Neurofeedback bei Epilepsie: Studienlage und therapeutische Anwendung

Neurofeedback ist eine nicht-invasive, therapeutische Methode des Biofeedbacks, bei der Patient:innen lernen, ihre eigene Gehirnaktivität, gemessen mittels Elektroenzephalogramm (EEG), willentlich zu regulieren. Durch operante Konditionierung erhalten sie in Echtzeit Rückmeldung über ihre Hirnströme und werden trainiert, gewünschte neuronale Muster zu fördern und unerwünschte zu hemmen. Insbesondere bei medikamentös therapieresistenter Epilepsie, von der etwa ein Drittel aller Patient:innen betroffen ist, hat sich Neurofeedback als vielversprechende komplementäre Behandlungsoption etabliert.

Grundlagen des Neurofeedbacks bei Epilepsie

Neurofeedback (NF) oder EEG-Biofeedback ist eine nicht-invasive, medikamentenfreie Art des Gehirntrainings. Hirnströme werden in Echtzeit gemessen und verarbeitet, mit dem Ziel, eine Verhaltensmodifikation durch Modulation der Gehirnaktivität zu bewirken. Die häufigste Anwendung von Neurofeedback erfolgt in den Bereichen: Epilepsie, Migräne, Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung, Autismus-Spektrum-Störung und insbesondere affektive Störungen.

Bei Epilepsie beruht die Methode auf einer Funktionsstörung des Gehirns und entsteht durch das Zusammenwirken einer Schädigung des Gehirns und einer angeborenen erhöhten Anfallsbereitschaft. Grundsätzlich kann jeder Mensch an einer Epilepsie erkranken.

Sensomotorischer Rhythmus (SMR)

Der SMR (12-15 Hz), der über dem sensomotorischen Kortex gemessen wird, ist mit einem Zustand ruhiger, wacher Aufmerksamkeit und motorischer Hemmung assoziiert. Die Forschung von Sterman et al. legte die Grundlage für die Hypothese, dass ein Training zur Erhöhung der SMR-Amplitude die thalamokortikalen Regelkreise stabilisiert. Diese Regelkreise wirken als „Torwächter“ (Gating-Mechanismus) für sensorische und motorische Signale zum Kortex. Inhaltlich wird bei dieser Methode SMR über dem motorischen Kortex an C3 oder C4 trainiert und frontal an Fz Theta verringert. SMR-Neurofeedback wird seit 40 Jahren in der Epilepsie-Behandlung genutzt.

Langsame kortikale Potenziale (SCPs)

SCPs sind langsame Gleichspannungsverschiebungen im EEG, die die allgemeine Erregbarkeitsschwelle von kortikalen Neuronen widerspiegeln. Negative SCPs sind mit einer erhöhten neuronalen Aktivierung und Erregbarkeit verbunden, während positive SCPs mit einer Hemmung und reduzierten Erregbarkeit einhergehen. Das SCP-Training zielt darauf ab, dass Patient:innen lernen, ihre kortikale Erregbarkeit willentlich zu senken (d.h. Quelle: Tan, G., et al. (2009).

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Infra-Low Frequency (ILF) Neurofeedback

Neben den gut untersuchten SMR- und SCP-Protokollen hat in der klinischen Praxis das Infra-Low Frequency (ILF) Neurofeedback, auch bekannt als Othmer-Methode, an Popularität gewonnen. Dieses Verfahren zielt auf die Regulierung extrem langsamer Hirnwellen im Frequenzbereich unter 0,1 Hz ab. Hinsichtlich der wissenschaftlichen Evidenz speziell für Epilepsie ist die Datenlage für das ILF-Training jedoch deutlich weniger robust als für die SMR- und SCP-Protokolle. Die vorhandene Literatur besteht überwiegend aus Fallberichten, Fallserien und retrospektiven Anwendungsbeobachtungen aus der klinischen Praxis. Diese berichten zwar häufig von signifikanten Anfallsreduktionen, ihnen fehlt jedoch die methodische Strenge von kontrollierten Studien.

Studienlage zur Wirksamkeit von Neurofeedback bei Epilepsie

Meta-Analysen und systematische Reviews

Eine wegweisende Meta-Analyse untersuchte 10 Studien mit Patient:innen, deren Anfälle durch Medikamente nicht kontrolliert werden konnten. Die Analyse ergab eine signifikante Reduktion der Anfallshäufigkeit. Ein neuerer, umfassender Review bestätigt die positiven Effekte von SMR- und SCP-Neurofeedback.

Einzelstudien und Forschungsergebnisse

Eine zusammenfassende Tabelle in einer Arbeit von Sterman aus dem Jahr 2000 zeigte, dass 82% der dort besprochenen Patienten signifikante Anfallsreduktionen zeigten. Der RCT von Jiang et al. Eine Meta-Analyse aus 2009 (in der 9 von 10 Versuchen mit SMR-Training durchgeführt wurden) kam zu dem Schluss, dass das EEG-Training eine signifikante Reduktion der Anfallshäufigkeit bewirkte.

Fallstudien

Eine Fallstudie untersucht, wie sich eine Intervention mit ILF-Neurofeedback Training (ILF-NFT) auf die Symptomatik eines achtjährigen Patienten mit Dravet-Syndrom (DS), einer seltenen und stark beeinträchtigenden Form der Epilepsie, auswirken kann.

Methodische Aspekte und Herausforderungen

Es fehlt an Studien, die Neurofeedback mit einer überzeugenden „Schein“- oder Placebo-Bedingung vergleichen. Die bisher durchgeführten Studien weisen in ihrem "Setting" noch erhebliche methodische Schwächen auf, z. B. bei den diagnostischen Kriterien, bei der Größe der Stichproben und der Art der Kontrollgruppen.

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Des Weiteren kann sich u. U. bei einer gleichzeitigen medikamentösen Therapie insoweit ein Problem ergeben, als dass der Wirkstoff die Selbstkontroll-fähigkeit beeinträchtigen kann, nämlich dann, wenn einige Antiepileptika die ersten Anzeichen eines Anfalls unterdrücken und somit eine Selbstregulation erschwert bzw. unmöglich wird.

Das Ausmaß der technischen Ausrüstung und des Bedarfs pro Patient ist mit einer EEG-Kontrolleinheit, einem EEG-Verstärker, einem Notebook für das Neuro-Feedback, einem PC mit A/D- Wandler-Karte und einer Computertrainingseinheit (für zu Hause) enorm und stellt uns gerade jetzt, bei der eher destruktiv-restriktiven Form unserer derzeitigen Gesundheitspolitik vor finanzielle Schwierigkeiten.

EEG - bzw. Neuro - Feedback - Training

Können wir selbst unsere Anfälle erkennen und ihnen aktiv durch Selbstregulation entgegenwirken? In einem Artikel von Frau Dr. Strehl, einer Psychologin am Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen wird zum sogenannten Neuro-Feedback Stellung genommen. Dabei handelt es sich um eine Methode zur Selbstregulation auf der Basis langsamer Gehirnpotentiale. Mittels kommerziell erhältlicher mehrkanaliger EEG-Feedback-Geräte sollen Epilepsiekranke dahingehend trainiert werden, ihre Anfälle "rechtzeitig" zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Den neurophysiologischen Dreh- und Angelpunkt bilden dabei langsame Gehirnstromanteile, die sich kurz vor einem epileptischen Anfall "zum negativen Pol" hin verschieben. Diese Negativierung gilt es erstens zu erkennen (z. B. anhand einer Aura oder sonstiger Phänomene) und zweitens ihr entgegenzuwirken, indem die langsamen Gehirnstromanteile, durch entsprechendes erlerntes, autoregulatives Verhalten zum "positiven Pol" hin verschoben werden. Auf diese Art und Weise kann ein Anfall unterdrückt werden. Mit Hilfe der dafür erforderlichen technischen Ausrüstung kann der Patient sein EEG noch während der Ableitung betrachten und es durch gezieltes Training erlernen, jene langsamen Gehirnstromanteile zum "positiven Pol" hin zu lenken. Der Trainingserfolg wird ihm zeitgleich auf einem Monitor präsentiert.

Dies hört sich in der Theorie alles sehr logisch und plausibel an, aber läßt es sich in der Realität auch genauso verwirklichen?

Bei welchen Anfallsformen läßt sich diese Methode überhaupt mit dem erwünschten Erfolg, nämlich einer Reduktion der Medikamentendosis oder sogar einem Weglassen der Antiepileptika, anwenden? Wie sehr ist das Neuro-Feedback-Training auch für Kleinkinder geeignet? Dies sind nur einige Fragen, die sich bei der Betrachtung dieser Behandlungsmöglichkeit ergeben. Dennoch sollte man meines Erachtens den Ergebnissen methodisch einwandfreier Studien durchaus offen, aber kritisch gegenüberstehen. Denn individuell abgestimmt und kompetent betreut, mag diese Behandlungsalternative für den einen oder anderen Patienten durchaus eine sinnvolle Ergänzung seiner bisherigen medikamentösen Therapie sein.

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Hautleitwertstraining

Auch das im Vergleich relativ „simple“ (man kann nur mit einem Fingersensor arbeiten) Hautleitwertstraining wird in der Behandlung von Epilepsie genutzt. Ein Review durchsuchte die Literatur nach entsprechenden zum Thema Hautleitwertsbiofeedback und Epilepsie und fand, dass die angesprochenen Studien (Interventionen mit Kontrollgruppe) alle einen positiven therapeutischen Effekt von Biofeedback zeigten.

Neurofeedback bei Dravet-Syndrom: Eine Fallstudie

Die Fallstudie von Schmidt und Laugesen (2023) untersucht, wie sich eine Intervention mit ILF-Neurofeedback Training (ILF-NFT) auf die Symptomatik eines achtjährigen Patienten mit Dravet-Syndrom (DS), einer seltenen und stark beeinträchtigenden Form der Epilepsie, auswirken kann.

Hintergrund zum Dravet-Syndrom

Das Dravet-Syndrom (DS) ist eine seltene und schwere Form der Epilepsie, welche bei einem von 40.000 Epilepsie Patient:innen auftritt. Ausgelöst wird das Dravet-Syndrom durch die Mutation eines Gens, das für die Kodierung von Natriumkanälen im Zentralnervensystem verantwortlich ist. Diese genetische Mutation geht mit schwerwiegenden neurologischen Beeinträchtigungen in mehreren Gehirnbereichen einher. Besonders herausfordernd für die DS-Patient:innen sind die häufig auftretenden epileptischen Anfälle, welche weitestgehend behandlungsresistent sind. Außerdem sind Schlafstörungen eine erhebliche Herausforderung bei DS. Darüber hinaus zeichnet sich DS durch ein hohes Maß an Heterogenität des EEGs aus. Nach dem internationalen Konsens zur Diagnose und Behandlung von DS sind die Therapiemöglichkeiten begrenzt. Dies hat zur Folge, dass nur selten Anfallsremissionen erreicht werden können, weswegen anhaltende Entwicklungsstörungen und Schlafprobleme wahrscheinlich sind.

Klinisch wird im Rahmen einer DS-Erkrankung insbesondere die Kernsymptomatik therapiert. Allerdings gibt es trotz der zahlreichen pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten immer noch keine ausreichend wirksame Behandlung für DS-Patient: innen, um die neurologischen Entwicklungsstörungen, Schlafstörungen und epileptischen Anfälle zu reduzieren.

Beschreibung der Fallstudie

In dieser Fallstudie wird eine 8-jährige DS-Patientin vorgestellt, die mit Fieberkrämpfen im Alter von 5 Monaten mit zunehmender Anfallshäufigkeit, bis zu 3 mal pro Woche und einer Anfallsdauer von bis zu 30 Minuten, vorgestellt wird. Im Laufe ihrer Erkrankung wurden die epileptischen Anfälle zunehmend nicht ausschließlich durch Fieber ausgelöst, sondern auch durch niedrige Temperaturen, körperliche Aktivität sowie durch eine sensorische Stimulation. Bis zum Beginn der ILF-Neurofeedback Therapie hat die Patientin zunehmend Schlafprobleme und war in fünf Nächten pro Woche zwei bis vier Stunden pro Nacht wach. Im Rahmen einer neuropsychologischen Untersuchung in einem dänischen Epilepsie Krankenhaus wurde die psychische Entwicklung des Mädchens als um etwa ein Jahr verzögert eingeschätzt. Das Mädchen hat verschiedene pharmakologische Therapien ausprobiert, wodurch bereits erste Schädigungen der Leberfunktionen auftraten.

Das ILF-Neurofeedback-Training wurde im Dezember 2019 begonnen. Seitdem trainierte die Patientin fast täglich für ca. 30 Min. pro Sitzung. Dabei werden der NeuroAmp II sowie die Software Cygnet verwendet.

Ergebnisse der Fallstudie

Die Ergebnisse der Fallstudie bestehen in erster Linie aus Beobachtungen der Eltern, einschließlich ihrer Aufzeichnungen der Anfälle in der digitalen App, die sie mit dem dänischen Epilepsie Krankenhaus teilen.

Nach den ersten drei Trainingseinheiten zeigte sich eine deutliche Verbesserung des Schlafs, auch die Wachphasen während der Nacht sind deutlich kürzer geworden. Hinsichtlich der epileptischen Anfälle konnte festgestellt werden, dass diese sowohl in Ihrer Frequenz als auch in ihrer Intensität reduziert werden konnten. Ganz grundsätzlich hat sich das Mädchen seit dem Beginn der ILF-NFT positiv entwickelt. Ihre kognitiven und motorischen Fähigkeiten entwickeln sich ebenfalls gut, auch wenn sie nicht altersgemäß sind.

Neurofeedback bei Krebspatienten

Trotz der hohen Anzahl an Krebspatienten können kaum NF-Untersuchungen dieser Patientengruppe gefunden werden. Das Ziel einer klinischen Studie ist die Implementation und Wirksamkeitsprüfung einer NF-Intervention bei psychoonkologischen Patienten (18-70 Jahre) mit der Diagnose Krebs. Die Patienten werden zufällig in zwei Gruppen zugeordet. Nach einer Wartezeit von 5 Wochen wird die Hälfte der Patienten (40 Personen) zwei Mal wöchentlich über 5 Wochen eine NF-Therapie erhalten. Erwartet wird die Verringerung von Symptomen wie emotionaler Belastung, Erschöpfung, Müdigkeit, sowie einen Zuwachs an Lebensqualität bei beiden Therapieformen.

Methode

Das Ziel dieser kontrollierten, randomisierten klinischen Studie ist die Implementation und Wirksamkeitsprüfung einer NF-Intervention bei Patienten mit malignen onkologischen Erkrankungen. Um die Wirksamkeit dieser Maßnahme mit einer Therapie zu vergleichen, die bei Patienten mit Krebs bereits klinisch Anwendung findet, werden die Wirkungen mit denen einer Achtsamkeits-Gruppentherapie (Mindfullness based Therapy) verglichen. Hierzu werden 80 Patienten nach einer 5-wöchigen Wartelistenperiode randomisiert und zwei Mal wöchentlich, über fünf Wochen, (a) an einer NF-Intervention (n = 40) oder (b) an einer Achtsamkeits-Gruppentherapie (n = 40) teilnehmen. Outcomeparameter sind u.a. die Alphabandleistung, aber auch emotionale Distressparameter, Fatigue und Rumination. Basierend auf der aktuellen Studienlage erwarten wir Veränderungen in der Alphabandleistung, durch das NF-Training und auch durch die Vergleichsintervention, sowie die Reduktion von krebsspezifischen Beeinträchtigungen.

Klinische Implikationen

Vergleicht man die beiden Interventionen, vermuten wir eine höhere Symptomverbesserung und Selbstwirksamkeitserwartung durch das NF-Training aufgrund der individualisierten Therapieform.

Das Neurofeedback-Training wird mit dem Mind Wave Headset (NeuroSky & Inc, 2011) durchgeführt und die Elektrode wird an Cz platziert. Der Untersucher wird während des gesamten Neurofeedbacktrainings anwesend sein, aber während der Sitzungen kein verbales Feedback geben. Die Rückmeldung wird während des Trainings als Zielzustand auf dem Monitor angezeigt. Jede Intervention umfasst insgesamt 10 Trainingseinheiten über 5 Wochen, sodass jeder Patient zweimal wöchentlich übt.

Die Studienleiterin wird auch die Gruppenintervention durchführen, analog zur NF-Intervention zweimal pro Woche. Es liegen verschiedene Manuale und Übungsprogramme in deutscher Sprache vor, die Achtsamkeitsübungen vorschlagen und die gut erprobt sind.

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