Tinnitus, vom lateinischen Wort für „Klingeln“, ist ein weit verbreitetes Phänomen, bei dem Betroffene Geräusche wahrnehmen, die keine äußere Schallquelle haben. Diese Ohrgeräusche werden oft als Pfeifen, Brummen, Rauschen, Klicken, Klopfen oder Summen beschrieben und können in ihrer Lautstärke, Tonhöhe und Lokalisation variieren. Etwa jeder vierte Erwachsene in Deutschland hat bereits Erfahrungen mit Tinnitus gemacht. In den meisten Fällen verschwinden die Symptome von selbst, doch wenn die Ohrgeräusche länger als drei Monate anhalten, spricht man von chronischem Tinnitus.
Arten von Tinnitus
Man unterscheidet zwischen subjektivem und objektivem Tinnitus. Subjektiver Tinnitus, bei dem nur der Betroffene die Geräusche wahrnimmt, ist die häufigste Form. Objektiver Tinnitus hingegen ist selten und durch eine tatsächliche Schallquelle im Körper verursacht, beispielsweise durch Gefäßprobleme. In diesem Fall können Ärzte die Geräusche ebenfalls hören oder nachweisen, oft als pulsierendes Geräusch synchron zum Herzschlag.
Ursachen von Tinnitus
Ein Tinnitus ist ein Symptom dafür, dass im komplexen Hörsystem etwas nicht richtig funktioniert. Dieses System umfasst das Außen-, Mittel- und Innenohr, den Hörnerv, die Hörbahn und das Hörzentrum im Gehirn. Störungen in jedem dieser Bereiche können Tinnitus verursachen. In manchen Fällen kann bereits ein Ohrenschmalzpfropfen im Gehörgang die Ursache sein.
Häufig tritt Tinnitus in Verbindung mit Schwerhörigkeit auf, wobei die Betroffenen die Hörminderung oft nicht bemerken, da der Tinnitus im Vordergrund steht. Lärmbelastung ist ein weiterer häufiger Auslöser. Menschen, die beruflich Lärm ausgesetzt sind, wie Fabrikarbeiter oder Musiker, können durch die Schädigung der sensorischen Haarzellen im Innenohr einen Tinnitus entwickeln.
Weitere mögliche Ursachen sind:
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- Erkrankungen des Ohres und der Hörbahn: Morbus Menière, Otosklerose, chronische Mittelohrentzündungen, geplatztes Trommelfell
- Kiefergelenksprobleme
- Grunderkrankungen: Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Angststörungen, Depressionen
- Medikamente: Chemotherapien, Antibiotika, Aspirin, bestimmte Schmerzmittel
In vielen Fällen lässt sich jedoch keine eindeutige Ursache für den Tinnitus feststellen.
Mögliche Folgen eines Tinnitus
Die meisten Menschen können gut mit Tinnitus leben. Wenn der Tinnitus jedoch zu einer starken Belastung wird, können sich schwerwiegende Probleme entwickeln:
- Schlafstörungen
- Depressionen
- Angstzustände
- Gedächtnisprobleme
- Konzentrationsschwäche
Vorbeugung von Tinnitus
Lärmbedingter Hörverlust ist eine der Hauptursachen für Tinnitus. Daher ist es wichtig, sich vor lauten Geräuschen zu schützen, indem man Lärmquellen vermeidet, die Lautstärke reduziert oder Gehörschutz trägt. Zudem sollte man Ohrenerkrankungen vollständig auskurieren und Stress vermeiden.
Es ist ratsam, einen Arzt aufzusuchen, wenn:
- Der Tinnitus belastet
- Der Tinnitus schlimmer wird
- Der Tinnitus Schlaf und Konzentration beeinträchtigt
- Angst oder Depressionen auftreten
- Der Tinnitus zusammen mit einem plötzlichen Hörverlust auftritt
Diagnose von Tinnitus
Der erste Ansprechpartner ist in der Regel der Hausarzt, der eine Überweisung an einen HNO-Arzt veranlassen kann. Der HNO-Arzt untersucht Hals, Nase und Ohren, überprüft das Gehör und führt weitere Tests durch, um die Lautstärke und den Schweregrad des Tinnitus zu bestimmen. Dabei werden vier Schweregrade unterschieden:
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- Grad: Gut kompensiert, kein Leidensdruck
- Grad: Tritt hauptsächlich bei Stille auf und wirkt störend bei Stress
- Grad: Dauernde Beeinträchtigung im privaten und beruflichen Bereich
- Grad: Völlige Dekompensation im privaten Bereich, Berufsunfähigkeit
Zusätzlich können weitere Fachärzte wie Neurologen, Orthopäden, Zahnärzte, Psychiater oder Psychologen hinzugezogen werden, um Begleiterkrankungen zu behandeln.
HNO-ärztliche Untersuchung
Im Rahmen der HNO-ärztlichen Untersuchung werden folgende Schritte durchgeführt:
- Ohrmikroskopie: Untersuchung des Außenohrs und Trommelfells mit einem Ohrmikroskop.
- Hörtest (Audiometrie): Überprüfung der Hörleistung des Innenohrs.
- Gleichgewichtsprüfung: Untersuchung der Funktion des Gleichgewichtsorgans im Innenohr.
- Otoakustische Emissionen (OAE): Messung der Aktivitäten der Haarzellen des Innenohrs.
- Fragebögen: Erfassung der Tinnitusbelastung und der daraus resultierenden Einschränkungen im Alltag.
- Weitere Untersuchungen: Bei einseitigen Ohrgeräuschen kann eine Kernspintomographie des Kopfes sinnvoll sein, um Tumore am Hör- und Gleichgewichtsnerv auszuschließen.
Audiometrie
Die Audiometrie ist ein wichtiger Bestandteil der Tinnitus-Diagnostik. Hierbei werden verschiedene Hörtests durchgeführt:
- Hörweiten- bzw. Sprachabstandsprüfung: Der Arzt flüstert oder spricht Worte in verschiedenen Entfernungen vom Patienten, um das Hörvermögen zu prüfen.
- Stimmgabelprüfung: Eine Stimmgabel wird an verschiedenen Stellen des Kopfes aufgesetzt, um festzustellen, ob eine Schwerhörigkeit durch eine Störung der Schallempfindung oder eine fehlerhafte Schallleitung verursacht wird (Weber-Versuch).
- Tonaudiometrie: Mit einem Audiometer werden Töne in unterschiedlichen Höhen abgespielt, um die Hörschwelle zu ermitteln.
- Sprachaudiometrie: Das Audiometer gibt mehrsilbige Zahlen oder einsilbige Wörter in verschiedenen Lautstärken wieder, um die Sprachverständlichkeit zu prüfen.
Weitere Diagnoseverfahren
- Tinnitus-Matching: Bestimmung der subjektiven Lautstärke und Tonhöhe des Tinnitus.
- Tinnitus-Masking: Feststellung, ob bestimmte Tonhöhen die Ohrgeräusche verdecken können.
- Gleichgewichtsprüfung: Überprüfung des Gleichgewichtssystems.
- Tympanometrie: Beurteilung der Beweglichkeit des Trommelfells.
- Hirnstammaudiometrie: Messung der Nervenreaktionen im Gehirn bei der Verarbeitung von Hörreizen.
- Nasopharyngoskopie: Spiegelung des Nasen-Rachen-Raums, um krankhafte Veränderungen in der Umgebung des Ohrs festzustellen.
- Untersuchung des Kiefers und des Kauapparats: Bei Verdacht auf eine Kiefergelenksdysfunktion.
- Psychologische Abklärung: Bei begleitenden Depressionen, Angststörungen oder anderen psychischen Problemen.
- Blutuntersuchungen: Bei Verdacht auf Erkrankungen von Herz, Kreislauf oder Stoffwechsel.
Therapie von Tinnitus
Die Behandlung von Tinnitus hängt von der Ursache ab. Wenn eine Grunderkrankung vorliegt, wird diese behandelt. Für chronischen Tinnitus gibt es viele Therapieansätze, aber keine kann den Tinnitus nachweislich heilen oder abschwächen. Es gibt jedoch wirksame Behandlungen, die helfen können, mit dem Tinnitus zu leben.
Behandlungsmethoden
- Kognitive Verhaltenstherapie: Erlernen von Strategien, um mit dem Tinnitus umzugehen, insbesondere bei Depressionen oder Angststörungen.
- Hörgeräte: Bei einer zugrundeliegenden Schwerhörigkeit können Hörgeräte helfen, Außengeräusche wieder vermehrt wahrzunehmen und den Tinnitus zu überdecken.
- Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT): Eine Kombination aus Counseling und akustischer Therapie, um den Stress durch die Ohrgeräusche zu mindern.
- Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen.
- Entspannungstechniken: Yoga oder andere Entspannungsübungen können helfen, den Tinnitus weniger wichtig zu nehmen.
- Medikamentöse Behandlung: Im Anfangsstadium kann eine Therapie mit Cortison in manchen Fällen erfolgreich sein. Durchblutungsfördernde Medikamente werden teilweise begleitend eingesetzt, ihre Wirksamkeit ist aber nicht bewiesen. Die pharmakologische Behandlung begleitender psychischer Störungen oder anderer Grunderkrankungen kann die Symptome bessern.
- Tinnitus-Noiser: Geräte, die wie Hörgeräte im Ohr getragen werden und ein Rauschen in einer speziellen Frequenz erzeugen, um den Tinnitus zu überlagern.
- Hörtrainings: Bei spezialisierten Hörgeräteakustikern.
- Traditionelle chinesische Medizin: Umfassende therapeutische Programme, die auf einer individuellen chinesischen Diagnose fußen. Hierzu zählen die Prinzipien der chinesischen Diätetik, individuelle Akupunkturprogramme und das Erstellen von chinesischen Arzneimitteldekokten.
Was Sie selbst tun können
- Dem Tinnitus wenig Bedeutung im eigenen Leben geben.
- Entspannungstechniken anwenden.
- Sich nicht auf den Tinnitus konzentrieren, da dies die Symptome verschlimmern kann.
- Stress reduzieren.
Pulssynchroner Tinnitus
Eine spezielle Form des Tinnitus ist der pulssynchrone Tinnitus, bei dem die Ohrgeräusche synchron zum Herzschlag auftreten. Dieser wird oft als pochendes, pulsierendes oder zischendes Geräusch wahrgenommen und kann durch Anstrengung, Aufregung, Blutdruckveränderungen oder Körperlage beeinflusst werden.
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Ursachen des pulssynchronen Tinnitus
- Arterio-venöse Kurzschlüsse (AV-Fisteln)
- Gefäßeinengungen (Stenosen)
- Krankhafte Gefäßerweiterungen (Aneurysmen)
- Gefäßreiche Tumore
- Veränderungen der großen venösen Blutleiter
Diagnose des pulssynchronen Tinnitus
Neben der Anamnese ist das Abhören an typischen Stellen des Schädels und der Halsgefäße wegweisend. Ursachen lassen sich mit Ultraschall, Computertomographie, CT-Angiographie, Kernspintomographie und MR-Angiographie abbilden. Zur Diagnosesicherung und Therapieplanung ist eine Untersuchung in Kathetertechnik unverzichtbar.
Therapie des pulssynchronen Tinnitus
Die Art der Behandlung ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung. Häufige Behandlungen sind der Fistelverschluss in Mikrokathetertechnik oder die Behandlung von Gefäßstenosen mit Stents.
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