Ganglion stellatum: Symptome, Blockade und therapeutische Anwendung

Die Stellatumblockade, eine gezielte Leitungsanästhesie des Ganglion stellatum (Ganglion cervicothoracicum), findet Anwendung zur Lösung arteriovenöser Krämpfe (Gefäßspasmen), da die Blutgefäße sympathisch innerviert sind. Durch diese Blockade wird eine Vasodilatation im gesamten Einzugsgebiet mit verminderter Schweißsekretion erreicht. Ein beobachtbares Zeichen des Wirkungseintritts ist das Horner-Syndrom.

Was ist das Ganglion stellatum?

Das Ganglion stellatum, auch als Sternenganglion oder Ganglion cervicothoracicum bezeichnet, ist eine Ansammlung von Nervenzellkörpern. Es handelt sich hauptsächlich um Nerven des vegetativen Nervensystems, genauer gesagt des Sympathikus. Das Ganglion stellatum entsteht in 80 % der Fälle durch die Verschmelzung des Ganglion cervicale inferius mit dem ersten thorakalen Grenzstrangganglion. In seltenen Fällen können auch das zweite oder dritte Thorakalganglion fusioniert sein.

Es ist ein vergleichsweise großes Ganglion mit einer Breite von circa zehn bis zwölf Millimetern und einer Größe zwischen acht und 20 Millimetern. Topographisch befindet es sich rechts und links der Halswirbelsäule, genauer gesagt vor dem Querfortsatz des sechsten Halswirbelkörpers und zwischen der Arteria vertebralis und der Arteria carotis communis. Darüber liegt die Arteria subclavia, medial befindet sich der Musculus longus colli.

Funktion des Ganglion stellatum

Das Ganglion stellatum versorgt den Sympathikus im Hals- und oberen Brustbereich. Es beeinflusst die Nervenversorgung von Kopf und Hals, der oberen Extremitäten, des Herzens und der Lunge. Die Axone ziehen mit den Rami communicantes albi zum Ganglion stellatum. Dort werden sie entweder auf das zweite Neuron umgeschaltet oder ziehen ohne Umschaltung hindurch.

Stellatumblockade: Verfahren und Durchführung

Bei der Stellatumblockade handelt es sich um die gezielte lokale Leitungsanästhesie oder Betäubung des Ganglion stellatum. Da die Blutgefäße des Körpers sympathisch innerviert sind, bewirkt eine Blockade des Ganglions eine Vasodilatation (Gefäßerweiterung) im gesamten Versorgungsgebiet.

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Indikationen für eine Stellatumblockade

Eine Stellatumblockade kann bei verschiedenen Erkrankungen und Problemen angewendet werden, darunter:

  • Arteriovenöse Krämpfe (Gefäßspasmen)
  • Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
  • Durchblutungsstörungen
  • Bestimmte Arten von Kopfschmerzen
  • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
  • Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)
  • Long-COVID-Symptome

Durchführung der Stellatumblockade

Da sowohl das Köpfchen der ersten Rippe als auch der erste Brustwirbel von außen nicht tastbar sind, orientiert man sich am Sternoklavikulargelenk, am medialen Rand des Musculus sternocleidomastoideus und am Krikoidknorpel. Der Krikoidknorpel liegt beim Erwachsenen in Höhe des sechsten Halswirbelkörpers, das Ganglion stellatum ventral des Processus transversus des siebten Halswirbelkörpers, d. h. pleuranah. Daher wird ein kranialer Zugang vom sechsten Halswirbelkörper gewählt.

Der Patient liegt mit leicht erhöhtem Oberkörper auf dem Rücken mit leicht überstrecktem Hals und leichter Neigung des Kopfs zur kontralateralen Seite. Mit dem Zeigefinger der einen Hand palpiert man den Unterrand des Krikoidknorpels und drückt lateral von diesem den Finger gegen die Halswirbelsäule. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Pulsation der Arteria carotis communis lateral des Fingers getastet wird! Über dem liegenden Finger wird eine feine 3-4 cm lange Kanüle nach dorsal durch die Haut gestochen. Schon nach 2,5-3,5 cm fühlt man den knöchernen Kontakt mit dem Querfortsatz des sechsten Halswirbels. (Ohne Knochenkontakt keine Injektion!) Nach Zurückziehen der Kanülenspitze um 2-3 mm wird in zwei Ebenen (!) aspiriert, um mit Sicherheit eine intravasale Injektion auszuschließen. Nach der Injektion des Lokalanästhetikums wird die Kanüle zurückgezogen, und der Patient wird nun soweit wie möglich aufgesetzt. Durch das Aufsetzen wird erreicht, dass das injizierte Lokalanästhetikum nach kaudal absinkt und das gesamte Ganglion stellatum infiltriert.

Die Durchführung der Stellatumblockaden erfolgt idealerweise durch erfahrene ärztliche Schmerztherapeuten mittels Ultraschall.

Mögliche Komplikationen

Wegen möglicher Komplikationen (z. B. hohe Spinal- oder Epiduralanästhesie, intraarterielle Injektion des Lokalanästhetikums mit Krampfanfall, Pneumothorax) darf die Stellatumblockade nur in Narkose- und Reanimationsbereitschaft durchgeführt werden. Insbesondere darf wegen der Gefahr der Blockade des Nervus laryngeus recurrens und des Nervus phrenicus eine Stellatumblockade nur einseitig angelegt werden.

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Verhalten nach der Stellatumblockade

Die Verkehrstüchtigkeit ist nach der Stellatumblockade für 24 Stunden aufgehoben. Der Patient sollte also an dem Tag, an dem er eine solche Blockade bekommt, nicht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen und auch keine komplizierten Maschinen bedienen, also in der Regel auch nicht mehr arbeiten. Daher wird für berufstätige Patienten an diesem Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt. Patienten, die diese Behandlung erhalten, müssen sich demzufolge auch nach Hause transportieren lassen, da die mangelnde Verkehrstüchtigkeit auch den öffentlichen Personennahverkehr einschließt.

Symptome und Zeichen einer erfolgreichen Stellatumblockade

Das deutlichste Zeichen für eine erfolgreiche Stellatumblockade ist das Horner-Syndrom (Miosis, Enophthalmus und Ptosis der blockierten Seite). Andere Zeichen sind neben der Zunahme der Durchblutung von Wange, Gesicht, Nacken und Arm (Rötung) eine deutliche Injektion der Konjunktiven und Skleren, Anhidrosis von Gesicht und Nacken, Tränenfluss und Völlegefühl der Nase (Guttmann-Zeichen). Zusätzlich kann die Regulation der Pupille eingeschränkt sein, sie verengt sich. Das Hornersyndrom kann somit als Kontrolle für die erfolgreiche Blockade genutzt werden.

Das Horner-Syndrom im Detail

Das Horner-Syndrom ist eine Symptomtrias, die bei Ausfall des kranialen Sympathikus am Auge auftritt. Es äußert sich in folgenden Symptomen:

  • Miosis: Pupillenverengung
  • Ptosis: Herabhängen des Oberlids (Gel. Ptosis nicht bei jedem Patienten nachweisbar)
  • Enophthalmus: Zurücksinken des Augapfels in die Augenhöhle (scheinbar)
  • Schwäche des Musculus tarsalis inferior mit Hebung des Unterlids (Upside-down Ptosis)
  • Anhidrose des Gesichts und des Arms (bei Affektion des 2. Neurons)

Die Miosis ist meist gering ausgeprägt (Anisokorie meist gering ausgeprägt (1-2mm)).

Diagnostik des Horner-Syndroms

  • Klinische Untersuchung: Beurteilung der Pupillengröße und -reaktion, Lidstellung, Schweißsekretion
  • Untersuchung der Pupillendilatation im Dunkeln: Verlangsamte Dilatation (Dilatationsverzögerung) des betroffenen Auges („Dilatation lag“). Vorübergehende Zunahme der Anisokorie. Nach ca. 10 bis 20 Sekunden ist Anisokorie im Dunkeln nicht mehr nachweisbar. Wiederholte Testung erhöht die Sensitivität.
  • Kokain-Test: Applikation von Kokaintropfen (2,5-5%, 1-2 Tropfen) in beide Augen. Bei Nachweis einer Anisokorie von 1mm und mehr nach 1h, Beweis eines Horner-Syndroms. Anisokorie unter 0,3mm, wahrscheinlich physiologische Anisokorie. Auf gesundem Auge zusätzlich Lidretraktion. Leichte Pupillenerweiterung bei zentralem Horner-Syndrom (nicht alle sympathischen Fasern geschädigt). Alternativ Gabe von Apraclonidin (0,5-1%).
  • Pholedrin- oder Hydroxyamphetaminhydrochlorid-Test: Differenzierung prä- oder postganglionäres Horner-Syndrom. Führt zu Ausschüttung von Noradrenalin aus dem 3. Neuron.
  • Schweißtests: Sympathischer Hautreflex zu den Händen (ulnare Ableitung). Minorschweißtest (Jod-Stärke Reaktion nach Minor). Bestreichen der Haut mit einer Jodlösung (Gesicht (Wange, Stirn), Arm, Hand, Oberkörper). Auftragen von Stärkepulver. Dunkelblaue Verfärbung in Arealen mit erhaltener Schwitzreaktion. Bei zentralem Horner-Syndrom Nachweis einer halbseitigen Hypohidrosis (ipsilateral). Bei präganglionärer Schädigung (2. Neuron).

Ursachen des Horner-Syndroms

Die Ursachen für ein Horner-Syndrom können vielfältig sein und werden nach der Lokalisation der Schädigung unterschieden:

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  • Zentrales Horner-Syndrom (1. Neuron):
    • Ischämien/Blutungen (Ausgeprägte Mediainfarkte (Beteiligung Hypothalamus), Hirnstamminfarkt (z.B. Wallenberg-Syndrom), Stammganglieninfarkt/-blutung)
    • Raumforderung (Rückenmarkstumor)
    • Myelonkompression durch Bandscheibenvorfall
    • Syringobulbie
    • Arteriovenöse Malformation
    • Entzündliche Erkrankungen
    • Spinale Ischämie
  • Präganglionäres Horner-Syndrom (2. Neuron):
    • Raumforderung (Rückenmarkstumor)
    • Myelonkompression durch Bandscheibenvorfall
    • Syringomyelie
    • Arteriovenöse Malformation
    • Pancoast-Tumor/Metastasen/mediastinale Tumoren
    • Abszesse
    • Neurome des 1. Thorakalnerven
    • Entzündliche Erkrankungen
    • Spinale Ischämie
    • Iatrogen durch Operationen an Schilddrüse, Lymphknotenexstirpation (neck dissection)
  • Postganglionäres Horner-Syndrom (3. Neuron):
    • Vaskulär (Dissektion der Arteria carotis)
    • Sinus-cavernosus Fistel
    • Angiom
    • Raumforderung (Schädelbasistumore, Tumore im Epipharynx, Tumore am Sinus cavernosus, Orbitatumoren)*Autonome Funktionsstörungen
      • Cluster Kopfschmerz
      • Chronisch paroxysmale Hemikranie
      • SUNCT Syndrom
      • Raeder-Syndrom
      • Hereditäre sensorische und autonome Neuropathie (HSAN)
      • Multisystematrophie
      • Autonome Störungen bei anderen Erkrankungen (z.B. Ptosis kann in 10-15% der Fälle fehlen)

Weitere Diagnostik bei Horner-Syndrom

Die weitere Diagnostik richtet sich nach dem vermuteten Läsionsort:

  • Ultraschalldiagnostik der Arteria carotis (Frage Dissektion/Aneurysma)
  • Kernspin- oder CT-Angiographie bei Verdacht auf Dissektion der Arteria carotis
  • Kernspintomographie des oberen Thorax oder Mediastinum, Hals
  • Kernspintomographie des Kopfes (Hirnstamm, Orbita, Schädelbasis)
  • Kernspintomographie der oberen BWS/HWS
  • Kernspintomographie des Plexus brachialis
  • Bei Kindern: Diagnostik hinsichtlich eines Neuroblastoms (Katecholamine im Urin)

Therapeutische Anwendung der Stellatumblockade

Die Stellatumblockade wird zunehmend als vielversprechende Behandlungsoption für verschiedene Erkrankungen und Zustände untersucht.

Long-COVID

Eine kurzfristige Blockade des Sternganglions (Ganglion stellatum) mittels Lokalanästhesie verminderte in einer kleinen Fallserie Long-COVID-Symptome. Infolge einer COVID-19-Infektion entwickeln etwa 30 % der Patienten nach symptomatischem und 5 % nach asymptomatischem Verlauf Long-COVID-Symptome wie Fatigue, orthostatische Intoleranz, Anosmie und Ageusie/Dysgeusie, Kurzatmigkeit, Schlafstörungen, Fieber, gastrointestinale Symptome, Angstzustände und Depressionen.

Long-COVID-Symptome ähneln teilweise dem chronischen Erschöpfungssyndrom oder dem Posturalen Tachykardiesyndrom, die mit reduzierten zerebralen Blutflüssen assoziiert sind. Darüber hinaus begünstigen persistierende entzündungsbedingte Interaktionen zwischen Immun- und Nervensystem Long-COVID-Symptome.

Eine Injektion von Lokalanästhetika in die Nähe des Sternganglions (Stellatumblockade, SGB) blockiert die Aktivität der zervikalen sympathischen Kette und erhöht den zerebralen Blutfluss.

Eine kurzfristige bilaterale Blockade des Sternganglions mittels Lokalanästhesie kann das lokale autonome Nervensystem zu einer Art „Neustart“ verhelfen, die mit einem Rückgang von Long-COVID-Symptomen assoziiert war, schlussfolgern die Studienautoren.

Die SGB könnte als neuartige Behandlungsoption zumindest für eine Untergruppe von Long-COVID-Patienten eine denkbare Intervention sein, schlagen die Forscher vor.

Eine offene, nicht-randomisierte Pilotstudie mit 20 Patienten fand heraus, dass ein dualer Block des Ganglion Stellatum eine vielversprechende Intervention zur Behandlung von Dysautonomie und Schmerz bei Long-COVID darstellt. Autonome Symptome und Schmerzen stellten die zentralen Symptome dar. Die Patienten erhielten einen dualen Ganglion-Stellatum-Block mit einer Woche zwischen der Prozedur auf der rechten und linken Seite. Die Behandlung erreichte nach 4 Wochen eine signifikante Verbesserung der autonomen Dysfunktion sowie der Belastung durch Schmerzen. In Woche 4 wurden zudem signifikante Verbesserungen in Schlafqualität und Fatigue festgestellt. Die meisten der Patienten (88,2 %) berichteten Symptomlinderung.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Die Stellatum-Ganglion-Blockade (SGB) wird zunehmend als potenzielle Behandlungsmethode für Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) untersucht.

  • In einer multizentrischen, randomisierten klinischen Studie (2019) erhielten aktive Dienstmitglieder mit PTBS-Symptomen zwei SGB-Behandlungen im Abstand von zwei Wochen.
  • Unkontrollierte Fallserien berichteten, dass 70-75 % der Patienten nach einer SGB eine schnelle klinische Verbesserung der PTBS-Symptome erfuhren.
  • Eine Pilotstudie untersuchte die Kombination von SGB mit intensiver Expositionstherapie. Diese Kombination führte zu einer größeren Reduktion der PTBS-Symptome als jede der beiden Behandlungen allein.
  • Das US-Militär führt derzeit weitere Studien durch, um die Wirksamkeit der SGB bei PTBS zu evaluieren.

Die SGB zeigt vielversprechende Ergebnisse zur schnellen Reduktion von PTBS-Symptomen. Erste randomisierte Studien bestätigen die Wirksamkeit, aber weitere Forschung ist nötig. Besonders vielversprechend ist die Kombination mit Expositionstherapie.

Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)

Die Fragestellung nach der Wirksamkeit einer GSB bei Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist ein sehr junges wissenschaftliches Thema. Eine Studie untersucht die Wirksamkeit von zervikalen Sympathikusblockaden am Ganglion Stellatum zur Symptomreduktion bei Patienten mit BPS. Es wird erwartet, dass die zur stationären Routinebehandlung (Dialektisch Behaviorale Therapie) hinzugefügte GSB die aversive innere Anspannung und dissoziative Symptome reduziert. Gemessen wird dies mittels standardisierter Fragebögen.

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