Elefanten, die größten Landsäugetiere der Erde, faszinieren die Menschen seit jeher. Neben ihrer beeindruckenden Statur und ihrem komplexen Sozialverhalten ist besonders ihr Gehirn Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Was macht das Elefantengehirn so besonders? Wie unterscheidet es sich von anderen Gehirnen, insbesondere dem des Menschen? Und welche Auswirkungen hat seine Struktur auf die Fähigkeiten und das Verhalten dieser intelligenten Tiere? Dieser Artikel beleuchtet den Aufbau und die Funktion des Elefantengehirns und vergleicht es mit dem menschlichen Gehirn.
Die Größe und Struktur des Elefantengehirns
Das Gehirn eines Elefanten wiegt etwa 4,2 Kilogramm, was etwa dreimal so viel ist wie das menschliche Gehirn. Mit fünf Kilogramm ist es das größte Hirn unter allen Landtieren. Diese schiere Größe deutet auf eine hohe kognitive Leistungsfähigkeit hin. Allerdings ist die absolute Größe allein nicht der entscheidende Faktor für die Intelligenz eines Tieres.
Nervenzellen und Hirnstruktur
Neben der Größe spielen auch die relative Größe des Gehirns zum Körper, sowie die Dichte von Nervenzellen eine wichtige Rolle. Trotz des größeren Gehirns haben Elefanten beispielsweise weniger Nervenzellen als Menschen. Die Hirnstruktur des Elefanten ermöglicht ein erstaunliches Bewegungsarsenal in Gesicht, Ohren und Rüssel, da sie besonders viele Nervenzellen enthält.
Eine Studie der Humboldt-Universität zu Berlin und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchte den Gesichtskern (Nucleus facialis) Afrikanischer und Asiatischer Elefanten. Der Gesichtskern ist jene Hirnstruktur, welche die Gesichtsmuskulatur der Tiere kontrolliert. Die Forscher stellten fest, dass der Gesichtskern der Elefanten mehr Nervenzellen enthält als bei allen anderen auf dem Land lebenden Säugetieren. Bei Asiatischen Elefanten (Elephas maximus) zählten sie circa 54.000 Nervenzellen, bei Afrikanischen Elefanten (Loxodonta africana) sogar rund 63.000. Die höhere Anzahl bei Afrikanischen Elefanten führen die Wissenschaftler auf deren größere Ohren und ausgefeiltere Rüsselspitze zurück.
Unterschiede zwischen Afrikanischen und Asiatischen Elefanten
Die Studie zeigte auch deutliche Unterschiede zwischen den Gehirnen von Afrikanischen und Asiatischen Elefanten. Auf struktureller Ebene bemerkten die Wissenschaftler, dass ein Teilbereich des Gesichtskerns, der mediale Gesichtsunterkern, bei Afrikanischen Elefanten deutlich größer ist als bei ihren asiatischen Verwandten. Die Unterschiede zwischen den Elefanten-Arten führt das Forschungsteam auf Unterschiede in ihrer Anatomie zurück. So haben Afrikanische Elefanten zum Beispiel eine filigranere Rüsselspitze mit zwei sogenannten Rüsselfingern, die einen Zangengriff ermöglichen, während Asiatische Elefanten Objekte mit dem Rüssel umwickeln. Auch die Ohrengröße spielt eine Rolle, da die größeren Ohren Afrikanischer Elefanten eine größere Anzahl an Nervenzellen erfordern.
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Malav Shah vom BCCN betont, dass die unterschiedlich schweren Gehirne der beiden Elefantenarten ein Ansatz zur Erklärung wichtiger Verhaltensunterschiede sein könnten. Asiatische Elefanten wurden über Jahrtausende hinweg teilweise domestiziert, während dies beim Afrikanischen Elefanten kaum gelang.
Die Funktionen des Elefantengehirns
Das Elefantengehirn ist für eine Vielzahl von komplexen Funktionen verantwortlich, die für das Überleben und das soziale Leben der Tiere unerlässlich sind.
Gedächtnis und Lernfähigkeit
Elefanten sind bekannt für ihr außergewöhnliches Gedächtnis. Sie erinnern sich besser an Vergangenes als Menschen. Für die Dickhäuter ist das herausragende Erinnerungsvermögen überlebenswichtig, insbesondere in Trockenzeiten, wenn Wasser und Nahrung knapp werden. Im Laufe ihres Lebens speichern Elefanten alle Informationen über die ökologischen Ressourcen in ihrem Lebensraum auf einer Art »Landkarte im Gehirn«. Auf diese Karte können sie jederzeit zugreifen. Mit jeder neuen Erfahrung wird diese Karte detailreicher. Biologen nennen dieses Phänomen »Mapping«. Einmal gelernt, bleiben solche Informationen lebenslang in Erinnerung. Elefanten können sich im Umkreis von 60 Kilometern Wasserstellen merken und Artgenossen sowie Tiefdruckgebiete in großer Entfernung erkennen. Treffen sie nach Jahrzehnten auf ein ehemaliges Gruppenmitglied, erkennen sie sich gegenseitig am Geruch.
Die Erfahrung und das gesammelte Wissen von erwachsenen Elefanten, insbesondere Matriarchinnen, ist zentral für das Gruppenverhalten von Elefanten und die Jungtiere werden über eine lange Kindheits- und Jugendzeit sehr eng umsorgt.
Werkzeuggebrauch und Kooperation
Elefanten können Werkzeuge herstellen. Sie brechen Äste und Zweige ab, um Bürsten und Wedel zu fertigen, etwa um lästige Fliegen zu vertreiben. Sie können Werkzeuge auch im Team gebrauchen. In Untersuchungen zum Gedächtnis von Elefanten konnte gezeigt werden, dass Elefanten Werkzeuge auch in Kooperation verwenden. So haben Elefanten in einem Experiment begriffen, dass sie nur an das Futter gelangen, wenn sie in einer Gruppe ein Seil ziehen. Lea Urban, Rolf Becker, Andreas Ochs, Florian Sicks, Michael Brecht und Lena V. Kaufmann forschten im Jahr 2024 zum Thema Werkzeuggebrauch und Duschverhalten bei Asiatischen Elefanten.
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Emotionen und soziales Verhalten
Elefanten zeigen großes Mitgefühl, wenn ein vertrautes Familienmitglied stirbt. Verhaltensforscher:innen beobachteten in Kenia, dass sich die Herde um die Elefantenkuh versammelte und neben ihrem Leichnam Wache hielt, als das Muttertier eines Elefantenfamilienverbandes starb. Ein junger Elefantenbulle versuchte, die Leitkuh wieder aufzurichten. Eine andere Familiengruppe kehrte sogar täglich zu ihrer verstorbenen Artgenossin zurück. Wenn Afrikanische Elefanten miterleben müssen, wie ihre Familienmitglieder in dramatischen Fangaktionen („Culling“) getötet werden, entwickeln die Überlebenden ernste psychische Probleme, ähnlich einer „posttraumatischen Belastungsstörung“.
Sensorische Fähigkeiten
Elefanten unterhalten sich unter anderem, indem sie mit einem ihrer sensiblen Füße aufstampfen oder ihn rollen, wobei nur die Zehen den Boden berühren. Dabei handelt es sich um sehr tiefe, für den Menschen nicht hörbare Schallwellen, die sich über die Erdoberfläche kilometerweit ausbreiten können und mit denen sich die Tiere gegenseitig vor Gefahren warnen. Dies fand Caitlin O‘Connell-Rodwell, Wissenschaftlerin am Stanford Center for Conservation Biology, heraus.
Forschung zum Elefantengehirn
Die Erforschung des Elefantengehirns ist ein relativ junges Feld, das jedoch zunehmend an Bedeutung gewinnt. Michael Brecht, Neurobiologe an der Humboldt-Universität Berlin, forscht seit mehr als drei Jahren an Elefanten und hat dabei schon einiges über die Rüsseltiere gelernt. Er ist einer der wenigen Experten auf diesem Gebiet, da die Gehirne der Dickhäuter bisher nicht umfassend erforscht wurden.
Herausforderungen und neue Methoden
Brecht betont, dass die Arbeit mit den großen Elefantengehirnen besondere Herausforderungen mit sich bringt. So werden beispielsweise Methoden benötigt, die für die Größe und Struktur der Gehirne geeignet sind. Brecht und sein Team arbeiten daher an neuen Verfahren, wie der Nutzung von Röntgenstrahlen und Computertomografie, um Einblicke in die Anatomie und Funktion des Elefantengehirns zu gewinnen.
Bedeutung für die Humanmedizin
Brecht sieht in der Erforschung des Elefantengehirns auch eine große Bedeutung für die Humanmedizin. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, degenerative Erkrankungen des Zentralnervensystems besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Die Frontotemporale Demenz ist eine extrem belastende Krankheit. Der HU-Neurowissenschaftler will am Beispiel des Elefantengehirns Methoden für die Analyse großer Gehirne entwickeln.
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DFG-Förderung für Elefantengehirn-Forschung
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt „Untersuchung der Neurobiologie großer Gehirne am Beispiel des Elefanten“ von Prof. Dr. Michael Brecht vom Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin der Humboldt-Universität zu Berlin mit 1,25 Millionen Euro. Ziel des Projekts ist es, Methoden für die Analyse großer Gehirne zu entwickeln und eine Brücke zwischen der Zell- und der Systemneurowissenschaft von großen Gehirnen zu schlagen.
Das Elefantengedächtnis: Mythos und Realität
Viele verbinden mit dem Gedächtnis von Elefanten erstaunliche Fähigkeiten. Ihr Gedächtnis gilt gemeinhin als sehr gut. Dies findet Entsprechung in den großen Gehirnen von Elefanten. Doch wie wichtig ist die Größe eines Gehirns? Und wie vergleicht sich das Gehirn und Gedächtnis von Elefanten mit dem von Menschen?
Tatsächlich erinnern sich Elefanten besser an Vergangenes als Menschen. Für die Dickhäuter ist das herausragende Erinnerungsvermögen überlebenswichtig - etwa wenn in Trockenzeiten Wasser und Nahrung knapp werden. Im Laufe ihres Lebens speichern Elefanten alle Informationen über die ökologischen Ressourcen in ihrem Lebensraum auf einer Art »Landkarte im Gehirn«. Auf diese Karte können sie jederzeit zugreifen. Mit jeder neuen Erfahrung wird diese Karte detailreicher. Biologen nennen dieses Phänomen »Mapping«. Das Schönste daran: Einmal gelernt, bleiben solche Informationen lebenslang in Erinnerung. Im Laufe ihres knapp 90-jährigen Lebens bleiben Elefanten nicht immer nur in einer Gruppe. Treffen sie nach Jahrzehnten auf ein ehemaliges Gruppenmitglied, erkennen sie sich gegenseitig am Geruch.