Neurofeedback (NF), auch bekannt als EEG-Biofeedback, ist eine nicht-invasive, medikamentenfreie Methode des Gehirntrainings. Es misst und verarbeitet Hirnströme in Echtzeit, mit dem Ziel, durch Modulation der Gehirnaktivität eine Verhaltensänderung zu bewirken. NF findet häufig Anwendung bei Epilepsie, Migräne, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Autismus-Spektrum-Störung und insbesondere affektiven Störungen.
Grundlagen des Neurofeedback
Neurofeedback ist eine therapeutische Form des Biofeedbacks, bei der Patient:innen lernen, ihre eigene Gehirnaktivität, gemessen mittels EEG, bewusst zu regulieren. Durch operante Konditionierung erhalten sie in Echtzeit Rückmeldung über ihre Hirnströme und werden darin geschult, gewünschte neuronale Muster zu fördern und unerwünschte zu hemmen.
Wie funktioniert Neurofeedback?
- Messung der Hirnströme: Elektroden auf der Kopfhaut erfassen die Gehirnaktivität.
- Echtzeit-Analyse: Die gemessenen Hirnströme werden in Echtzeit analysiert und in ein Feedbacksignal umgewandelt.
- Rückmeldung: Der Patient erhält eine visuelle oder auditive Rückmeldung über seine Gehirnaktivität, z.B. in Form eines Computerspiels.
- Selbstregulation: Der Patient lernt, seine Gehirnaktivität bewusst zu beeinflussen, um das gewünschte Feedback zu erhalten.
Neurofeedback informiert den Patienten durchgehend über seine aktuelle Gehirnaktivität, damit er bestimmte neuronale Aspekte selbst regulieren lernt. Die Ausgestaltung dieser Elemente ist Grundlage eines NF-Protokolls. Diese betrifft u. a. die Festlegung auf ein bestimmtes Messverfahren, ein aus einer bestimmten Region extrahiertes, neuronales Aktivitätsmerkmal und die Art des Feedbacks. Unterscheidet sich zwischen sonst identischen Protokollen allein die Auswahl der Elektrodenposition (z. B. frontale vs. parietale Regionen), können dadurch unterschiedliche neuronale Netzwerke angesprochen werden, die unterschiedlichen kognitiven Funktionen unterliegen. Zudem kann sich die Effizienz von Protokollen trotz Auswahl eines gleichen und aus derselben Region extrahierten neuronalen Merkmals unterscheiden, wenn z. B.
Lernmechanismen beim Neurofeedback
Bei NF werden unterschiedliche Lernmechanismen diskutiert.
- (i) Operantes und klassisches Konditionieren: Frühe NF-Phasen sind zunächst besonders durch fluktuierende Feedback-Signale charakterisiert, die stochastische und unkonditionierte neuronale Variabilität widerspiegeln. Nachfolgend erreicht die neuronale Aktivität sporadisch und zufällig den Bereich der erwünschten Aktivität, bei dem der Proband entsprechendes Feedback erhält. Dadurch ist das Gehirn in der Lage, einen bestimmten neuronalen Zustand als internen Sollwert zu speichern, und schüttet belohnungsmodulierende Signale wie Dopamin aus, die auch für die neuronale Plastizität wichtig sind. Bei nachfolgenden Rückmeldeschleifen versucht der Proband, die erwünschte Gehirnaktivität durch Anwendung mentaler Strategien zu reproduzieren, verwendet idealerweise immer effizientere Strategien, trifft den Sollwert besser und verändert somit leichter seine Gehirnaktivität.
- (ii) Zwei-Prozess-Theorie von Lacroix (1986): Diese Theorie wurde von Wood et al. (2014) um 3, im NF-Kontext wesentliche, neuronale Netzwerke erweitert.
Neuroplastische Mechanismen
Folgende 3 neuroplastische Mechanismen stehen bei NF im Fokus.
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- (i) Hebb-Plastizität: Wenn Neurone vermehrt gemeinsam feuern, werden ihre Verbindungen gestärkt; dies vereinfacht das zukünftige Entstehen desselben Aktivitätsmusters.
- (ii) Homöostatische Plastizität: Dieser intrinsische Regulationsmechanismus verhindert das Erreichen von pathologischen Extremzuständen neuronaler Aktivität bei Gesunden. Wenn dieser Mechanismus beeinträchtigt ist, kann NF ihn normalisieren. Homöostatische Plastizität äußert sich durch einen „paradoxen Rebound“ und führt in eine gegensätzliche Richtung als trainiert.
- (iii) Plastische Veränderungen der grauen und weißen neuronalen Masse: Da strukturelle neuronale Verbindungen von der Aktivität des Netzwerks abhängen, kann NF auch zu plastischen Veränderungen der grauen und weißen neuronalen Masse führen.
Neurofeedback bei Epilepsie
Grundlagen der Epilepsiebehandlung mit Neurofeedback
Epilepsie beruht auf einer Funktionsstörung des Gehirns und entsteht durch das Zusammenwirken einer Schädigung des Gehirns und einer angeborenen erhöhten Anfallsbereitschaft. Grundsätzlich kann jeder Mensch an einer Epilepsie erkranken. Schätzungen zufolge wirken Medikamente bei etwa einem Drittel aller Epilepsie-Patienten nicht wie gewünscht. Gerade bei medikamentös therapieresistenter Epilepsie hat sich Neurofeedback als vielversprechende komplementäre Behandlungsoption etabliert. Die Studien zum Einsatz von Neurofeedback reichen bis in das Jahr 1972 zurück.
Neurofeedback-Protokolle bei Epilepsie
Verschiedene Neurofeedback-Protokolle haben sich in der Behandlung von Epilepsie als vielversprechend erwiesen:
- Sensomotorischer Rhythmus (SMR; 12‑15 Hz): Dieser Rhythmus wird über dem sensomotorischen Kortex gemessen und steht im Zusammenhang mit einem Zustand ruhiger, wacher Aufmerksamkeit und motorischer Hemmung. Ein Training zur Erhöhung der SMR‑Amplitude stabilisiert die thalamo‑kortikalen Regelkreise, die als eine Art „Torwächter“ für sensorische und motorische Signale zum Kortex wirken. Studien legen nahe, dass mit Zunahme der SMR-Aktivität ein Anwachsen thalamokortikaler Hemmung einhergeht, was indirekt dazu beiträgt, epileptogene Aktivität zu verhindern.
- Langsame kortikale Potenziale (Slow Cortical Potentials, SCPs): SCPs sind langsame Gleichspannungsverschiebungen im EEG, die die allgemeine Erregbarkeitsschwelle von kortikalen Neuronen widerspiegeln. Negative SCP‑Verschiebungen korrelieren mit erhöhter neuronaler Aktivierung und Erregbarkeit, positive mit Hemmung und reduziertem Erregbarkeitsniveau. Das SCP‑Training zielt darauf ab, dass Patient:innen lernen, ihre kortikale Erregbarkeit willentlich zu senken.
- Theta/Beta-Training: Neben dem Training langsamer kortikaler Potentiale erwies sich vor allem eine Reduktion der Theta-Aktivität bei gleichzeitiger Erhöhung der SMR-Aktivität als zielführend. Inhaltlich wird bei dieser Methode SMR über dem motorischen Kortex an C3 oder C4 trainiert und frontal an Fz Theta verringert.
- Infra‑Low‑Frequency (ILF) Neurofeedback: Dieses Verfahren zielt auf die Regulierung extrem langsamer Hirnwellen im Frequenzbereich unter 0,1 Hz ab. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Datenlage für ILF‑Training bei Epilepsie bislang jedoch weniger robust. Die vorhandene Literatur besteht überwiegend aus Fallberichten, Fallserien und retrospektiven Beobachtungen aus der Praxis.
Aktuelle Studien und Forschungsergebnisse
Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2009 kam zu dem Schluss, dass das EEG-Training eine signifikante Reduktion der Anfallshäufigkeit bewirkte. Eine zusammenfassende Tabelle in einer Arbeit von Sterman aus dem Jahr 2000 zeigte, dass 82% der dort besprochenen Patienten signifikante Anfallsreduktion zeigten.
- SMR‑RCT (2020): Jiang et al. führten eine randomisierte kontrollierte Studie durch, bei der die SMR‑Gruppe eine durchschnittliche Reduktion der Anfallshäufigkeit von etwa ‑57,8 % erzielte, im Vergleich zur Placebo‑Kontrollgruppe.
- Fallstudie zum Dravet-Syndrom: Eine Fallstudie untersuchte, wie sich eine Intervention mit ILF-Neurofeedback Training (ILF-NFT) auf die Symptomatik eines achtjährigen Patienten mit Dravet-Syndrom (DS), einer seltenen und stark beeinträchtigenden Form der Epilepsie, auswirken kann. Die Ergebnisse der Fallstudie bestehen in erster Linie aus Beobachtungen der Eltern. Nach den ersten drei Trainingseinheiten zeigte sich eine deutliche Verbesserung des Schlafs, auch die Wachphasen während der Nacht sind deutlich kürzer geworden. Hinsichtlich der epileptischen Anfälle konnte festgestellt werden, dass diese sowohl in Ihrer Frequenz als auch in ihrer Intensität reduziert werden konnten. Ganz grundsätzlich hat sich das Mädchen seit dem Beginn der ILF-NFT positiv entwickelt. Ihre kognitiven und motorischen Fähigkeiten entwickeln sich ebenfalls gut, auch wenn sie nicht altersgemäß sind.
Quantitative EEG (QEEG) und Z‑Score Neurofeedback
Ein moderner Ansatz zur Optimierung von Neurofeedback‑Protokollen liegt im Einsatz von Quantitative EEG (QEEG)‑Analysen. Mithilfe von QEEG lassen sich die Quellen neuronaler Dysregulation mit deutlich höherer räumlicher und frequenzbezogener Präzision identifizieren - dadurch kann das Trainings‑ bzw. Neurofeedback‑Protokoll noch gezielter auf individuelle Muster im Gehirn abgestimmt werden.
Darüber hinaus etabliert sich das sogenannten Z‑Score Neurofeedback - hierbei wird mit einer normativen Datenbank gearbeitet, um Abweichungen der individuellen Hirnaktivität vom Normbereich zu erkennen und gezielt zu trainieren. Durch Z‑Score Training kann nicht nur Amplituden‑ und Frequenzverschiebung adressiert werden, sondern auch die Kohärenz (also die Synchronisation zwischen Gehirnarealen) - und gerade erhöhte oder dysfunktionale Kohärenz ist häufig mit Anfallsbereitschaft verbunden.
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Herausforderungen und zukünftige Forschung
Es fehlen in zahlreichen Fällen Studien mit überzeugender „Schein‑“ oder Placebo‑Kontrollbedingung. Für eine breite klinische Anwendung ist eine stärkere Standardisierung der Trainingsprotokolle notwendig. Zukünftige Forschungen werden sich verstärkt auf größere, multizentrische RCTs konzentrieren sowie auf die Kombination mit bildgebenden Verfahren. Darüber hinaus setzen wir auf innovative Entwicklungen wie das ISF-Neurofeedback (Infra-Slow Fluctuation).
Neurofeedback bei anderen neurologischen und psychischen Erkrankungen
Derzeit wird NF hauptsächlich in folgenden 3 Bereichen genutzt: als (i) therapeutisches Verfahren bei Patienten, (ii) Training zur Leistungsoptimierung gesunder Personen, (iii) experimentelle Methode zur Untersuchung eines möglichen kausalen Zusammenhangs eines neuronalen Merkmals und einer kognitiven Funktion.
Neben Epilepsie wird Neurofeedback auch bei anderen neurologischen und psychischen Erkrankungen eingesetzt:
- ADHS: Neurofeedback kann bei Kindern mit ADHS die Symptome der Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität reduzieren.
- Angststörungen und affektive Störungen: Neurofeedback kann bei der Behandlung von Angststörungen und Depressionen eingesetzt werden.
- Schlaganfallrehabilitation: Neurofeedback kann die motorische Erholung nach einem Schlaganfall unterstützen.
- Tinnitus: Neurofeedbackgestütztes EEG-α- und EEG-β-Training kann in der Therapie des chronisch-dekompensierten Tinnitus wirksam sein.
- Migräne: Neurofeedback kann die Häufigkeit und Intensität von Migräneattacken reduzieren.
Neurofeedback-Studien: Methodische Aspekte
Insgesamt sind bei der Vorbereitung von NF-Studien 4 Domänen zu berücksichtigen:
- Spezifische NF-Charakteristiken:
- Festlegung der benötigten Sitzungsanzahl.
- Verteilung der einzelnen Sitzungen über die gesamte Trainingsperiode.
- Sitzungsdauer.
- Kontrollgruppen: Die Verwendung adäquater Kontrollgruppen spielt besonders in Bezug auf die Einschätzung der Ursachen zum Therapieerfolg eine wichtige Rolle. Bezüglich NF sind 5 zu unterscheiden: (i) spezifische neurophysiologische Effekte, die durch das Training eines bestimmten Gehirnsignals entstehen, (ii) nichtspezifische Effekte, die NF-kontextspezifisch sind (z. B. Therapeut-Patient-Interaktion in einem neurotechnologischen Kontext), (iii) nichtspezifische Effekte, die generell bei Interventionen entstehen (z. B. Teilnahme an einer Form von kognitivem Training, psychosoziale Effekte, Placebo-Mechanismen usw.), (iv) Wiederholungseffekte und (v) natürliche Effekte, die positiv (z. B. Spontanremission), aber auch negativ (z. B. kognitive Verminderung durch Alterung) ausfallen können.
- Randomisierung: Die zufällige Zuteilung der Teilnehmer zu den verschiedenen Behandlungsgruppen ist wichtig, um Verzerrungen zu vermeiden.
- Angemessene Stichprobengrößen: Eine ausreichende Anzahl von Teilnehmern ist notwendig, um statistisch signifikante Ergebnisse zu erzielen.
Neuronale Oszillationen und kognitive Funktionen
Als neuronale Oszillationen wird die rhythmische neuronale Aktivität bezeichnet, die sich in verschiedenen Frequenzen (δ, θ, α, β, γ) im EEG zeigt. Neuronale Oszillationen kommen auf unterschiedlichen neuronalen Organisationsstrukturen vor. Neuronale Oszillationen wirken als Koordinationsmechanismus innerhalb und zwischen Gehirnarealen und sind funktional relevant für Kognition.
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