Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die meist im jüngeren Erwachsenenalter beginnt. Frauen sind dabei doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Erkrankung kann zu vorübergehenden oder bleibenden Behinderungen führen und somit erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Angesichts der Komplexität der MS und der Vielfalt an Symptomen und Verläufen ist es von höchster Bedeutung, eine bestmögliche Versorgung durch spezialisierte Fachkräfte zu erhalten. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der MS-Spezialisten, von der Diagnosestellung über innovative Therapieansätze bis hin zur Unterstützung im Alltag.
Spezialisierte MS-Zentren und Ambulanzen
Zertifizierte MS-Zentren der DMSG
Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) zertifiziert Kliniken und Praxen, um MS-Erkrankten eine unabhängige und verlässliche Orientierung zu bieten. Diese Zertifizierung, die seit Herbst 2005 existiert, weist den Weg zu einer fachgerechten Versorgung in der Nähe des Patienten. Die Anerkennungskriterien gewährleisten eine qualitativ hochwertige, leitlinienbasierte akute und rehabilitative Behandlung durch spezialisierte Neurologen und andere MS-Fachkräfte. Ziel ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der Qualitätsstandards und die Umsetzung dieser Standards in vielen Einrichtungen.
Interdisziplinäre Zentren
Das klinische Multiple Sklerose-Zentrum der UMG wurde 2017 als interdisziplinäres Zentrum gegründet, in dem Experten aus den Bereichen Neurologie, Neuropathologie, Pädiatrie, Augenheilkunde und Neuroradiologie zusammenarbeiten. Hier erhalten Patienten Antworten auf alle Fragen rund um Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen. Die Kliniken bieten alle Ressourcen, um nach höchsten Standards diagnostische Sicherheit, Beratung und Therapieempfehlungen anbieten zu können. Dabei wird besonders Wert auf maßvolle, individuell zugeschnittene Entscheidungen gelegt, um den Patienten ein möglichst uneingeschränktes Leben mit der Erkrankung zu ermöglichen.
Spezialambulanz für Multiple Sklerose
Als zertifiziertes Schwerpunktzentrum der DMSG bietet die Spezialambulanz für Multiple Sklerose (MS) und verwandte entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems ein umfassendes Leistungsspektrum. In Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen wie der Sektion für Rheumatologie, der Klinik für Hämatologie-Onkologie und Gastroenterologie-Infektiologie kann das gesamte Spektrum der laborchemischen Entzündungsdiagnostik abgebildet werden. Zudem besteht eine enge Kooperation mit der Sektion für Neuropädiatrie bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit neuroimmunologischen Krankheitsbildern.
Diagnostik und Therapie
Integration von Labor- und MRT-Diagnostik
Ein besonderer Schwerpunkt der MS-Ambulanz liegt auf der Integration und Nutzbarmachung der Labor- und MRT-Diagnostik. An der UMM ist sowohl eine immunologische Labor-Diagnostik als auch die MRT-Bildgebung integraler Bestandteil der Patientenbetreuung und Planung personalisierter Therapiestrategien. Das Gehirn und das Rückenmark werden in allen Untersuchungen prinzipiell untersucht, wobei stets moderne Sequenzen und Analyseverfahren hinzugezogen werden, um subtile Zeichen einer entzündlichen Aktivität bei der MS zu detektieren.
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Personalisierte Therapieansätze
Die Neurologische Klinik verfügt über eine Biobank, in der verschiedenste Biomaterialien (u.a. Blut, Liquor, Stuhl, Gewebeproben) mit modernsten Methoden und nach strengen Standards asserviert und mit relevanten klinischen Daten verknüpft werden. Dies ermöglicht die Entwicklung und Anwendung zielgerichteter und personalisierter Präzisionstherapien.
Medikamentöse Immuntherapie
Die Besprechung und Einleitung einer medikamentösen Immuntherapie nach dem aktuellsten Stand der Wissenschaft ist ein komplexer Prozess, da viele Faktoren bei dieser Frage miteinbezogen werden müssen und gleichzeitig eine Vielzahl von Therapien zur Verfügung steht. Die Durchführung von Infusionstherapien, die Überwachung des Erkrankungsverlaufes und die Wirksamkeitsüberprüfung der Immuntherapie sind weitere wichtige Bestandteile der multimodalen Diagnostik im Sinne einer personalisierten Präzisionsmedizin. Heutzutage werden möglichst viele formale Kriterien zur Beurteilung eines Therapieerfolgs und der Krankheitsprogression herangezogen. Ebenso muss eine Überwachung der Sicherheit (Pharmakovigilanz) bei laufender Immuntherapie erfolgen.
Innovative Therapieansätze
Die Schön Kliniken bieten ein großes Spektrum an medikamentösen Behandlungsmethoden. Eine schubartige Verschlechterung wird in der Regel mit Kortison behandelt. Wenn sich die einzelnen Schübe vollständig oder unvollständig wieder zurückbilden, setzen Medikamente ein, die das Immunsystem unterdrücken beziehungsweise modulieren. Vielversprechende neue Therapien werden von ersten Versuchen im Labor über klinische Studien bis hin zur alltäglichen Anwendung begleitet.
Klinische Studien
Es werden eine Reihe von frühen interventionellen (Phase I-III), als auch nicht-interventionellen klinischen Beobachtungsstudien (Phase IV) durchgeführt, die dem Ziel dienen, die Therapie für die betroffenen Patientinnen und Patienten zu verbessern und bessere Einblicke in Erkrankungsmechanismen und diagnostische und Behandlungsmöglichkeiten zu gewinnen. Die regelmäßige Teilnahme an mehreren internationalen klinischen Studien im Bereich der MS und verwandten entzündlichen Erkrankungen ermöglicht es, stets auf dem neuesten Stand der Forschung zu sein. Im Rahmen der multi-nationalen Projektförderung CLINNOVA ist das Zentrum federführend am Aufbau einer prospektiven MS-Kohorte beteiligt in Kooperation mit neurologischen MS-Zentren in Freiburg, Luxemburg, Strasbourg und Basel. Ziel ist ein besseres Verständnis der MS und der Mechanismen der Krankheitsprogression.
Spezialisierte Sprechstunde
In der spezialisierten Sprechstunde wird ein umfassendes diagnostisches und therapeutisches Spektrum angeboten. Ziel ist die individuelle, leitliniengerechte und innovative Versorgung der Patientinnen und Patienten. Die Leistungen umfassen:
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- Diagnostische Abklärung und Sicherung einer Multiplen Sklerose sowie Differenzierung gegenüber seltenen entzündlichen ZNS-Erkrankungen
- Empfehlungen zur Einleitung, Umstellung oder Beendigung immunmodulierender bzw. immunsuppressiver Therapien
- Einsatz und Beratung zu innovativen und experimentellen Therapieverfahren
- Beratung zur symptomorientierten Begleittherapie
- Therapieorganisation und -durchführung
- Schulungen zur Selbstanwendung injizierbarer Therapien
- Durchführung aller gängigen Infusionstherapien in der neurologischen Therapieambulanz, beispielsweise mit Ocrelizumab, Natalizumab, oder Polyvalenten Immunglobulinen
- Durchführung oraler Kortikosteroidtherapien zur Schubbehandlung (nach individueller ärztlicher Beurteilung)
- Immunadsorption im Rahmen stationärer Behandlung bei entsprechendem Krankheitsbild und Indikation
- Flexible Zusammenarbeit mit niedergelassenen Neurologinnen und Neurologen: Infusionstherapien können dauerhaft oder übergangsweise erfolgen.
Unterstützung und Betreuung
MS-Fachkräfte
MS-Fachkräfte stehen den Patienten der Neurologischen Klinik als MS-Therapiemanagerin zur Verfügung. Sie beraten die MS-Patienten während des stationären und auch teilstationären Aufenthaltes zu verschiedenen Themen:
- Klinisches Bild der MS
- Krankheitsverarbeitung (Coping)
- Diagnostik
- Therapieoptionen
- Fachgerechte Aufklärung und Anleitung zur Medikamentenapplikation (z.B. Selbstinjektion, Therapie- und Nebenwirkungsmanagement)
Außerdem bieten die MS-Fachkräfte Hilfe an bei Fragen, die das soziale Umfeld des Patienten betreffen (z.B. Beruf, Familie, Hobbies). Sie bemühen sich um ein reibungsloses Zusammenspiel des multidisziplinären Betreuungsteams aus Ärzten, Pflege, Therapeuten, Casemanagement, Sozialdienst und stellen ggfs. den Kontakt mit Selbsthilfegruppen her.
Multidisziplinäres Team
Ein multidisziplinäres Team bietet Unterstützung für viele aufkommende Fragen, die auch häufig eine ausführlichere Erörterung erfordern. Das kann die Klärung von Fragen zu auswärtig erhobenen Befunden und die Sicherung der Diagnose (Zweitmeinung) sein.
Besuchsmöglichkeiten
Die Besuchsregeln sind patientenfreundlich gestaltet: Pro Patientin sind maximal zwei Besucherinnen zeitgleich und ohne Zeitbeschränkung erlaubt. Die Besuchszeit auf Normalstation ist von 13:00 bis 20:00 Uhr (letzter Einlass: 19:30 Uhr) und auf Wochenstation von 15:00 bis 18:00 Uhr. Ausnahmen sind nach Absprache mit der jeweiligen Stationsleitung möglich. Besuchszeiten für Palliativ- sowie Spezial- und Intensivstationen können abweichen.
Forschung und Innovation
Verständnis der Krankheitsmechanismen
Ein wesentlicher Fokus der klinischen und grundlagenwissenschaftlichen Aktivitäten liegt in einem besseren Verständnis der molekularen, räumlichen und zelltypspezifischen Krankheitsmechanismen, die der chronischen Entzündung im zentralen Nervensystem zugrunde liegen. Hierzu wird regelhaft mit neuesten MRT-Protokollen sowie molekularen Hochdurchsatzverfahren gearbeitet, um die Protein- und Genexpressionssignaturen zu entschlüsseln.
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Kontinuierliche Weiterentwicklung
Wissenschaftlich ist es das tägliche Ziel, neue Therapieansätze zu entwickeln, um die Behandelbarkeit dieser Erkrankung auch weiterhin mit voller Kraft voranzutreiben. Die Neurologische Klinik nimmt regelmäßig an Therapiestudien zur MS teil.
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