Stell dir vor, du hast heute auf dem Weg zur Uni einen Podcast gehört und dachtest dir an einigen Stellen, ahhh ja, das klingt interessant und wäre ein guter Aufhänger für deine nächste Hausarbeit. Dann hast du in der Mittagspause einen spannenden Blogartikel gelesen und abends noch ein Youtube-Tutorial geschaut - doch die interessanten Fakten aus dem Podcast hast du bereits wieder vergessen. Um die Informationsflut, der du heute ausgesetzt bist, in die richtigen Bahnen zu lenken, brauchst du ein System. Die „Second Brain“ Methode kann dir helfen, Informationen so abzulegen und zugänglich zu machen, dass du sie später problemlos abrufen und nutzen kannst.
Was ist ein Second Brain?
Der Begriff "Second Brain" beschreibt eine digitale Datenbank, mit der du alles Wichtige festhältst, sortierst und schnell wiederfinden kannst. Es ist eine Methode zum Speichern und systematischen Erinnern an die Ideen, Inspirationen, Einsichten und Verbindungen, die wir durch unsere Erfahrungen gewonnen haben. Die Grundidee dahinter ist: Unser Kopf ist zum Denken da - nicht zum Merken. Wertvolle Gedanken, Informationen und Erkenntnisse gehören nicht in überforderte Gedächtnisse oder chaotische Notizzettel, sondern in ein zuverlässiges System.
Das Second Brain ist ein Begriff, der von Autor und Produktivitätssexperten Tiago Forte populär gemacht wurde. Mich hat die „Second Brain“ Methode durch mein Studium, meine Doktorarbeit und während des Aufbaus dieses YouTube-Kanals immer begleitet.
Warum ein Second Brain?
Kennst du das Gefühl, wenn du versuchst, dich an etwas Wichtiges zu erinnern, und es dir einfach nicht einfällt? Oder wenn du stundenlang nach einem Dokument suchst, das du sicher irgendwo gespeichert hattest? Die Informationsflut, der wir alle heutzutage ausgesetzt sind, kann überwältigend sein. Unser Gehirn ist nicht in der Lage, all diese Details und Informationen aufzunehmen, sondern kann nur eine begrenzte Anzahl davon speichern. Aber die Lösung liegt darin, die Aufgabe des Erinnerns Technologie auszulagern.
Ein Second Brain hilft dir dabei:
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- Informationen zu speichern und zu organisieren: Du kannst alle deine Notizen, Ideen, Zitate, Links und andere Ressourcen an einem Ort sammeln und sie so strukturieren, dass du sie leicht wiederfinden kannst.
- Verbindungen zwischen Informationen herzustellen: Du kannst deine Notizen miteinander verknüpfen, um neue Ideen und Erkenntnisse zu generieren. Assoziativ denken oder lernen bedeutet, neues Wissen mit bereits Bekanntem zu verknüpfen.
- Dein Wissen zu nutzen: Du kannst dein Second Brain nutzen, um deine Projekte zu planen, deine Arbeit zu erledigen, deine Kreativität anzuregen und dein Wissen mit anderen zu teilen.
- Dein Gehirn zu entlasten: Du musst dir nicht mehr alles merken, sondern kannst dich auf das Wesentliche konzentrieren: das Denken und die Umsetzung.
Die C.O.D.E. Methode: Das Herzstück des Second Brain
Forte hat die Essenz seiner Methode in ein einfaches System gepackt: CODE steht für Capture, Organize, Distill, Express.
1. Capture (Erfassen)
Der erste Schritt ist das Erfassen von Informationen. Dieser Prozess ist entscheidend, denn hier legst du den Grundstein für dein „zweites Gehirn“. Das heißt, du schreibst die Informationen wirklich auf. Natürlich ist nicht jede Information es wert, festgehalten zu werden. Konzentriere dich darauf, was dich wirklich anspricht oder zum Nachdenken anregt. Die interessanten Podcast-Fakten aus dem Eingangsbeispiel hättest du dir im Sinne der Second Brain Methode also auf jeden Fall notiert.
- Sammle nur, was dich weiterbringt: Statt alles zu notieren, liegt der Fokus auf dem Wesentlichen: Ideen, Zitate, Notizen aus Kundengesprächen, Gedankenblitze.
- Behalte, was dich interessiert: Überprüfe die Informationen, die du erfassen willst, aus dem Bauch heraus. Die Ideen können ungewöhnlich, kontraintuitiv oder einfach interessant sein.
- 10 % des ursprünglichen Inhalts: Du liest ein Buch oder einen Online-Artikel? Hebe hervor, was für dich relevant und interessant ist. Forte empfiehlt, nicht mehr als 10 % der Quelle zu erfassen.
- Denke nicht zu viel nach: Wenn eine Passage in einem Buch dich anspricht, markiere sie und lies weiter. Wenn ein YouTube-Video etwas enthält, das dich interessiert, speichere den Link mit einem Zeitstempel und geh weiter. Wenn du beispielsweise ein Kochrezept findest, das dir gefällt, kannst du die Seite direkt mit Notix speichern und inklusive Thumbnail in einer Datenbank ablegen.
2. Organize (Organisieren)
Nachdem du Informationen erfasst hast, geht es darum, sie zu organisieren. Erstelle Kategorien, um deine Notizen zu sortieren. So kannst du beispielsweise alles zum Thema „Psychologie“ oder „Programmieren“ schnell finden. Denke daran: Dein System sollte einfach und intuitiv sein. Komplizierte Strukturen führen oft nur zu Frustration.
- Struktur für den Alltag, nicht fürs Archiv: Informationen werden nicht nach Themen abgelegt („Marketing“, „Steuern“), sondern nach Handlungsbezug. Beispiel: „Angebot für Müller GmbH“ ist ein Projekt, nicht bloß eine Datei.
3. Distill (Destillieren)
Im dritten Schritt geht es darum, das Wesentliche aus deinen Notizen herauszufiltern. Daher ist es am besten, wenn du deine Notizen nicht nur von einer Webseite in dein Second Brain kopierst, sondern einmal in eigenen Worten verarbeitet hast. Stelle dir vor, du müsstest das Wichtigste aus deinen Notizen jemand anderem erklären - wie würdest du es ausdrücken? Bei der progressiven Zusammenfassung brechen wir die Informationen, die wir in im Second Brain gesammelt haben, aufs Wesentliche herunter. Wir tun dies, indem wir unsere Notizen machen und jedes Mal, wenn wir sie durchgehen, die wichtigsten Punkte hervorheben.
- Reduziere auf das Wesentliche: Statt Datenmüll zu produzieren, werden Inhalte schrittweise komprimiert - durch Hervorhebungen, Zusammenfassungen und Überschriften.
4. Express (Ausdrücken)
Der letzte Schritt ist der Ausdruck. Die ganzen Inhalte deines Second Brains nützen dir nichts, wenn du sie nicht anwendest. In den Phasen, in denen du nicht konsumierst, sondern etwas kreierst, solltest du dein Second Brain also immer in der Nähe haben. Wenn du sorgfältig erfasst, organisierst und destillierst, dann bist du jetzt in einer starken Position, weil du immer auf eine reiche Sammlung von Inspirationen zurückgreifen kannst.
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- Nutze, was du weißt: Das Ziel ist immer: in die Umsetzung kommen.
Indem du das CODE-System verinnerlichst, machst du das Sammeln und Verarbeiten von Informationen zu einem aktiven, kreativen Prozess.
Die PARA-Methode: Struktur für dein Second Brain
Neben dem CODE-System ist die PARA-Methode ein wesentlicher Bestandteil des „Second Brain“-Konzepts. PARA steht für Projects (Projekte), Areas (Bereiche), Resources (Ressourcen) und Archive (Archiv). Der Clou: Alles, was in deinem Second Brain landet, bekommt sofort seinen Platz.
- Projects (Projekte): Dies sind kurzfristige Unternehmungen mit einem spezifischen Ziel und einer Deadline. Ein Projekt ist eine Abfolge von Aufgaben, die ein bestimmtes Ziel verfolgen und zeitlich begrenzt ist. Es kann sich also um klassische Arbeits- und Studienprojekte handeln, als auch um private Projekte wie “den Keller ausmisten”. Ein Unterordner unter „Projekte“ wäre also beispielsweise: „Präsentation xz vorbereiten“.
- Areas (Bereiche): Dies sind laufende Verantwortungsbereiche, die regelmäßig deine Aufmerksamkeit erfordern, aber kein Zeit-Limit haben. Areas sind Bereiche, die regelmäßig unsere Aufmerksamkeit erfordern, aber kein Zeit-Limit haben. Eine Area hat Standards, aber keine endgültigen Ziele. Ein nützlicher Weg, um zwischen den beiden zu unterscheiden, ist zu überlegen: Wenn das, woran ich arbeite, ein spezifisches Ende oder Ergebnis hat, nach dem es als „abgeschlossen“ betrachtet wird, dann ist es ein Projekt.
- Resources (Ressourcen): Dies sind nützliche Inhalte ohne konkreten Anlass, Themen, die dich interessieren und über die du etwas lernen möchtest. Ressourcen sind Themen oder Gebiete von Interesse, die man konsultieren oder nutzen kann. Sie sind keine Projekte oder Aufgaben, sondern Sammlungen von Informationen.
- Archive (Archiv): Hier landen abgeschlossene Projekte und veraltete Areas und Ressourcen. Abgeschlossene Projekte und veraltete Areas und Ressourcen landen im Archiv-Ordner.
Die PARA-Methode hilft dir, deine Informationen so zu organisieren, dass du sie schnell und effizient wiederfinden kannst. Stell dir die PARA-Methode vor, als eine feste Orderstruktur, die du in alle deine digitalen Tools kopierst: Ein Hauptordner für Projekte, Areas (Bereiche), Ressourcen und Archive.
Tools für dein Second Brain
Das Tolle an dem System ist, dass du das Second Brain mit deinen bestehenden Tools aufbauen kannst, falls du schon welche nutzt. Es gibt verschiedene Tools, die du verwenden kannst, um dein digitales Gehirn aufzubauen. Für Ablage deiner Dateien nutzt du deine Festplatte und Cloud-Services wie Google, Dropbox etc. Dann benötigst du noch mindestens ein Tool zum Notizen nehmen. Einige der beliebtesten Tools sind:
- Notion: Ein flexibles Tool, mit dem du Projekte organisieren, Notizen nehmen und vieles mehr machen kannst. Es vereint die Funktionen einer Wiki mit den Fähigkeiten eines Task-Managers, sodass du in Notion weitaus mehr machen kannst, als nur Notizen zu speichern.
- Evernote: Ein weiteres beliebtes Tool für Notizen und Organisation. Evernote ist wirklich sehr einfach zu bedienen.
- Obsidian: Eine Software, mit der du deine eigene Zettelkasten-Methode umsetzen kannst. Das bedeutet unter anderem, dass du deine Notizen untereinander verlinkst und so neue Ideen und Kreativität relativ systematisch erzeugen kannst. Absolute Second Brain Enthusiasten schwören auf Obsidian.
Wichtig ist, dass du dich für eine Zeit auf ein bestimmtes Tool einlässt, damit du das Framework und das Tool in Ruhe kennenlernen kannst.
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Tipps für den Aufbau deines Second Brain
Zum Abschluss habe ich hier noch ein paar Hinweise, die sich aus meiner Erfahrung nach fast 10 Jahren Second Brain ergeben haben. Vielleicht helfen sie dir.
- Du musst nicht sofort alles erfassen: Wenn du dir zu viel vornimmst, hörst du schnell wieder auf, weil dich das ganze Notizenmachen überfordert und eine zu große Veränderung darstellt. Starte mit einem Fach oder einem speziellen Interessengebiet. Sammle Notizen, Ideen und Erkenntnisse gezielt in diesem Bereich. Wenn sich das für dich normal anfühlt und keinen Aufwand mehr bedeutet, füge deinen zweiten Bereich („Area“ nach der PARA-Methode) hinzu.
- Experimentiere mit verschiedenen Tools: Apps wie Notion, Evernote oder sogar einfache Word-Dokumente können dir helfen, deine Notizen zu organisieren. Experimentiere mit verschiedenen Tools, um herauszufinden, was für dich am besten funktioniert. Ich habe damals mit Evernote gestartet und bin dann zu Notion gewechselt.
- Wende dein Wissen an: Wenn du etwas Neues lernst, überlege dir, wie du es in einem realen Kontext anwenden kannst. Ein tolles Zitat zu speichern ist schön und gut, aber kannst du es später für dein eigenes kreatives Schaffen verwenden? Nimm nur Informationen in dein Second Brain auf, die eine echte Chance darauf haben, von dir in Zukunft genutzt zu werden.
- Überprüfe und reflektiere regelmäßig: Nimm dir Zeit, um deine gesammelten Informationen regelmäßig zu überprüfen und zu reflektieren. Dies fördert nicht nur das Langzeitgedächtnis, sondern hilft dir auch, Verbindungen zwischen verschiedenen Themenbereichen zu sehen. Für mich ist das die größte Herausforderung am Second Brain.
- Diskutiere deine Ideen mit anderen: Diskutiere deine Ideen und Erkenntnisse mit anderen. Nur wenn du andere Perspektiven zulässt, können deine Ideen und dein Verständnis besser werden.
- Sei geduldig: Ein Second Brain ist nichts, was du nur für dein nächstes Projekt verwendest. Es ist etwas, das dich beim lebenslangen Lernen begleitet. Wenn du erst einmal ein Jahr oder zwei Jahre regelmäßig dabei bleibst, dann wirst du dich schnell fragen: Wie konnte ich vorher OHNE ein Second Brain überhaupt zurechtkommen?
Second Brain vs. Zettelkastenmethode
Die Second-Brain-Methode (BASB) und die Zettelkastenmethode (ZKM) sind zwei verschiedene Ansätze zur Wissensorganisation, die sich in ihren Schwerpunkten und Zielen unterscheiden. BASB ist ein Hybrid aus Informationsmanagement- und Projektmanagementsystem, während die ZKM eine Methode zur Verarbeitung von Wissen ist.
Unterschiede
- Fokus: BASB konzentriert sich auf die Verwaltung von Informationsströmen und Quellen, während die ZKM sich auf die Analyse und Verknüpfung von einzelnen Gedanken konzentriert.
- Informationsverarbeitung: BASB legt den Fokus nicht auf die Informationsverarbeitung, sondern auf die Aufbereitung von Quellen. Die progressive Zusammenfassung, die Forte vorschlägt, ist eine Aufbereitungsmethode von Quellen, keine Verarbeitungsmethode von Information. Bei der ZKM hingegen beginnt die Arbeit erst dann, wenn die Ideen und Gedanken aus der Quelle gelöst und ihnen einzelne Zettel gewidmet wurden.
- Ablagesystem: BASB verwendet das PARA-System, das eine Hierarchie der Dringlichkeit darstellt. Die ZKM basiert auf einem hierarchielosen Netzwerk von Zetteln und Verknüpfungen.
- Sprache: BASB spricht die Sprache der Handlung, mit Kategorien wie Wichtigkeit und Dringlichkeit. Die ZKM spricht die Sprache des Wissens, mit dem atomaren Gedanken und seinen Beziehungen zu anderen Gedanken als Grundkategorien.
Gemeinsamkeiten
Trotz ihrer Unterschiede können BASB und die ZKM auch miteinander kombiniert werden. So könnten die einzelnen Gedanken, die im Rahmen der ZKM erarbeitet werden, ebenfalls in das PARA-System eingeordnet werden.
Welcher Ansatz ist der richtige für dich?
BASB ist allgemein für Menschen geeignet, die ihre Informationsströme und Quellen projektorientiert verwalten wollen. Die ZKM ist dagegen besser geeignet für Menschen, die sich intensiv mit Wissen auseinandersetzen und ein tiefes Verständnis für komplexe Zusammenhänge entwickeln wollen.