Österreich hat eine lange Migrationsgeschichte, die durch Phasen der Auswanderung kleinerer Bevölkerungsgruppen, aber vor allem durch Zuwanderung und Transitmigration aufgrund von bewaffneten Konflikten, bilateralen Anwerbeabkommen und dem EU-Beitritt gekennzeichnet ist. Die Zuwanderung nach Österreich erreichte ihren Höhepunkt während der Phase der umfangreichen Migration von Flüchtlingen im Jahr 2015. In Österreich leben 229.400 Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von 65 Jahren und älter. Schätzungsweise 15.800 dieser Menschen weisen eine Form der Demenz auf. Berechnungen zeigen, dass die am stärksten betroffenen Migrantengruppen wahrscheinlich aus Deutschland (ca. 3.300), Serbien (ca. 2.000), Bosnien und Herzegowina (ca. 1.400), der Tschechischen Republik (ca. 1.400) und der Türkei (ca. ).
Die Rolle der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft (ÖAG)
Die Österreichische Alzheimer Gesellschaft (ÖAG) spielt eine zentrale Rolle in der Versorgung und Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Im Idealfall beginnt die Diagnostik beim Hausarzt, der einen ersten Screeningtest durchführt. Danach werden beim Facharzt ein MRT und neuropsychologische Diagnostik zur weiteren Abklärung durchgeführt. Bei guter Frühdiagnostik soll man verhindern können, dass eine leichte kognitive Störung zu einer Demenz wird und in Zukunft frühzeitig Antikörperpräparate anwenden können. Für ein Screening von Gesunden sind die Tests noch zu ungenau und die Therapie ist noch nicht ausreichend.
Stufenmodell der ÖAG
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Elisabeth Stögmann stellte das Stufenmodell der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft (ÖAG) vor. Neben dem Wunsch, dass der Stufenplan der ÖAG auch von der Politik übernommen wird, ging es hier auch um das Thema Gesundheitsdaten. Es gibt derzeit noch keine erfassten Daten über die Frühstadien von Demenz, sondern nur epidemiologische Hochrechnungen. Es stelle sich die Frage: „Wie viele Vorstadien von Demenz haben wir?“. Dabei spiele der Wandel von rein klinischen Diagnosekriterien zu vorrangig über biologische Marker definierte Kriterien mit eine Rolle.
Demenz in Österreich: Eine wachsende Herausforderung
Demenz ist eine fortschreitende Gehirnerkrankung, die Gedächtnisverlust, Verwirrung und kognitive Beeinträchtigungen verursacht. Laut der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft sind in Österreich etwa 130.000 Menschen betroffen, und es wird erwartet, dass diese Zahl bis 2050 auf über 250.000 ansteigen könnte. Diese Zahlen verdeutlichen die wachsende Bedeutung der Demenzprävention, -diagnostik und -versorgung in Österreich.
Prävention und Risikofaktoren
Die Österreichische Alzheimer Gesellschaft betont die Bedeutung eines gesunden Lebensstils zur Verringerung des Demenzrisikos. Zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen gehören:
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- Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität verbessert die Durchblutung des Gehirns, fördert die Neubildung von Nervenzellen und kann das Demenzrisiko senken.
- Ausgewogene Ernährung: Eine Ernährung, die reich an Gemüse, Beeren, Obst, Vollkornprodukten, Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren ist, kann demenzfördernde Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck vorbeugen.
- Soziale Interaktionen: Aktive soziale Netzwerke regen den Geist an, reduzieren Stress und fördern einen gesunden Lebensstil.
- Geistige Aktivität: Das Gehirn ist wie ein Muskel, der regelmäßig trainiert werden muss. Die Stärkung der geistigen und kognitiven Reserve macht das Gehirn widerstandsfähiger.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Nichtrauchen, mäßiger Alkoholkonsum sowie die Kontrolle von Blutdruck, Cholesterin und Blutzucker sind wichtig.
Einfluss von Lebensstil und Genetik
Gene wie APOE, PSEN1 und PSEN2 können das Alzheimer-Risiko erhöhen, vor allem bei familiärer Vorbelastung. Allerdings führt eine genetische Veranlagung nicht zwangsläufig zu Demenz, da auch andere Faktoren eine Rolle spielen.
Kardiovaskuläre Gesundheit beeinflusst die kognitive Funktion und das Demenzrisiko. Herzerkrankungen, Bluthochdruck und hoher Cholesterinspiegel können die Gehirndurchblutung stören, was zu kognitiven Beeinträchtigungen führt.
Der Bildungsstand beeinflusst das Demenzrisiko erheblich. Höher gebildete Personen haben seltener Demenz und mildere Symptome, da eine größere kognitive Reserve das Gehirn gegen Schäden schützt. Höhere Bildung führt auch zu gesünderem Lebensstil und mehr geistiger Aktivität, was beides das Risiko weiter senkt.
Symptome und Diagnose
Die Symptome der Alzheimer-Krankheit können vielfältig sein und variieren von Person zu Person. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Einschränkung der Merkfähigkeit: Oft als erstes Symptom erkennbar.
- Störungen der Sprache: Die Sprache vereinfacht sich, der Wortschatz schrumpft, und Patient:innen nutzen oft Umschreibungen.
- Schwankende Gefühlslage: Die Stimmung von Betroffenen kann schnell und unerwartet wechseln, was das Umfeld stark belasten kann.
Um festzustellen, ob eine degenerative Demenz vorliegt oder eine andere behandelbare Erkrankung, werden neurologische, psychiatrische und internistische Untersuchungen durchgeführt. Das Anamnesegespräch erfasst die persönliche und medizinische Geschichte des Patienten oder der Patientin, inklusive psychischer und sozialer Faktoren. Spezifische Tests messen Gedächtnis, Sprachfähigkeiten, Orientierung, Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu lösen.
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Behandlungsmöglichkeiten
Zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die primär darauf abzielen, die Selbstständigkeit der Patienten oder der Patientin zu erhalten und den Verlauf der Erkrankung zu verzögern.
- Cholinesterase-Hemmer: Diese werden vornehmlich in leichten bis mittelschweren Stadien verwendet, um die Nervenzellfunktion zu unterstützen und den Abbau des Botenstoffs Acetylcholin zu verhindern.
Neben der medikamentösen Therapie spielen nicht-medikamentöseAnsätze eine wichtige Rolle:
- Gedächtnistraining: Fördert geistige Fähigkeiten, hilft Gedächtnisdefizite zu kompensieren und stärkt in stressfreier Atmosphäre die individuelle Entwicklung.
- Musiktherapie: Verbessert kognitive Funktionen und die Lebensqualität, indem sie emotionale Erinnerungen aktiviert und Kommunikation fördert.
- Ergotherapie: Hilft Demenzpatienten, ihre Unabhängigkeit und Lebensqualität zu erhalten, durch Lösungen für Alltagsaufgaben und die Integration von Angehörigen.
- Validation: Wertschätzender Umgang mit den Gefühlen und Bedürfnissen von Menschen mit Demenz.
Leqembi (Lecanemab): Ein neuer Hoffnungsträger
Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) ist ein neues Medikament zur Behandlung der frühen Alzheimer-Krankheit. Es richtet sich an Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) bei Alzheimer oder im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit. Seit dem 25. August 2025 ist Leqembi in Österreich erhältlich, in Deutschland ab dem 1. September. Die Zulassung durch die Europäische Kommission erfolgte im April 2025.
Wirkungsweise und Studienergebnisse
Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab beziehungsweise verhindert die Bildung neuer Plaques. Leqembi reduziert schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn.
In der großen Phase-3-Studie CLARITY AD zeigte sich, dass die Erkrankung bei den Teilnehmenden, die Leqembi erhielten, langsamer fortschritt als in der Placebo-Gruppe. Ergebnis der Studie war, dass die Krankheit bei denjenigen, die Lecanemab erhielten, um 27 Prozent langsamer voranschritt als bei der Kontrollgruppe. Trotz der messbaren Wirksamkeit wird die Wirkung von Leqembi von vielen Expertinnen und Experten eher als moderat eingeschätzt. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt.
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Voraussetzungen für die Behandlung
Wer mit Leqembi behandelt werden kann, muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI, zu Deutsch „leichte kognitive Störung“) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz.
Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET. Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des sogenannten ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen. In Kombination mit dem Medikament steigt das Risiko für eine Hirnblutung deutlich.
Vor dem Beginn der Behandlung mit Leqembi wird geprüft, ob die Patientin oder der Patient das so genannte ApoE4-Gen besitzt. Menschen mit einer doppelten Kopie dieses Gens (ApoE4-Homozygote) haben ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen und können deshalb nicht mit Leqembi behandelt werden. Der Gentest macht die Therapie sicherer.
Ablauf der Behandlung
Leqembi wird als Infusion (Tropf) alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Die Behandlung dauert jeweils etwa eine Stunde. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen. Diese Untersuchungen müssen vor der 5., 7. und 14. Dosis erfolgen. Werden die vorgeschriebenen MRTs nicht durchgeführt, muss die Behandlung beendet werden.
Mögliche Nebenwirkungen
In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen.
Bei den für die EU-Zulassung relevanten Patientengruppen - also Menschen mit höchstens einer Kopie des ApoE4-Gens - kam es in rund 13 % der Fälle zu Hirnblutungen und in 9 % zu Hirnschwellungen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen (11 %) und Infusionsreaktionen (26 %).
Besondere Sicherheitsvorkehrungen
Nur Patientinnen und Patienten, die alle Voraussetzungen erfüllen, dürfen mit Leqembi behandelt werden. Vor Beginn der Therapie erhalten sie ebenso wie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte ausführliche Informationen, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und richtig einzuordnen. Zusätzlich ist die Teilnahme an einem EU-weiten Kontrollprogramm verpflichtend (Controlled Access Program, CAP). Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen in ein zentrales Register eingeschrieben werden. Zu Beginn der Therapie erhalten die Erkrankten eine Patientenkarte und ausführliche Aufklärungsunterlagen. Die Behandlung mit Leqembi wird beendet, wenn sich die Alzheimer-Erkrankung deutlich verschlechtert und in ein mittelschweres Stadium übergeht.
Anforderungen an die ärztliche Versorgung
Die Behandlung mit Leqembi stellt neue Anforderungen an die ärztliche Versorgung. Es braucht eine frühzeitige Diagnose sowie spezialisierte Einrichtungen mit ausreichender personeller und technischer Ausstattung.
Migranten mit Demenz in Österreich
Der "Österreichische Demenzbericht 2014" aus dem Jahr 2015 beinhaltet ein eigenes Kapitel zu 'Migranten mit Demenz'. Es umfasst vier Seiten und weist auf die Problematik der späteren Diagnose und geringeren Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen hin. Die "Demenzstrategie - Gut leben mit Demenz", des Bundesministeriums für Arbeit Soziales Gesundheit und Konsumentenschutz, aus dem Jahr 2015 enthält sieben Wirkungsziele und 21 Handlungsempfehlungen. Allerdings bezieht sich nichts davon direkt auf Migration. Lediglich an zwei Stellen wird der Zugang zu Unterstützungsangeboten gefordert und mehrsprachige Informationsveranstaltungen empfohlen.
Herausforderungen und Angebote
Es existieren ausreichend mehrsprachige Informationsmaterialien zum Thema Demenz und Einrichtungen, die mehrsprachige Beratungs-, Betreuungs- und Vermittlungsangebote für Migranten anbieten. Allerdings gibt es nur wenige spezialisierte Angebote für Migranten mit Demenz. Derzeit verfügt Österreich über keine flächendeckenden Dolmetscherdienste. Es gibt spezifische Kurse zur kultursensiblen Versorgung sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in interkultureller Versorgung für Ärzte und Pflegepersonal, allerdings gelten diese nicht als verpflichtender Teil der Fachausbildung. Der Migrantenanteil unter den Pflegekräften (in der stationären und ambulanten Versorgung) liegt bei mindestens 14 bis 15 %. Pflegende Angehörige von Migranten mit Demenz erhalten das gleiche spezifische Informationsmaterial (in der jeweiligen Muttersprache) wie pflegende Angehörige von Menschen ohne Migrationshintergrund. Des Weiteren gibt es bei der Versorgung mit anderen Unterstützungsleistungen keine signifikanten Unterschiede.
Deutschsprachige Alzheimer- und Demenz-Organisationen (DADO)
Die Deutschsprachigen Alzheimer- und Demenz-Organisationen (DADO), zu denen die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg, die Schweiz und Südtirol zählen, haben sich zu einer verbindlichen Kooperation verpflichtet. Diese dient einerseits dem Austausch über politische und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten, andererseits sollen mögliche Synergien besser genutzt werden. Unter anderem können Organisationen der Partnerländer Ausarbeitungen zu speziellen Themen, die in einem Land entwickelt wurden, ebenfalls nutzen. So können die Selbsthilfe-Organisationen ihre begrenzten Ressourcen an anderer Stelle für ihre vielfältigen Aktivitäten einsetzen.
Gemeinsame Handreichungen
Mithilfe der Mittel aus einem Erasmus+-Projekt konnte die Zusammenarbeit der Organisationen intensiviert werden. Unter anderem wurden drei Handreichungen erarbeitet zu „Diversität - Herausforderungen bei Demenz“, „Demenz mit Beginn im jüngeren Alter“ sowie „Finanzielle und nicht-finanzielle Unterstützung für die häusliche Pflege und Betreuung bei Demenz“.
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