Tinnitus nach Schlaganfall: Ursachen, Diagnose und Behandlungsansätze

Tinnitus, das quälende Ohrgeräusch, das viele Menschen belastet, manifestiert sich als störendes Pfeifen, Rauschen oder Klingeln im Ohr. Die Ursachen für Tinnitus sind vielfältig und reichen von Lärmbelastung über altersbedingten Hörverlust bis hin zu Medikamentennebenwirkungen. Auch wenn Tinnitus und Schlaganfall selten direkt miteinander in Verbindung stehen, können sie dennoch ähnliche Ursachen haben, wie beispielsweise Gefäßerkrankungen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Ursachen von Tinnitus, insbesondere im Zusammenhang mit Schlaganfällen, und stellt die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten vor.

Ursachen von Tinnitus

Tinnitus kann verschiedene Ursachen haben, die von Umweltfaktoren bis hin zu individuellen Gesundheitszuständen reichen. Ein tiefes Verständnis dieser Ursachen ist entscheidend für die Diagnose und die Entwicklung geeigneter Behandlungsansätze.

Lärmbelastung

Lärmbelastung zählt zu den häufigsten Auslösern von Tinnitus. Dieser kann sowohl in beruflichen als auch in Freizeitsituationen auftreten:

  • Berufliche Ursachen: Menschen, die in einer lauten Arbeitsumgebung arbeiten, wie etwa in der Bauindustrie oder in der Musikbranche, sind einem erhöhten Risiko für Tinnitus ausgesetzt. Langfristige Exposition gegenüber hohen Lautstärken kann das Gehör beeinträchtigen und zu Tinnitus führen.
  • Freizeitlärm: Auch Freizeitaktivitäten, die mit lauten Geräuschen verbunden sind, wie Konzertbesuche oder das Benutzen von lauten elektronischen Geräten, können zur Entwicklung eines (oft zunächst vorübergehenden) Tinnitus beitragen.

Altersbedingter Hörverlust

Mit zunehmendem Alter lässt die Hörfähigkeit nach, was auch als Altersschwerhörigkeit oder Presbyakusis bekannt ist. Der altersbedingte Hörverlust kann teilweise mit Tinnitus einhergehen.

Hörstörungen und Krankheiten

Bestimmte Hörstörungen und Krankheiten können Tinnitus auslösen oder begünstigen:

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  • Hörsturz: Ein plötzlicher Hörverlust, auch als Hörsturz bekannt, kann von Tinnitus begleitet sein. Die genaue Ursache eines Hörsturzes ist oft unklar. Man nimmt an, dass Durchblutungsstörungen zunächst unklarer Herkunft (RR-Schwankungen, Gefäßprozesse, Mikrozirkulationsstörungen, Kompression der für die Durchblutung des Innenohrs zuständigen Arteria labyrinthi bei Akustikusneurinom) im Innenohr eine Rolle spielen. Man spricht von einem idiopathischen Hörsturz, wenn sich keine Ursache feststellen lässt wie z.B. genetisch bedingte fortschreitende Hörverschlechterung, Virusinfektion, Borreliose, Stoffwechselstörungen oder immunpathologische Prozesse durch Autoantikörper, Ruptur des runden Fensters, Zervikalsyndrom oder syndromale Erkrankungen, die mit einer Innenohrbeteiligung einhergehen.
  • Morbus Menière: Morbus Menière ist eine Innenohrerkrankung, die einen anfallartigen Drehschwindel, Hörverlust und Tinnitus verursachen kann. Charakteristisch für die Erkrankung sind Flüssigkeitsansammlungen im Innenohr.

Verletzungen und Traumata

Auch psychische Einflüsse wie etwa traumatische Ereignisse können zu Tinnitus führen:

  • Kopfverletzungen: Schädelverletzungen können das Innenohr beeinträchtigen und so Tinnitus auslösen.
  • Barotrauma: Druckveränderungen, wie sie bei Tauchgängen oder Flugreisen auftreten, können in extremen Fällen zu einem Barotrauma führen, was möglicherweise das Auftreten von Tinnitus mit sich bringt.

Medikamenteninduzierter Tinnitus

Tinnitus kann auch durch die Einnahme bestimmter Medikamente ausgelöst werden. Dazu zählen bestimmte Antibiotika, Diuretika oder nichtsteroidale Entzündungshemmer.

Pulssynchroner Tinnitus

Pulssynchroner Tinnitus unterscheidet sich von anderen Formen des Tinnitus durch das synchrone Auftreten der Ohrgeräusche mit dem eigenen Puls oder Herzschlag. Pulssynchroner Tinnitus kann für Betroffene eine herausfordernde und belastende Erfahrung sein.

Der pulssynchrone Tinnitus wird „objektiver Tinnitus“ genannt, weil das Ohrgeräusch auch von anderen Personen zum Beispiel durch Abhören mit dem Stethoskop am Schädel und den Halsgefäßen. Er kann ein- oder beidseitig auftreten und entsteht durch turbulenten Fluss in den Kopf- und Halsgefäßen. Diese Flussgeräusche werden über den Knochen zum Ohr geleitet und vom Betroffenen wahrgenommen. Die Intensität und Frequenz des pulssynchronen Ohrgeräuschs können je nach Höhe des Blutdrucks, der Pulsfrequenz und der zugrunde liegenden Erkrankung unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Besonders belastend sind diese Ohrgeräusche bei Stille wie beim Einschlafen, während des Schlafes oder beim konzentrierten Arbeiten. Der eigentliche Tinnitus wird auch „subjektiver Tinnitus“ genannt, weil er nur von der betroffenen Person gehört wird. Ursache ist eine Fehlfunktion des Gehörs. Er ist die häufigste Form und wird als Rauschen, Klingeln oder Pfeifen wahrgenommen. Er ist meistens nicht pulssynchron.

Ursachen für pulssynchronen Tinnitus

Unterschiedliche Erkrankungen der Kopf- und Halsgefäße können den pulssynchronen Tinnitus verursachen:

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  • Arterio-venöser Kurzschluss (AV-Fistel) und Blutschwamm (AV-Malformation)
  • Gefäßeinengung (Stenose) bei Atherosklerose oder Gefäßwandeinriss (Dissektion)
  • Krankhafte Gefäßerweiterung (Aneurysma)
  • Gefäßreiche Tumore in oder nahe der Schädelbasiskrankhafte Veränderungen der großen venösen Blutleiter, z.B. Stenose nach Sinusthrombose
  • Gefäßreiche Raumforderung nahe der Schädelbasis oder am Hals (z. B. Glomustumor)
  • Oder Gewebestrukturen, die auf die Halsgefäße drücken und einengen; z.B. sehr langer Knochensporn (Griffelfortsatz) an der Schädelbasis (lat. Proc. stylohyoideus sog. Eagle- Syndrom)

Tinnitus und Schlaganfall: Ein möglicher Zusammenhang

Obwohl Tinnitus und Schlaganfall selten direkt verbunden sind, teilen sie mögliche gemeinsame Ursachen wie Gefäßerkrankungen, die durch Stress verstärkt werden können. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass ein anhaltender Tinnitus in einem Hörsturz münden kann. Das ist jedoch unbegründet.

Warnzeichen für einen Schlaganfall

Ein Schlaganfall geschieht im Gehirn und hat daher je nach Ereignisort unterschiedliche Ausprägungen und Symptome. Daher sind alle Arten von motorischen Ausfällen, gestörten Sinneswahrnehmungen und Funktionsstörungen, die nicht einer anderen Ursache klar zugeordnet werden können, ein Warnzeichen für einen Schlaganfall.

Besonders typisch sind Störungen des Sehvermögens wie Doppelbilder oder verschwommene Sicht, motorische Probleme wie Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühl an den Extremitäten, Schwindel und Gangprobleme, und eine verwaschene Sprache oder Wortfindungsstörungen. Leichte Schlaganfälle bilden ihre Symptome innerhalb von 24 Stunden zurück. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr Gegenüber einen Schlaganfall hat, können Sie zur ersten Diagnose das FAST-Schema heranziehen.

Diagnose von Tinnitus

Die Diagnose von Tinnitus besteht aus drei Teilen:

  1. Ausführliches Gespräch und körperliche Untersuchung: Zuerst findet ein ausführliches, intensives Gespräch mit dem Patienten statt, gefolgt von einer körperlichen Untersuchung von Ohr, Hals und dem gesamten Kopf. Dabei wird untersucht, ob etwa ein Ohrpfropf Ursache der Ohrgeräusche ist oder Infektionen vorliegen.
  2. Hörprüfung: Eine vollständige Hörprüfung ist der zweite Teil der Diagnostik. „Das beinhaltet in ersten Schritt ein Tonaudiogramm sowie das Messen der otoakustischen Emissionen (OAE) - daraus kann sich ergeben, dass mehr audiologische Diagnostik notwendig sein könnte“, sagt die Expertin. Bei der Messung der OAE handelt es sich um die akustischen Aussendungen des Innenohrs als Reaktion auf eintreffende Schallwellen. Eine Hirnstammaudiometrie kann diesen Teil der Diagnostik abrunden. Damit lässt sich der Hörnerv überprüfen.
  3. Radiologische Untersuchungen: Falls nötig, folgen als dritter Teil radiologische Untersuchungen. Bei pulssynchronem, also gepulsten Tinnitus kann außerdem Ultraschall zeigen, ob etwa Verkalkungen von Blutgefäßen in Kopfnähe Ursache sind. Manchmal wird auf diese Weise eine durch Arteriosklerose hervorgerufene, gefährlich Engstelle entdeckt, oft verursachen aber auch angeborene vaskuläre Anomalien das Geräusch.

Diagnosemöglichkeiten bei pulssynchronem Tinnitus

Neben der Anamnese ist das Abhören an typischen Stellen des Schädels und der Halsgefäße wegweisend. Ursachen lassen sich mit Ultraschall, Computertomographie, CT-Angiographie, Kernspintomographie und MR-Angiographie abbilden. Zur Diagnosesicherung und Therapieplanung ist eine Untersuchung in Kathetertechnik unverzichtbar. In der Hand eines erfahrenen Neuroradiologen ist diese Untersuchung mit geringem Risiko verbunden.

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Behandlung von Tinnitus

Die Behandlung eines Tinnitus richtet sich sowohl nach der Ursache als auch nach der subjektiv empfundenen Belastung und den individuellen weiteren Symptomen. Die Therapie richtet sich dabei weniger auf Heilung als auf Linderung der Symptome aus, da zwar die Ursache eines Tinnitus gegebenenfalls geheilt werden kann, für das Ohrgeräusch selbst aber keine heilende Behandlung existiert.

Therapie bei Tinnitus - zwei Faktoren

Die Behandlung sollte zweigleisig fahren. Falls eine Ursache gefunden wurde, sollte diese therapiert werden, also etwa die Schilddrüsenstörung. Zusätzlich ist es sinnvoll, die Durchblutungsstörung im Ohr möglichst zeitnah zu beheben. Je länger sie besteht, desto gewisser ist es, dass Sinneszellen für immer geschädigt sind.

Angewendet werden in Deutschland eine Standart- und eine Ersatztherapie:

  • Hochdosierte Kortisontherapie über wenige Tage hinweg.
  • Falls diese kontraindiziert ist kommt die hyperbare Sauerstofftherapie zum Einsatz (Sauerstoffzufuhr in Druckkammer).

Die Erfolgsquote dabei ist beachtlich und beträgt 80 Prozent. „Allerdings kommt es auch ohne Behandlung zu genauso vielen Spontanremissionen“, schränkt die Expertin ein. Die Studien geben aber keinen Hinweis darauf, dass es sich bei den 20-Prozent-Gruppen um vergleichbare Patienten handelt, mit den gleichen Voraussetzungen. Letztendlich weiß man also noch nicht, was über Heilung und Nichtheilung bestimmt.

Behandlung von chronischem Tinnitus

Beim chronischen Tinnitus gehen Ärzte dann strategisch anders vor. Auch jetzt ist Tinnitus noch beeinflussbar, beziehungsweise die Belastung, die er für den einzelnen bedeutet. „Gibt es keine fassbare Ursache, ist Tinnitus für den Körper wie eine Narbe - manche Narben sieht man, diese Narbe hört man“, zieht die HNO-Ärztin den Vergleich. Mit dieser hörbaren Narbe muss man wie mit einer sichtbaren umgehen, die man im Laufe der Zeit nicht mehr wahrnimmt.

Die Wahrnehmungsverschiebung unterstützen Masker und Noiser, die wie Hörgeräte tagsüber getragen werden und auf den persönlichen Tinnitus abgestimmt sind, ihn angenehm überlagern oder vollständig überdecken. „Dem Gehirn wird damit vermittelt, das ist ein Geräusch, das ich abends auf dem Nachttisch ablege“, erklärt die Expertin die Funktion. Nach rund drei Monaten hat das Gehirn das Ablegen mit dem Ende des inneren Geräuschs gleichgesetzt.

Wem das auf diese Weise immer noch nicht gelingt, wird mit der Tinnitus-Retraining-Therapie durch einen Psychosomaten vielleicht Erfolg haben. Dazu gehören unter anderem ausführliche Beratung, Entspannungstherapien, Osteopathie.

Eine Alternative könnte eine neue Methode sein, die derzeit die Experten des Deutschen Hörzentrums an der Medizinischen Hochschule Hannover anbieten. „Dabei handelt es sich um eine Neuromodulation, die über den Nervus Trigeminus subkortikal die Hörwahrnehmung gleichzeitig mit der Ohrgeräuschwahrnehmung verschiebt“, erklärt Anke Lesinski-Schiedat. Das bedeutet: Über einen Kopfhörer wird Schall ans Ohr geleitet, parallel dazu stimuliert ein Chip über die Zunge den Nervus Trigeminus.

Das solle zu einer Wahrnehmungsverschiebung im Gehirn führen. Allerdings muss diese Übung täglich über mehrere Monate durchgeführ…

Therapie bei pulssynchronem Tinnitus

Die Art der Behandlung ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung, dem Behandlungsrisiko und vom spontanen Hirnblutungsrisiko. Beeinträchtigt der Tinnitus das private und berufliche Leben bis hin zur Berufsunfähigkeit, ist eine Behandlung angeraten.

  • Durale AV-Fisteln: Therapie der Wahl ist der Fistelverschluss in Mikrokathetertechnik, wobei der Fistelpunkt über die zuführende Arterie meist mit Gewebekleber verschlossen wird. Manchmal kann die Fistel durch Verschluss der ableitenden Hirnvenen behandelt werden oder es wird ein kombinierter Therapieansatz gewählt. Bei komplexen Fisteln sind oft mehrere Behandlungen notwendig.
  • Einengung (Stenose) der großen venösen Blutleiter: Kann erfolgreich mit einem Stent und Aufdehnung (PTA) behandelt werden.

Psychosomatischer Tinnitus

Psychosomatischer Tinnitus bezieht sich auf Ohrgeräusche, die durch psychische oder emotionale Faktoren verursacht oder verstärkt werden. So entsteht Tinnitus häufig in Folge von Stress, Angstzuständen, Depressionen oder traumatischen Erlebnissen. Obwohl der Tinnitus selbst ein physiologisches Phänomen ist, kann seine Wahrnehmung und Schwere stark von der psychischen Verfassung der betroffenen Person beeinflusst sein. Ein besonders hoher Stresszustand und gleichzeitiges Auftreten von Tinnitus sind daher besonders ernst zu nehmen: Der eigene Körper und die Psyche fungieren als Schutzschild und zeigen Warnsignale, wann die emotionale Belastung zu hoch ist. Da Tinnitus und Stress oft in direktem Wirkungsgefüge stehen, konzentriert sich die Behandlung von psychosomatischem Tinnitus häufig auf die psychologische Unterstützung und Stressbewältigungstechniken.

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