Der Tod von Gerd Müller, einer der größten Fußballer Deutschlands, hat die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Demenz gelenkt, eine Krankheit, die jeden treffen kann und deren Therapie kaum Fortschritte gemacht hat. Müllers Schicksal wirft die Frage auf, ob es einen Zusammenhang zwischen seiner langen Fußballkarriere und seiner Erkrankung gibt, insbesondere im Hinblick auf die Risiken, die von Kopfbällen ausgehen.
Demenz: Eine Herausforderung für die moderne Medizin
Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen des Gehirns, die mit einem Verlust der kognitiven Fähigkeiten einhergehen. Alzheimer ist die häufigste Ursache für Demenz, aber es gibt auch andere Formen wie die Lewy-Körper-Demenz und die vaskuläre Demenz.
Während die Medizin in der Lage ist, Menschen mit Schlaganfall oder Herzinfarkt durch Medikamente und Operationen zu helfen, gibt es gegen die Auflösung des Selbst, wie sie bei Demenz auftritt, keine wirklich wirksame Behandlung. Die Krankheit lässt sich heute etwas besser managen als früher, und Symptome können teilweise und zeitweise gelindert werden, aber mehr ist meist nicht möglich.
Gerd Müller und die Alzheimer-Krankheit
Gerd Müller litt an Alzheimer, einer unheilbaren neurodegenerativen Erkrankung, die das Gedächtnis zerstört und die Persönlichkeit verändert. Der FC Bayern München machte die Erkrankung kurz vor Müllers 70. Geburtstag öffentlich. Zu diesem Zeitpunkt lebte er bereits in einem Pflegeheim. Seine Frau Uschi beschrieb seinen Zustand kurz vor seinem 75. Geburtstag als "Er schläft seinem Ende entgegen."
Müllers Fall ist kein Einzelfall unter Profifußballern. In den letzten Jahren gab es vermehrt Berichte über ehemalige Fußballspieler, die an Demenz erkrankten. Dies hat zu einer Diskussion über die möglichen Risiken des Fußballsports geführt, insbesondere im Hinblick auf Kopfbälle.
Lesen Sie auch: Einblicke in die Praxis
Die Kopfball-Debatte: Ein Fluch für Fußballweltmeister?
Die Diskussion über ein Kopfballverbot im Fußball ist nicht neu. Nach vermehrten Gehirnschäden, Demenzerkrankungen und sogar Suiziden bei Fußball- und Footballspielern wurden erste Nachforschungen angestellt.
Der Fall von Bobby Charlton, einem weiteren Weltklassefußballer, der an Demenz erkrankte, hat die Debatte weiter angeheizt. William Stewart, ein Forscher der Universität Glasgow, sagte, es sei kein Zufall, dass so viele Mitglieder der englischen Weltmeisterelf von 1966 an Demenz leiden. Er sieht darin eine Bestätigung des erhöhten Risikos von neurodegenerativen Erkrankungen im Profifußball.
Dawn Astle, deren Vater Jeff Astle, ein ehemaliger Profifußballer, im Alter von nur 59 Jahren an CTE (Chronische Traumatische Enzephalopathie) starb, fordert ebenfalls ein Umdenken im Umgang mit Kopfbällen. Sie betont, dass die Daten auf dem Tisch liegen und dass der Fußball auf das riesige Risiko für Fußballer reagieren sollte.
Studien zum Zusammenhang zwischen Kopfbällen und Demenz
Mehrere Studien haben sich mit dem Zusammenhang zwischen Kopfbällen und Demenz befasst. Eine Studie der University of Glasgow aus dem Jahr 2021 verglich 8000 ehemalige schottische Fußballer mit der "normalen" Bevölkerung. Das Ergebnis: Feldspieler hatten ein etwa viermal so hohes Demenzrisiko wie erwartet.
Eine weitere Studie der Arbeitsgruppe cBRAIN und Dozenten der Harvard Medical School in Boston aus den Jahren 2012 und 2017 ergab, dass sich die kognitive Leistung junger Fußballspieler nicht verbesserte, im Gegensatz zu Schwimmern.
Lesen Sie auch: Alles über Katrin Müller-Hohenstein
Diese Studien deuten darauf hin, dass wiederholte Kopfbälle das Gehirn schädigen und das Risiko für Demenz erhöhen können.
Was passiert im Gehirn bei Kopfbällen?
Laut Studien haben Kopfbälle eine Einwirkung von 20-40 G auf den Kopf. Zum Vergleich: Auf einer Achterbahn ist der menschliche Körper 8 G ausgesetzt, 20 G sind vergleichbar mit einem Auto, das mit 50 km/h auf eine Wand prallt.
Neurologe Andreas Gonschorek erklärt, dass das Gehirn bei starker Einwirkung von außen hin und her schwankt. Die Nervenfasern werden gezerrt und gestaucht, was bei häufiger Wiederholung zu Funktionsschäden im Gehirn führen kann.
Die Position des DFB
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat bisher kein Kopfballverbot nach englischem Vorbild erlassen. Stattdessen empfiehlt er, das Kopfballtraining im Kinder- und Jugendfußball altersgerecht zu gestalten, die Größe und das Gewicht der Bälle anzupassen und das Kopfballtraining nicht aus der harten Flanke, sondern aus einem Wurf heraus zu üben.
Der DFB argumentiert, dass die wissenschaftliche Datenlage noch zu dünn sei und es noch keinen Beweis dafür gebe, dass intensives Kopfballspiel automatisch zu CTE und Demenz führt.
Lesen Sie auch: Einblick in das Leben von Dr. Müller Durlach
Präventive Maßnahmen und Empfehlungen
Trotz der Unsicherheiten in der wissenschaftlichen Datenlage gibt es einige Empfehlungen, wie man das Risiko von Gehirnschäden durch Kopfbälle minimieren kann:
- Kopfballtraining reduzieren: Insbesondere im Kinder- und Jugendfußball sollte das Kopfballtraining reduziert werden.
- Nacken- und Halsmuskulatur stärken: Studien belegen, dass man die Krafteinwirkung auf das Gehirn vermindern kann, wenn man seine Nacken- und Halsmuskulatur bewusst anspannt und stärkt.
- Die richtige Technik anwenden: Beim Köpfen sollte man den Ball so lang wie möglich anvisieren, die Ganzkörperspannung bewahren und die Stirn hinhalten, um den Ball dort mittig zu treffen.
- Altersgerechte Bälle verwenden: Im Kinder- und Jugendfußball sollten leichtere Bälle verwendet werden.
Weitere Risikofaktoren für Demenz
Neben potenziellen Risiken durch Kopfbälle gibt es eine Reihe von weiteren Risikofaktoren für Demenz, die teilweise beeinflussbar sind:
- Alter: Ab dem 60. Lebensjahr verdoppelt sich die Demenzhäufigkeit alle fünf Jahre.
- Geschlecht: Frauen sind eher demenzgefährdet als Männer.
- Genetische Faktoren: Eine bestimmte Variante des ApoE-Gens (wichtig für den Cholesterintransport im Blut) beeinflusst die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer-Demenz zu erkranken.
- Diabetes: Diabetes erhöht das Risiko für Demenz.
- Bluthochdruck: Bluthochdruck sollte ab einem Alter von 45 Jahren behandelt werden, da er das Risiko für Small Vessel Disease und kognitive Beeinträchtigungen erhöhen kann.
- Adipositas: Übergewicht ist ein Risikofaktor für Demenz.
- Bewegungsmangel: Regelmäßige körperliche Aktivität kann das Demenzrisiko senken.
- Rauchen: Rauchen erhöht das Risiko für Demenz.
- Geringe Bildung: Eine höhere Bildung kann das Demenzrisiko senken.
- Depression: Depressionen im Alter können ein Risikofaktor oder ein Frühsymptom der Erkrankung sein.
- Schlechtes Hören: Schlechtes Hören kann zu sozialer Isolation und Depressionen führen, was wiederum das Demenzrisiko erhöhen kann.
- Psychischer Stress in mittleren Jahren: Finanzielle und berufliche Probleme und dadurch entfachte Ängste und Sorgen können das Demenzrisiko erhöhen.
- Leben ohne Partner: Wer im Alter allein lebt und sich einsam fühlt, hat ein höheres Demenz-Risiko.
- Kurzer REM-Schlaf: Verkürzte REM- oder Traumschlaf-Phasen können das Alzheimer-Risiko steigern.
- Überzuckerte Getränke: Ein hoher Konsum stark gezuckerter Getränke kann auf einen insgesamt ungesunden Lebensstil hinweisen und damit Teil eines erhöhten Demenz-Risikos sein.
Frühe Anzeichen von Demenz
Es ist wichtig, die frühen Anzeichen von Demenz zu erkennen, um frühzeitig Maßnahmen ergreifen zu können. Zu den frühen Anzeichen gehören:
- Zunehmende Vergesslichkeit von Verabredungen
- Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen
- Schwierigkeiten, sich an den Inhalt von Gesprächen zu erinnern
- Probleme, sich in der eigenen Wohnung oder im Supermarkt zurechtzufinden
- Vergessen, was man in einem bestimmten Raum tun wollte
- Schwierigkeiten, eine Mahlzeit zuzubereiten
- Probleme beim Lesen und Konzentrieren
- Schusseligkeit und Nachlässigkeit
- Wortfindungsschwierigkeiten
tags: #fußballer #muller #demenz #risikofaktoren