Der Hypothalamus spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Hunger, Sättigung und Stoffwechsel. Wissenschaftliche Studien untersuchen, wie dieser Bereich des Gehirns aktiviert werden kann, um das Abnehmen zu unterstützen. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Mechanismen, die im Hypothalamus ablaufen, und die neuesten Forschungsergebnisse, die neue Wege zur Gewichtsreduktion aufzeigen könnten.
Die Rolle des Hypothalamus bei der Gewichtsregulation
Der Hypothalamus ist eine wichtige Schaltzentrale im Gehirn, die zahlreiche Körperfunktionen koordiniert, darunter Atmung, Blutdruck und eben auch die Nahrungsaufnahme. Hier befinden sich Nervenzellen, die hormonelle Signale aus dem Magen empfangen: Sättigungssignale, die zum Beispiel von Hormonen wie Leptin übermittelt werden, und Energiemangelsignale, die vom Hormon Ghrelin vermittelt werden. Über diese Signale wird unser Hunger gesteuert.
Das Regulationssystem für die Nahrungsaufnahme unseres Körpers ist komplex. Es kommen viele Botschaften im Gehirn an, die das Hunger- und Sättigungsempfinden, aber auch den Appetit regulieren. Ghrelin und Leptin sind nur zwei Bausteine: Knapp 30 unterschiedliche chemische Verbindungen und Botenstoffe sind insgesamt beteiligt. So übermitteln Aminosäuren, Glukose oder Fettsäuren Informationen zur Sättigung an Rezeptoren im Magen-Darm-Trakt. Diese Informationen werden ans Gehirn weitergeleitet. Andere Rezeptoren, die in der Magenwand sitzen, melden, dass der Magen gefüllt ist. Außerdem gibt es mehrere appetitregulierende Hormone - aber nur eines, das Hunger auslöst: Ghrelin. Alle anderen haben eine appetithemmende Funktion, wobei Leptin die wichtigste Rolle spielt. Deswegen wird Leptin auch als „Sättigungshormon“ bezeichnet und Ghrelin oft als „Hungerhormon“. Das Verhältnis von Ghrelin und Leptin ist mitentscheidend dafür, dass der Energiehaushalt ausgeglichen ist.
Hungerhormon Ghrelin
Ghrelin wird überwiegend in der Magenschleimhaut produziert. Wurde über einen längeren Zeitraum keine Nahrung zugeführt, signalisiert Ghrelin dem Gehirn, dass es wieder Zeit zum Essen ist. Auch Sinneseindrücke wie der Geruch oder der Anblick von Speisen können zu einer vermehrten Ausschüttung von Ghrelin führen. Vor den Mahlzeiten steigt der Ghrelin-Spiegel und nimmt mit dem Essen ab. Deshalb ist er nach dem Nachtschlaf besonders hoch, wenn wir lange nichts gegessen haben. Außerdem hemmt Ghrelin die Fettverbrennung und vergrößert darüber die Fettspeicher. Es sorgt dafür, dass der Körper genug Energie erhält und ausreichend Reserven im Körper angelegt werden.
Unangenehm nach einer Diät ist, dass nach der Gewichtsreduktion der Ghrelin-Spiegel ansteigt - ganz so, als ob das Hormon den Gewichtsverlust wieder ausgleichen wolle. Häufige Diäten können zu permanent hohen Ghrelin-Spiegeln führen. Ghrelin ist mitverantwortlich für den sogenannten Jo-Jo-Effekt nach Diäten.
Lesen Sie auch: Hypothalamus Reset: Mythen vs. Fakten
Sättigungshormon Leptin
Leptin wird hauptsächlich im Fettgewebe produziert. Der Leptin-Spiegel wird nicht primär durch die Mahlzeiten reguliert, sondern vor allem durch die Fettmasse im Körper. Je mehr Fettgewebe, desto mehr Leptin wird in das Blut abgegeben, um die Nahrungsaufnahme zu begrenzen.
Diese Appetitregulierung funktioniert aber angesichts heutiger Essgewohnheiten nicht mehr so wie früher. Heutzutage haben viele Lebensmittel einen hohen Zucker- und Fettgehalt. Sie sind dadurch außerordentlich energiereich, woran sich das Informationssystem unseres Körpers nicht angepasst hat. Bei Nahrungsknappheit ist es vorteilhaft, viel energiereiche Kost zu konsumieren - das ist bei uns heute nicht mehr so.
Bei einer Leptin-Resistenz können im Hypothalamus die Sättigungssignale des Leptins nicht richtig interpretiert werden. Eine Leptin-Resistenz begünstigt Adipositas, also krankhaftes Übergewicht: Trotz ausreichender Nahrungszufuhr verspüren Betroffene weiter ein Hungergefühl und nehmen mehr Nahrung zu sich, als für einen ausgeglichenen Energiehaushalt nötig ist.
Manche Menschen mit Adipositas haben also nicht zu wenig Leptin im Körper, sondern es löst nicht den gewünschten Effekt aus. Nur in sehr seltenen Fällen liegt wegen eines Gendefekts ein Leptin-Mangel vor, der das Übergewicht bedingt.
Neue Erkenntnisse über Wachstumshormone und den Hypothalamus
Wachstumshormone (GH) sind nicht nur für Wachstumsprozesse verantwortlich, sondern beeinflussen auch Appetit und Energiestoffwechsel. Neu entdeckte GH-Rezeptoren im Hypothalamus aktivieren Agouti-verwandte Proteine (AgRP), welche das Hungergefühl intensivieren, den Stoffwechsel hemmen und den Kalorienverbrauch mindern. Dieser Effekt ähnelt dem des Hormons Leptin, dessen Spiegel im Energiesparmodus sinkt, während GH ansteigt.
Lesen Sie auch: Was Sie über den Hypothalamus wissen sollten
Während wir versuchen, Disziplin zu bewahren und diverse Diät-Regeln einzuhalten, können Wachstumshormone unseren Körper in die entgegengesetzte Richtung steuern. Während des Fastens sorgen sie für einen extra laut knurrenden Magen und legen den Stoffwechsel lahm. So sehr man sich auch bemüht - die Kilos purzeln unter diesen Voraussetzungen natürlich sehr langsam oder überhaupt nicht.
Was kann man gegen die Dickmacher-Hormone tun?
Wer jedoch das Gefühl hat, dass keine Diät Wirkung zeigt, ganz egal, wie viel Mühe man hineinsteckt, sollte sich von einem Endokrinologen (Hormonexperte) beraten lassen. Ein Blutbild kann etwa Aufschluss darüber geben, ob tatsächlich eine Hormonstörung hinter dem Misserfolg steckt und damit auch herausfinden, was der Körper wirklich braucht. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit möglichst wenig chemischen Zusätzen, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und wenig Stress tragen aber immer zu einem gesunden Hormonhaushalt bei.
Der Jo-Jo-Effekt und Veränderungen im Gehirn
Forschende vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung und der Harvard Medical School haben an Mäusen gezeigt, dass sich die Kommunikation im Gehirn während einer Diät ändert: Die Nervenzellen, die das Hungergefühl auslösen, erhalten ein stärkeres Signal, so dass die Mäuse nach der Diät deutlich mehr fressen und schnell an Gewicht zunehmen. "Es wurde bisher eher nach den kurzfristigen Effekten nach einer Diät geschaut. Wir wollten aber sehen, ob sich im Gehirn langfristig etwas verändert", erklärt Henning Fenselau, Forscher am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung.
Insbesondere untersuchten sie die sogenannten die AgRP-Neurone im Hypothalamus, die das Hungergefühl steuern. Sie konnten zeigen, dass die neuronalen Bahnen, die die AgRP-Neuronen stimulieren, vermehrt Signale senden, wenn die Mäuse auf Diät sind. Diese tiefgreifende Veränderung des Gehirns wurde auch noch eine längere Zeit nach der Diät beobachtet.
Jojo-Effekt verhindern
Den Forschenden gelang es auch, die Nervenbahnen in den Mäusen, die die AgRP-Neuronen aktivieren, gezielt zu hemmen. Dies führte dazu, dass die Mäuse nach der Diät deutlich weniger Gewicht zunahmen. "Dies könnte uns die Möglichkeit bieten, den Jo-Jo-Effekt zu verhindern", sagt Fenselau. "Langfristig ist es unser Ziel, Therapien für den Menschen zu finden, welche helfen könnten das Körpergewicht nach einer Diät zu halten. Um dies zu erreichen, erforschen wir weiterhin, wie wir die Mechanismen blockieren können, die die Verstärkung der neuronalen Bahnen auch beim Menschen vermitteln.“
Lesen Sie auch: Der Einfluss der HHN-Achse auf Depressionen
Adipositas als Gehirnerkrankung
Experten sehen Adipositas als Gehirnerkrankung an. Grund ist ein fehlreguliertes Gleichgewicht (Homöostase) zwischen Energieverbrauch und Nahrungsaufnahme. Menschliches Essverhalten hat eine starke soziale und emotionale Komponente. Homöostatisches Essverhalten kann durch hedonistisches (Genuss-) Essverhalten kontrolliert werden.
Tatsächlich hat sich gezeigt, dass Gehirne adipöser Menschen auf die Sättigungssignale Insulin und Leptin weniger sensibel reagieren. Die Menschen merken zu spät, dass sie satt sind und essen über das Maß hinaus. Das haben sie auch der Plastizität ihrer Zellen zu verdanken. Plastizität beschreibt die Fähigkeit eines Systems, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Es erlaubt zu lernen. Aber manchmal lernt das System eine falsche Lektion. Sind Insulin- und Leptin-Konzentrationen nach einer Geburtstagskuchenorgie kurzfristig erhöht, ist das unproblematisch. Findet die Sause täglich statt, sind Signalwirkstoffe dauerhaft erhöht und ihre Zielneurone dauerhaft erregt. Um nicht an Übererregung einzugehen, regulieren die Nervenzellen die verantwortlichen Rezeptoren herunter. So entsteht eine Insulin- bzw. Leptin-Resistenz, die bei den meisten adipösen Menschen vorliegt.
Entzündungsprozesse und ihre Auswirkungen
Entzündungsprozesse können die Rezeptordichte auf Neuronen und damit ihre Erregbarkeit beeinflussen. So können Einflüsse aus dem Magen-Darm-Trakt dazu führen, dass Nervenzellen dauerhaft erregt sind. Das kann sich über zwischengeschaltete Nervenzellen bis ins Gehirn übertragen und somit selbst hinter einer intakten Blut-Hirn-Schranke Entzündungen hervorrufen. Sie lassen sich im Hypothalamus adipöser Menschen nachweisen. Und weil der Hypothalamus die zentrale Steuerzentrale für allerlei homöostatische Vorgänge ist, kann krankhafte Fettleibigkeit auf diese Art viele unterschiedliche Folgen nach sich ziehen.
Werden von den beteiligten Zellen so genannte proinflammatorische Signalstoffe in geringem Umfang aber über lange Zeit ausgeschüttet, rufen sie unterschwellig Entzündungen hervor. Unterschwellig bedeutet in diesem Fall unbemerkt, weil sie ohne Rötung und Schwellung auskommen und keine Schmerzen verursachen. Dennoch sind sie am Werk und lösen andere Prozesse aus, die beispielsweise zu Insulin- und Leptin-Resistenz führen. Sie spielen bei Folgeerkrankungen von Adipositas, allen voran Diabetes Typ 2, aber auch Arterienverkalkung, Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen, Gelenkstörungen, Asthma, Fettstoffwechselstörungen und Leberverfettung, eine große ursächliche Rolle.
Weißes und braunes Fettgewebe
Im menschlichen Körper kommen zwei Typen Fettgewebe vor: Das bekannte weiße Fett hat seinen Namen durch die vielen Fetttröpfchen, die ihm eine gelbweiße Färbung verleihen. Es hat drei Hauptfunktionen. Erstens ist es der Hauptspeicherort für Energie. In Mangelsituationen holt der Körper sich Energie aus diesem Gewebe durch Lipolyse in Form des Moleküls ATP zurück. Zweitens dient weißes Fett unter der Haut als Isolator gegenüber der Umgebungstemperatur. Drittens trennt es als viszerales Fett die Organe im Bauchraum voneinander.
Die lange vorherrschende Sichtweise, weißes Fett sei hormonell inaktiv, gilt heute als überholt. Die Zellen des Fettgewebes, die Adipozyten, produzieren und sezernieren eine ganze Reihe von Substanzen, die hormonell oder zytokin wirken, also Wachstum und Differenzierung von Zelltypen beeinflussen. Sie sezernieren Adiponektin und Leptin, die Hungergefühl und Nahrungsaufnahme regulieren. Gemeinsam mit den im Fettgewebe vorkommenden Immunzellen wie Makrophagen und Monozyten schütten die Adipozyten aber auch proinflammatorische Zytokine wie TNF-alpha und Interleukine aus.
Der andere Typ ist das so genannte braune Fett. Bis vor etwa zehn Jahren galt, dass es beim Menschen nur bei Säuglingen auftritt. Heute weiß man, dass auch Erwachsene über braunes Fett verfügen. Seine Farbe hängt direkt mit seiner Funktion zusammen. Braunes Fett beinhaltet in den Zellen weniger und kleinere Fetttröpfchen, die im Zytoplasma verteilt sind, dafür deutlich mehr Mitochondrien als weiße Fettzellen. Und das Gewebe ist ungleich stärker von Blutgefäßen durchzogen, was auch zur rotbräunlichen Färbung beiträgt. Dieser Fettgewebetyp kann aktiv Wärme erzeugen und an den Organismus abgeben. Er ist auch der Grund, warum Babys bei Kälte nicht zittern. Sie haben noch zu wenige Muskeln, um zittern zu können und produzieren Wärme durch ihr Fettgewebe.
Der Gedanke liegt nahe, dass die Körper zu Fettleibigkeit neigender Menschen überschüssige Kalorien in den weißen Langzeitspeichern ablegen, während dünne Personen sie durch mehr braunes Fett eher in Wärme umwandeln. Allerdings ist bis heute unklar, ob braunes Fettgewebe für das Körpergewicht beim erwachsenen Menschen überhaupt eine Rolle spielt, und wenn ja, wie wichtig diese Rolle ist. Für die Behandlung von Übergewicht spielt braunes Fett daher bis auf Weiteres keine Rolle.
Praktische Implikationen und Empfehlungen
Vor pharmazeutischen Lösungen sollte immer der Versuch stehen, sein Körpergewicht durch ausgewogene Ernährung oder ein Mehr an körperlicher Aktivität zu verringern. Das kann nicht nur zu einem verbesserten Gleichgewicht von Hunger- und Sättigungsgefühl und zu einer Gewichtsabnahme führen, sondern auch die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden positiv beeinflussen.
Nachhaltig abzunehmen gelingt nur mit langfristiger und konsequenter Umstellung der Ernährungsgewohnheiten. Dazu können Ernährungsberatungen ebenso beitragen wie verhaltenstherapeutische Maßnahmen, medikamentöse Therapien und in gravierenden Fällen gar chirurgische Maßnahmen.
Eine große Rolle bei der Frage, wie viel (oder sogar zu viel) wir essen, spielt die Energiedichte. Wer auf sein Gewicht achten möchte, sollte vermehrt zu Lebensmitteln mit niedriger Energiedichte greifen - sie enthalten oft wenig Fett, aber viel Wasser, haben entsprechendes Volumen und vermitteln dadurch ein Sättigungsgefühl. Ballaststoffe, also unverdauliche Kohlenhydrate, haben durch ihr Volumen einen mechanischen Sättigungseffekt - sie dehnen den Magen, aber auch den gesamten Dünndarm. Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Hülsenfrüchten wird ein besonders hohes Sättigungspotenzial zugeschrieben.
tags: #Hypothalamus #aktivieren #abnehmen #wissenschaftliche #Studien