfen und Magendruck bis zu Stottern, epilepsieähnlichen Anfällen und Lähmungen einzelner Gliedmaßen.
Spezifische Neuroseformen und ihre Symptome
- Angstneurose (Angststörung): Stark übertriebenes Gefühl von Angst und Furcht.
- Depressive Neurose (Depressive Störung): Langandauernde Gemütsstimmung, die sich durch Antriebslosigkeit und starke Unlust äußert.
- Hysterische Neurose: Keine einheitliche Symptomatik, jedoch spielen vor allem Geltungsbedürfnisse und Egozentrismus eine ausschlaggebende Rolle.
- Hypochondrische Neurose (Hypochondrische Störung): Übertriebene Angst, krank zu sein oder zu erkranken.
- Phobie: Krankhafte Angst oder anhaltende Angst vor bestimmten Situationen, Gegenständen, Tätigkeiten oder Personen.
- Zwangsneurose (Zwangsstörung): Der Zwang bestimmt, bestimmte, nicht sinnvolle Handlungen immer wieder zu wiederholen.
- Neurotische Persönlichkeitsstörungen (Charakterneurosen): Störungen wie Borderline-Störungen oder narzisstische Persönlichkeitsstörungen.
Diagnose: Wie wird eine Neurose festgestellt?
Neurosen können, je nach Ausprägung, den Alltag stark einschränken und den Betroffenen zunehmend belasten. Bei neurotischen Verhaltensweisen sollte man sich deshalb vertrauensvoll an einen Arzt, besser noch an einen Psychologen oder Psychotherapeuten wenden.
Lesen Sie auch: Gehirn fokussieren
Ein Experte sollte aufgesucht werden, wenn:
- Man sich von den Beschwerden im Alltag stark eingeschränkt fühlt.
- Die Stimmungsschwankungen, Ängste und andere Verunsicherungen chronisch und so stark werden, dass man sich überfordert und hilflos fühlt.
- Selbstmordgedanken auftreten.
- Die Lebensqualität und die der Mitmenschen langfristig beeinträchtigt wird.
Therapie: Welche Behandlung bei Neurosen?
Welche Behandlung bei einer Neurose infrage kommt, hängt vor allem davon ab, um welche Erkrankung es sich genau handelt. Darüber hinaus spielt bei der Wahl der Therapie eine Rolle, wie schwer die Erkrankung ist und welche Therapieform die Person bevorzugt.
In der Regel wird eine zu den Neurosen zählende Störung mit Psychotherapie und/oder Psychopharmaka behandelt. Bei schwerem Verlauf einer Neurose kann eine stationäre Behandlung in speziellen Kliniken sinnvoll sein.
Psychotherapie
Bei der Psychotherapie wird ein geschulter Psychotherapeut versuchen, dem Neurose-Patienten die nicht-bewussten, verdrängten oder nicht erkannten tieferen Ursachen seiner seelischen Probleme aufzudecken und vor Augen zu führen. Ist dies erfolgreich, kann der Erkrankte die belastenden Erfahrungen unter Anleitung des Experten verarbeiten.
Als therapeutische Mittel können etwa Gespräche und Musik eingesetzt werden. Auch Rollenspiele oder Zeichnen und Modellieren helfen, den Betroffenen zu fördern und zu stützen. Bei Ängsten beispielsweise sehr erfolgreich ist die Kognitive Verhaltenstherapie. Hier liegt der Schwerpunkt der Behandlung darauf, Denkweisen und Verhaltensmuster zu überprüfen und dann zu ändern. Die so gemachten Erfahrungen können Neurosen wie Panikattacken heilen.
Lesen Sie auch: "Ich will dich nicht nerven": Eine tiefgehende Betrachtung
Es gibt viele unterschiedliche Formen der Psychotherapie, darunter:
- Verhaltenstherapie: Untersuchung von Verhaltensweisen, um diese nach Möglichkeit zu verändern.
- Psychoanalyse: Behandlung von psychischen Störungen, um die eigene Persönlichkeit zu analysieren, zu verstehen und fortzuentwickeln.
- Hypnose: Technik um Menschen in einen anderen Bewusstseinszustand versetzen, um somit verschüttete Erlebnisse aufzuarbeiten.
- Systemische Psychotherapie: Psychotherapie mit Schwerpunkt auf den sozialen Zusammenhängen psychischer Störungen, wie etwa Beziehungen zu Familie und dem sozialen Umfeld.
Medikamentöse Therapie
Medikamente können den Heilungsprozess bei Neurosen unterstützen. Zuvor sind jedoch psychotherapeutische Maßnahmen unabdingbar, anderenfalls werden die Symptome lediglich „zugedeckt". Wurde das zugrunde liegende Problem nicht gelöst, kehren die Symptome nach Absetzen des Medikamentes in der Regel wieder. Medikamente in der Neurosebehandlung sind vor allem Beruhigungsmittel und Antidepressiva. Serotoninwiederaufnahmehemmer können z. B. das Ungleichgewicht im System der Botenstoffe ausgleichen.
Psychosensorische Verfahren
Als dritte Säule der Neurosebehandlung werden sogenannte psychosensorische Verfahren eingesetzt. Dazu gehören z. B. die Klopfakupressur (EFT) oder Augenbehandlungen (EMDR, OEI nach Bradshaw und Kollegen). Bei der EFT werden die Endpunkte von Hauptenergiebahnen (Meridiane) des Körpers durch Beklopfen mit den Fingern angeregt. Die EMDR ist eine Augenbewegungs-Desensibilisierung und Neuordnung. Dabei konzentriert sich der Patient auf die belastende Erinnerung und die damit verbundenen Gedanken und Gefühle. Gleichzeitig versetzt der Therapeut die Augen des Betroffenen mit langsamen Fingerbewegungen in eine rhythmische Aktion.
Unter den Anwendern gelten diese Techniken als sehr schnell wirksam und leicht in übliche Psychotherapieverfahren integrierbar. Der Betroffene kann die Techniken bei Bedarf auch selbst und zu Hause anwenden.
Selbsthilfe
Gehen Sie offensiv mit Ihrer Neurose um, verzagen Sie nicht. Haben Sie Mut und sprechen Sie mit Ihrem Partner oder guten Freunden über das, was Sie belastet. Das kann klärend und entspannend wirken. Versuchen Sie, akute belastende Faktoren auszuschalten und Freiräume zum Denken und Ausruhen zu gewinnen. Vielleicht lässt sich ein berufliches Projekt verschieben? Oder einige Urlaubstage sind möglich?
Lernen Sie Entspannungsmethoden wie Autogenes Training oder Yoga. Auch Meditation kann helfen, zu sich selbst zu finden, Ruhe einkehren zu lassen und belastende Situationen in den Griff zu bekommen.
Johanniskrautpräparate hellen die Stimmung auf. Aber nur hoch dosierte Präparate erzeugen die gewünschte Wirkung. Mindestens 900 mg pro Tag gelten als Schwelle für den Wirkeintritt. Die stimmungsaufhellende Wirkung tritt erst nach 2- bis 3-wöchiger regelmäßiger Einnahme ein. Bei der Einnahme anderer Medikamente ist auf die Möglichkeit von Wechselwirkungen mit Johanniskrautpräparaten zu achten. Außerdem erhöht Johanniskraut die Empfindlichkeit der Haut für Sonnenlicht.
Vorbeugung: Was schützt vor Neurosen?
Um einer Neurose vorzubeugen, sollten Sie einige Verhaltensweisen beachten.
- Steuern Sie bestimmten Symptomen rechtzeitig entgegen. Verdrängen Sie z.B. ungewöhnliche Ängste, Wünsche oder Triebe nicht. Besser ist es, sich damit bewusst zu befassen.
- Führen Sie Ihr Leben nicht unter Dauerbelastung. Schaffen Sie Ausgleich durch Sport und motivierende geistige Aktivität, pflegen Sie Ihre Sozialkontakte, essen Sie gesund und halten Sie sich fit. Das macht stabil und gegenüber Belastungen „resilient", d. h. widerstandsfähig. So können Sie mit schwierigen Erfahrungen besser umgehen.
- Üben Sie keinen übermäßigen Druck auf Ihre Kinder aus, etwa durch übertriebene Erwartungen an deren Leistungen, Reinlichkeit oder durch Strafandrohungen. Ermutigen Sie Ihre Kinder viel mehr, über Gefühle, Sorgen und Verletzungen zu sprechen.
tags: #neurosen #definition #ursachen #symptome #therapie