EKG-Veränderungen nach Schlaganfall: Ursachen, Häufigkeit und prognostische Bedeutung

Vaskuläre Erkrankungen sind in den Industrieländern die Hauptursache für Tod oder dauerhafte Behinderung. Aufgrund der hohen Komorbidität treten Schlaganfall und Herzinfarkt nicht selten gleichzeitig auf. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Troponinerhöhungen und EKG-Veränderungen nach einer akuten zerebralen Ischämie relativ häufig beobachtet werden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass solche Veränderungen nicht immer ein zusätzliches akutes Koronarsyndrom bedeuten. Experimentelle und klinische Daten deuten darauf hin, dass es insbesondere nach einer Subarachnoidalblutung (SAB), aber auch nach einem ischämischen Hirninfarkt, zu einer neurogen vermittelten myokardialen Schädigung kommen kann, die nicht auf eine ischämische Herzerkrankung zurückzuführen ist.

Dieser Artikel bietet einen Überblick über die Häufigkeit und mögliche Pathomechanismen von EKG-Veränderungen nach Schlaganfall. Es ist wichtig zu betonen, dass Troponinerhöhungen und EKG-Veränderungen nach einer zerebralen Ischämie einen relevanten negativen prognostischen Faktor darstellen.

Vorhofflimmern als Schlaganfallrisiko und EKG-Monitoring

Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Herzrhythmusstörung, insbesondere bei älteren Menschen. Im Herzvorhof können sich durch Vorhofflimmern Blutgerinnsel bilden. Gelangen diese Gerinnsel mit dem Blutstrom ins Gehirn, können sie durch einen Gefäßverschluss einen Schlaganfall verursachen. Studien zeigen, dass Vorhofflimmern das individuelle Schlaganfallrisiko im Mittel um das 4- bis 5-fache erhöht und für etwa ein Viertel aller ischämischen Schlaganfälle verantwortlich ist.

Häufig wird Vorhofflimmern erst festgestellt, nachdem der Patient einen Schlaganfall erlitten hat. Die Rhythmusstörung macht sich nämlich nicht immer durch typische Symptome wie Herzrasen und Herzstolpern bemerkbar, sondern bleibt bei vielen Menschen zunächst unentdeckt, zumal Vorhofflimmern insbesondere in der Frühphase nur episodisch auftritt und nur dann sicher mit dem EKG nachgewiesen werden kann.

Das Elektrokardiogramm (EKG) des Herzens gehört daher zur Standarddiagnostik nach einem Schlaganfall, um VHF als mögliche Ursache zu erkennen und durch eine antikoagulatorische Therapie das Risiko eines Schlaganfall-Rezidivs zu senken. Viele Betroffene haben allerdings initial keine VHF-spezifischen Symptome und nur ein intermittierend bestehendes VHF, das daher nur bei einer verlängerten EKG-Ableitung erkannt wird.

Lesen Sie auch: Visuelle Verarbeitung im Gehirn verstehen

Die MonDAFIS-Studie: Längeres EKG-Monitoring zur Detektion von Vorhofflimmern

Die MonDAFIS ("Impact of standardized MONitoring for Detection of Atrial Fibrillation in Ischemic Stroke") Studie untersucht die Wertigkeit eines erweiterten stationären EKG-Monitorings für die Entdeckung eines bisher nicht bekannten Vorhofflimmerns bei Patienten mit einem akuten ischämischen Schlaganfall.

Im Rahmen der randomisierten MonDAFIS-Studie erhält die Hälfte der in die Studie eingeschlossenen Patienten ein zusätzliches Langzeit-EKG mit einer Aufzeichnungsdauer von bis zu sieben Tagen. Ziel ist es zu klären, ob eine bessere Detektion von Vorhofflimmern durch ein verlängertes stationäres EKG-Monitoring einen relevanten Einfluss auf die medikamentöse Schlaganfallprävention besitzt und möglicherweise dazu beitragen kann, weitere kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern.

Die „The Impact of MONitoring for Detection of Atrial Fibrillation in Ischemic Stroke“ (MonDAFIS)-Studie, die in Lancet Neurology publiziert wurde, ist eine Investigator-initiierte Studie unter Federführung des Centrums für Schlaganfallforschung Berlin und unter Beteiligung des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Julius-Maximilian-Universität Würzburg.

Das Ziel der Studie war es, den Einfluss eines bis zu maximal sieben Tage verlängerten additiven EKG-Monitorings bei stationär behandelten Patientinnen und Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) auf die Rate der oralen Antikoagulation nach zwölf Monaten zu erheben. Weiterhin wurde die Rate an stationär neu diagnostiziertem VHF ausgewertet.

Zwischen Dezember 2014 und September 2017 wurden insgesamt 3.465 Schlaganfallpatienten in 38 zertifizierten deutschen Stroke Units in die Studie eingeschlossen und randomisiert. 1.730 Patientinnen und Patienten erhielten die stationäre Standarddiagnostik, 1.735 wurden in den Interventionsarm randomisiert und erhielten zusätzlich ein EKG-Monitoring über bis zu sieben Tage.

Lesen Sie auch: Wie das Koala-Gehirn funktioniert

Nach zwölf Monaten zeigte sich, dass 13,7 Prozent der Patientinnen und Patienten in der Interventionsgruppe und 11,8 Prozent der Patientinnen und Patienten in der Kontrollgruppe eine orale Antikoagulation erhielten, dieser Unterschied zwischen den Gruppen war jedoch nicht signifikant (p=0,134). Die Rate der Patientinnen und Patienten, bei denen stationär ein VHF diagnostiziert wurde, war jedoch in der Interventionsgruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe (5,8 Prozent vs. 4,0 Prozent, p=0,024). Die anderen sekundären Endpunkte unterschieden sich nicht signifikant.

Die MonDAFIS-Studie zeigte, dass ein verlängertes EKG-Monitoring bei stationär behandelten Schlaganfallpatienten die Detektion von Vorhofflimmern signifikant erhöht.

Empfehlungen des AF-SCREEN Konsortiums

Gemäß den Empfehlungen des AF-Screen Konsortiums sollte bei allen Patienten ohne bisher bekanntes Vorhofflimmern nach einem akuten ischämischen Schlaganfall oder einer TIA für 72 Stunden ein EKG-Monitoring erfolgen. Anschließend soll anhand des bestehenden Risikoprofils und der vorliegenden EKG-Befunde über ein verlängertes EKG-Monitoring entschieden werden.

Praktische Schlussfolgerungen und weitere Forschungsbedarfe

Das pragmatische Fazit von Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft Neurologie (DGN), lautet, ein EKG-Monitoring zumindest bei älteren Schlaganfallpatientinnen und -patienten über 65 Jahre bis zur stationären Entlassung fortzuführen.

Die Autoren der AF-SCREEN-Studie zeigen in ihrer aktuellen Publikation Wissenslücken und weiteren Forschungsbedarf auf. So ist beispielsweise nicht geklärt, welche Therapie Patienten benötigen, bei denen bisher kein Vorhofflimmern festgestellt wurde, aber mittels kardialer Bildgebung eine strukturelle Veränderung im linken Vorhof, die sogenannte atriale Myopathie, nachgewiesen wurde, die Folge und Ursache des Vorhofflimmerns sein kann.

Lesen Sie auch: Struktur und Funktion des Katzengehirns

Weitere EKG-Veränderungen nach Schlaganfall

Neben Vorhofflimmern können nach einem Schlaganfall auch andere EKG-Veränderungen auftreten. Dazu gehören:

  • ST-Strecken-Veränderungen: ST-Hebungen oder -Senkungen können auf eine akute Myokardischämie hinweisen, aber auch durch den Schlaganfall selbst verursacht werden.
  • T-Wellen-Veränderungen: Negative T-Wellen können ebenfalls auf eine Myokardischämie hindeuten, sind aber auch bei anderen Erkrankungen wie Hypertrophie oder Elektrolytstörungen möglich.
  • QT-Zeit-Verlängerung: Eine verlängerte QT-Zeit kann das Risiko für gefährliche Herzrhythmusstörungen erhöhen.
  • Herzrhythmusstörungen: Neben Vorhofflimmern können auch andere Herzrhythmusstörungen wie ventrikuläre Extrasystolen oder Tachykardien auftreten.

Pathomechanismen der EKG-Veränderungen

Die genauen Pathomechanismen, die zu EKG-Veränderungen nach einem Schlaganfall führen, sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch verschiedene Theorien:

  • Neurogene Schädigung: Der Schlaganfall kann zu einer direkten Schädigung von Hirnarealen führen, die das autonome Nervensystem kontrollieren. Dies kann zu einer Fehlregulation der Herzfunktion und zu EKG-Veränderungen führen.
  • Katecholamin-Freisetzung: Nach einem Schlaganfall kann es zu einer erhöhten Freisetzung von Katecholaminen (Stresshormonen) kommen. Diese können die Herzfrequenz und den Blutdruck erhöhen und zu EKG-Veränderungen führen.
  • Myokardiale Ischämie: Ein Schlaganfall kann zu einer erhöhten Belastung des Herzens führen und in manchen Fällen eine Myokardischämie auslösen. Dies kann zu ST-Strecken- und T-Wellen-Veränderungen im EKG führen.
  • Vorhofflimmern: Vorhofflimmern kann durch den Schlaganfall selbst ausgelöst oder verstärkt werden.

Prognostische Bedeutung der EKG-Veränderungen

EKG-Veränderungen nach einem Schlaganfall sind in jedem Fall ein relevanter negativer prognostischer Faktor. Sie sind mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen wie Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen und Tod verbunden.

Diagnostisches Vorgehen

Bei Patienten mit einem Schlaganfall sollte immer ein EKG durchgeführt werden. Bei Auffälligkeiten im EKG oder bei Verdacht auf eine kardiale Ursache des Schlaganfalls sollten weitere Untersuchungen wie ein Langzeit-EKG, eine Echokardiographie oder eine Koronarangiographie erfolgen.

Therapeutische Massnahmen

Die Therapie von EKG-Veränderungen nach einem Schlaganfall richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Bei Vorhofflimmern ist eine gerinnungshemmende Therapie (orale Antikoagulation) indiziert, um das Risiko für weitere Schlaganfälle zu senken. Bei Myokardischämie oder anderen Herzerkrankungen sollten diese entsprechend behandelt werden.

tags: #Schlaganfall #EKG #Veränderungen