Die Betreuung von Menschen mit Demenz stellt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar, insbesondere in Pflegeheimen, wo ein erheblicher Teil der Bewohner von dieser Erkrankung betroffen ist. In Deutschland leben aktuell 1,7 Millionen Menschen mit Demenz, und etwa ein Drittel von ihnen wird in Pflegeheimen versorgt, meist in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung. Es wird geschätzt, dass jeder vierte Deutsche ab dem 65. Lebensjahr an Demenz erkranken wird. Diese Entwicklung stellt sowohl die Betroffenen und ihre Familien als auch die Pflegeeinrichtungen vor erhebliche Herausforderungen.
Demenz verstehen
Demenz ist eine der häufigsten Erkrankungen im höheren Alter, von der allein in Deutschland rund 1,6 Millionen Menschen betroffen sind. Die Krankheit ist unheilbar, verläuft degenerativ und führt zu einem Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit und zum Verblassen von Erinnerungen. Mediziner sprechen von einem schrittweisen Verlöschen der Persönlichkeit.
Der Begriff "Demenz" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "weg vom Geist". Zunächst ist das Kurzzeitgedächtnis gestört, später auch das Langzeitgedächtnis. Die krankhafte Veränderung des Gehirns beeinträchtigt kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten, und die Persönlichkeit des Betroffenen verändert sich. Patienten verlieren im Laufe ihres Lebens erlernte Fähigkeiten. Alzheimer ist die häufigste Form der Demenzerkrankung, die sich schleichend über etwa zehn Jahre bis zum Tod des Patienten entwickelt.
Es gibt primäre und sekundäre Demenzformen. Sekundäre Demenz tritt als Folge anderer Erkrankungen wie Stoffwechselstörungen auf und kann durch Alkohol oder Medikamente ausgelöst werden. Bei Heilung der Grunderkrankung verschwindet oft auch die Demenz. Die primäre Demenz, die 90 Prozent aller Demenzerkrankungen ausmacht, ist jedoch nicht umkehrbar.
Herausforderungen im Pflegeheimalltag
Die Pflege von Menschen mit Demenz im Pflegeheim ist anspruchsvoll. Rund 70 % der Heimbewohner sind demenziell erkrankt oder zeigen deutliche kognitive Defizite. Diese Patienten leiden unter zunehmenden Einschränkungen des Gedächtnisses, der Sprache, der Orientierung, der Wahrnehmung, der Urteilsfähigkeit sowie des Planens und Problemlösens.
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Ein besonderes Problem stellen sogenannte "herausfordernde Verhaltensweisen" dar, die bei bis zu 95 % der Heimbewohner auftreten können. Dazu gehören Apathie, Verweigerung, Angst, Unruhe, Aggressivität, Distanzlosigkeit und Wahnvorstellungen. Solche Verhaltensweisen sind für die Begleitpersonen eine große Herausforderung und psychische Belastung.
Pflegeeinrichtungen sind oft überfordert mit der Pflege suchtmittelabhängiger Menschen, und nur wenige Einrichtungen stellen sich diesem Problem offen. Im Alter werden psychische Erkrankungen oft von körperlichen Gebrechen begleitet, und altersbedingte Einschränkungen können zu psychischen Veränderungen führen.
Grundprinzipien im Umgang mit Demenz
Trotz seiner Krankheit ist ein Mensch mit Demenz immer noch ein erwachsener Mensch. Deshalb sollte man ihn nicht verkindlichen oder zur Sache machen, indem man ihn beispielsweise kommentarlos herumschiebt oder nicht mehr mit ihm spricht. Auch bevormunden sollte man ihn nicht.
Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die Taten und Gedanken eines Menschen mit Demenz in seiner Welt einen Sinn ergeben. Oft können Menschen mit Demenz die Gegenwart nicht mehr von der Vergangenheit unterscheiden. Versuchen Sie, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen; das verleiht dieser Welt eine Berechtigung.
Kommunikation
Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz erfordert besondere Aufmerksamkeit. Komplexe Sätze, Metaphern, Ironie und Sarkasmus werden nicht verstanden. Verwenden Sie unkomplizierte Sätze mit einer einzigen Botschaft. Wichtige Informationen sollten oft wiederholt werden, wobei immer die gleiche Formulierung verwendet werden sollte.
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Fragen stellen Menschen mit Demenz vor eine Herausforderung, da sie sich entscheiden, erinnern und erklären müssen. Meiden Sie W-Fragen, da diese einen sehr weiten Horizont an möglichen Antworten eröffnen. Geben Sie den Betroffenen Zeit, die sie brauchen, um nach den richtigen Worten zu suchen und diese mit Bedeutung zu versehen.
Kritik, Korrekturen, Diskussionen oder Vorwürfe erzielen meist keinen positiven Effekt, sondern führen oft zu Verlegenheit und Frustration. Loben sorgt indes für gute Laune. Gehen Sie positiv auf Vorwürfe ein und nehmen Sie Ängste und Frustrationen ernst.
Ergänzen Sie die sprachliche Kommunikation durch eine deutliche Körpersprache. Unterstützen Sie Bewegungen oder machen Sie sie vor, sodass sie nachgemacht werden können. Halten Sie Blickkontakt, um Wertschätzung und Respekt auszudrücken.
Förderung und Aktivierung
Wer aktiv ist, kann sich besser an Erlerntes erinnern und seine Selbstständigkeit beibehalten. Deshalb sollten Menschen mit Demenz konstruktiv gefordert und gefördert werden, angepasst an ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten, um Überforderung zu vermeiden.
Ergotherapie und Physiotherapie sind gute Möglichkeiten, um die Mobilität zu erhalten. Durch das Anregen der fünf Sinne können Erinnerungen hervorgerufen und die Lebensqualität gefördert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Musikgeragogik, die über Musik eine Brücke in die Vergangenheit schlägt.
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Regelmäßige Wiederholung bekannter Tätigkeiten kann diese länger erhalten. Sogar das Erlernen von Neuem ist in begrenztem Umfang möglich und bei stetiger Wiederholung über längere Zeit abrufbar.
Treffen mit Freunden, die man schon vor der Demenz-Diagnose gekannt hat, wirken sich positiv auf das Gemüt und den Krankheitsverlauf aus. Regelmäßige soziale Kontakte und Tätigkeiten wie kleine Ausflüge oder andere gemeinsame Freizeitgestaltung fördern ein soziales Umfeld, das den Menschen länger aktiv hält.
Struktur und Orientierung
Unvorhergesehene Ereignisse, Überraschungen und Änderungen von Gewohnheiten erfordern eine geistige Auseinandersetzung, die Menschen mit Demenz zunehmend schwer fällt. Schaffen Sie daher einen strukturierten Alltag mit klaren Routinen.
Neben einer prinzipiellen Barrierefreiheit gibt es Anpassungen, die das Leben von Menschen mit Demenz angenehmer gestalten. Wichtig ist die Übersichtlichkeit der Räumlichkeiten, da zu viele Eindrücke verwirren und überfordern. Türen sollten möglichst offen gelassen oder ganz ausgehängt werden, um die Orientierung zu erleichtern. Einzelne Räume können durch kleine Bildchen gekennzeichnet werden. Neben der räumlichen ist auch die zeitliche Orientierung von großer Bedeutung.
Spezifische Herausforderungen und Lösungsansätze
Depression, Delir und Sucht
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jede Vergesslichkeit auf Demenz zurückzuführen ist. Depressionen und Delir können ähnliche Symptome verursachen. Bis zu 50 % der Menschen mit Demenz leiden insbesondere in der ersten Phase auch an depressiven Symptomen. Eine frühzeitige Quantifizierung der kognitiven Leistungseinbuße und die Erfassung nicht-kognitiver Verhaltenssymptome sind daher entscheidend.
Auch Suchterkrankungen im Alter sind ein relevantes Problem. Psychopharmaka, insbesondere Benzodiazepine und Z-Substanzen, sind für ältere Menschen nur eingeschränkt empfehlenswert und sollten nicht langfristig verschrieben werden.
Schmerzen
50 % aller Pflegeheimbewohner haben Schmerzen, wobei 20 % keine ausreichende Schmerztherapie erhalten. Dies gilt besonders für Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Eine adäquate Schmerzbehandlung ist daher essenziell.
Herausforderndes Verhalten
Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Demenz kann viele Ursachen haben, wie z.B. Schmerzen, Hunger, Durst, Einsamkeit oder Wut. Es ist wichtig, die Ursachen zu verstehen und entsprechend zu reagieren.
80 % aller herausfordernden Verhaltensweisen sind eine Reaktion auf die Umwelt. Daher ist es wichtig, die Umgebung entsprechend anzupassen. Plötzlich veränderte Lebensumstände, der Einzug in ein Pflegeheim oder die Einweisung in ein Krankenhaus können zu Verwirrtheitszuständen führen.
Umgang mit Ängsten, Wahnvorstellungen und Halluzinationen
Angstzustände, Wahnvorstellungen und Halluzinationen können bei Demenz auftreten und sollten ernst genommen werden. Es ist wichtig herauszufinden, was diese auslöst, und die Situation entsprechend anzupassen. Vermeiden Sie Diskussionen und Kritik, lenken Sie den Betroffenen ab und schaffen Sie eine beruhigende Umgebung.
Musiktherapie
Musik kann eine positive Wirkung auf Menschen mit Demenz haben. Sie kann die Stimmung aufhellen, das Wohlbefinden steigern, Erinnerungen wecken und die Kommunikation fördern. Integrieren Sie Musik in die Pflege und Therapie von Demenzerkrankten.
Selbstfürsorge für Pflegende
Wie in jeder Lebenslage ist es auch im Umgang mit Menschen mit Demenz wichtig, dass man sich nicht selbst zu sehr übernimmt. Es hilft niemandem, wenn man sich völlig aufopfert. Vernachlässigen Sie nicht die eigenen Interessen und Bedürfnisse. Nehmen Sie sich Auszeiten von der Pflege und lassen Sie sich von einem Pflegedienst oder anderen Angehörigen unterstützen.
Strategien zur Entlastung
- Halten Sie sich wöchentlich einen Tag und eine Nacht frei und übertragen Sie die Pflege in dieser Zeit an eine andere Person.
- Akzeptieren Sie Ihre Grenzen und geben Sie Aufgaben notfalls ab.
- Achten Sie auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung.
- Verzichten Sie auf Medikamente und Alkohol, um die Belastung zu ertragen.
- Nutzen Sie Entspannungstechniken wie autogenes Training.
- Gestalten Sie den Alltag abwechslungsreich und unternehmen Sie auch zusammen mit dem Pflegebedürftigen verschiedene Aktivitäten.
- Nutzen Sie die Möglichkeit, sich mit anderen Pflegenden, der Familie oder Freunden auszutauschen oder suchen Sie gezielt Beratung zum Thema.
Wohnumfeld und Sicherheit
Die gewohnte Umgebung ist ein wichtiger Faktor für Wohlbefinden und Sicherheit. Trotzdem scheuen viele Demenzkranke den Schritt, in ein Pflegeheim zu ziehen. Die Wahl des richtigen Pflegeheimes spielt eine wichtige Rolle, damit sich die Demenzkranken auch in der neuen Umgebung wohlfühlen.
Anpassung des Wohnraums
- Beseitigen Sie Stolperfallen wie rutschende Teppiche oder Kabel.
- Bewahren Sie Elektrogeräte außerhalb der Reichweite des Erkrankten auf.
- Schützen Sie Elektroherde und Backöfen so, dass sie nicht unbeabsichtigt einzuschalten sind.
- Sichern Sie Fenster und Terrassentüren.
- Stellen Sie Temperaturen an Wasserhähnen so ein, dass keine Verbrühungsgefahr besteht.
- Bringen Sie im Badezimmer Haltegriffe an.
- Sichern Sie Treppen durch ein Gitter oder zusätzliche Handläufe.
- Bewahren Sie Medikamente für den Erkrankten unzugänglich auf.
Umgang mit Weglauftendenzen
Insbesondere die Weglauftendenz ist eine schwierige Angelegenheit. Weil die Betroffenen durchaus eine Agenda haben, spricht man heute eher von einer „Hinlauftendenz“.
- Bringen Sie ein akustisches Signal an der Haustür an, sodass Sie bemerken, wenn die Tür geöffnet wird.
- Achten Sie darauf, dass das Zimmer des Kranken nicht zu nah an der Eingangstür ist.
- Der Patient sollte idealerweise ein Armband oder eine Kette mit Ihren Kontaktdaten tragen, so kann bei einem Auffinden schnell geholfen werden.
Tagesgestaltung und Aktivierung
Durch eine aktive Gestaltung des Alltags vermitteln Sie dem Erkrankten Normalität und können so das Fortschreiten der Erkrankung im besten Fall hinauszögern. Der Tag folgt idealerweise einer festen Routine. Kann der Erkrankte einige Tätigkeiten noch selbst ausführen, sollten Sie ihm so viel wie möglich selbst überlassen und nur bei Bedarf Hilfestellung bieten.
Beispiele für Aktivitäten
- Gemeinsames Erledigen von Haus- und Gartenarbeit (leichte Tätigkeiten, die er immer gern ausgeführt hat)
- Spaziergänge und Ausflüge
- Leichte sportliche Aktivitäten
- Förderung von Hobbys des Erkrankten
- Gemeinsames Musizieren oder Singen bekannter Lieder
- Anschauen von Fotos oder Alben mit gemeinsamen Erinnerungen
Bedenken Sie, dass der kranke Mensch die Arbeiten nicht immer so ausführt, wie Sie es gern hätten. Korrigieren Sie das nicht in seiner Anwesenheit und üben auch keine Kritik, sonst könnte der Demenzkranke den Mut an seinen Tätigkeiten verlieren.
Unterstützung bei der Körperpflege
- Erledigung ohne Zeitdruck
- Kleidung mit Reiß- oder Klettverschlüssen erleichtern das alleinige An- und Ausziehen
- Erleichtern Sie den Gang zur Toilette durch Haltegriffe oder erhöhte Toilettensitze
- Erinnern Sie den Betroffenen daran zur Toilette zu gehen
- Unterstützen Sie diskret und wahren die Privatsphäre des Erkrankten
- Nutzen Sie Hilfsmittel wie Inkontinenzprodukte
Pflegekräfte und Pflegedienste
Vertrauen und Erfahrung sind bei der Wahl des Pflegepersonals von elementarer Bedeutung. Das Pflegepersonal sollte nicht zu häufig wechseln, damit der Erkrankte eine feste Bezugsperson hat. Es muss Erfahrung im Umgang mit Alzheimer-Patienten bestehen. Als Angehöriger müssen Sie Vertrauen zu den Pflegekräften haben - die Chemie muss stimmen.
Finanzielle Aspekte und Unterstützung
Seit einer großen Pflegereform 2017 ist es für Patienten mit Demenz nun deutlich leichter, einen Pflegegrad zu erhalten. Kümmern Sie sich am besten rechtzeitig um die Beantragung einer Pflegestufe. Die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung ergeben sich aus dem Pflegegrad und der Art der Pflege.
Ob und wann ein Erkrankter in ein Pflegeheim umziehen sollte, hängt von der Entwicklung der Erkrankung ab. Schreitet die Demenz so weit fort, dass eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung notwendig wird, ist das unter Umständen von Angehörigen nicht mehr zu bewältigen. Wichtig ist, dass pflegende Angehörige in diesem Fall nicht mit einem schlechten Gewissen kämpfen, sondern sich auf angenehme Aktivitäten wie Spaziergänge oder gemeinsames Beisammensein konzentrieren. Alltägliche Pflegeaufgaben werden von den Pflegekräften übernommen, die für diese Leistungen bestens geschult sind.
Lassen Sie sich die Pflegebereiche und die Zimmer zeigen. Informieren Sie sich über das Pflegekonzept der Einrichtung und prüfen Sie die Kooperation der Einrichtung mit den Angehörigen.
Von der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten Sie eine Grundversorgung, die nicht ausreicht, um die Kosten vollständig zu decken. Verbleibt ein hoher Eigenanteil kommen zu den gesundheitlichen Sorgen um den Erkrankten auch noch finanzielle Probleme. Entscheiden Sie sich darum rechtzeitig für eine geeignete Pflegezusatzversicherung.
Rechtliche Aspekte
Bei einer Demenz stellen sich viele rechtliche und finanzielle Fragen, die für die Zukunft geregelt werden müssen. Das beginnt bei der Ausübung des Berufs, geht über Alltägliches wie das Autofahren, die Vorsorgevollmacht bis hin zur Geschäftsfähigkeit. Ist der Demenzerkrankte irgendwann nicht mehr in der Lage, Entscheidungen für sich selbst zu treffen, müssen Sie als Angehörige dies oft in seinem Namen tun. Wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt, wenden sich Betroffene und Angehörige an das örtliche Betreuungsgericht, um den gesetzlichen Betreuer zu bestimmen.
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