Epilepsie: Definition, Ursachen, Diagnose und Behandlung

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, bei der es zu einer vorübergehenden Überaktivität vieler Nervenzellen im Gehirn kommt. Diese Überaktivität kann verschiedene Beschwerden auslösen, die als epileptische Anfälle bezeichnet werden. Die Anfälle treten meist plötzlich und in unterschiedlicher Häufigkeit auf. Nach einem Anfall können Betroffene sich müde fühlen, Schwierigkeiten haben, sich zu erinnern oder zu sprechen, oder sich vorübergehend nicht richtig bewegen können.

Was ist Epilepsie?

Das Gehirn besteht aus vielen Nervenzellen, die Informationen weiterleiten und so unsere Bewegungen und unser Denken steuern. Bei einer Epilepsie sind viele dieser Nervenzellen gleichzeitig überaktiv. Dies kann nur einen Bereich des Gehirns betreffen, aber auch mehrere Bereiche oder das gesamte Gehirn. Die Art der Beschwerden hängt davon ab, welche Bereiche des Gehirns betroffen sind.

Symptome eines epileptischen Anfalls

Ein epileptischer Anfall kann sich auf verschiedene Weise äußern. Einige Beispiele sind:

  • Kurze Abwesenheit mit den Gedanken
  • Zucken bestimmter Muskeln
  • Muskelkrämpfe im ganzen Körper
  • Übelkeit
  • Wärmegefühl
  • Veränderte Wahrnehmung

Manchmal kündigt sich ein epileptischer Anfall auch durch bestimmte Beschwerden an, wie Übelkeit, ein Wärmegefühl oder eine veränderte Wahrnehmung.

Ursachen von Epilepsie

Es gibt verschiedene Ursachen für eine Epilepsie. Einige Epilepsien sind erblich bedingt, während andere durch andere Erkrankungen ausgelöst werden können. Hier sind einige spezifische Ursachen:

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  • Genetische Faktoren: Für Gelegenheitsanfälle, genuine Epilepsie und symptomatische Epilepsie lässt sich eine genetische Disposition feststellen. In einigen Fällen wurden durch molekulargenetische Untersuchungen und Stammbäume Genorte für mutierte Gene und Vererbungsmodi identifiziert. Veränderte Genprodukte können beispielsweise spannungsabhängige Kanäle für Natrium-Ionen oder Rezeptoren von Neurotransmittern sein. Epilepsien können auch bei Krankheiten auftreten, denen eine Veränderung des Erbgutes zugrunde liegt, wobei das Anfallsleiden nur ein Symptom der Erkrankung ist, wie beispielsweise beim Angelman-Syndrom oder der tuberösen Sklerose.
  • Hirnorganische Ursachen: Mit der technischen Fortentwicklung der bildgebenden Verfahren und der Labordiagnostik treten hirnorganische Ursachen immer stärker in den Vordergrund.
  • Autoimmunerkrankungen des Gehirns
  • Stoffwechselerkrankungen: Beispiele hierfür sind Hyperparathyreoidismus mit Anstieg der Calciumkonzentration im Blut oder Hämochromatose mit Eisenablagerungen im Gehirn.
  • Vaskuläre Enzephalopathie: Diese kann im Rahmen einer Arteriosklerose auftreten.

Ursachen von Gelegenheitsanfällen:

  • Fieber (Fieberkrämpfe bei Kindern)
  • Massiver Schlafentzug
  • Exzessive körperliche Anstrengung
  • Flickerlicht mit Stroboskopeffekt, z. B. in Diskotheken
  • Hypoglykämie (Unterzuckerung) bei Diabetikern
  • Rauschdrogen, z. B. Kokain

Pathophysiologie der Epilepsie

Obwohl die Entstehung von Epilepsien in den letzten Jahrzehnten besser verstanden wurde, sind die Zusammenhänge noch nicht vollständig geklärt. Folgende Faktoren tragen zum Auftreten epileptischer Anfälle bei:

  • Übererregbarkeit (Hyperexzitabilität) von Nervenzellen
  • Abnorme gleichzeitige elektrische Aktivität von größeren Nervenzellverbänden (neuronale Netze)

Es wird angenommen, dass ein Ungleichgewicht von Erregung und Hemmung in diesen neuronalen Netzen epileptische Anfälle entstehen lässt. Verstärkte Erregung oder verminderte Hemmung können durch Veränderungen in den Membraneigenschaften der Nervenzellen oder in der Erregungsübertragung von Nervenzelle zu Nervenzelle durch die Überträgersubstanzen (Neurotransmitter) bewirkt werden.

Defekte in den Ionenkanälen für Natrium- und Calciumionen können an der Entstehung und Ausbreitung von Anfallsentladungen beteiligt sein. Die Aminosäuren Glutamat und Aspartat sind als erregende Neurotransmitter beteiligt, während Gamma-Aminobuttersäure (GABA) als hemmender Überträgerstoff fungiert. Defekte in der Biosynthese, gesteigerter Abbau oder Hemmung der GABA-Rezeptoren können ebenfalls zum Anfallsgeschehen beitragen.

Die Mechanismen, die dazu führen, dass aus einzelnen Anfällen eine Epilepsie entsteht, sind komplexer und noch unbekannt. Das tierexperimentelle Modell des "Kindling" hat die Vorstellung zur Entstehung von Epilepsien beim Menschen geprägt. Kindling beschreibt einen dynamischen Vorgang, bei dem die wiederholte Anwendung elektrischer Reize, die zunächst nicht ausreichen, einen Anfall hervorzurufen, eine zunehmende Verstärkung der Anfallsbereitschaft hervorrufen, bis schließlich Anfälle auftreten.

Klassifikation der Anfallsformen

Epileptische Anfälle können sehr unterschiedlich ablaufen. Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat eine einheitliche Klassifikation der Anfälle sowie der Epilepsien und Epilepsie-Syndrome erstellt. Grundsätzlich wird zwischen fokalen oder Herdanfällen und sogenannten generalisierten Anfällen unterschieden.

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Anfälle mit fokalem Beginn

Bei fokalen Anfällen ist es wichtig festzuhalten, ob sie mit einer Bewusstseinsstörung einhergehen oder nicht.

Gelegenheitsanfälle

Gelegenheitsanfälle, auch als akute symptomatische Anfälle bezeichnet, treten aufgrund außergewöhnlicher Umstände oder Bedingungen auf, wie:

  • Fieberkrämpfe
  • Traumatische Hirnschädigungen (z. B. Schädel-Hirn-Trauma oder Operationen am Gehirn)
  • Nicht-traumatische Hirnschädigungen (z. B. Schlaganfall)
  • Autoimmunerkrankungen des Gehirns (z. B. Multiple Sklerose)
  • Infektionen
  • Metabolische Entgleisungen (z. B. zu geringer oder zu hoher Blutzuckerspiegel)
  • Toxische Hirnschädigung
  • Systemische Erkrankungen mit spezifischen biochemischen oder hämatologischen Veränderungen
  • Akute Alkohol- oder Drogenintoxikationen
  • Akute fieberhafte Infekte von Kindern

Isolierte Anfälle

Einzelne epileptische Anfälle ohne erkennbare Provokation ("unprovozierte" Anfälle) fallen nicht unter die Gelegenheitsanfälle oder akuten symptomatischen Anfälle. Definitionsgemäß liegt hierbei aber ebenfalls noch keine Epilepsie vor, sofern keine Hinweise auf ein hohes Wiederholungsrisiko bestehen.

Aura

Der Begriff Aura beschreibt ein "unbestimmtes Vorgefühl", das Ergebnis einer epileptischen Aktivierung der Nervenzellen einer umschriebenen Hirnregion ist. Beispiele für Auren sind:

  • Epigastrische oder viszerale Aura (Aufsteigen unbestimmt unangenehmer Gefühle aus der Magengegend)
  • "Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Nadelstiche"
  • "Visuelle Halluzinationen"
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Vergesslichkeit
  • Nicht mehr richtige Wahrnehmung der Umgebung

Status epilepticus

Wenn mehrere Anfälle kurz hintereinander als Serie erfolgen, ohne dass der Betroffene sich dazwischen wieder vollständig erholen konnte, oder wenn ein Anfall länger als fünf Minuten anhält, liegt ein Status epilepticus vor. Dieser Zustand ist lebensbedrohlich und erfordert sofortige medizinische Behandlung.

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Klassifikation der Epilepsien und Epilepsie-Syndrome

Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat auch eine einheitliche Klassifikation der Epilepsien und Epilepsie-Syndrome erstellt. Grundsätzlich wird zwischen fokalen und generalisierten Epilepsien unterschieden.

Lokalisationsbezogene Epilepsien und Syndrome

Bei dieser Form der Epilepsien beschränkt sich die anfallsartige Entladung zumindest zu Beginn der Anfälle auf eine begrenzte Region der Hirnrinde. Im Verlauf kann sich die Anfallsaktivität aber auch ausbreiten und schließlich die gesamte Hirnrinde erfassen.

Rolando-Epilepsie

Diese Anfallsart ist durch schlafgebundene Anfälle mit tonischer Verkrampfung der Gesichtsmuskulatur, vermehrtem Speichelfluss und der Unfähigkeit zu sprachlichen Äußerungen verbunden. Sie beginnt zwischen dem zweiten und zwölften Lebensjahr und heilt mit Abschluss der Pubertät aus.

Epilepsie des Kindesalters mit occipitalen Paroxysmen

Diese Epilepsie ist durch Anfälle mit visuellen Symptomen, gefolgt von motorischen oder psychomotorischen Manifestationen, charakterisiert.

Leseepilepsie

Bei dieser Form einer Reflexepilepsie werden die Anfälle durch Lesen ausgelöst.

Auswirkungen von Epilepsie

Epilepsie kann vielfältige Auswirkungen auf das Alltagsleben haben, wie zum Beispiel die Eignung für bestimmte Berufe oder das Autofahren. Diese Aspekte sollten in der Behandlung berücksichtigt werden.

Epidemiologie

  • Mindestens 10 % aller Menschen haben eine sogenannte erhöhte Anfallsbereitschaft, die sich teilweise im EEG nachweisen lässt.
  • Etwa 10 % aller Menschen erleiden mindestens einmal in ihrem Leben unter besonderen Umständen einen epileptischen Anfall, der sich ohne diese nicht wiederholt.
  • In Deutschland leiden 0,5-1 % der Bevölkerung an einer aktiven Epilepsie.
  • Die Inzidenz von Epilepsien ist abhängig vom Lebensalter.
  • Die Prävalenz aktiver Epilepsien liegt im Kindesalter altersabhängig bei 3-6/1000 Kindern.

Diagnose von Epilepsie

Die Diagnose von Epilepsie umfasst in der Regel folgende Schritte:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte durch Gespräche mit dem Betroffenen und Angehörigen oder Dritten, die Anfälle beobachtet haben.
  • EEG (Elektroenzephalogramm): Ableitung der "Hirnstromkurve".
  • Bildgebende Untersuchungen: In aller Regel gehören auch bildgebende Untersuchungen zur Routinediagnostik, während speziellere Verfahren besonderen Fragestellungen vorbehalten sind.

Behandlung von Epilepsie

Die Behandlung von Epilepsie besteht zunächst in der Gabe von anfallsunterdrückenden Medikamenten (Antikonvulsiva). In therapieresistenten Fällen kommen auch andere Methoden wie die Epilepsiechirurgie zum Einsatz.

Medikamentöse Behandlung

Den meisten Epilepsie-Patienten hilft eine medikamentöse Behandlung, ein anfallsfreies Leben zu führen. Eingesetzt werden sogenannte Antiepileptika, die die übermäßige Aktivität von Nervenzellen im Gehirn hemmen.

Operation (Epilepsiechirurgie)

Bei manchen Patienten ist die Epilepsie mit Medikamenten nicht ausreichend behandelbar. In solchen Fällen kann eine Operation in Betracht gezogen werden, um den Teil des Gehirns, der die Anfälle verursacht, zu entfernen.

Stimulationsverfahren

Neben einer Operation kommen sogenannte Stimulationsverfahren infrage, wenn Medikamente bei Epilepsie nicht ausreichend wirken. Dabei werden bestimmte Strukturen im Gehirn oder solche, die dorthin führen (Vagusnerv), mit niedriger Stromstärke stimuliert.

Behandlung bei Status epilepticus

Wenn jemand einen Status epilepticus erleidet, ist es wichtig, sofort den Notarzt zu rufen - es besteht Lebensgefahr!

Kosten von Epilepsie

Die Analyse krankheitsspezifischer Kosten gewinnt in einem zunehmend ökonomisch ausgerichteten Gesundheitssystem mehr und mehr an Relevanz. Die verletzungsbedingten Kosten im Rahmen epileptischer Anfälle setzen sich aus direkten Versorgungskosten, indirekten Kosten und immateriellen Kosten zusammen.

Eine retrospektive Studie aus dem Jahr 2019 analysierte die Kosten von Patienten mit Epilepsie, die aufgrund von Verletzungen im Rahmen eines epileptischen Anfalls stationär behandelt wurden. Die Studie ergab, dass die stationären, direkten Versorgungskosten von Patienten mit Verletzungen im Rahmen epileptischer Anfälle hoch sind und aufgrund ihrer Häufigkeit gesundheitsökonomisch relevant sind. Die auf Fallpauschalen basierende Vergütung der Kosten scheint überwiegend kostendeckend zu sein, jedoch scheinen insbesondere bei Patienten mit langer Liegedauer oder intensivmedizinischer Versorgung Vergütungsprobleme zu bestehen.

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