Jedes Mal, wenn wir denken, fühlen oder sogar träumen, arbeitet unser Gehirn unermüdlich, um all diese Prozesse zu steuern. Um all die „Energie“ und „Abfälle“, die dabei entstehen, aus unserem Gehirn zu entfernen, gibt es ein ausgeklügeltes System von lymphatischen Gefäßen, die in den Hirnhäuten angesiedelt sind. Wissenschaftliche Studien haben in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte im Verständnis der Mechanismen erzielt, die das Gehirn nutzt, um zellulären Müll zu beseitigen. Diese Erkenntnisse sind entscheidend, da die Ansammlung von Abfallprodukten im Gehirn mit altersbedingten kognitiven Problemen und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer in Verbindung gebracht wird.
Das lymphatische System der Hirnhäute
Das Lymphsystem der Hirnhäute hat die Aufgabe, das Gehirnwasser oder den Liquor - die Flüssigkeit, die unser Gehirn umgibt und es schützt - abzutransportieren. Diese Flüssigkeit nimmt nicht nur Abfallprodukte auf, sondern enthält auch wichtige Nährstoffe. Wenn diese Lymphgefäße jedoch nicht richtig funktionieren, kann das Gehirn wie durch einen überfüllten Mülleimer beeinträchtigt werden, was die gesamte Funktionalität beeinträchtigt. Das ist nicht nur unangenehm, sondern kann auch ernsthafte Auswirkungen auf unser Gedächtnis und unsere kognitiven Fähigkeiten haben!
Das glymphatische System, das 2012 von Maiken Nedergaard und ihrem Team entdeckt wurde, funktioniert ähnlich wie das Lymphsystem. Es nutzt die Hirnflüssigkeit, die durch Kanäle und Zellzwischenräume im Gehirn fließt, um Stoffwechselprodukte und Toxine aufzunehmen und abzutransportieren.
Die Rolle der Mikroglia
Jetzt kommen wir zu den Mikroglia, den kleinen Wächtern unseres Gehirns. Sie haben die Aufgabe, das Gehirn sauber zu halten und reagieren, wenn es Störungen gibt. Wenn das Lymphsystem der Hirnhäute versagt, gibt die Mikroglia nicht nur den Alarm aus, sondern kann auch den ganzen Saal durcheinanderbringen. Diese Mikrogliazellen sind wie die Feuerwehr: Wenn es brennt (oder die Lymphgefäße nicht ordnungsgemäß arbeiten), sind sie sofort im Einsatz. Doch manchmal geraten sie selbst in Panik und schütten übermäßig viele entzündungsfördernde Substanzen aus - in diesem Fall den Botenstoff Interleukin 6. Wenn Interleukin 6 in großen Mengen ausgeschüttet wird, hat das direkte Auswirkungen auf die Funktionalität der Synapsen im Gehirn - das sind die kleinen Verbindungen, mit denen Nervenzellen miteinander kommunizieren lassen. Ein Zuviel an Interleukin 6 kann die Fähigkeit dieser Synapsen beeinträchtigen, richtig zu funktionieren, und damit drohen Gedächtnisprobleme!
Das E/I-Gleichgewicht
Das E/I-Gleichgewicht ist entscheidend für die ordnungsgemäße Funktionsweise unserer neuronalen Netzwerke. Es sorgt dafür, dass unsere Neuronen sowohl Reize empfangen (Erregung) als auch kontrolliert werden (Hemmung). Wenn die Erregung überhandnimmt, wie der übermotivierte Nachbar, der zu laut auf seiner Trompete spielt, kann es zu einer Überstimulation des Gehirns kommen, was in der Regel nichts Gutes bedeutet - im besten Fall gibt es das eine oder andere Kopfweh, im schlimmsten Fall wird das Gedächtnis in Mitleidenschaft gezogen!
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Wiederherstellung des Lymphsystems
Forscher haben herausgefunden, dass das Wiederherstellen der Funktionsfähigkeit des Lymphsystems der Hirnhäute in älteren Mäusen zu einer Verbesserung ihrer Gedächtnisfähigkeit führen kann. Ja, ihr habt richtig gehört! Wenn wir die „Abflussrohre“ wieder in Stand setzen, haben wir die Chance auf einen Neustart - fast so, als würde man den Reset-Knopf auf dem alten Computer drücken. Plötzlich läuft alles wieder glatt!
Zelluläre Müllentsorgungssysteme
Damit Zellen gesund und funktionstüchtig bleiben, sorgen zelleigene Müllentsorgungsanlagen dafür, veränderte oder kaputte Eiweißmoleküle permanent aus den Zellen zu entfernen. Zum einen gibt es das proteasomale und zum anderen das lysosomale System. Wie seit langem bekannt ist, nimmt mit zunehmender Zellalterung die Leistungsfähigkeit der zellulären Müllentsorgungssysteme ab, wodurch sich vermehrt beschädigte und veränderte Eiweißmoleküle in den Zellen anhäufen. Dieser molekulare Abfall belastet die Zellen, wobei sich die wissenschaftlichen Hinweise mehren, dass er das Entstehen altersbedingter Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt. Derzeit ist noch sehr wenig über die genauen molekularen Mechanismen bekannt, die die zelluläre Müllbeseitigung im Alter beeinträchtigen.
Untersuchung am Beispiel des Ferritins
Daher untersuchten die Forscher in der aktuellen Studie diese Mechanismen am Beispiel des Ferritins mit Hilfe menschlicher Bindegewebszellen der Haut. Die Wissenschaftler ließen hierzu Zellen in Petrischalen wachsen. An diesen führten sie verschiedene molekularbiologische und mikroskopische Untersuchungen durch. Einerseits analysierten sie junge, nur kurz in der Petrischale gewachsene Zellen, und andererseits gealterte Zellen, die bereits altersspezifische Merkmale aufwiesen.
„Wie unsere Ergebnisse zeigen, ist sowohl in jungen als auch in alten Zellen hauptsächlich das lysosomale System für den Ferritinabbau verantwortlich und nicht das proteasomale. Erstaunlicher Weise beobachteten wir aber nicht, dass die Anhäufung des Ferritins in den alten Zellen auf eine verringerte Zahl oder verminderte Aktivität der Lysosomen zurückzuführen war“, sagt Christiane Ott. „Sondern wir konnten nachweisen, dass hierfür ein gestörter Ferritin-Transport zu den Lysosomen verantwortlich ist, da die alten Zellen bestimmte Transportproteine nicht mehr in ausreichender Mengen produzieren. Wie wir zudem feststellten, nahm auch die Anzahl der Proteine deutlich ab, die bei der Verpackung des Ferritins in sogenannte Autophagosomen eine Rolle spielen“, berichtet die Nachwuchswissenschaftlerin weiter. Ein Autophagosom sei im Prinzip ein Membransäckchen, in welche die Zelle abzubauenden Müll stecke, um ihn ins Innere des Lysosoms einschleusen zu können, wo dann der Abbau stattfindet.
„Nach unseren Ergebnissen ist die Beeinträchtigung des Verpackungsvorgangs zudem auf eine größere Aktivität des Signalmoleküls mTOR zurückzuführen“, erklärt Grune, der am DIfE nicht nur die Abteilung Molekulare Toxikologie leitet, sondern auch wissenschaftlicher Vorstand des Instituts ist. Eine Beobachtung, die sich mit den Resultaten anderer Forscher deckt und die die Wissenschaftler auch durch Untersuchungen am Gehirn der Maus bestätigen konnten. Vereinfacht könne man die Studienergebnisse so zusammenfassen: Nicht die eigentliche Müllentsorgungs- und Recyclinganlage sei in den gealterten Zellen beeinträchtigt, sondern die Müllabfuhr und Verpackung funktioniere nicht mehr richtig, ergänzt Ott.
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Inwieweit die größeren Ferritin-Mengen die alten Zellen beeinträchtigen, können die Forscher noch nicht sagen.
Das glymphatische System und Schlaf
Wie Maiken Nedergard 2013 in einer Studie an Mäusen belegen konnte, wird offenbar im Zuge des Schlummers am meisten Müll abtransportiert. Der Zwischenraum zwischen den Zellen im Gehirngewebe nahm während des Schlafs durch Schrumpfung der Zellkörper um bis zu 60 Prozent zu. Verantwortlich dafür ist unter anderem Noradrenalin, ein Botenstoff, der das Wachheitsniveau reguliert. Er scheint gleichzeitig die Größe des Zellzwischenraums zu steuern. Noradrenalin-vermittelte Signale verändern offenbar das Zellvolumen und verkleinern dadurch den Raum zwischen den Hirnzellen. Hemmten Nedergaard und ihre Kollegen diese Signale medikamentös, vergrößerte sich der Zwischenraum zwischen den Zellen. Das führte zu einer effizienteren Beseitigung von Abfallprodukten ähnlich wie im Schlaf.
Der naheliegende Vorteil von größeren Zellzwischenräumen während des Schlafs: Durch mehr Platz zwischen den Zellen kann die Hirnflüssigkeit besser zirkulieren und die Abfallstoffe effizienter abtransportieren. Tatsächlich wurde Beta-Amyloid in der Untersuchung von Nedergaard aus den Gehirnen schlafender Mäuse doppelt so schnell beseitigt wie bei wachen Mäusen. Ein weiterer Vorteil: Der Schlaf ermöglicht es dem glymphatischen System, intensiver zu arbeiten. Denn die Energie, die im Gehirn sonst für kognitive und andere Leistungen draufgeht, steht dann für die Reinigung des Gehirns zur Verfügung. In einer Untersuchung von 2019 kam Nedergaard zu dem Ergebnis, dass vor allem im Tiefschlaf die Abfallentsorgung auf Hochtouren läuft: „Schlaf ist entscheidend für die Funktion des Abfallbeseitigungssystems des Gehirns“, sagt sie in einer Pressemitteilung.
Allerdings stellte kürzlich eine Studie infrage, ob Schlaf wirklich dazu dient, die Abfallentsorgung zu unterstützen. Nick Franks, Professor für Biophysik und Anästhesie am Imperial College London, und seine Kollegen kamen genau zu dem gegenteiligen Ergebnis: Stoffe im Gehirn von Mäusen wurden während des Schlafs nicht etwa stärker beseitigt - der Abtransport war sogar deutlich vermindert. "Die Idee, Schlaf könne das Gehirn von Stoffwechselprodukten befreien, war verlockend", sagt Nick Franks. Aber die Daten, die dies untermauern sollten, seien meist indirekt gewesen. "Man hat gemessen, wie schnell bestimmte Nachweismoleküle in das Gehirn gelangten. Und hat dies als Ersatz für das, was hinausging, angesehen.“ Seine eigenen Daten seien direkter. Tatsächlich hatten die Wissenschaftler um Franks Markermoleküle ins Gehirn injiziert und gemessen, wie schnell sie wieder austraten. Schlaf und Narkosemittel hemmten die Ausscheidung. "Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Ausscheidung von Stoffwechselprodukten der Hauptgrund dafür ist, dass wir schlafen müssen." Ob im Schlaf wirklich der Großputz stattfindet, ist also nicht ganz klar. Dafür häufen sich die Belege, dass das Gehirn tatsächlich über eine eigene Putzkolonne verfügt.
Natürliche Nahrungsergänzungsmittel zur Reaktivierung der zellulären Reinigung
Forscher aus Kalifornien haben nun zwei Nahrungsergänzungsmittel entdeckt, die diesen Prozess umkehren. Mit zunehmendem Alter verlieren unsere Gehirnzellen ihre Fähigkeit, sich selbst zu reinigen und schädliche Proteine zu entfernen. Diese nachlassende Abfallentsorgung des Gehirns gilt als einer der Hauptfaktoren für altersbedingte kognitive Probleme und Erkrankungen wie Alzheimer.
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Forschende der University of California (Irvine) haben nun eine besondere Entdeckung im August 2025 veröffentlicht: Eine Kombination aus zwei bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln könnte diesen Alterungsprozess umkehren und die Reinigungsfunktion alternder Gehirnzellen wiederherstellen.
Die vielversprechende Lösung: Vitamin B3 und Grüntee-Extrakt
Die Wissenschaftler testeten eine Kombination aus zwei natürlichen Verbindungen:
- Nicotinamid (eine Form von Vitamin B3)
- Epigallocatechin-Gallat (EGCG) (ein Antioxidans aus grünem Tee)
Das Ergebnis zeigte, dass bereits 24 Stunden nach der Behandlung die GTP-Spiegel in gealterten Neuronen auf die Werte wiederhergestellt wurden, die typischerweise in küngeren Zellen zu sehen sind.
Regenerationseffekte in nur 24 Stunden
Die Wiederherstellung der Energieversorgung war Auslöser mehrer positiver Effekte:
- Verbesserte Energiestoffwechsel: Die grundlegende Energieversorgung der Zellen wurde wiederhergestellt
- Aktivierte Transportproteine: Wichtige GTPasen (Rab7 und Arl8b) für den zellulären Transport wurden reaktiviert
- Effiziente Proteinbeseitigung: Schädliche Amyloid-Beta-Aggregate, ein Alzheimer-Kennzeichen, wurden erfolgreich entfernt
- Reduzierter oxidativer Stress: Ein weiterer Faktor der Neurodegeneration wurde vermindert
Der wissenschaftliche Hintergrund: Warum das Gehirn altert
Die Forschenden um Professor Gregory Brewer identifizierten ein fundamentales Problem alternder Neuronen: den Mangel an Guanosintriphosphat (GTP), einem essentiellen Energiemolekül. „Mit zunehmendem Alter zeigen die Gehirne der Menschen einen Rückgang der neuronalen Energiespiegel, was die Fähigkeit zur Entfernung unerwünschter Proteine und beschädigter Komponenten einschränkt“, erklärt Brewer in einer Mitteilung von medicalxpress.
Die Wissenschaftler wollten messen, wie viel Energie in den Gehirnzellen vorhanden ist. Dafür verwendeten sie eine Art Energiemessgerät namens GEVAL, wobei es sich um ein spezielles Werkzeug handelt, das aufleuchtet, wenn es Energie (GTP) in den Zellen findet. Mit diesem leuchtenden Messgerät untersuchten sie Gehirnzellen von alten Mäusen, die ähnliche Probleme wie Alzheimer-Patienten haben. Dabei stellten sie fest:
- Alte Gehirnzellen haben weniger Energie als junge
- Besonders wenig Energie war in den Kraftwerken der Zellen (Mitochondrien) vorhanden
- Ohne genug Energie können die Zellen ihre Abfallprodukte nicht mehr richtig entsorgen
Der Energiemangel hatte dramatische Folgen für einen lebenswichtigen Prozess: die Autophagie. Dabei handelt es sich um den Prozess, durch den Zellen beschädigte Komponenten eliminieren. „Wir fanden heraus, dass die Wiederherstellung der Energiespiegel den Neuronen hilft, diese kritische Reinigungsfunktion zurückzugewinnen“, so Brewer.
Mikroplastik und psychische Gesundheit
Eine Artikelreihe in „Brain Medicine“ legt nahe, dass sich Mikroplastik aus stark verarbeiteten Lebensmitteln im Gehirn anreichert und möglicherweise Depressionen und Demenz begünstigt. Die Autorinnen und Autoren führen aus, dass die winzigen Kunststoffpartikel, die in ultra-verarbeiteten Nahrungsmitteln in besonders hoher Konzentration vorkommen, mit dem Anstieg psychischer Erkrankungen wie Depressionen und Demenz in Zusammenhang stehen könnten. Im Leitartikel argumentieren Dr. Nicholas Fabiano und sein Team, dass die Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Mikroplastik und psychischen Erkrankungen immer stärker werden. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass die Partikel die Blut-Hirn-Schranke überwinden und sich in besorgniserregenden Mengen im Gehirn ablagern können. Aktuelle Daten, die eine direkte Messung von Mikroplastik im menschlichen Gehirn ermöglichen, unterstützen die Hypothese der Forschenden: Die Konzentration dieser Partikel bei Menschen mit diagnostizierter Demenz liegt drei- bis fünfmal höher als bei gesunden Personen.
Dr. Wolfgang Marx und seine Kollegen heben hervor, dass sich die schädlichen Wirkungen von Mikroplastik und ultra-verarbeiteten Lebensmitteln in vielerlei Hinsicht ähneln. Beide führen zu Entzündungen, oxidativem Stress und Störungen der Mitochondrienfunktion im Gehirn. Zudem beeinflussen sie epigenetische Prozesse und die Signalübertragung von Neurotransmittern, was wiederum die psychische Gesundheit beeinträchtigen kann.
Lymphgefäße an der Schädelbasis
Eine neue Studie scheint diese Theorie nun zu bestätigen. Demnach spielen vor allem Lymphgefäße an der Schädelbasis eine Rolle für den Abtransport von Flüssigkeit und Molekülen aus dem Gehirn. Wie Wissenschaftler um Ji Hoon Ahn vom Korea Advanced Institute of Science and Technology in Daejeon erklären, lag dies auch daran, dass bisher nur ein Teil dieser meningealen Lymphgefäße überhaupt untersucht wurde. „Die Lymphgefäße an der Schädelbasis sind bisher zum Beispiel weitestgehend unerforscht“, schreiben sie.
Um mehr über das Reinigungssystem des Gehirns zu erfahren, widmeten sie sich den meningealen Lymphgefäßen an der Schädelbasis von Mäusen. Mithilfe eines Farbstoffs und einer speziellen Mikroskopiertechnik konnten sie die Strukturen der Gefäße dabei im Detail sichtbar machen. So entdeckte das Forscherteam beispielsweise, dass die Endothelzellen, aus denen die Wände der kapillarartig verzweigten Gefäße bestehen, nur lose miteinander verbunden sind - und so die Aufnahme von Flüssigkeit ermöglicht wird. Zudem scheint es wie vom Lymphsystem im Rest des Körpers bekannt sogenannte Präkollektoren zu geben, die Flüssigkeit aus mehreren Lymphgefäßen sammeln und anschließend weitertransportieren. Diese Strukturen verfügen über Klappen, die einen Rückfluss verhindern und den kontinuierlichen Strom von Flüssigkeit in eine Richtung gewährleisten.
Die strukturellen Merkmale sprachen für eine Beteiligung der Lymphgefäße am Abtransport von Abfall aus dem Denkorgan - den entscheidenden Beweis brachte allerdings erst ein weiteres Experiment. Dafür leiteten die Wissenschaftler Kontrastmittel in den mit Hirnwasser gefüllten Subarachnoidalraum von Ratten ein und konnten so den Weg der Flüssigkeit beobachten. Tatsächlich zeigte sich: Die Kontrastmittel ließen sich schon bald in den Lymphgefäßen der Schädelbasis nachweisen und wanderten von dort weiter in die tiefliegenden Lymphknoten des Halses.
Diese Erkenntnis könnte nun auch neue Einblicke in neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer liefern. Denn Ahns Team stellte fest: Mit zunehmendem Alter scheinen sich die basalen Lymphgefäße bei Mäusen zu verändern und schlechter zu funktionieren. Das Interessante daran: Ein typisches Merkmal für Alzheimer ist die Ablagerung krankhaft veränderter Proteine im Gehirn. Möglicherweise könnte der im Alter schlechter funktionierende Abtransport von Proteinen und anderen großen Molekülen für die Entstehung der Erkrankung eine Rolle spielen, so die Vermutung der Wissenschaftler.
Die Rolle der Mikroglia bei der Gehirnreinigung
Wie bereits erwähnt, spielen Mikroglia eine zentrale Rolle bei der Reinigung des Gehirns. Um diese bisher wenig erforschten Zellbestandteile präzise zu analysieren, haben Forscher*innen des Universitätsklinikums Freiburg nun gemeinsam mit US-Kollegen eine innovative Methode entwickelt. Sie ermöglicht eine schnelle und funktionale Untersuchung der Phagosomen. Damit konnten sie bereits erste wichtige Erkenntnisse über deren Funktionen gewinnen, die Hinweise auf neue Therapieansätze für neurodegenerative Erkrankungen und Hirntumore bieten.
„Wir haben eine völlig neue Methode entwickelt, mit deren Hilfe die Phagosomen in menschlichen Zellen präzise entnommen und untersucht werden können“, sagt Erstautor Dr. Emile Wogram, Arzt und Wissenschaftler am Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg.
Mikroglia-Zellen sind an vorderster Front der Immunabwehr im Gehirn aktiv. Sie beseitigen zum Beispiel eindringende Bakterien, indem sie sie einhüllen und in ihren „Mägen“, den Phagosomen, weiterverarbeiten. Diese Phagosomen fungieren als eine Art „Müllverwertung“, indem sie die eingehüllten Eindringlinge mithilfe von Verdauungsenzymen abbauen. Auch abgestorbene körpereigene Zellen oder Zellbestandteile werden so täglich von den Fresszellen im gesunden Gehirn beseitigt und recycelt.
Die Methode ist so simpel, wie elegant: Im ersten Schritt werden die Fresszellen geöffnet und die Phagosomen mit Antikörpern an magnetische Kügelchen gebunden. Im zweiten Schritt werden die gebundenen Kügelchen samt der Phagosomen mit einem Magneten isoliert, gewaschen und schließlich analysiert.
„Wir konnten mit der neuen Methode bereits zeigen, dass die Phagosomen neben der Beseitigung von Zelltrümmern und Alzheimer-Plaques auch überflüssige oder beschädigte Verbindungen zwischen Nervenzellen entfernen. Dabei konnten wir erstmals genau nachvollziehen, welche Strukturen dafür genau abgebaut werden“, sagt Wogram. Die neue Methode ermöglichte es den Forscher*innen auch, Unterschiede zwischen Phagosomen in gesunden Geweben und in Tumorgeweben zu messen. Dabei stellten sie fest, dass Phagosomen in Tumorgeweben ungewöhnlich hohe Mengen an Chinolinsäure enthielten, welche für den Stoffwechsel im Gehirn verwendet werden kann, aber auch Nervenzellen schädigen kann.
Bewegung und Gehirngesundheit
Bewegung hält das Gehirn gesund. Es gibt keine „beste“ Sportart - wichtig ist, dass sie Spaß macht und regelmäßig ausgeübt wird. Gut geeignet sind:
- Ausdauersportarten wie Gehen, Radfahren oder Schwimmen für Herz und Kreislauf.
- Ganzkörpertrainings wie Yoga oder Pilates zur Förderung von Beweglichkeit und Balance.
- Tanzen oder Tai-Chi zur Stärkung der Koordination und des Gedächtnisses.
- Krafttraining zur Vorbeugung von Muskelabbau und Stürzen.
Neben gezieltem Sport hält auch Bewegung im Alltag Körper und Geist fit. Ein Spaziergang, Treppensteigen oder Gartenarbeit - jede Bewegung bringt den Kreislauf in Schwung, versorgt das Gehirn mit Sauerstoff und stärkt die geistige Fitness.
Bewegung hält das Gehirn aktiv und kann helfen, den Krankheitsverlauf von Menschen mit Demenz zu verlangsamen. Auch depressive Symptome, die oft als Begleiterscheinung einer Demenz auftreten, können durch Bewegung positiv beeinflusst werden. Wer sich bewegt, fühlt sich sicherer, spürt seinen Körper und bleibt besser in Kontakt mit seiner Umgebung. Besonders in Gruppen kann Aktivität Lebensfreude schenken und das Gefühl stärken, dazuzugehören.
Gammawellen-Stimulation
Die Stimulierung mit akustischen und optischen Signalen im Gamma-Frequenzbereich kann Studien zufolge eine Hirnreinigung anregen und typische Alzheimer-Proteine entfernen. Zumindest bei Mäusen. Bei dieser Reinigung so behaupten manche Forschende, könnten auch jene Ablagerungen aus dem Gehirn entfernen werden, die als Ursache von Alzheimer gelten. Grob gesagt sorgen die Gammawellen dafür, dass im Gehirn zwischen den Nervenzellen vermehrt Flüssigkeit zirkuliert und alzheimertypische Proteinklumpen ausschwemmt.
Was bei der 40-Hz-Stimulierung im Gehirn passiert, beschreibt das Team um Li-Huei Tsai vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Fachblatt "Nature". In "Nature" schreibt das Team, bei speziellen genetisch veränderten "Alzheimer-Mäusen" steigere die opto-akustische Stimulierung bei 40 Hz die neuronale Aktivität und senke gleichzeitig die Konzentrationen von Beta-Amyloid im Gehirn. Der Studie zufolge sorgt die Stimulierung dafür, dass im Gehirn der Mäuse besonders viel Flüssigkeit durch das Gewebe zirkuliert. Dieses Nervenwasser transportiere das Beta-Amyloid zwischen den Zellen aus dem Gehirn.
Außerhalb des Gehirns maß das Team bei jenen Lymphgefäßen, die die Hirnflüssigkeit ableiten, einen erhöhten Durchmesser, was für einen verstärkten Abtransport spricht. So faszinierend diese Vorgänge bei Mäusen sind: Ob sie beim Menschen das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit aufhalten oder verzögern, bleibt abzuwarten.
Derzeit prüft ein gutes Dutzend Studien das Potenzial des Ansatzes an Menschen - noch gibt es dazu keine Ergebnisse. Die meisten Untersuchungen sollen im Laufe des Jahres 2025 enden, dann folgt die Auswertung. Die Gammawellen-Behandlung gilt Studien zufolge als sicher. Auch gegen Parkinson und Multiple Sklerose will Tsai den Nutzen der Gammawellen-Stimulation prüfen.
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