Das Gehirn unter der Lupe: Fakten, Rätsel und die Bedeutung von Fragezeichen

Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes und komplexes Organ, das uns immer noch viele Rätsel aufgibt. Es steuert nicht nur unsere Gedanken und Handlungen, sondern auch lebenswichtige Körperfunktionen, oft unbewusst. Dieser Artikel beleuchtet einige interessante Aspekte des Gehirns, von kognitiven Tests und alltäglichen Irrtümern bis hin zu den Auswirkungen von Krankheiten und der Bedeutung einer gesunden Lebensweise.

Der Stroop-Effekt: Wenn das Gehirn ins Stocken gerät

Haben Sie schon einmal einen Test gemacht, bei dem Sie die Farbe eines Wortes nennen mussten, das in einer anderen Farbe geschrieben war? Zum Beispiel das Wort "rot" in blauer Schrift? Dieser Test, bekannt als Stroop-Test, kann ziemlich verwirrend sein. Warum ist das so?

Lesen ist ein hochautomatisierter Prozess, der eng mit unserer Sprachproduktion verbunden ist. Wenn wir das Wort "rot" lesen, wird in unserem Gehirn automatisch die Farbe Rot aktiviert. Wenn das Wort jedoch in Blau geschrieben ist, entsteht ein Konflikt zwischen dem, was wir lesen und dem, was wir sagen sollen.

Die Zentren für Sprach- und Schrifterkennung arbeiten auf Hochtouren und vollautomatisch. Es ist schwierig, das geschriebene Wort zu ignorieren, da wir "Rot" als die gleiche Farbe wahrnehmen wie beispielsweise Blut. Wenn wir "Rot" lesen, es aber in Blau geschrieben ist und wir "Blau" sagen sollen, ist das Gehirn irritiert. Es geht von "Rot" aus, wie die Farbe von Blut, aber es soll die Farbe von Blau wie der Himmel benennen. Dies erscheint dem Gehirn kurzzeitig unlogisch, da wir es in der frühkindlichen Entwicklung anders gelernt haben. Das Gehirn wird durch "Rot" in einer anderen Farbe irritiert, besonders wenn wir "Blau" sagen müssen.

Gehirn im Faktencheck: Mythen und Wahrheiten

Das menschliche Gehirn ist ein Mysterium, das noch nicht vollständig erforscht ist. Daher überrascht es nicht, dass sich einige Irrtümer um dieses komplexe Steuerungsorgan ranken.

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Mythos 1: Wir nutzen nur 10 Prozent unseres Gehirns.

Dieser Mythos ist falsch. Abgesehen vom Denken ist das Gehirn auch für die Steuerung lebenswichtiger, aber unbewusster Körperfunktionen zuständig. Jede Schädigung des Gehirns führt in der Regel zu einer Einschränkung.

Mythos 2: Kopfschmerzen sind Gehirnschmerzen.

Obwohl alle Schmerzwahrnehmungen ans Gehirn gemeldet und dort verarbeitet werden, kann das Organ selbst keine Schmerzen empfinden. Bei Kopfschmerzen schmerzen die Blutgefäße der Hirnhaut.

Mythos 3: Wir können nur begrenzt Informationen speichern.

Verglichen mit einem Computer hätten wir eine Speicherkapazität von schätzungsweise 2,5 Millionen Gigabyte. Während unser Kurzzeitgedächtnis nur wenig Platz hat, kann unser Langzeitgedächtnis unbegrenzt Informationen aufnehmen. Alle dort gespeicherten Erinnerungen bleiben erhalten, selbst wenn wir sie vergessen haben. Vergessen bedeutet nur, dass wir auf die Informationen nicht mehr zugreifen können.

Mythos 4: Erinnerungen sind immer korrekt.

In den Erinnerungen wird vor allem abgespeichert, was mit großen Emotionen verbunden war. Doch entsprechen die Erinnerungen nicht immer dem, was tatsächlich passiert ist. Hirnforscher haben herausgefunden, dass Menschen ihre Erinnerungen meist verschönern und bei jedem Abruf etwas variieren, weil die Situation des letzten Abrufs Einfluss darauf nimmt.

Mythos 5: Hirndoping verbessert die geistige Leistung.

Medikamente, die z.B. bei ADHS die Konzentrationsfähigkeit erhöhen, verbessern die geistige Leistung gesunder Menschen nicht. Medizinische Studien zeigen: Die Hirndoping-Medikamente wirken bei Gesunden unberechenbar, teils verschlechternd, und selten besser als Placebos. Allenfalls konnten die Testpersonen länger arbeiten oder lernen, zeigten aber keine besseren Ergebnisse.

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Fakt: Das Gehirn hat Hunger.

20 Prozent des Energieverbrauchs im menschlichen Körpers gehen auf Kosten des Gehirns. Es verbraucht etwa ein Fünftel von dem, was wir essen und einatmen - obwohl es nur zwei Prozent der Gesamtmasse ausmacht.

Fakt: Kreuzworträtsel und Sudokus halten das Gehirn nicht unbedingt fit.

Zwar gilt grundsätzlich auch fürs Gehirn: Wer rastet, der rostet. Doch der Trainingseffekt, den viele sich von Kreuzworträtseln oder Sudokus versprechen, lässt sich nicht nachweisen. Rätsel fragen altes Wissen ab, Denkarbeit sollte jedoch anstrengen und Routinen sprengen, damit sie das Gehirn fit hält. Ein Musikinstrument, eine Sprache oder Tänze zu lernen senkt das Demenzrisiko viel nachhaltiger.

Fakt: Die richtige Ernährung senkt das Risiko für Demenz.

Eine ausgewogene Ernährung hilft nicht nur, Herz- und Kreislauferkrankungen zu vermeiden, sondern ist enorm wichtig fürs Gehirn. Fette, wie sie in panierten Speisen und vielen Fastfood-Produkten stecken, führen zu Ablagerungen im Gehirn. Diese blockieren Reizübertragungen und lösen Entzündungen aus. Dadurch sterben Nervenzellen ab. Sich gesund zu ernähren, hält also auch das Gehirn fit.

Fakt: Alzheimer-Demenz ist nicht immer vererbt.

Wenn Großeltern oder Eltern in ihren letzten Lebensjahren unter Alzheimer gelitten haben, ist die Wahrscheinlichkeit, selbst daran zu erkranken, kaum erhöht. Nur etwa ein Prozent aller Alzheimer-Fälle ist eindeutig erblich bedingt; diese Betroffenen erkranken in der Regel früh, zwischen dem 30. und dem 65. Lebensjahr.

Fakt: Rotwein und Schokolade verursachen nicht unbedingt Migräne-Attacken.

Oft entsteht der Heißhunger auf Schokolade erst durch eine ohnehin bevorstehende Attacke. Menstruationszyklus-Phasen und Stress gelten aber immer noch als Trigger für Migräne-Attacken, daher gilt es, gut mit Stress umzugehen.

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Fakt: Schwindel kann auch durch psychische Erkrankungen entstehen.

Die zweithäufigste Schwindelform (über 15 Prozent) ist der phobische Schwankschwindel, der im Rahmen von Angsterkrankungen auftritt. Als häufigste Schwindelform (mit etwa 17 Prozent) gilt übrigens der gutartige Lagerungsschwindel, der durch kristallene Ablagerungen im Innenohr entsteht und sich gut behandeln lässt.

Fakt: Epileptische Anfälle sind nicht selten.

Etwa fünf Prozent der Deutschen, also jeder zwanzigste, erleidet mindestens einmal im Leben einen epileptischen Anfall. Oftmals handelt es sich dabei um Fieberkrämpfe, Anfälle bedingt durch übermäßigen Alkoholgenuss oder starke Übermüdung. Die meisten Betroffenen entwickeln dann keine Epilepsie, doch immerhin 800.000 Menschen in Deutschland sind wegen Epilepsie-Erkrankungen in haus- oder fachärztlicher Behandlung.

Fakt: Schlaganfall - Zeit ist entscheidend.

Ein bewährter Schnell-Check heißt „F-A-S-T“: Es steht für face (Gesicht), in dem ein Lächeln möglich sein sollte. Dann sollte man den Betroffenen bitten, die Arme (arms) zu heben und einen einfachen Satz nachzusprechen (speech = Sprache). Time (Zeit) heißt: Falls dies nicht klappt, muss es schnell gehen. Also nicht die Hausarzt-, sondern die Notrufnummer wählen! Bei einem Schlaganfall werden Teile des Gehirns von der Durchblutung und Sauerstoffversorgung abgeschnitten. Pro Minute sterben unzählige wertvolle Nervenzellen ab. Jede Minute zählt also! Je früher Patienten mobilisiert werden, desto besser können sie das Schlucken, Sprechen und Gehen wieder neu lernen.

Fakt: Schwangerschaften sind bei Multipler Sklerose nicht riskant.

Meist beruhigt sich diese Autoimmun-Erkrankung während der Schwangerschaft sogar: Schübe werden seltener oder bleiben gar aus. Durch die veränderten Hormone wird das Immunsystem besser in Schach gehalten und das körpereigene Kortison steigt an.

Fakt: Nicht alle MS-Patienten benötigen später einen Rollstuhl.

Bei nur etwa fünf Prozent der Multiple Sklerose-Erkrankten führt die Krankheit innerhalb weniger Jahre zu einer körperlichen Behinderung. 70 Prozent der MS-Erkrankten brauchen im Alter von 50 Jahren keinen Gehstock, um 100 Meter zu laufen.

Fakt: Strom kann gegen Steifheit und Zittern bei Parkinson helfen.

Wenn sich die Krankheitssymptome mit Medikamenten nicht beherrschen lassen, kann die Implantation eines Hirnschrittmachers helfen. Bei der „tiefen Hirnstimulation“ arbeiten Neurologen und Neurochirurgen sehr eng zusammen.

Fakt: Zittern gehört nicht zwingend zur Parkinson-Krankheit.

Verlangsamte, oftmals wie eingefrorene Bewegungen gehören immer zum Bild des Parkinson-Syndroms. Die Patienten zeigen zudem eine Muskelsteifigkeit, eine instabile Körperhaltung oder das Zittern in Ruhe (Tremor), aber nicht zwingend alle drei der zuletzt genannten Symptome.

Fakt: Es gibt Landkarten auf dem Gehirn.

Wo im Gehirn sitzt die Sprache, welche Gehirnregion gibt dem Fuß den Takt vor? Das müssen Operateurinnen und Operateure vor einer Gehirnoperation beachten. Die Neurochirurgen erstellen mithilfe des Mappings dazu eine Karte der Gehirnfunktionen. Mit ihr können sie z.B. die Entfernung eines Tumors zu den Sprachzentren und deren Verbindungsbahnen abschätzen und diese während der Operation schonen.

Fakt: Teile von Albert Einsteins Gehirn liegen im Museum.

Nach dem Tod Albert Einsteins 1955 entnahm der Pathologe Thomas Harvey heimlich und ohne Genehmigung dessen Gehirn, konservierte es und fertigte unzählige Gewebeproben an. Noch heute befinden sich Teile von Einsteins Gehirn in verschiedenen amerikanischen Museen.

Fakt: Corona kann auch dem Gehirn auf die Nerven gehen.

Das Virus kann das Nervensystem in Mitleidenschaft ziehen, weshalb man auch von Neuro-Covid spricht. Ca. 80% der Patient*innen, die mit einer Coronaviruserkrankung im Krankenhaus behandelt werden, haben neurologische Beschwerden. Auch leicht Erkrankte berichten oft noch Monate später über anhaltende Symptome wie Erschöpfung, Konzentrationsstörungen oder Gedächtnisprobleme.

Autoantikörper und das Gehirn: Freund oder Feind?

Autoantikörper (AK) gegen das Gehirn kommen sowohl im Serum gesunder als auch kranker Menschen vor. Es ist noch unklar, ob man AK tatsächlich global als pathologisch ansehen soll und kann. Zirkulierende AK sind charakterisiert durch eine individuell hochvariable Zusammensetzung und fluktuieren im Serum.

Vergesslichkeit: Eine Frage des Zugangs

Jeder kennt das Gefühl, etwas zu vergessen. Doch oft ist es nicht so, dass die Information verloren ist, sondern dass der Zugriff darauf erschwert ist. Es ist wie bei einer riesigen Bibliothek, in der es immer länger dauert, das eine Buch zu finden.

Wenn wir etwas von außen tun müssen, muss das Gehirn erst diese Arbeit leisten und die Infos vorsortieren. Das kann dauern, besonders unter Druck. Je gestresster man ist, desto schwieriger ist es, auf das zuzugreifen, was schon längst im Kopf drin ist. Der Trick ist dann, sich nicht unter Stress zu setzen und kurz durchzuschnaufen. Dann muss man darauf vertrauen, dass das Wissen wiederkommt.

Optische Täuschungen: Wenn das Gehirn Fehler macht

Optische Täuschungen nutzen Fehlschlüsse des Gehirns aus, um uns in die Irre zu führen. Das Gehirn vertraut auf bekannte Muster und blendet auf der Suche nach Besonderheiten eben diese aus.

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