Das Gehirn ist eines der wichtigsten Steuerungs- und Schaltsysteme des menschlichen Körpers. Innerhalb des Gehirns spielt der Hypothalamus eine zentrale Rolle. Er ist nicht nur an lebensnotwendigen Vorgängen wie Atmung und Nahrungsaufnahme beteiligt, sondern beeinflusst auch unser Sexualverhalten, die Körpertemperaturregulation und den Kreislauf. Der Hypothalamus fungiert als Vermittler zwischen dem vegetativen Nervensystem und dem Hormonhaushalt und reguliert somit nahezu alle periodischen Rhythmen.
Was ist der Hypothalamus? Definition und Lage
Der Begriff Hypothalamus bezeichnet in der Medizin die Hirnanhangsdrüse, einen lebensnotwendigen Bereich des Zwischenhirns (Diencephalon). Er bildet den Boden des Zwischenhirns und liegt direkt unterhalb des Thalamus. Nach oben, zum Scheitel hin, markiert eine flache Furche in der Wand des dritten Ventrikels die Grenze des Hypothalamus gegen den dorsalen Thalamus. Vorne, also stirnwärts, kann man an der Basis des Hypothalamus die Sehnervenkreuzung, das Chiasma opticum, sehen. Dahinter senkt sich im Boden des Zwischenhirns ein Trichter, das Infundibulum, herab. Am Ende seiner „Tülle“ hängt die Hypophyse. Noch weiter hinten, am Übergang zum Mittelhirn, wölben sich beiderseits der Mittellinie die Corpora mammillaria nach unten hin aus dem Boden des Hypothalamus hervor.
Der Hypothalamus ist ein kleines, aber äußerst wichtiges Teil des menschlichen Gehirns, das eine zentrale Rolle für verschiedene lebenswichtige Funktionen spielt. Er ist etwa so groß wie eine Perle.
Aufbau des Hypothalamus
Der Hypothalamus kann anhand der verschiedenen Kerngebiete gut aufgegliedert werden. Diese können aufgrund ihrer Lage in eine vordere, mittlere und hintere Gruppe eingeordnet werden. Der markreiche Hypothalamus besitzt seinen Namen, da dieser Bereich von einer Markkapsel umgeben ist. Der markarme Hypothalamus enthält neben dem vorderen und mittleren Anteil zudem die Area preoptica, wobei man diese offiziell in den vorderen Bereich eingliedert. Diese beherbergt verschiedene Neuronen, die sich verteilt in nicht abgrenzbaren Kerngruppen im Hypothalamus befinden. Darüber hinaus liegen im vorderen Teil jedoch auch gut abgrenzbare Kerngruppen. So ist hier beispielsweise der Nucleus suprachiasmaticus zu finden, welcher oberhalb des Chiasma opticums angesiedelt ist. Der Begriff Nucleus ist lateinisch und bedeutet übersetzt Kern.
Die einzelnen Bereiche des Hypothalamus, die jeweils spezifische Funktionen haben, sind in drei Hauptbereiche unterteilt: den anterioren (vorderen), medialen (mittleren) und posterioren (hinteren) Hypothalamus. Jeder dieser Bereiche steuert bestimmte Prozesse und zusammen ermöglichen sie den Hypothalamus, seine vielen Funktionen auszuführen.
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Vordere Kerngruppe (Chiasmatische Region)
Im vorderen Hypothalamus liegen gut abgrenzbare Kerngruppen, wie der Nucleus suprachiasmaticus oberhalb des Chiasma opticums.
Hinterer Hypothalamus
Der hintere Hypothalamus, der im Wesentlichen nur aus den Corpora mammillaria besteht, wird auch als der „markreiche“ Hypothalamus bezeichnet - weil er von dicken, „markhaltigen“ Nervenfasern durchzogen wird. Es sind dies die Axone des Fornix, die zu den Corpora mammillaria ziehen, und deren Axone, die zum anterioren Thalamus aufsteigen. All diese Strukturen gehören zum limbischen System und dienen der Gedächtnisbildung.
Der hintere Hypothalamus ist maßgeblich an der Herz-Kreislauf-Funktion reguliert.
Markarmer Hypothalamus
Wesentlich heterogener geht es im vorderen, „markarmen“ Hypothalamus zu, der von dünneren Nervenfasern durchzogen wird. Hier liegen zahlreiche - also mehrere Dutzend - voneinander abgrenzbare Kerngebiete, die im Dienste des vegetativen Nervensystems stehen. Zudem ist dieser vordere Hypothalamus eine endokrine Drüse, die viele verschiedene Hormone produziert. Und nicht nur das, er ist auch vollgepackt mit Rezeptoren, an die Hormone anderer endokriner Drüsen binden.
Funktionen des Hypothalamus
Der Hypothalamus ist ein wichtiges Koordinationszentrum im Körper und übernimmt eine Vermittlerrolle zwischen dem vegetativen Nervensystem und dem Hormonhaushalt. Er reguliert somit praktisch alle periodischen Rhythmen. Dies ist nur möglich, da eine Vielzahl von Informationen über den Blutdruck, den Blutzucker und die Körpertemperatur im Hypothalamus gesammelt werden, woraufhin dieser entsprechende Signale bezüglich verschicken kann. Er ist ein sensorisches und motorisches Integrationszentrum und ein primärer Regulator des endokrinen und autonomen Nervensystems.
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Der Hypothalamus gilt als das Zentrum des autonomen Nervensystems, er steuert also viele motivationale Zustände und kontrolliert vegetative Aspekte wie Hunger, Durst oder Sexualverhalten.
Der Hypothalamus hat verschiedene Aufgaben und Funktionen:
- Regulation des autonomen Nervensystems: Der Hypothalamus steuert Vitalfunktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutdruck.
- Koordination von Wasser- und Salzhaushalt: Er sorgt dafür, dass unser Körper ausreichend mit Flüssigkeit versorgt ist und reguliert den Salzhaushalt.
- Thermoregulation: Er sorgt dafür, dass unsere Körpertemperatur konstant bleibt.
- Steuerung der Nahrungsaufnahme: Er reguliert die Nahrungsaufnahme und beeinflusst unser Hunger- und Sättigungsgefühl.
- Beeinflussung des Gefühls- und Sexualverhaltens: Er beeinflusst unser Gefühls- und Sexualverhalten und bestimmt, wann wir schlafen und wann wir wach sind.
- Steuerorgan innerhalb des Hormonsystems: Er reguliert, wann welche Menge eines Hormons gebildet wird.
Hypothalamus und die Hormonproduktion
Der Hypothalamus ist eine endokrine Drüse, die viele verschiedene Hormone produziert. Er produziert und reguliert verschiedene Hormone und ist somit direkt oder indirekt an fast allen Prozessen beteiligt. Die im Hypothalamus gebildeten Hormone lassen sich in drei Gruppen einteilen:
- Effektorhormone: Zu dieser Gruppe gehören Oxytocin und Adiuretin. Oxytocin regt die Wehentätigkeit bei der Geburt sowie das Einschießen der Muttermilch in die weibliche Brust aus. Adiuretin ist für die Wasserrückresorption in der Niere zuständig. Beide Hormone werden in den Hypothalamus-Kernen synthetisiert, dann zum Hypophysenhinterlappen transportiert, von wo aus sie in den Körperkreislauf abgegeben werden.
- Steuerhormone: Hier unterscheidet man Releasing- und Inhibiting-Hormone. Releasing-Hormone regen die Hypophyse zur Synthese und Sekretion diverser Hormone an. Beispielsweise stößt das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) die Freisetzung des Follikelstimulierenden Hormons (FSH) und des Luteinisierenden Hormons (LH) an. Inhibiting-Hormone hingegen bremsen die Sekretion der Hypophysenhormone. So hemmt zum Beispiel das Prolaktin-Release-Inhibiting-Hormon (PIH) die Ausschüttung von Prolaktin.
- Weitere Hormone (Neuropeptide): Diese beeinflussen zusammen mit den beiden anderen Gruppen von Hypothalamus-Hormonen die Funktion des Hypophysenvorderlappens oder fungieren als Kommunikatoren zwischen dem Hypothalamus und anderen Bereichen des Gehirns. Zu diesen weiteren Neuropeptiden des Hypothalamus zählen beispielsweise Enkephaline und Neuropeptid Y.
Hypothalamus-Hypophysen-Achse
Der Hypothalamus ist direkt mit dem Hormonsystem verbunden, indem er das endokrine System über die Hypophyse kontrolliert, welche Hormone in den Blutkreislauf freisetzt. Der Hypothalamus produziert Releasing- und Inhibiting-Hormone, die zur Hypophyse transportiert werden. Je nachdem, welche Hormone der Hypothalamus ausschüttet, reagiert die Hypophyse entweder mit der Produktion und Ausschüttung eines bestimmten Hormons oder sie stoppt deren Produktion.
Ein wichtiger Regelkreis ist die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HHNA), oft auch als Stressachse bezeichnet. Stress wird vom Hypothalamus wahrgenommen, der daraufhin Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) ausschüttet. CRH gelangt zur Hypophyse und veranlasst diese zur Ausschüttung von Adrenocorticotropem Hormon (ACTH). ACTH gelangt über das Blut zur Nebennierenrinde und stimuliert dort die Produktion von Cortisol, einem wichtigen Stresshormon.
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Thermoregulation als Beispiel für einen Regelkreis
Neben vielen anderen Regelkreisen ist die Thermoregulation für den Organismus wichtig, um eine Kerntemperatur von etwa 37 Grad Celsius aufrecht zu erhalten. Diese muss - in gewissen Grenzen - immer konstant sein. Um das zu erreichen, hat der Körper in der Haut und in den Organen „Messfühler“ - freie Nervenendigungen sensibler Nervenzellen. Deren Informationen werden an den Thalamus und dann weiter an den Hypothalamus übermittelt.
Sinkt die Körperkerntemperatur ab, setzt ein Regelkreis zur Temperaturregulation ein. Der Hypothalamus setzt das Hormon TRH (Thyreotropin-Releasing-Hormon) frei. TRH animiert den Hypophysenvorderlappen, TSH (Thyroidea-stimulierendes Hormon) auszuschütten. TSH wiederum reguliert die Bildung des Schilddrüsenhormons Thyroxin (T4). Dieses gelangt in Fettgewebe und Skelettmuskulatur und wird dort in Trijodthyronin (T3) umgewandelt. T3 steigert den Grundumsatz, kurbelt die Energiebereitstellung aus der Leber an, erhöht die Herzfrequenz - mit dem Ergebnis einer Erhöhung der Temperatur.
Erhöht sich die Körperkerntemperatur, dann erfolgt durch den Hypothalamus eine Absenkung des Sympathikotonus, der die Gefäße in der Peripherie weitet und die Schweißsekretion fördert - mit dem Ergebnis einer Abkühlung des Körpers.
Klinische Bedeutung: Hypothalamus Störungen und Symptome
Aufgrund seiner verschiedenen lebenswichtigen Funktionen und Beziehungen kommt dem Hypothalamus eine große klinische Bedeutung zu. Störungen in diesem Bereich können aufgrund der vielen Steuerungszentren einen erheblichen Einfluss auf das endokrine System haben. Symptome einer Hypothalamus-Störung können sehr vielfältig sein und hängen davon ab, welche Funktionen des Hypothalamus betroffen sind. Einige der häufigsten Symptome umfassen:
- Ungewöhnliche Gewichtszunahme oder -verlust
- Unkontrollierter Durst
- Schlafstörungen
- Veränderte Körpertemperatur
- Störungen der sexuellen Funktion
- Verhaltensänderungen
Beispielsweise kann eine ungewöhnliche Gewichtszunahme auf eine Störung der Hormone hinweisen, die den Appetit und den Stoffwechsel regulieren, während übermäßiger Durst ein Zeichen für eine Störung des Hormons Vasopressin sein kann, das den Wasserhaushalt des Körpers reguliert.
Ein extremes Beispiel für eine Hypothalamus-Störung ist der Morbus Wilson, bei dem eine Überladung mit Kupfer das Gehirn schädigt, einschließlich des Hypothalamus. Dies kann zu Symptomen wie Bewegungsstörungen und psychiatrischen Symptomen wie Depressionen oder Psychosen führen.
Beispiele für Erkrankungen und Störungen
- Hypophysenadenom: Infolge eines gutartigen Tumors, den man als Hypophysenadenom bezeichnet, werden beispielsweise zu viele oder zu wenig Hormone produziert. Dies kann unter anderem zu einer Akromegalie, also einer Vergrößerung von Nase, Kinn, Fingern und Schädelknochen führen.
- Essstörungen: Eine Beeinträchtigung des Hypothalamus kann auch das Ess- und das Sättigungszentrum betreffen und zu einer pathologischen Gewichtszunahme beziehungsweise Abnahme führen. Ist beispielsweise das Esszentrum geschädigt, nehmen Betroffene dieser Erkrankungen keine oder kaum noch Nahrung zu sich und magern stark ab.
- Diabetes insipidus: Eine Schädigung des Nucleus supraopticus kann zu einem Mangel an ADH führen, was Diabetes insipidus verursacht. Die Nieren sind aufgrund eines Mangels an zirkulierendem ADH nicht in der Lage, den Urin zu konzentrieren.
- Hypothalamische Amenorrhö: Eine ausbleibende Menstruation (länger als 3 Monate) kann durch eine verminderte pulsatilen Freisetzung von GnRH aus dem Hypothalamus verursacht werden, die in Zeiten schwerer körperlicher oder psychischer Belastung auftritt. Die Erkrankung wird am häufigsten in Verbindung mit Essstörungen oder Überanstrengung (häufig bei Sportlerinnen) beobachtet.
- Hyperthermie: Eine Schädigung des Ncl. anterior des Hypothalamus, der an der Thermoregulation, insbesondere der Abkühlung des Körpers, beteiligt ist, kann zu Hyperthermie führen. Eine Schädigung dieser Region verhindert, dass sich der Körper selbst runterkühlen kann.
- Narkolepsie: Tritt auf, wenn der laterale Hypothalamus nicht in der Lage ist, Orexin zu sekretieren, eine Substanz, die in vielen Bereichen des Gehirns die Wachheit fördert.
- Hyperprolaktinämie: Erhöhte Prolaktinspiegel im Blut. Neben Hypophysenadenomen kann auch ein Verlust der hemmenden Dopamin-Sekretion durch den Hypothalamus eine Ursache sein. Dieser Zustand kann auftreten, wenn dopaminerge Neurone aus dem Hypothalamus beschädigt sind oder wenn das Infundibulum während einer suprasellären Operation durchtrennt wird.
Regulierung und Prävention von Störungen
Die Regulierung des Hypothalamus ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens. Eine gute Gesundheit und eine richtige Ernährung können dazu beitragen, den Hypothalamus optimal zu funktionieren. Hierfür sind unter anderem folgende Faktoren wichtig:
- Eine ausgewogene Ernährung
- Regelmäßige körperliche Betätigung
- Ein gesundes Stressmanagement
- Ausreichender Schlaf
Ein gut funktionierender Hypothalamus kann also dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit von Hypothalamus-Störungen zu verringern. Es ist wichtig, bei Verdacht auf eine Hypothalamus-Störung einen Arzt aufzusuchen, da eine frühe Diagnose und Behandlung dazu beitragen können, die Folgen der Störung zu mildern oder zu verhindern.
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