Die Diagnose Demenz stellt nicht nur für die betroffene Person eine einschneidende Veränderung dar, sondern auch für ihre Angehörigen. Der Alltag wird anspruchsvoller, die Kommunikation kann sich erschweren, und vertraute Abläufe funktionieren nicht mehr wie gewohnt. Es gibt jedoch Möglichkeiten, den Alltag zu erleichtern und ein stabiles Miteinander zu schaffen. Dieser Artikel bietet Ihnen wertvolle Tipps und Informationen, um den Umgang mit Alzheimer-Patienten und anderen Demenzerkrankungen besser zu meistern.
Verständnis für die Erkrankung entwickeln
Ein grundlegendes Verständnis der Demenzerkrankung ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und Konflikte im Alltag zu reduzieren. Informieren Sie sich umfassend über die Krankheit, ihre Ursachen und Auswirkungen. Versetzen Sie sich in die Lage der betroffenen Person und versuchen Sie zu verstehen, wie es sich anfühlt, wenn Fähigkeiten sukzessive verloren gehen und man sich im Alltag nicht mehr zurechtfindet. Dies ermöglicht einen empathischen und verständnisvollen Umgang.
Empathie als Schlüssel
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem fremden Land, dessen Sprache und Schrift Sie nicht beherrschen. Sie fühlen sich verloren, ängstlich und frustriert. Ähnliche Emotionen erleben Menschen mit Demenz, da sie sich in ihrer eigenen Welt nicht mehr zurechtfinden. Dieses Verständnis ermöglicht es Ihnen, die emotionalen Belastungssymptome besser nachzuvollziehen und entsprechend darauf zu reagieren.
Selbstwertgefühl und Autonomie fördern
Demenz greift den Selbstwert der Betroffenen an, da sie zunehmend Dinge nicht mehr können, die früher selbstverständlich waren. Es ist daher wichtig, ihnen so viel Selbstständigkeit und Autonomie wie möglich zu erhalten. Beziehen Sie sie in Gespräche, Familienaktivitäten und Haushaltsaufgaben ein, auch wenn die Ergebnisse nicht mehr perfekt sind. Das Gefühl, ein aktives Mitglied der Gemeinschaft zu sein, ist für Menschen mit Demenz von großer Bedeutung.
Beteiligung am Alltag
Achten Sie darauf, die erkrankte Person in alltägliche Aktivitäten einzubeziehen, auch wenn dies mehr Zeit und Geduld erfordert. Selbst einfache Aufgaben wie Tischdecken, Gemüse putzen oder Wäsche zusammenlegen können das Selbstwertgefühl stärken und das Gefühl geben, gebraucht zu werden.
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Kommunikation anpassen
Menschen mit Demenz haben zunehmend Schwierigkeiten, sich an Dinge zu erinnern und Gesprächen zu folgen. Passen Sie Ihre Kommunikation entsprechend an:
- Sprechen Sie langsam und deutlich: Verwenden Sie einfache Sätze und vermeiden Sie komplizierte Begriffe.
- Stellen Sie Blickkontakt her: Achten Sie auf eine zugewandte Körperhaltung und sprechen Sie in kurzen, klaren Sätzen.
- Stellen Sie einfache Fragen: Formulieren Sie Fragen so, dass sie möglichst mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden können.
- Bieten Sie Wahlmöglichkeiten: Beschränken Sie sich auf maximal zwei Optionen, um die Entscheidung zu erleichtern (z.B. "Möchtest du Kaffee oder Tee?").
- Verwenden Sie Gesten und Berührungen: Ergänzen Sie Ihre Worte durch nonverbale Kommunikation, um die Verständigung zu erleichtern.
- Erkennen Sie Wünsche und Bedürfnisse an: Zeigen Sie Verständnis für die Anliegen der erkrankten Person.
Auch wenn Alltagsgespräche irgendwann unmöglich werden, bleibt der Austausch wichtig. Nutzen Sie nonverbale Kommunikation, um Zuneigung und Wertschätzung auszudrücken.
Routinen und Tagesstruktur schaffen
Eine klare Tagesstruktur kann Menschen mit Demenz helfen, sich zu orientieren und Sicherheit zu gewinnen. Feste Abläufe für Aufstehen, Essen, Anziehen und andere Aktivitäten geben Halt und reduzieren Angstzustände.
- Tageslicht und frische Luft: Sorgen Sie für ausreichend Tageslicht und regelmäßige Aufenthalte im Freien.
- Feste Essenszeiten: Etablieren Sie feste Zeiten für die Mahlzeiten in einer ruhigen Umgebung mit vertrautem Geschirr.
- Ruhe am Abend: Schaffen Sie eine entspannte Atmosphäre am Abend mit gedimmtem Licht und ruhiger Musik.
Vertraute Abläufe beibehalten
Halten Sie sich an bereits vertraute Abläufe, um der erkrankten Person Sicherheit und Vertrautheit zu geben. Vermeiden Sie plötzliche Veränderungen im Tagesablauf, da diese Verunsicherung und Stress auslösen können.
Aktivitäten anbieten
Integrieren Sie möglichst täglich Aktivitäten, die der erkrankten Person guttun und Freude bereiten. Gemeinsame Spaziergänge, soziale Kontakte oder Hobbys können das Wohlbefinden steigern und die Lebensqualität verbessern. Aktivitäten, die Angst auslösen könnten, sollten behutsam und in kleinen Schritten vorbereitet werden, um die Übersicht über die Situation zu behalten und Panik zu vermeiden.
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Musik als Therapie
Musik kann eine besonders positive Wirkung auf Menschen mit Demenz haben. Lieblingslieder aus der Jugend können Erinnerungen wecken und die Kommunikation fördern. Spielen Sie Playlists mit vertrauten Melodien ab oder singen Sie gemeinsam alte Lieder. Auch Tanzen kann eine schöne gemeinsame Erfahrung sein.
Gedächtnistraining und Erinnerungsarbeit
Obwohl das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigt ist, bleibt das Langzeitgedächtnis oft länger erhalten. Nutzen Sie dies, um gemeinsam in Erinnerungen zu schwelgen. Schauen Sie sich alte Fotoalben an, erzählen Sie Geschichten aus der Vergangenheit oder hören Sie gemeinsam Musik aus vergangenen Zeiten. Vermeiden Sie es jedoch, die erkrankte Person unter Druck zu setzen oder zu forcieren, wenn sie sich nicht mehr an bestimmte Dinge erinnern kann.
Umgang mit herausforderndem Verhalten
Im Verlauf der Demenzerkrankung kann es zu Verhaltensänderungen wie Aggressivität, Angstzuständen, Wahnvorstellungen oder Halluzinationen kommen. Es ist wichtig, diese Verhaltensweisen nicht persönlich zu nehmen, sondern als Ausdruck der Erkrankung zu verstehen.
- Aggressivität: Versuchen Sie, die Auslöser für aggressives Verhalten zu identifizieren und zu vermeiden. Bleiben Sie ruhig und gelassen, lenken Sie die Person ab und verlassen Sie im Notfall den Raum, um sich selbst zu schützen.
- Angstzustände: Schaffen Sie eine sichere und vertraute Umgebung. Vermeiden Sie Auslöser wie Spiegel oder dunkle Fußböden. Bieten Sie Geborgenheit und Verlässlichkeit.
- Wahnvorstellungen und Halluzinationen: Versuchen Sie, die Situationen zu erkennen, die Wahnvorstellungen oder Halluzinationen auslösen. Schalten Sie störende Geräusche aus, passen Sie die Beleuchtung an oder hängen Sie Spiegel ab. Diskutieren Sie nicht mit der Person, sondern lenken Sie sie ab.
- Unruhe: Menschen mit Demenz sind oft unruhig und laufen immer wieder die gleiche Strecke auf und ab. Versuchen Sie herauszufinden, was die Unruhe verursacht. Gestalten Sie die Umgebung ruhig und bieten Sie Entspannungsmöglichkeiten an.
- Schreien: Schreien kann ein Ausdruck von Schmerzen, Hunger, Durst, Einsamkeit oder Wut sein. Versuchen Sie, die Ursache zu erkennen und darauf einzugehen.
Perspektivenwechsel
Versuchen Sie, das Verhalten der erkrankten Person aus ihrer Perspektive zu verstehen. Oft steckt hinter herausforderndem Verhalten ein unbefriedigtes Bedürfnis oder ein Gefühl von Überforderung und Hilflosigkeit. Begegnen Sie der Person mit Verständnis und nutzen Sie dies als Schlüssel für Ihre Interaktion und Kommunikation.
Veränderungen im Ess- und Trinkverhalten
Eine Demenzerkrankung kann das Ess- und Trinkverhalten deutlich verändern. Manche Menschen vergessen zu essen oder haben kein Hungergefühl, während andere scheinbar unkontrolliert essen oder Süßes bevorzugen. Auch das Gefühl für Durst kann abnehmen, was zu Mangelernährung und Flüssigkeitsmangel führen kann. Im späteren Verlauf können Koordinationsprobleme sowie Kau- oder Schluckbeschwerden auftreten.
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- Feste Essenszeiten: Etablieren Sie feste Essenszeiten in einer ruhigen Umgebung mit vertrautem Geschirr.
- Anregung zum Trinken: Erinnern Sie die Person regelmäßig ans Trinken.
- Geeignete Konsistenz: Passen Sie die Konsistenz der Nahrung an, wenn Kau- oder Schluckbeschwerden auftreten.
- Unterstützung beim Essen: Bieten Sie Unterstützung beim Essen an, indem Sie zeigen, wie man Messer und Gabel benutzt oder die Nahrung mundgerecht zubereiten.
Körperpflege erleichtern
Die Körperpflege kann für Menschen mit Demenz eine Herausforderung darstellen. Sie brauchen oft mehr Zeit zum Anziehen, haben Schwierigkeiten bei der Kleiderauswahl oder reagieren empfindlich auf Sinnesreize.
- Zeit geben: Planen Sie ausreichend Zeit für die Körperpflege ein.
- Angebot reduzieren: Halten Sie das Angebot an Kleidung klein und leicht kombinierbar.
- Reihenfolge festlegen: Legen Sie die Kleidungsstücke in der richtigen Reihenfolge bereit.
- Sinnesüberlastung vermeiden: Achten Sie auf eine ruhige Umgebung und vermeiden Sie laute Geräusche, helles Licht oder intensive Düfte.
- Ängste verstehen: Versuchen Sie, Ängste vor dem Baden oder Duschen zu verstehen und mögliche Auslöser zu vermeiden.
Wohnraum anpassen
Passen Sie den Wohnraum an die Bedürfnisse der erkrankten Person an, um Stürze und Unfälle zu vermeiden.
- Stolperfallen beseitigen: Entfernen Sie Teppiche, Kabel und andere Gegenstände, die eine Stolpergefahr darstellen können.
- Gute Beleuchtung: Sorgen Sie für eine gute Beleuchtung, insbesondere in Fluren und Treppenhäusern.
- Sicherheitsvorkehrungen: Installieren Sie Handläufe im Badezimmer und rutschfeste Unterlagen in der Dusche.
- Herdabschaltautomatik: Installieren Sie eine Herdabschaltautomatik, um Brandgefahren zu vermeiden.
- Notrufknopf: Bringen Sie einen Notrufknopf an, um im Notfall schnell Hilfe rufen zu können.
Rechtliche und finanzielle Aspekte klären
Bei einer Demenzerkrankung stellen sich viele rechtliche und finanzielle Fragen, die für die Zukunft geregelt werden müssen.
- Vorsorgevollmacht: Erstellen Sie eine Vorsorgevollmacht, um sicherzustellen, dass im Falle der Geschäftsunfähigkeit eine Vertrauensperson Entscheidungen treffen kann.
- Patientenverfügung: Verfassen Sie eine Patientenverfügung, um Ihre Wünsche bezüglich medizinischer Behandlungen festzulegen.
- Pflegegrad beantragen: Beantragen Sie einen Pflegegrad, um finanzielle Unterstützung für die Pflege zu erhalten.
- Finanzielle Beratung: Lassen Sie sich hinsichtlich finanzieller Hilfen und Ansprüche beraten.
Entlastung für Angehörige suchen
Die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die oft über Jahre dauern kann. Es ist wichtig, als Angehöriger auch auf sich selbst zu achten und sich regelmäßig Auszeiten zu nehmen, um nicht an die eigenen Grenzen zu stoßen.
- Hilfe annehmen: Scheuen Sie sich nicht, Hilfe von anderen Familienmitgliedern, Freunden oder professionellen Pflegediensten anzunehmen.
- Selbsthilfegruppen: Treten Sie einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Demenzkranken bei, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und Unterstützung zu erhalten.
- Pflegekurse: Besuchen Sie Pflegekurse, um Ihr Wissen über die Pflege von Demenzkranken zu erweitern und praktische Tipps zu erhalten.
- Psychologische Unterstützung: Nehmen Sie psychologische Unterstützung in Anspruch, um mit den emotionalen Belastungen der Pflege umzugehen.
- Entspannungsübungen: Praktizieren Sie Entspannungsübungen wie autogenes Training oder Yoga, um Stress abzubauen.
- Hobbys pflegen: Nehmen Sie sich Zeit für Ihre eigenen Hobbys und Interessen, um Kraft zu tanken.
Warnzeichen der Überforderung erkennen
Achten Sie auf Warnzeichen einer Überforderung wie Schlafstörungen, anhaltende Erschöpfung, Reizbarkeit oder soziale Isolation. Suchen Sie rechtzeitig Hilfe, um Ihre eigene Gesundheit und Ihr Wohlbefinden zu schützen.
Die Entscheidung für ein Pflegeheim
Je weiter die Krankheit fortschreitet, desto mehr ändern sich die Bedürfnisse der betroffenen Person. Im Frühstadium kann man sich durchaus darüber unterhalten und austauschen. An dieser Stelle können die Betroffenen das noch selbst mitentscheiden und eine Meinung dazu haben. Das wird natürlich schwieriger, wenn die Demenz weiter fortschreitet - ab einem gewissen Punkt ist ein Selbstentscheiden nicht mehr möglich. Man merkt aber beispielsweise: Geht es dem Betroffenen besser, wenn er alleine oder mit nur einer Person zusammen ist, oder eher bei geselligeren Zusammenkünften?
Die Entscheidung ist aber auch stark von den Angehörigen abhängig. Wenn ich als Angehöriger eine Lebenssituation habe, mit der ich häusliche Pflege gut vereinbaren kann und ich merke, das tut auch dem Betroffenen gut, ist das wunderbar. Es gibt aber auch ganz häufig den Fall, dass die Angehörigen an eine Belastungsgrenze kommen. Sei es aufgrund der eigenen Lebensumstände oder des Ausmaßes der Erkrankung. Dann kann ein Pflegeheim notwendig und wichtig sein. An diesem Punkt geht es darum, den Übergang in ein Heim gut und unterstützend zu gestalten - sowohl für die oder den Betroffenen als auch für die Angehörigen. Das bedeutet, sich langfristig mit der Entscheidung auseinanderzusetzen, sich ein umfangreiches Bild von dem Heim zu machen und auch zu überlegen: Wie gestalte ich mein Leben ohne meinen Angehörigen? Brauche ich dabei Unterstützung?
Viele vergessen, dass ein Pflegeheim auch bedeuten kann, mehr Zeit für den Erkrankten zu haben. Mehr qualitative Zeit mit ihm zu verbringen, ohne sich um Pflege und Versorgung sorgen zu müssen. Hier herrscht nach wie vor noch oft ein Schwarz-Weiß-Denken - dabei bedeutet ein Pflegeheim nicht, sich nicht mehr um seinen Angehörigen zu kümmern.
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